Juden in den politischen Administrationen in der DDR und der BRD

Im Fol­gen­den zei­ge ich zwei Tabel­len. Sie basie­ren auf einem For­schungs­pro­jekt, das neben vie­len ande­ren Daten den reli­giö­sen Hin­ter­grund aller Mitarbeiter*innen in der Staats­füh­rung und Admi­nis­tra­ti­on im Kai­ser­reich, der Wei­ma­rer Repu­blik, im Natio­nal­so­zia­lis­mus, in der BRD und der DDR erho­ben hat. Dabei wur­den immer, soweit zugäng­lich, die obers­ten drei Hier­ar­chie­ebe­nen erfasst. 

Stro­bel et. al. 2021. Daten­be­richt zur Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ve Eli­te der
DDR unter Wil­li Stoph I (1964–1973)

BRD

Tabel­le 1 zeigt den Anteil der Juden in den Eli­ten von 1949 bis 1998, Tabel­le 2 den der Juden in der DDR von 1949 bis 1989. Wie man sehen kann, ist der Anteil der Juden in der BRD 0. Kein ein­zi­ger war dort an Regie­run­gen betei­ligt. In der ers­ten Spal­te sind die Minis­ter zu sehen, in der zwei­ten die Verwaltung.

Politiker*innenBeamt*innen
Kon­rad Ade­nau­er 1949–1963 0/51 0/283
Lud­wig Erhard (1963–1966)
0/28
0/186
Georg Kie­sin­ger (1966–1969)
0/32

0/208
Wil­ly Brandt (1969–1974)
0/52
0/251
Hel­mut Schmidt (1974–1982)
0/64

0/279
Hel­mut Kohl (1982 – 1998)
0/133
0/480

DDR

In der DDR gab es neun, dann acht, dann einen. Even­tu­ell hat es noch wei­te­re gege­ben, aber die Daten, die in Kas­sel aus­ge­wer­tet wer­den konn­ten, waren im Gegen­satz zu denen, die für die BRD vor­la­gen, nicht vollständig.

In der ers­ten drei Spal­ten fin­det man Politiker*innen, in den zwei­ten drei Spal­ten das Ver­wal­tungs­per­so­nal. In der ers­ten Spal­te fin­det man jeweils die abso­lu­ten Zah­len. Danach kommt eine Anga­be in Pro­zent bezo­gen auf die gesam­te Grup­pe. Die jeweils drit­te Spal­te gibt den Pro­zent­wert in Bezug auf den Rück­lauf. D.h. wenn die Reli­gi­on nicht bekannt war, wur­de die betref­fen­de Per­son nicht mitgezählt.

Pro­zentGül­ti­gePro­zentGül­ti­ge
Otto Gro­te­wohl (1949–1964)9/3342,7%11,1%1/911,1%100%
Wil­li Stoph I (1964–1973)8/3792,1%16,3%1/205,0%33,3%
Horst Sin­der­mann (1973–1976)1/2910,3%3,4%0/6
Wil­li Stoph II (1976–1989)0/3950/11

Die Kass­ler Unter­su­chung lis­tet die jewei­li­gen Mit­glie­der der Admi­nis­tra­ti­on nament­lich auf. Man kann die Lis­ten also durch­ge­hen und nach Per­so­nen in Wiki­pe­dia suchen. Bis­her habe ich fol­gen­de Juden gefunden:

Bei den Juden, die ich in den Kass­ler Lis­ten fin­den konn­te, habe ich nach­ge­se­hen, war­um sie nach 1976 nicht mehr in den Regie­run­gen geführt wer­den. Wie man den fol­gen­den Zita­ten aus Wiki­pe­dia ent­neh­men kann, lag das nicht dar­an, dass sie irgend­wie in Ungna­de gefal­len wären. Auch ist zu berück­sich­ti­gen, dass Ver­folg­te des Nazi­re­gimes bereits mit 60 Jah­ren in Ren­te gehen konn­ten (Gosch­ler, 1993: 107). (Frau­en mit 55)

Über Her­bert Grün­stein steht fol­gen­des in Wikipedia:

Im Janu­ar 1951 wur­de er als Nach­fol­ger des abge­setz­ten Gene­ral­inspek­teurs Hans Klein Lei­ter die­ser Abtei­lung, die 1952 in Poli­ti­sche Ver­wal­tung umbe­nannt wur­de. Von Sep­tem­ber 1955 bis 1957 war er Stell­ver­tre­ter und vom Febru­ar 1957 bis Okto­ber 1973. Stell­ver­tre­ter des Minis­ters des Innern und gleich­zei­tig Staats­se­kre­tär im MdI. Im Juli 1957 wur­de er vom Chef­inspek­teur zum Gene­ral­ma­jor umat­tes­tiert und am 29. Juni 1962 auf Beschluss des Minis­ter­ra­tes der DDR zum Gene­ral­leut­nant beför­dert.
Von 1974 bis 1984 war er stell­ver­tre­ten­der Gene­ral­se­kre­tär bzw. Sekre­tär für inter­na­tio­na­le Bezie­hun­gen der Gesell­schaft für Deutsch-Sowje­ti­sche Freund­schaft (DSF), von 1976 bis 1989 Vor­sit­zen­der des Bezirks­ko­mi­tees Ber­lin der Anti­fa­schis­ti­schen Wider­stands­kämp­fer der DDR und gleich­zei­tig Mit­glied der SED-Bezirks­lei­tung Ber­lin. Er war 20 Jah­re lang von 1953 bis 1973 neben Erich Miel­ke zwei­ter Vor­sit­zen­der der Zen­tra­len Lei­tung der Sport­ver­ei­ni­gung Dyna­mo.
Grün­stein war Mit­glied des Vor­stan­des der Stif­tung Neue Syn­ago­ge Ber­lin – Cen­trum Judai­cum. Sei­ne jüdi­sche Iden­ti­tät hielt er – auch vor sei­ner Toch­ter Eva Grün­stein-Neu­mann – lan­ge verborgen.

