Ich freue mich wie Bolle, dass jetzt viele Leute Twitter verlassen und zu Mastodon wechseln. Und die Blogs kann man auch vernetzen dank ActivityPub-Plugin für WordPress.
Also: Wenn Ihr Euch für den Osten aus Sicht eines eingeschnappten [=:-)] Ossis interessiert, folgt Stefan@so-isser-der-ossi.de.
Nochmal ohne Quatsch: Ossis sind in den Redaktionen unterrepräsentiert, sie haben in Firmen und öffentlichen Einrichtungen keine Stimme und ich kommentiere hier ab und zu grobe Falschdarstellungen. Zum Teil auch von Ossis selber. Es geht viel um Nazis, aber auch um Gendern, Gleichberechtigung, Kinderlandverschickungen/Kuren usw.
In diesem Beitrag bespreche ich die Voraussetzungen für eine Wahl in den Bundestag, das Problem, das die gegenwärtigen Krisen für die Demokratie darstellen und Möglichkeiten zur Erweiterung derselben. Ein abschließender Abschnitt ist den Menschheitskrisen und sich daraus ergebenden neuen Anforderungen an Politiker*innen gewidmet.
Voraussetzungen für die Wahl
Als ich mit meinen Eltern über meine Bundestagskandidatur für Die PARTEI Erlangen gesprochen habe, waren sie skeptisch. Mein Vater war der Meinung, dass das doch Menschen machen sollten, die etwas entsprechendes studiert haben. Politikwissenschaften, oder so. Tja, so sind wir, wir Ossis. Wir fragen uns, ob wir Dinge können, und im Zweifelsfall lassen wir die Blender vor (hatte ich Andreas Scheuer, MA mit seinem Fake-Doktortitel schon erwähnt?), die einfach selbstbewusst auftreten. Es gibt dazu einen schönen Witz aus Nachwendezeiten: Frage: „Warum dauert das Abitur im Westen 13 Jahre, aber im Osten nur 12 Jahre?“ Anwort: „Weil im Westen noch ein Jahr Schauspielunterricht dabei ist!“ Regine Hildebrandt (1990 Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen in Brandenburg) erzählt ihn sehr gut zum Anfang einer MDR-Dokumentation über Ost-Frauen:
Regine Hildebrandt erzählt den Abitur-Witz. 2. Teil einer dreiteiligen Dokumentation über Ostfrauen, MDR
Ich persönlich kann mich über mangelndes Selbstvertrauen nicht beklagen. Das liegt allerdings daran, dass ich Wissenschaftler bin und da ist die Sachlage oft sehr klar. Ich hatte einfach immer Recht. Also meistens. Also ausreichend oft.1
Was qualifiziert einen dazu, in den Bundestag zu gehen? Muss man Politikwissenschaftler*in sein? Nein, 2013 kandidierte ein Kollege, ebenfalls Sprachwissenschaftler, für eine damals gerade neu gegründete Partei. Das fand niemand lustig. Nun kandidiere ich für Die PARTEI. Das finden hoffentlich einige lustig. Der Hufeisen-Stefan Müller von der CSU, gegen den ich antrete, ist Bankfachwirt, viele CSU-Mitglieder sind Bauern. Julia Klöckner ist Weinkönigin. Sie kann sehr gut lächeln. Das ist genau die Qualifikation, die sie braucht. Zum Beispiel zum Kuscheln mit Nestlé:
Julia Klöckner sagt in ihrem Beitrag, dass sie in ihrem Gespräch mit Nestlé viel Neues erfahren hat. Über Nestlé hätte sie schon vorher viel erfahren können. Zum Beispiel aus dem Film We feed the world – Essen global. Ich will das hier nicht zusammenfassen, da bekomme ich nur schlechte Laune. Guckt Euch den Film einfach an.
