Die Ossis sind mit der Demokratie nicht zufrieden. Ach wirklich? Und warum sind es die Wessis?

Sor­ry, ich kom­me erst jetzt dazu. Im Janu­ar schlug ein Bericht des Ost­be­auf­trag­ten Wel­len. Er wur­de, wie üblich verdreht.

Die taz schreibt zum Bei­spiel, dass nur noch 39% der Ost­deut­schen mit der Demo­kra­tie zufrie­den wären:

Das Kon­zept des Ost­be­auf­trag­ten ver­weist auf die gesun­ke­ne Zufrie­den­heit mit der Demo­kra­tie beson­ders in den öst­li­chen Bun­des­län­dern. Sie lag zuletzt nur noch bei 39 Prozent.

Anna Leh­mann: Ost­deut­sche sind als Füh­rungs­kräf­te in Bun­des­be­hör­den rar. Die Bun­des­re­gie­rung will gegen­steu­ern, taz, 26.01.2023, S. 6

Die Zeit titel­te „Ost­be­auf­trag­ter: Nur 39 Pro­zent der Ost­deut­schen zufrie­den mit der Demo­kra­tie.“ Der Unter­ti­tel ist dann:

Laut dem aktu­el­len Bericht des Ost­be­auf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung wach­sen in Ost­deutsch­land die Zwei­fel an der Demokratie. 

Mer­kur: Nur vier von zehn Ost­deut­schen zufrie­den mit der Demokratie

Süd­deut­sche: Nur vier von zehn Ost­deut­schen zufrie­den mit der Demokratie

Das ist mal wie­der einer die­ser Hie­be in die Ker­be „Die Ossis leh­nen die Demo­kra­tie ab / sind nicht demo­kra­tie­fä­hig / sind komisch / sind anders als wir / saßen zusam­men im Kin­der­gar­ten auf dem Töpf­chen und lie­ben des­halb Diktaturen.“

In der Mit­tei­lung des Ost­be­auf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung steht aber:

Dem „Deutsch­land-Moni­tor“ zufol­ge sind nur noch 39 Pro­zent der Ost­deut­schen zufrie­den mit der Demo­kra­tie, so wie sie in Deutsch­land funk­tio­niert. Gera­de ein­mal 32 Pro­zent von ihnen glau­ben, dass Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker das Wohl unse­res Lan­des wich­tig sei. Und zwei Drit­tel sind der Mei­nung, Ost­deut­sche wür­den häu­fig als Men­schen zwei­ter Klas­se behandelt.

Man­che Medi­en brin­gen die Ein­schrän­kung „so wie sie in Deutsch­land funk­tio­niert“, man­che wei­sen dar­auf hin, dass die Zustim­mung auch im Wes­ten sinkt. Man­che unter­las­sen das aber.

Als Ossi fra­ge ich mich, wie kann man mit dem, was in die­sem Land läuft denn zufrie­den sein? Eigent­lich geht das nur, wenn man mate­ri­ell abge­si­chert und poli­tisch unin­ter­es­siert ist. Ansons­ten habe ich hier ein paar Punk­te, die man komisch fin­den könnte:

  • Mas­ken­af­fä­re: Ver­un­treu­ung von Mil­lio­nen ohne recht­li­che Konsequenzen
  • Kor­rup­ti­on im Öl und Gas­ge­schäft bei CDU/CSU und SPD
  • Scheu­ers Ver­sen­kun­gen von Mil­lio­nen Euros im Maut­de­sas­ter ohne recht­li­che Konsequnezen
  • Scheu­ers Umlen­kung von Gel­dern in sei­nen Wahlkreis
  • Gif­feys pla­gier­te Dok­tor­ar­beit und Mas­ter­ar­beit. Gif­fey tritt nach Aberken­nung ihres Dok­tor­titls als Fami­li­en­mi­nis­te­rin der Bun­des­re­gie­rung zurück, macht aber dann als Regie­ren­de Bür­ger­meis­te­rin von Ber­lin naht­los wei­ter. What? Eine Die­bin und Betrü­ge­rin gut genug für Berlin?
  • Gif­fey wur­de 2022 mit 58,9% zur Par­tei­vor­sit­zen­den in Ber­lin gewählt. Trotz Rot-Grün-Roter Mehr­heit wur­de 2023 RGR nicht wei­ter­ge­führt, son­dern nach einer Mit­glie­der­be­fra­gung, die mit einer mil­li­me­ter­dün­nen Mehr­heit von 54% für Schwarz-Rot aus­ging, dann die Koali­ti­on mit der CDU begon­nen. Das gan­ze Gif­fey-Paket hät­te frü­her mehr­fach für einen Rück­tritt gereicht.
  • Pla­gia­te und Titel­be­trug bei diver­sen ande­ren Politiker*innen
  • Lob­by-Zugang für den Bun­des­tag zum Bei­spiel von Waffenhändlern
  • Der ehe­ma­li­ge Chef des Ver­fas­sungs­schut­zes, der von der Poli­tik fest­ge­legt wird, ist ein Nazi.
  • Der Minis­ter­prä­si­dent eines Bun­des­lan­des, der frü­her beim Öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk gear­bei­tet hat, for­dert die Strei­chung der Rund­funk­ge­büh­ren und ansons­ten alle drei Wochen das Gegen­teil von dem, was er frü­her gefor­dert hat. 
  • Por­sche ist life dabei bei der Aus­hand­lung des Koalitionsvertrags
  • Döpf­ner, Ver­lags­chef des Sprin­ger-Kon­zerns, weist sei­ne Blät­ter an, die FDP hoch­zu­schrei­ben, damit die­se dann die Koali­ti­on plat­zen las­sen kann.
  • Wie von Döpf­ner geplant, kann eine Par­tei, die für 11% der Wähler*innen steht, die Poli­tik der rest­li­chen Regie­rung sabo­tie­ren, wobei dazu natür­lich ein Machen-Sie-sich-kei­ne-Sor­gen-Kli­ma­kanz­ler gehört, der das mit sich machen lässt. 
  • Ver­hin­de­rung eines aus­sa­ge­kräf­ti­gen Ergeb­nis­ses beim Volks­ent­scheid durch die Tren­nung von Wahl­ter­min und Volks­ent­scheid in Ber­lin durch die SPD-Innensenatorin.

Viel­leicht sind wir Ossis alle etwas naiv. Wir waren geschockt, als wir sahen, was die Funk­tio­nä­re in Wand­litz alles hat­ten, obwohl das unter dem Niveau west­deut­scher Arbeiter*innen lag. Viel­leicht sind unse­re Ansprü­che an Politiker*innen ein­fach zu hoch. Höher als die der Wessis.

Viel­leicht geht es den Wes­sis auch ein­fach zu gut und/oder sie inter­es­sie­ren sich nicht so für die Kor­rup­ti­on und Berei­che­rung. Ist ja nor­mal, machen ja alle.

Also: Es ist nicht so, dass Ossis Demo­kra­tie als poli­ti­sches Sys­tem ableh­nen. Im Gegen­teil, die Zustim­mung zur Demo­kra­tie an sich war zumin­dest 2018 sogar noch höher als im Wes­ten 95% vs. 93% (Stu­die der Uni­ver­si­tät Leip­zig). Was abge­lehnt wird, ist die Art und Wei­se, in der Din­ge gera­de lau­fen. Und hier ist die Fra­ge an die 59% der Wes­sis, die mit der Demo­kra­tie, wie sie gera­de in Deutsch­land funk­tio­niert, zufrie­den sind: What’s wrong with you?

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