Lei­der weiß man nicht wie lan­ge „lan­ge“ war. Sicher kann man Grün­stein dann aber nicht als Beweis für Anti­se­mi­tis­mus oder das Gegen­teil in der DDR heranziehen.

Über Hertz­feldt steht fol­gen­des in Wikipedia:

Hertz­feldt gehör­te zu den weni­gen Juden, die in Ber­lin die NS-Herr­schaft in der Ille­ga­li­tät über­leb­ten.
Nach Kriegs­en­de 1945 war er im Jugend­not­ein­satz als Zim­mer­mann tätig. Hertz­feld war Grün­dungs­mit­glied der Anti­fa-Jugend und der Frei­en Deut­schen Jugend. 1945 trat er der KPD bei und Hertz­feldt war der jüngs­te Dele­gier­te auf dem Ver­ei­ni­gungs­par­tei­tag von KPD und SPD zur SED. Von 1947 bis 1949 war er Jour­na­list beim Ber­li­ner Rund­funk und anschlie­ßend bis 1962 als Mit­ar­bei­ter in der Redak­ti­on der theo­re­ti­schen Zeit­schrift des ZK der SED „Ein­heit“ und spe­zia­li­sier­te sich auf Außen­po­li­tik. Zwi­schen­zeit­lich absol­vier­te er von 1954 bis 1957 ein Stu­di­um an der Par­tei­hoch­schu­le beim ZK der KPdSU in Mos­kau mit Abschluss als Diplom-Gesell­schafts­wis­sen­schaft­ler.
1962 trat er in den diplo­ma­ti­schen Dienst der DDR. Von 1962 bis 1965 war Hertz­feldt Gene­ral­kon­sul der DDR in Jakar­ta. Von 1966 bis 1969 war er als einer der Stell­ver­tre­ter des Außen­mi­nis­ters tätig und ver­trat die DDR anschlie­ßend von März 1969 bis 1973 als Bot­schaf­ter in Peking. Der Antritt Herz­feldts fiel in die Zeit der mili­tä­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen der VR Chi­na mit der UdSSR am Uss­u­ri. Von 1973 bis 1983 war er Chef­re­dak­teur der Zeit­schrift „Deut­sche Außen­po­li­tik“, des Organs des DDR-Außenministeriums.

Über Hans Roden­berg kann man lesen:

Als er 1948 in die Sowje­ti­sche Besat­zungs­zo­ne zurück­kehr­te, konn­te Roden­berg sei­ne künst­le­ri­sche Ent­wick­lung fort­set­zen. Er grün­de­te das Thea­ter der Freund­schaft in Ber­lin-Lich­ten­berg und wur­de des­sen ers­ter Inten­dant. Er wur­de 1952 auch Ordent­li­ches Mit­glied der Aka­de­mie der Küns­te, Ber­lin (Ost), Sek­ti­on Dar­stel­len­de Kunst und blieb es bis zu sei­nem Tod.

1949 nahm er als Son­der­kor­re­spon­dent des Neu­en Deutsch­land am Pro­zess gegen Trajt­scho Kos­tow und sei­ne Grup­pe in Sofia teil.

Roden­berg war 1952 bis 1956 Haupt­di­rek­tor des DEFA-Stu­di­os für Spiel­fil­me. Zwi­schen 1956 und 1960 war Roden­berg Dekan an der Deut­schen Hoch­schu­le für Film­kunst in Pots­dam-Babels­berg; 1958 erhielt er sei­ne Ernen­nung zum Professor.

Außer­dem betä­tig­te er sich kul­tur­po­li­tisch als stell­ver­tre­ten­der Kul­tur­mi­nis­ter (1960–1963), Mit­glied des Staats­rats, der Volks­kam­mer und des Zen­tral­ko­mi­tees der SED.

Von 1969 bis 1974 war Roden­berg Vize­prä­si­dent der Aka­de­mie der Küns­te, Ber­lin (Ost).

Quellen

Gosch­ler, Con­stan­tin. 1993. Pater­na­lis­mus und Ver­wei­ge­rung — Die DDR und die Wie­der­gut­ma­chung für jüdi­sche Ver­folg­te des Natio­nal­so­zia­lis­mus. In Benz, Wolf­gang (ed.), Jahr­buch für Anti­se­mi­tis­mus­for­schung, Band 2. Frankfurt/Main: Campus-Verlag.