Lobbyismus und Repräsentativität
Aber jetzt ganz im Ernst: Der Bundestag besteht aus vom Volk gewählten Vertreter*innen, die die Interessen der Wähler*innen bzw. von Gruppen von Wähler*innen vertreten sollen. Also eigentlich Lobbyismus. Viele CDU/CSU-Abgeordnete sind (Groß-)Bauern und sitzen auch im Agrarausschuss des Bundestages (62% der CSU/CDU, 25% der Grünen, 0% bei den anderen, taz, 17.03.2021). Außer ihrer Parteimitgliedschaft haben sie keine besondere Qualifikation. Auch das ist in Ordnung (aber siehe unten). Das einzige Problem ist, dass Lobbyismus in CDU/CSU und leider auch der SPD bisher intransparent geblieben ist und dass die CDU/CSU sich gegen entsprechende Gesetze gewehrt hat.
Marco Bülow (Ex-SPD, jetzt Die PARTEI) spricht beim Klimamontag von Berlin4Future über Korruption und Lobbyismus, Berlin, Alexanderplatz, 07.09.20, Bild: Stefan Müller, CC-BY
Es muss transparent sein, wer was im Bundestag macht und was dabei die Interessen der jeweiligen Person sind oder sein könnten. Dann können Wähler*innen frei entscheiden, ob sie jemanden wählen wollen oder nicht.
Grob vereinfacht kann man also als Grundvoraussetzung für ein Bundestagsmandat eine Parteizugehörigkeit, die Fähigkeit zu lächeln2 und Menschen zu begeistern und für gewisse Positionen die Fähigkeit zu führen annehmen. Reicht das für eine funktionierende Demokratie? Leider nicht, denn der Bundestag ist nicht divers genug. Küppersbusch fasst zusammen:
„Von der Idee, alle Stände und Berufe im Parlament vertreten zu sehen ist wenig übrig. Im Bundestag sitzen 203 Abgeordnete aus dem Öffentlichen Dienst und zwei, die privat Hausmannfrau sind. 101 arbeiten bei „gesellschaftlichen Organisationen“ wie etwa Parteien, vier sind arbeitslos oder ohne Beruf. Das Parlament bildet die Gesellschaft nicht mehr ab, und das schaffte auch Fallhöhe für eine Rabulistenfraktion rechtsaußen.“
Friedrich Küpersbusch: Corona, CDU und Grüne: Impfparty mit Scheibe.(taz, 06.04.2021)
Für das Problem, dass sich Teile der Bevölkerung nicht repräsentiert fühlen, gibt es eine Lösung. Repräsentativ zusammengestellte, geloste Bürger*innenräte. Diese würden auch das Lobbyismus-Problem abmildern und sie sind wichtig für Problemfelder, die Politiker*innen systembedingt nicht bearbeiten können. Wie funktioniert das im Detail und warum?
Gewisse Probleme können bzw. wollen Politiker*innen nicht angehen, weil sie das je nach Problemlage 5–10% ihrer Wähler*innen kosten könnte und weil die gesamte gegenwärtige Politik auf Machterhalt und Wiederwahl in vier bzw. fünf Jahren ausgerichtet ist. Ein Beispiel für einen Bürger*innenrat war der, der zum Thema Abtreibung in Irland durchgeführt wurde. Es wäre für Politiker*innen schwer gewesen, sich hinzustellen und zu sagen: „Ich bin für Abtreibung.“ Es wurde also ein Bürger*innenrat zusammengestellt. Dazu wurde eine repräsentative Gruppe von 100 Personen ausgewählt. Repräsentativ heißt, dass die Zusammensetzung der Altersstruktur, der sozio-ökonomischen Struktur usw. des jeweiligen Landes entspricht. Wer letztendlich in diesem Rat sitzt, wird nach der repräsentativen Vorauswahl durch ein Losverfahren entschieden. Der Bürger*innenrat trifft sich dann über mehrere Wochen und bekommt Input von Expert*innen zum jeweiligen Problem (Recht, Gesund, Ökonomie, Klima, Verkeher, whatever), so dass alle Aspekte gut aufgearbeitet sind. (Das unterscheidet die Räte von Volksentscheiden, bei denen einfach jede*r Einzelne aus dem Bauch heraus entscheidet.) Die 100 Personen kommen dann zu einem Schluss, der hoffentlich von einer breiten Mehrheit der Gesellschaft mitgetragen wird. Das folgende Video über das Referendum zur Abtreibung in Irland erklärt alle Punkte sehr gut:
Außer diesem Bürgerrinnen*rat zur Abtreibung gab es auch in Frankreich schon einen zum Thema Klimaschutz. Die Regierung Macron hat Teile der Empfehlungen auch übernommen.
Dass Bürger*innenräte kein Hirngespinst irgendwelcher Revoluzer oder Sozialromantiker sind, sieht man auch daran, dass Wolfgang Schäubele (Bundestagspräsident, CDU) sie unterstützt.
Bürgerrat Demokratie Veranstaltung mit Bundespräsident Wolfgang Schäubele, 15.11.2019
Das Lobbyismusproblem würde duch Bürger*innenräte zwar nicht gelöst, aber zumindest auch abgemildert, weil es nicht möglich ist, langjährige Netzwerke und Abhängigkeiten aufzubauen, wenn die Ratsmitglieder zufällig ausgewählt sind und nur zu wenigen Sitzungen zusammenkommen.
Dass beim Thema Lobbyismus und Korruption dringend etwas passieren muss, zeigt auch das Rezo-Video, um das es im folgenden Abschnitt geht.
Krisentauglichkeit
Rezo hat die gegenwärtige Situation mal wieder schön zusammengefasst: Unsere gegenwärtige Regierung ist korrupt, machomässig unterwegs und inkompetent:
Rezo zerstört die Corona-Politik, 05.04.2021
Was man in der aktuellen Situation braucht, ist die Fähigkeit, eine Bedrohungslage einzuschätzen. Man muss Exponentialkurven verstehen können und man muss einschätzen können, wie eine weitere Entwicklung verlaufen wird. Niemand, der ein Ministerium leitet, versteht alle fachlichen Details. Das muss auch nicht so sein, aber es braucht Selbstbewusstsein und menschliche Größe und ein Urteilsvermögen, um einschätzen zu können, dass man selbst an bestimmten Stellen inkompetent ist und sich auf Expert*innen verlassen muss. Rezo hat die wesentlichen Videoschnipsel der letzten Wochen zusammengeschnitten und belegt, dass unsere Bundesregierung/Ministerpräsidentenkonferenz ein inkompetenter, arroganter Machohaufen ist. Aus der Bezeichnung Machohaufen (klingt irgendwie wie Matschhaufen, vielleicht ist er ja nach dem Corona-Winter weg) folgt auch, dass Angela Merkel nicht eingeschlossen ist. Sie hat Physik studiert und versteht Exponentialkurven. Das ist es, was wir brauchen. Also nicht unbedingt die Phsyik aber die Exponentialkurven (Mein Vater hat mich darauf hingewiesen, dass das Oberstufenschulstoff ist.). Die folgende Kurve zeigt das Infektionsgeschehen in Deutschland. Man sieht sehr schön die erste, zweite und dritte Welle.
Dritte Welle kurz vor dem Rumgeeiere der Ministerpräsidentenkonfernez vor Ostern 2021
Diese Entwicklungen wurden vorhergesagt. Es wurden mathematische Modelle gebaut, die genau das vorhergesagt haben, was eingetreten ist. (Siehe Fußnote 1 zu formalen Modellen in der Sprachwissenschaft.) In vielen Situationen hilft es, einen Phänomenbereich zu modellieren. Man kann dann Vorhersagen einer Theorie bestimmen und ein Abgleich mit der Wirklichkeit hilft einem, Rückschlüsse auf die Qualität der Theorie zu ziehen. Wie das Rezo-Video zeigt, wurden die Gefahren, vor denen unser Land stand und immer noch steht, ignoriert und Politiker (ohne *innen) sind sich nicht zu blöd, sich vorn hinzustellen und das auch noch richtig zu finden.