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021. Die Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ve Eli­te der BRD unter Hel­mut Kohl (1982–1998). Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://dx.doi.org/doi:10.17170/kobra-202102193307)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021a. Daten­be­richt zur Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ven Eli­te der DDR unter Horst Sin­der­mann (1973–1976). Zwi­schen­be­richt der Daten­er­he­bung zur DDR im Rah­men des For­schungs­pro­jek­tes „Neue Eli­ten – eta­blier­tes Per­so­nal? (Dis-)Kontinuitäten deut­scher Minis­te­ri­en in Sys­tem­trans­for­ma­tio­nen“. Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://www.uni-kassel.de/fb07/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=3021&token=2c6fae1adfcbb1c4762fd67174cd664979d7f4f8)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021b. Daten­be­richt zur Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ven Eli­te der DDR unter Otto Gro­te­wohl (1949–1964). Zwi­schen­be­richt der Daten­er­he­bung zur DDR im Rah­men des For­schungs­pro­jek­tes „Neue Eli­ten – eta­blier­tes Per­so­nal? (Dis-)Kontinuitäten deut­scher Minis­te­ri­en in Sys­tem­trans­for­ma­tio­nen“. Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://www.uni-kassel.de/fb07/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=3023&token=8eb0f51761c4749523f5803ed4e6c6c62bd5de04)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021c. Daten­be­richt zur Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ven Eli­te der DDR unter Wil­li Stoph I (1964–1973). Zwi­schen­be­richt der Daten­er­he­bung zur DDR im Rah­men des For­schungs­pro­jek­tes „Neue Eli­ten – eta­blier­tes Per­so­nal? (Dis-)Kontinuitäten deut­scher Minis­te­ri­en in Sys­tem­trans­for­ma­tio­nen“. Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://www.uni-kassel.de/fb07/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=3022&token=f349d9887a6c7d9185e7fb9c0a54456aff6f27f6)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021d. Daten­be­richt zur Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ven Eli­te der DDR unter Wil­li Stoph II (1976–1989). Zwi­schen­be­richt der Daten­er­he­bung zur DDR im Rah­men des For­schungs­pro­jek­tes „Neue Eli­ten – eta­blier­tes Per­so­nal? (Dis-)Kontinuitäten deut­scher Minis­te­ri­en in Sys­tem­trans­for­ma­tio­nen“. Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://www.uni-kassel.de/fb07/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=3377&token=69d43af16bfd665bb2c0b29358fc169623c83639)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021e. Die Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ve Eli­te der BRD unter Hel­mut Schmidt (1974–1982). Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://dx.doi.org/doi:10.17170/kobra-202102193306)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021f. Die Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ve Eli­te der BRD unter Kon­rad Ade­nau­er (1949–1963). Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://dx.doi.org/doi:10.17170/kobra-202102183292)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021g. Die Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ve Eli­te der BRD unter Kurt Georg Kie­sin­ger (1966–1969). Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://dx.doi.org/doi:10.17170/kobra-202102193304)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021h. Die Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ve Eli­te der BRD unter Lud­wig Erhard (1963–1966). Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://dx.doi.org/doi:10.17170/kobra-202102183293)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021i. Die Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ve Eli­te der BRD unter Wil­ly Brandt (1969–1974). Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://dx.doi.org/doi:10.17170/kobra-202102193305)

Guten Tag, Fediverse

Ich freue mich wie Bol­le, dass jetzt vie­le Leu­te Twit­ter ver­las­sen und zu Mast­o­don wech­seln. Und die Blogs kann man auch ver­net­zen dank Acti­vi­ty­Pub-Plug­in für WordPress.

Also: Wenn Ihr Euch für den Osten aus Sicht eines ein­ge­schnapp­ten [=:-)] Ossis inter­es­siert, folgt Stefan@so-isser-der-ossi.de.

Noch­mal ohne Quatsch: Ossis sind in den Redak­tio­nen unter­re­prä­sen­tiert, sie haben in Fir­men und öffent­li­chen Ein­rich­tun­gen kei­ne Stim­me und ich kom­men­tie­re hier ab und zu gro­be Falsch­dar­stel­lun­gen. Zum Teil auch von Ossis sel­ber. Es geht viel um Nazis, aber auch um Gen­dern, Gleich­be­rech­ti­gung, Kinderverschickungen/Kuren usw.

Was qualifiziert Sie für den Bundestag?

In die­sem Bei­trag bespre­che ich die Vor­aus­set­zun­gen für eine Wahl in den Bun­des­tag, das Pro­blem, das die gegen­wär­ti­gen Kri­sen für die Demo­kra­tie dar­stel­len und Mög­lich­kei­ten zur Erwei­te­rung der­sel­ben. Ein abschlie­ßen­der Abschnitt ist den Mensch­heits­kri­sen und sich dar­aus erge­ben­den neu­en Anfor­de­run­gen an Politiker*innen gewidmet.

Voraussetzungen für die Wahl

Als ich mit mei­nen Eltern über mei­ne Bun­des­tags­kan­di­da­tur für Die PARTEI Erlan­gen gespro­chen habe, waren sie skep­tisch. Mein Vater war der Mei­nung, dass das doch Men­schen machen soll­ten, die etwas ent­spre­chen­des stu­diert haben. Poli­tik­wis­sen­schaf­ten, oder so. Tja, so sind wir, wir Ossis. Wir fra­gen uns, ob wir Din­ge kön­nen, und im Zwei­fels­fall las­sen wir die Blen­der vor (hat­te ich Andre­as Scheu­er, MA mit sei­nem Fake-Dok­tor­ti­tel schon erwähnt?), die ein­fach selbst­be­wusst auf­tre­ten. Es gibt dazu einen schö­nen Witz aus Nach­wen­de­zei­ten: Fra­ge: „War­um dau­ert das Abitur im Wes­ten 13 Jah­re, aber im Osten nur 12 Jah­re?“ Anwort: „Weil im Wes­ten noch ein Jahr Schau­spiel­un­ter­richt dabei ist!“ Regi­ne Hil­de­brandt (1990 Minis­te­rin für Arbeit, Sozia­les, Gesund­heit und Frau­en in Bran­den­burg) erzählt ihn sehr gut zum Anfang einer MDR-Doku­men­ta­ti­on über Ost-Frauen:

https://youtu.be/dVX-XUYgAxM
Regi­ne Hil­de­brandt erzählt den Abitur-Witz. 2. Teil einer drei­tei­li­gen Doku­men­ta­ti­on über Ost­frau­en, MDR

Ich per­sön­lich kann mich über man­geln­des Selbst­ver­trau­en nicht bekla­gen. Das liegt aller­dings dar­an, dass ich Wis­sen­schaft­ler bin und da ist die Sach­la­ge oft sehr klar. Ich hat­te ein­fach immer Recht. Also meis­tens. Also aus­rei­chend oft.1