Exponentieller Zunahme von CO2 in der Atmosphäre in den letzten Jahrzehnten Quelle: CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=694303
Klimawissenschaftler*innen bauen komplexe Modelle zu den Entwicklungen, die uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bevorstehen. Sie sind sehr zurückhaltend und nicht alarmistisch. Das entspricht der Seriosität, die in der Wissenschaft üblich ist. Ein Kollege von der Humboldt-Uni, der wie ich auch bei den Scientists4Future aktiv ist, hat noch vor zwei Jahren den Begriff Klimakrise abgelehnt, weil er ihn für zu alarmistisch hielt. Die Klimawissenschftler*innen sind sich einig: Wir haben ein Problem. Ein großes! Die Klimakrise ist um ein Vielfaches größer als das, was wir jetzt erleben. Corona macht keinen Spaß? Dann kämpft dafür, dass wir nicht Corna++ bekommen!
Angela Merkel versteht das alles, aber leider ist Angela Merkel eine lame duck. Sie konnte sich bei Corona nicht gegen ihre Matsch-Kumpels durchsetzen. Auch die Öko-Bilanz ist finster. Merkel war Umweltministerin und hat auf die Klimaprobleme hingewiesen.
Buchpublikation von Angela Merkel 1997
Sie hat schon 1997 klar aufgezeigt, was getan werden muss. Was passiert ist, ist aber so ziemlich das Gegenteil von dem, was wir gebraucht hätten.
Christian Lindner und mein Vater3 sagen: Die Klimaprobleme und die große Politik sollten doch die Profis regeln. Diese haben aber versagt. Wir können nicht mehr warten (und Lindner hat ja eh keine Lust zu regieren). Und deshalb machen wir das jetzt selbst! Los! Wie Rezo sagt: Besser als die sind wir allemal!
Ein (zukünftiger) Profi demonstriert bei Fridays For Future Demonstration in Berlin, 15.03.2019 Bild: Stefan Müller, CC-BY
Die Behauptung, die Ossis seien nicht demokratiefähig, findet sich immer wieder. In den Print-Medien, im Radio, im Fernsehen, ja, sogar im Internet.1 Aber, und hier stimme ich zum ersten Mal in meinem Leben mit der AfD überein, was haben sie getan: Sie haben bei einer demokratischen Wahl eine im normalen demokratischen Prozess aufgestellte Partei gewählt. In Sachsen hatte diese Partei das mit dem Prozess zwar nicht so richtig gerafft und hat Fehler bei der Aufstellung der KandidatInnen gemacht, aber sonst alles prima. Und wie Kalbitz mit einem süffisanten Lächeln bemerkte, hat die AfD sogar Nicht-Wähler mobilisiert. Und zwar wie die Analyse der Wählerwanderung zeigt: 115.000 in Brandenburg und 246.000 in Sachsen! In Sachsen stieg die Wahlbeteiligung um 17,5 % in Brandenburg um 15,2 %.
Ja, sie haben Nazis gewählt. Vertreter (ohne ‑Innen) des Flügels, der vom Verfassungsschutz jetzt offiziell als kritisch eingestuft wird. Schauen wir uns die Partei, die zur Wahl stand, mal an.
Zusammensetzung des Vorstands / Personal in den Bundesländern / Rechtsextreme
Sie wurde 2013 gegründet von neoliberalen Professoren/Akademikern, die den Euro ablehnten.
Prof. Dr. Bernd Lucke (West-Berlin, Austritt 2015 nach Abwahl als Vorsitzender zugunsten von Petry auch wegen ausländer- und islamfeindlicher Tendenzen)
Albrecht Glaser (Worms, persönlicher Referent des Rektors der Uni Heidelberg, noch Mitglied und im Vorstand)
Andreas Kalbitz (Brandenburg, München, am 15.05.2020 mit sieben gegen fünf Stimmen bei einer Enthaltung wegen falscher Angaben bzgl. Unvereinbarkeitsliste ausgeschlossen)
Birgit Bessin (Brandenburg, Worms; ab 09.04.2022 Nachfolger von Kalbitz, gilt als Kalbitz Vertraute)
Man kann also zusammenfassen, dass im Vorstand 2 von 8 Personen aus dem Osten sind. Dazu noch Alice Weidel im Bundestag an prominenter Position. Also 2 von 9. Von den fünf neuen Bundesländern haben zwei einen Ostdeutschen zum Vorsitz. Inzwischen ist Andreas Kalbitz durch den rechtsextremen Hans-Christoph Berndt ersetzt worden, der aus dem Osten ist.