Was qua­li­fi­ziert einen dazu, in den Bun­des­tag zu gehen? Muss man Politikwissenschaftler*in sein? Nein, 2013 kan­di­dier­te ein Kol­le­ge, eben­falls Sprach­wis­sen­schaft­ler, für eine damals gera­de neu gegrün­de­te Par­tei. Das fand nie­mand lus­tig. Nun kan­di­die­re ich für Die PARTEI. Das fin­den hof­fent­lich eini­ge lus­tig. Der Huf­ei­sen-Ste­fan Mül­ler von der CSU, gegen den ich antre­te, ist Bank­fach­wirt, vie­le CSU-Mit­glie­der sind Bau­ern. Julia Klöck­ner ist Wein­kö­ni­gin. Sie kann sehr gut lächeln. Das ist genau die Qua­li­fi­ka­ti­on, die sie braucht. Zum Bei­spiel zum Kuscheln mit Nestlé:

Julia Klöck­ner sagt in ihrem Bei­trag, dass sie in ihrem Gespräch mit Nest­lé viel Neu­es erfah­ren hat. Über Nest­lé hät­te sie schon vor­her viel erfah­ren kön­nen. Zum Bei­spiel aus dem Film We feed the world – Essen glo­bal. Ich will das hier nicht zusam­men­fas­sen, da bekom­me ich nur schlech­te Lau­ne. Guckt Euch den Film ein­fach an.

Lobbyismus und Repräsentativität

Aber jetzt ganz im Ernst: Der Bun­des­tag besteht aus vom Volk gewähl­ten Vertreter*innen, die die Inter­es­sen der Wähler*innen bzw. von Grup­pen von Wähler*innen ver­tre­ten sol­len. Also eigent­lich Lob­by­is­mus. Vie­le CDU/C­SU-Abge­ord­ne­te sind (Groß-)Bauern und sit­zen auch im Agrar­aus­schuss des Bun­des­ta­ges (62% der CSU/CDU, 25% der Grü­nen, 0% bei den ande­ren, taz, 17.03.2021). Außer ihrer Par­tei­mit­glied­schaft haben sie kei­ne beson­de­re Qua­li­fi­ka­ti­on. Auch das ist in Ord­nung (aber sie­he unten). Das ein­zi­ge Pro­blem ist, dass Lob­by­is­mus in CDU/CSU und lei­der auch der SPD bis­her intrans­pa­rent geblie­ben ist und dass die CDU/CSU sich gegen ent­spre­chen­de Geset­ze gewehrt hat. 

Mar­co Bülow (Ex-SPD, jetzt Die PARTEI) spricht beim Kli­ma­mon­tag von Berlin4Future über Kor­rup­ti­on und Lob­by­is­mus, Ber­lin, Alex­an­der­platz, 07.09.20, Bild: Ste­fan Mül­ler, CC-BY

Es muss trans­pa­rent sein, wer was im Bun­des­tag macht und was dabei die Inter­es­sen der jewei­li­gen Per­son sind oder sein könn­ten. Dann kön­nen Wähler*innen frei ent­schei­den, ob sie jeman­den wäh­len wol­len oder nicht. 

Grob ver­ein­facht kann man also als Grund­vor­aus­set­zung für ein Bun­des­tags­man­dat eine Par­tei­zu­ge­hö­rig­keit, die Fähig­keit zu lächeln2 und Men­schen zu begeis­tern und für gewis­se Posi­tio­nen die Fähig­keit zu füh­ren anneh­men. Reicht das für eine funk­tio­nie­ren­de Demo­kra­tie? Lei­der nicht, denn der Bun­des­tag ist nicht divers genug. Küp­pers­busch fasst zusammen: 

„Von der Idee, alle Stän­de und Beru­fe im Par­la­ment ver­tre­ten zu sehen ist wenig übrig. Im Bun­des­tag sit­zen 203 Abge­ord­ne­te aus dem Öffent­li­chen Dienst und zwei, die pri­vat Haus­mann­frau sind. 101 arbei­ten bei „gesell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen“ wie etwa Par­tei­en, vier sind arbeits­los oder ohne Beruf. Das Par­la­ment bil­det die Gesell­schaft nicht mehr ab, und das schaff­te auch Fall­hö­he für eine Rabu­lis­ten­frak­ti­on rechtsaußen.“

Fried­rich Küpers­busch: Coro­na, CDU und Grü­ne: Impf­par­ty mit Schei­be.(taz, 06.04.2021)

Für das Pro­blem, dass sich Tei­le der Bevöl­ke­rung nicht reprä­sen­tiert füh­len, gibt es eine Lösung. Reprä­sen­ta­tiv zusam­men­ge­stell­te, gelos­te Bürger*innenräte. Die­se wür­den auch das Lob­by­is­mus-Pro­blem abmil­dern und sie sind wich­tig für Pro­blem­fel­der, die Politiker*innen sys­tem­be­dingt nicht bear­bei­ten kön­nen. Wie funk­tio­niert das im Detail und warum? 