Prominente Rechtsextreme/Nazis sind (fortwährend aktualisiert, die Namen verlinken auf die Wikipedia-Seiten, auf denen alles ausführlichst belegt ist):
Doris von Sayn-Wittgenstein (Arolsen, Hessen, rechtsextrem, Kontakt zu Reichsbürgern und Holocaustleugnern, bei laufendem Auschlussverfahren Wiederwahl zur Landesvorsitzenden Schleswig-Holstein)
Marcus Pretzell (Rinteln, Niedersachsen, Rechtsanwalt, Immobilienentwickler, seit 2013 dabei, 2016 Beitritt zur rechtsextremen Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF), Ehemann von Frauke Petry aber immer noch in der AfD)
Wolfgang Gedeon (Cham, Bayern, Antisemit, Flügel, die AfD-Fraktion in Baden-Würtemberg bekam keine 2/3‑Mehrheit zusammen, die für einen Ausschluss von Gedeon nötig gewesen wäre, nach Spaltung der Fraktion wurde weiter mit ihm zusammengearbeitet, im September 2019 spachen sich über die Hälfte der Landtagsabgeordenten für eine Wiederaufnahme von Gedeon in die Fraktion aus, im Oktober 2019 scheiterte das zweite Ausschlussverfahren)
Joachim Paul (Bendorf, Reihnland-Pfalz, Fraktionsvize Reihnland-Pfalz, hat höchstwahrscheinlich in NPD-Zeitschrift H&J publiziert, mit 107 von 127 Stimmen zum stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt)
Dennis Augustin (Hamburg, Landesvorsitzender Mecklenburg-Vorpomern 2017–2019, NPD-Mitglied, 2019 wegen Verheimlichung der NPD-Mitgliedschaft ausgeschlossen)
Jens Meier (Bremen, 2017 über Landesliste Sachsen (Platz 2) in den Bundestag eingezogen, vom Sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft, er war Obman des Flügels)
Ralph Weber (Bad Mergentheim, Baden-Würtemberg, ab 2016 im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Kontakte zu NPD, DVU, Tragen von Thor-Steinar-Sachen in der Universität, Einladung von Rechtsextremen zu Vorträgen, Promotion eines klar faschistischen Neonazis, 2021 Austritt)
Thorsten Weiß (Berlin, Steglitz-Zehlendorf, bis zu dessen Selbstauflösung im April 2020 Landesobmann des rechtsnationalen Parteiflügels „Der Flügel“ in Berlin, welcher 2020 vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurde. Er gilt als Vertrauensmann des thüringischen Landes- und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke)
Dr. habil. Gottfried Curio (Berlin, Gymnasium in Schmargendorf, kommt im Bericht des Bundesamtes für Verfassungschutz mit ausländerfeindlichen Äußerungen vor, die „die Grenze der verfassungsschutzrechtlich zulässigen Kritik“ überschreiten und gegen diverse Artikel des Grundgesetzes verstoßen)
Carl-Wolfgang Holzapfel (Berlin-Zehlendorf, von der Berliner AfD 2022 in die Bundesversammlung entsandt hat 1973 die Entführung einer British-European Airways-Maschine von Stuttgart nach Moskau angekündigt, um die Freilassung von Rudolf Heß zu erreichen)
Stephan Protschka (Dingolfing, Bayern, beschäftigte Identitäre und stiftete im November 2019 mit anderen verfassungsfeindlichen Organisationen in Polen ein Kriegerdenkmal, auf dem auch Organisationen geehrt werden, die Polen und Juden ermordeten. Darüber wurde in tagesschau und Presse ausführlich berichtet, aber Protschka wurde im Dezember 2019 auf dem AfD-Bundesparteitag zum Beisitzer im AfD-Bundesvorstand wiedergewählt.)
Thomas Seitz (Ettenheim, Baden-Württemberg, Flügel, wegen rassistischer Äußerungen Richteramt für 8 Jahre abgesprochen, Verfassungstreue nicht gegeben)
Johannes Huber (Moosburg an der Isar, Bayern, Flügelnähe, beschäftigte Rechtextreme Mitarbeiter*innen im Bundestag, antisemitische und rechtsextreme Verschwörungtheorien)
Matthias Helferich (Dortmund-Hombruch, Kontakte zu Dortmunder Neo-Nazis, bezeichnet sich selbst als „das freundliche Gesicht des NS“, trägt Nazisymbole, Meuthen hat Ausschlussverfahren beantragt, dafür fand sich aber keine Mehrheit im Vorstand und Tino Chrupalla und Alice Weidel stimmten für Helferichs Verbleib in der Partei!)
Josef Dörr (Illiingen, Saarland, sollte vom Bundespartei wegen „allzu enge Kontakte zu rechten und neonazistischen Kreisen“ aus der AfD ausgeschlossen werden. Hat im Jahr 2015 Mitgliedern der Freien Bürger Union satzungswidrig Doppelmitgliedschaften angeboten. taz, 12.03.2022)
Andreas Winhart (out of Rosenheim, Bayern, seit 2021 Vorstand der AfD-Landtagsfraktion, durch rassistische und antisemtsiche Äußerungen bekannt. Mit Mordaufrufen gegen Seenotrettung 2018. Bis 2019 unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.)
Emil Sänze (Beuren, Baden-Württemberg, Landtagsabgeordneter und Co-Vorsitzender des AfD-Landesverbandes Baden-Württemberg, fand die antisemitischen Äußerungen von Gedeon (siehe oben) nicht so schlimm … Gehört zum Stuttgarter Aufruf, studierte Betriebswirtschaft in Konstanz, arbeitete bei der Deutschen Bank und für die BMW Bank GmbH)
Rechtsextreme, die verurteilt wurden laut Volksverpetzer:
Marie-Thérèse Kaiser (Sottrum, Niedersachsen, Fotomodell und Influencerin wegen Volksverhetzung verurteilt, arbeitet für rechtsextremen Verein „Ein Prozent“)
Hier noch eine Liste von Wikipedia-Seiten von AfD-Politiker*innen, auf denen nicht steht, dass die betreffenden Personen rechtsextrem sind, aber stattdessen ausländerfeindliche, anti-demokratisch oder sonst wie geartete Meinungen bekundet werden, die normalerweise Ossis vorgeworfen werden:
Nicolaus Fest (Hamburg, islamfeindlich und grundgesetzwidrig, weil er entgegen der Religionsfreiheit alle Moscheen schließen will, unter Merkel drohe Ent-Parlamentarisierung parallel zum Ermächtigungsgesetz der Nazis, will völkischen Flügel in AfD-Berlin integrieren, siehe auch taz, 15.02.22)
Man kann also zusammenfassend sagen: Die AfD wurde von West-Professoren gegründet und sie wird von Westdeutschen geleitet. Prominente Rechtsextreme bzw. Nazis kommen aus dem Westen und wurden zum Teil auch nach angelaufenen Ausschlussverfahren in ihren Ämtern bestätigt.
Demokratieversagen?
Was ist passiert? 25 % der sächsischen und brandenburgischen WählerInnen haben eine Nazi-Partei gewählt. Haben sie sich undemokratisch verhalten? Nein. Siehe oben. Wie konnte das überhaupt passieren? Wieso gab es das früher nicht? Es gab im Westen immer schon solche Parteien wie die NPD, die DVU, die Republikaner. Das Gute war: Die waren zu doof. Sobald sie irgendwie nennenswerte Stimmenanteile bekamen und Positionen besetzen konnten, brach alles zusammen, weil die nötige Strukturiertheit und der Durchhaltewille fehlten. Das ist nun anders. Neoliberale Professoren haben diese Partei gegründet und auf einen rechtskonservativen Weg gebracht. Die Partei wurde dann schrittweise von Nazis übernommen, bei den Machtspielchen von Lucke, Petry und Gauland ist eben einiges schief gelaufen.