Gewis­se Pro­ble­me kön­nen bzw. wol­len Politiker*innen nicht ange­hen, weil sie das je nach Pro­blem­la­ge 5–10% ihrer Wähler*innen kos­ten könn­te und weil die gesam­te gegen­wär­ti­ge Poli­tik auf Macht­er­halt und Wie­der­wahl in vier bzw. fünf Jah­ren aus­ge­rich­tet ist. Ein Bei­spiel für einen Bürger*innenrat war der, der zum The­ma Abtrei­bung in Irland durch­ge­führt wur­de. Es wäre für Politiker*innen schwer gewe­sen, sich hin­zu­stel­len und zu sagen: „Ich bin für Abtrei­bung.“ Es wur­de also ein Bürger*innenrat zusam­men­ge­stellt. Dazu wur­de eine reprä­sen­ta­ti­ve Grup­pe von 100 Per­so­nen aus­ge­wählt. Reprä­sen­ta­tiv heißt, dass die Zusam­men­set­zung der Alters­struk­tur, der sozio-öko­no­mi­schen Struk­tur usw. des jewei­li­gen Lan­des ent­spricht. Wer letzt­end­lich in die­sem Rat sitzt, wird nach der reprä­sen­ta­ti­ven Vor­auswahl durch ein Los­ver­fah­ren ent­schie­den. Der Bürger*innenrat trifft sich dann über meh­re­re Wochen und bekommt Input von Expert*innen zum jewei­li­gen Pro­blem (Recht, Gesund, Öko­no­mie, Kli­ma, Ver­ke­her, wha­te­ver), so dass alle Aspek­te gut auf­ge­ar­bei­tet sind. (Das unter­schei­det die Räte von Volks­ent­schei­den, bei denen ein­fach jede*r Ein­zel­ne aus dem Bauch her­aus ent­schei­det.) Die 100 Per­so­nen kom­men dann zu einem Schluss, der hof­fent­lich von einer brei­ten Mehr­heit der Gesell­schaft mit­ge­tra­gen wird. Das fol­gen­de Video über das Refe­ren­dum zur Abtrei­bung in Irland erklärt alle Punk­te sehr gut:

Außer die­sem Bürgerrinnen*rat zur Abtrei­bung gab es auch in Frank­reich schon einen zum The­ma Kli­ma­schutz. Die Regie­rung Macron hat Tei­le der Emp­feh­lun­gen auch übernommen.

Dass Bürger*innenräte kein Hirn­ge­spinst irgend­wel­cher Revo­lu­zer oder Sozi­al­ro­man­ti­ker sind, sieht man auch dar­an, dass Wolf­gang Schäu­be­le (Bun­des­tags­prä­si­dent, CDU) sie unterstützt.

Bür­ger­rat Demo­kra­tie Ver­an­stal­tung mit Bun­des­prä­si­dent Wolf­gang Schäu­be­le, 15.11.2019

Das Lob­by­is­mus­pro­blem wür­de duch Bürger*innenräte zwar nicht gelöst, aber zumin­dest auch abge­mil­dert, weil es nicht mög­lich ist, lang­jäh­ri­ge Netz­wer­ke und Abhän­gig­kei­ten auf­zu­bau­en, wenn die Rats­mit­glie­der zufäl­lig aus­ge­wählt sind und nur zu weni­gen Sit­zun­gen zusammenkommen. 

Dass beim The­ma Lob­by­is­mus und Kor­rup­ti­on drin­gend etwas pas­sie­ren muss, zeigt auch das Rezo-Video, um das es im fol­gen­den Abschnitt geht.

Krisentauglichkeit

Rezo hat die gegen­wär­ti­ge Situa­ti­on mal wie­der schön zusam­men­ge­fasst: Unse­re gegen­wär­ti­ge Regie­rung ist kor­rupt, macho­mäs­sig unter­wegs und inkompetent:

Rezo zer­stört die Coro­na-Poli­tik, 05.04.2021

Was man in der aktu­el­len Situa­ti­on braucht, ist die Fähig­keit, eine Bedro­hungs­la­ge ein­zu­schät­zen. Man muss Expo­nen­ti­al­kur­ven ver­ste­hen kön­nen und man muss ein­schät­zen kön­nen, wie eine wei­te­re Ent­wick­lung ver­lau­fen wird. Nie­mand, der ein Minis­te­ri­um lei­tet, ver­steht alle fach­li­chen Details. Das muss auch nicht so sein, aber es braucht Selbst­be­wusst­sein und mensch­li­che Grö­ße und ein Urteils­ver­mö­gen, um ein­schät­zen zu kön­nen, dass man selbst an bestimm­ten Stel­len inkom­pe­tent ist und sich auf Expert*innen ver­las­sen muss. Rezo hat die wesent­li­chen Video­schnip­sel der letz­ten Wochen zusam­men­ge­schnit­ten und belegt, dass unse­re Bundesregierung/Ministerpräsidentenkonferenz ein inkom­pe­ten­ter, arro­gan­ter Macho­hau­fen ist. Aus der Bezeich­nung Macho­hau­fen (klingt irgend­wie wie Matsch­hau­fen, viel­leicht ist er ja nach dem Coro­na-Win­ter weg) folgt auch, dass Ange­la Mer­kel nicht ein­ge­schlos­sen ist. Sie hat Phy­sik stu­diert und ver­steht Expo­nen­ti­al­kur­ven. Das ist es, was wir brau­chen. Also nicht unbe­dingt die Phsy­ik aber die Expo­nen­ti­al­kur­ven (Mein Vater hat mich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass das Ober­stu­fen­schul­stoff ist.). Die fol­gen­de Kur­ve zeigt das Infek­ti­ons­ge­sche­hen in Deutsch­land. Man sieht sehr schön die ers­te, zwei­te und drit­te Welle.

Drit­te Wel­le kurz vor dem Rum­ge­eie­re der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fer­nez vor Ostern 2021

Die­se Ent­wick­lun­gen wur­den vor­her­ge­sagt. Es wur­den mathe­ma­ti­sche Model­le gebaut, die genau das vor­her­ge­sagt haben, was ein­ge­tre­ten ist. (Sie­he Fuß­no­te 1 zu for­ma­len Model­len in der Sprach­wis­sen­schaft.) In vie­len Situa­tio­nen hilft es, einen Phä­no­men­be­reich zu model­lie­ren. Man kann dann Vor­her­sa­gen einer Theo­rie bestim­men und ein Abgleich mit der Wirk­lich­keit hilft einem, Rück­schlüs­se auf die Qua­li­tät der Theo­rie zu zie­hen. Wie das Rezo-Video zeigt, wur­den die Gefah­ren, vor denen unser Land stand und immer noch steht, igno­riert und Poli­ti­ker (ohne *innen) sind sich nicht zu blöd, sich vorn hin­zu­stel­len und das auch noch rich­tig zu finden. 

Schau­en wir uns eine ande­re Kur­ve an. Sie ist aus dem Wiki­pe­dia-Arti­kel über Koh­len­stoff­di­oxid in der Erd­at­mo­sphä­re und zeigt eben­falls ein expo­nen­ti­el­les Wachstum:

Expo­nen­ti­el­ler Zunah­me von CO2 in der Atmo­sphä­re in den letz­ten Jahr­zehn­ten Quel­le: CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=694303

Klimawissenschaftler*innen bau­en kom­ple­xe Model­le zu den Ent­wick­lun­gen, die uns in den nächs­ten Jah­ren und Jahr­zehn­ten bevor­ste­hen. Sie sind sehr zurück­hal­tend und nicht alar­mis­tisch. Das ent­spricht der Serio­si­tät, die in der Wis­sen­schaft üblich ist. Ein Kol­le­ge von der Hum­boldt-Uni, der wie ich auch bei den Scientists4Future aktiv ist, hat noch vor zwei Jah­ren den Begriff Kli­ma­kri­se abge­lehnt, weil er ihn für zu alar­mis­tisch hielt. Die Klimawissenschftler*innen sind sich einig: Wir haben ein Pro­blem. Ein gro­ßes! Die Kli­ma­kri­se ist um ein Viel­fa­ches grö­ßer als das, was wir jetzt erle­ben. Coro­na macht kei­nen Spaß? Dann kämpft dafür, dass wir nicht Cor­na++ bekommen!

Ange­la Mer­kel ver­steht das alles, aber lei­der ist Ange­la Mer­kel eine lame duck. Sie konn­te sich bei Coro­na nicht gegen ihre Matsch-Kum­pels durch­set­zen. Auch die Öko-Bilanz ist fins­ter. Mer­kel war Umwelt­mi­nis­te­rin und hat auf die Kli­ma­pro­ble­me hingewiesen. 

Buch­pu­bli­ka­ti­on von Ange­la Mer­kel 1997

Sie hat schon 1997 klar auf­ge­zeigt, was getan wer­den muss. Was pas­siert ist, ist aber so ziem­lich das Gegen­teil von dem, was wir gebraucht hätten.

Chris­ti­an Lind­ner und mein Vater3 sagen: Die Kli­ma­pro­ble­me und die gro­ße Poli­tik soll­ten doch die Pro­fis regeln. Die­se haben aber ver­sagt. Wir kön­nen nicht mehr war­ten (und Lind­ner hat ja eh kei­ne Lust zu regie­ren). Und des­halb machen wir das jetzt selbst! Los! Wie Rezo sagt: Bes­ser als die sind wir allemal!

Ein (zukünf­ti­ger) Pro­fi demons­triert bei Fri­days For Future Demons­tra­ti­on in Ber­lin, 15.03.2019 Bild: Ste­fan Mül­ler, CC-BY

Quellen

Küpers­busch, Fried­rich. 2021. Coro­na, CDU und Grü­ne: Impf­par­ty mit Schei­be. (https://taz.de/Corona-CDU-und-Gruene/!5758868/)

Mau­rin, Jost. 2021. Lob­by­is­mus in der Uni­on: Anfäl­lig­keit für Ein­fluss­nah­me. (https://taz.de/Lobbyismus-in-der-Union/!5757524/)

tages­schau. 2019. Initia­ti­ve für mehr Demo­kra­tie: „Bür­ger­rat“ gibt Emp­feh­lun­gen ab. (https://www.youtube.com/watch?v=LV_dptGINYI)

Wagen­ho­fer, Erwin. 2005. We feed the world – Essen glo­bal. Alle­gro Film. (https://www.youtube.com/watch?v=m5HfaSBdtWU)

Der Ossi ist nicht demokratiefähig. Merkt Ihr’s noch?

(aktua­li­siert u.a. 03.11.2021,09.12.2021, 22.12.21,07.01.2022,12.01.2022, 14.01.2022, 16.02.2022, 13.03.2022, 11.04.2022, 27.02.2024)

Die Behaup­tung, die Ossis sei­en nicht demo­kra­tie­fä­hig, fin­det sich immer wie­der. In den Print-Medi­en, im Radio, im Fern­se­hen, ja, sogar im Inter­net.4 Aber, und hier stim­me ich zum ers­ten Mal in mei­nem Leben mit der AfD über­ein, was haben sie getan: Sie haben bei einer demo­kra­ti­schen Wahl eine im nor­ma­len demo­kra­ti­schen Pro­zess auf­ge­stell­te Par­tei gewählt. In Sach­sen hat­te die­se Par­tei das mit dem Pro­zess zwar nicht so rich­tig gerafft und hat Feh­ler bei der Auf­stel­lung der Kan­di­da­tIn­nen gemacht, aber sonst alles pri­ma. Und wie Kal­bitz mit einem süf­fi­san­ten Lächeln bemerk­te, hat die AfD sogar Nicht-Wäh­ler mobi­li­siert. Und zwar wie die Ana­ly­se der Wäh­ler­wan­de­rung zeigt: 115.000 in Bran­den­burg und 246.000 in Sach­sen! In Sach­sen stieg die Wahl­be­tei­li­gung um 17,5 % in Bran­den­burg um 15,2 %.

Ja, sie haben Nazis gewählt. Ver­tre­ter (ohne ‑Innen) des Flü­gels, der vom Ver­fas­sungs­schutz jetzt offi­zi­ell als kri­tisch ein­ge­stuft wird. Schau­en wir uns die Par­tei, die zur Wahl stand, mal an. 