Wer hat versagt? Wir alle. Ja, unsere Demokratie hat versagt. Spätestens seit Maaßen ist das klar. Verfassungsschutzchef Maaßen (CDU, Mönchengladbach, Nordrhein-Westfalen) konnte in Chemnitz keine Hetzjagden erkennen und es hat ein Jahr gebraucht, bis dann irgendwie doch klar war, dass es Hetzjagden gab. Seehofer (CSU) hat Monate gebraucht, bis er Maaßen endlich gefeuert hat. Kurt „Die Sachsen sind immun gegen Rechtsextremismus.“ Biedenkopf konnte in Sachsen keine rechtsextremen Tendenzen feststellen. Der sächsische Verfassungsschutz war ihm offensichtlich keine große Hilfe. Kleine gemeine Frage: Wer hat den Verfassungsschutz im Osten aufgebaut? Wer die Polizei? Die Ostdeutschen? Nee. Wie war das mit dem NSU? Nix gemerkt? Oder vielleicht doch sogar einer vom Verfassungsschutz beim Mord dabei gewesen? Wir haben riesige rechtsextreme Netzwerke mit Todeslisten (Hannibal), rechtsextreme Vorfälle in Armee und Polizei. Gar einen Mord mit rechtsextremen Hintergrund in Hessen (wurde leider bei der Meldung der Straftaten mit rechtsextremen Hintergrund vergessen, upsi).
Und nun? Verbieten? Ist nicht so einfach, wenn die Partei bereits 25 % der Stimmen bekommen hat.
Sind die Ostdeutschen nicht demokratiefähig?
Eine Studie der Universität Leipzig hat ergeben, dass die Ostdeutschen Demokratie grundsätzlich befürworten und zwar zu 95 % (im Westen nur 93 %). Ein Teil der WählerInnen hat eine rechtsextreme Partei gewählt. Diese wurde von Westdeutschen Professoren gegründet und etabliert und wird immer noch überwiegend von Westdeutschen geleitet. Aufgrund der spezifischen Situation im Osten sind Menschen dort für rassistische und nationalistische Positionen und den Quatsch, den die AfD von der Wende erzählt, empfänglich. Insgesamt ist es aber so, dass dieses Land, das gesamte Land, ein Rechtsextremismusproblem hat. Dieses kann man nur gemeinsam lösen und man löst es nicht durch Fingerzeigen und Bemerkungen von oben nach unten. Das Positive ist, dass die jüngsten Ereignisse zu einer Politisierung und auch zu einem Umdenken in der Politik geführt haben:
Dennoch geben die Wahlen für allzu apokalyptische Deutungen keinen Anlass. In dem Schlamassel stecken Geschichten, die Mut machen. Sie spielen jenseits der klassischen Parteienarithmetik und klingen nach Aufbruch und Erneuerung. Da wäre zum Beispiel eine umfassende Politisierung der Gesellschaft, die bei Wahlveranstaltungen von CDU, SPD, Grünen oder Linken zu spüren war. Die Menschen kamen, sie waren viele, und sie redeten ernsthaft über Politik. Über schrumpfende Dörfer, über Züge, die nicht mehr fahren, über die Braunkohle – und über Konzepte, die es besser machen. Was selten vorkam, war das imaginierte Zuviel an Migration. Es fand eine Erdung statt, die vor einem Jahr undenkbar schien, als Neonazis durch Chemnitz marodierten. Die demokratische Mehrheit hat sich diskursive Räume zurückerkämpft und mit Leben gefüllt. Von Desinteresse der BürgerInnen kann keine Rede sein, es gibt ein Bedürfnis nach Teilhabe und Engagement. Das, was Ost- und Westdeutschland 30 Jahre nach der Wende trennt, liegt jetzt auf dem Tisch, für alle sichtbar. Auch die Parteien haben viel richtig gemacht. Oben auf der Bühne steht einer, belehrt die anderen und wird gewählt – so funktioniert es nicht mehr. CDU-Mann Kretschmer hat im Wahlkampf gefühlt jedem Sachsen persönlich die Hand geschüttelt, der Grüne Habeck in seinen Town Halls auch dem kritischsten Atomkraftfan minutenlang geantwortet.
Ernsthaft ins Gespräch kommen, Zugewandtheit zeigen, das ist ein Anfang, aus dem etwas entstehen kann. Die Zivilgesellschaft und die demokratischen Parteien befinden sich in einer Suchbewegung – aufeinander zu.