Zusammensetzung des Vorstands / Personal in den Bundesländern / Rechtsextreme

Gründer*innen und Versitzende

Sie wur­de 2013 gegrün­det von neo­li­be­ra­len Professoren/Akademikern, die den Euro ablehnten.

  • Prof. Dr. Bernd Lucke (West-Ber­lin, Aus­tritt 2015 nach Abwahl als Vor­sit­zen­der zuguns­ten von Petry auch wegen aus­län­der- und islam­feind­li­cher Tendenzen)
  • Albrecht Gla­ser (Worms, per­sön­li­cher Refe­rent des Rek­tors der Uni Hei­del­berg, noch Mit­glied und im Vorstand)
  • Frau­ke Petry (Dres­den, Aus­tritt 2017)
  • Hans-Olaf Hen­kel (Ham­burg, Mana­ger bei IBM, Prä­si­dent BDI, Aus­tritt 2015, wegen Petry)
  • Kon­rad Adam (Wup­per­tal, Grün­dungs­spre­cher, 2015 wegen War­nung vor Rechts­ruck von Par­tei abge­mahnt, noch Mitglied)

Der ein­zi­ge Ossi, der auf Füh­rungs­ebe­ne eine Rol­le spiel­te, war Frau­ke Petry.

Zur Zeit (03.09.2019) sind fol­gen­de Per­so­nen im Vorstand:

Dr. Ali­ce Wei­del (Güters­loh, NRW) ist mit Gau­land Co-Vor­sit­zen­de der AfD-Bundestagsfraktion.

Die Lan­des­vor­sit­zen­den der AfD in Ost­län­dern sind:

  • Björn Höcke (Thü­rin­gen, Lünen, Westfalen)
  • Andre­as Kal­bitz (Bran­den­burg, Mün­chen, am 15.05.2020 mit sie­ben gegen fünf Stim­men bei einer Ent­hal­tung wegen fal­scher Anga­ben bzgl. Unver­ein­bar­keits­lis­te ausgeschlossen)
  • Bir­git Bes­sin (Bran­den­burg, Worms; ab 09.04.2022 Nach­fol­ger von Kal­bitz, gilt als Kal­bitz Vertraute)
  • Jörg Urban (Sach­sen, Meißen)
  • Leif-Erik Holm (Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Schwerin)
  • Mar­tin Rei­chardt (Sach­sen-Anhalt, Gos­lar, Niedersachsen)

Man kann also zusam­men­fas­sen, dass im Vor­stand 2 von 8 Per­so­nen aus dem Osten sind. Dazu noch Ali­ce Wei­del im Bun­des­tag an pro­mi­nen­ter Posi­ti­on. Also 2 von 9. Von den fünf neu­en Bun­des­län­dern haben zwei einen Ost­deut­schen zum Vor­sitz. Inzwi­schen ist Andre­as Kal­bitz durch den rechts­extre­men Hans-Chris­toph Berndt ersetzt wor­den, der aus dem Osten ist.

Rechtsextreme in der Presse

Pro­mi­nen­te Rechtsextreme/Nazis sind (fort­wäh­rend aktua­li­siert, die Namen ver­lin­ken auf die Wiki­pe­dia-Sei­ten, auf denen alles aus­führ­lichst belegt ist):

  • Doris von Sayn-Witt­gen­stein (Arol­sen, Hes­sen, rechts­extrem, Kon­takt zu Reichs­bür­gern und Holo­caust­leug­nern, bei lau­fen­dem Aus­chluss­ver­fah­ren Wie­der­wahl zur Lan­des­vor­sit­zen­den Schleswig-Holstein)
  • Bea­trix von Storch (Lübeck, Flü­gel, seit 2013 dabei, gegen Homo-Ehe, Rassistin)
  • Mar­cus Pret­zell (Rin­teln, Nie­der­sach­sen, Rechts­an­walt, Immo­bi­li­en­ent­wick­ler, seit 2013 dabei, 2016 Bei­tritt zur rechts­extre­men Frak­ti­on Euro­pa der Natio­nen und der Frei­heit (ENF), Ehe­mann von Frau­ke Petry aber immer noch in der AfD)
  • André Pog­gen­burg (Wei­ßen­fels, Sach­sen-Anhalt, Flü­gel)
  • PD Dr. phil. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (Land­tag von Sach­sen-Anhalt, aus Freu­den­stadt, Baden-Würt­tem­berg, Flü­gel, habi­li­tiert 2019 in Bay­reuth und lehrt noch)
  • Dr. Wolf­gang Gede­on (Cham, Bay­ern, Anti­se­mit, Flü­gel, die AfD-Frak­ti­on in Baden-Würt­em­berg bekam kei­ne 2/3‑Mehrheit zusam­men, die für einen Aus­schluss von Gede­on nötig gewe­sen wäre, nach Spal­tung der Frak­ti­on wur­de wei­ter mit ihm zusam­men­ge­ar­bei­tet, im Sep­tem­ber 2019 spa­chen sich über die Hälf­te der Land­tags­ab­ge­or­den­ten für eine Wie­der­auf­nah­me von Gede­on in die Frak­ti­on aus, im Okto­ber 2019 schei­ter­te das zwei­te Ausschlussverfahren)
  • Joa­chim Paul (Ben­dorf, Reihn­land-Pfalz, Frak­ti­ons­vi­ze Reihn­land-Pfalz, hat höchst­wahr­schein­lich in NPD-Zeit­schrift H&J publi­ziert, mit 107 von 127 Stim­men zum stell­ver­tre­ten­den Lan­des­vor­sit­zen­den gewählt)
  • Den­nis Augus­tin (Ham­burg, Lan­des­vor­sit­zen­der Meck­len­burg-Vor­po­mern 2017–2019, NPD-Mit­glied, 2019 wegen Ver­heim­li­chung der NPD-Mit­glied­schaft ausgeschlossen)
  • Hei­ko Heßenk­em­per (Hamm, Lan­des­lis­te auf Platz 6 der AfD Sach­sen 2017)
  • Jens Mei­er (Bre­men, 2017 über Lan­des­lis­te Sach­sen (Platz 2) in den Bun­des­tag ein­ge­zo­gen, vom Säch­si­schen Ver­fas­sungs­schutz als rechts­extrem ein­ge­stuft, er war Obman des Flügels)
  • Ralph Weber (Bad Mer­gen­theim, Baden-Würt­em­berg, ab 2016 im Land­tag Meck­len­burg-Vor­pom­mern, stell­ver­tre­ten­der Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der, Kon­tak­te zu NPD, DVU, Tra­gen von Thor-Stei­nar-Sachen in der Uni­ver­si­tät, Ein­la­dung von Rechts­extre­men zu Vor­trä­gen, Pro­mo­ti­on eines klar faschis­ti­schen Neo­na­zis, 2021 Austritt)
  • Thors­ten Weiß (Ber­lin, Ste­glitz-Zehlen­dorf, bis zu des­sen Selbst­auf­lö­sung im April 2020 Lan­des­ob­mann des rechts­na­tio­na­len Par­tei­flü­gels „Der Flü­gel“ in Ber­lin, wel­cher 2020 vom Ver­fas­sungs­schutz als rechts­extrem ein­ge­stuft wur­de. Er gilt als Ver­trau­ens­mann des thü­rin­gi­schen Lan­des- und Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den Björn Höcke)
  • Dr. habil. Gott­fried Curio (Ber­lin, Gym­na­si­um in Schmar­gen­dorf, kommt im Bericht des Bun­des­am­tes für Ver­fas­sung­schutz mit aus­län­der­feind­li­chen Äuße­run­gen vor, die „die Gren­ze der ver­fas­sungs­schutz­recht­lich zuläs­si­gen Kri­tik“ über­schrei­ten und gegen diver­se Arti­kel des Grund­ge­set­zes verstoßen)
  • Carl-Wolf­gang Holz­ap­fel (Ber­lin-Zehlen­dorf, von der Ber­li­ner AfD 2022 in die Bun­des­ver­samm­lung ent­sandt hat 1973 die Ent­füh­rung einer Bri­tish-Euro­pean Air­ways-Maschi­ne von Stutt­gart nach Mos­kau ange­kün­digt, um die Frei­las­sung von Rudolf Heß zu erreichen) 
  • Ste­phan Protsch­ka (Din­gol­fing, Bay­ern, beschäf­tig­te Iden­ti­tä­re und stif­te­te im Novem­ber 2019 mit ande­ren ver­fas­sungs­feind­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen in Polen ein Krie­ger­denk­mal, auf dem auch Orga­ni­sa­tio­nen geehrt wer­den, die Polen und Juden ermor­de­ten. Dar­über wur­de in tages­schau und Pres­se aus­führ­lich berich­tet, aber Protsch­ka wur­de im Dezem­ber 2019 auf dem AfD-Bun­des­par­tei­tag zum Bei­sit­zer im AfD-Bun­des­vor­stand wiedergewählt.)
  • Tho­mas Seitz (Etten­heim, Baden-Würt­tem­berg, Flü­gel, wegen ras­sis­ti­scher Äuße­run­gen Rich­ter­amt für 8 Jah­re abge­spro­chen, Ver­fas­sungs­treue nicht gegeben)
  • Johan­nes Huber (Moos­burg an der Isar, Bay­ern, Flü­gel­nä­he, beschäf­tig­te Recht­ex­tre­me Mitarbeiter*innen im Bun­des­tag, anti­se­mi­ti­sche und rechts­extre­me Verschwörungtheorien)
  • Mat­thi­as Hel­fe­rich (Dort­mund-Hom­bruch, Kon­tak­te zu Dort­mun­der Neo-Nazis, bezeich­net sich selbst als „das freund­li­che Gesicht des NS“, trägt Nazi­sym­bo­le, Meu­then hat Aus­schluss­ver­fah­ren bean­tragt, dafür fand sich aber kei­ne Mehr­heit im Vor­stand und Tino Chrup­al­la und Ali­ce Wei­del stimm­ten für Hel­fe­richs Ver­bleib in der Partei!)
  • Josef Dörr (Illi­in­gen, Saar­land, soll­te vom Bun­des­par­tei wegen „all­zu enge Kon­tak­te zu rech­ten und neo­na­zis­ti­schen Krei­sen“ aus der AfD aus­ge­schlos­sen wer­den. Hat im Jahr 2015 Mit­glie­dern der Frei­en Bür­ger Uni­on sat­zungs­wid­rig Dop­pel­mit­glied­schaf­ten ange­bo­ten. taz, 12.03.2022)
  • Andre­as Win­hart (out of Rosen­heim, Bay­ern, seit 2021 Vor­stand der AfD-Land­tags­frak­ti­on, durch ras­sis­ti­sche und anti­semt­si­che Äuße­run­gen bekannt. Mit Mord­auf­ru­fen gegen See­not­ret­tung 2018. Bis 2019 unter Beob­ach­tung des Verfassungsschutzes.)
  • Bir­git Mal­sack-Win­ke­mann (Darm­stadt, Rich­te­rin, bis 2021 im Bun­des­tag, mut­maß­li­ches Mit­glied der rechts­ter­ro­ris­ti­schen Patrio­ti­schen Uni­on aus der Reichs­bür­ger­sze­ne)
  • Emil Sän­ze (Beu­ren, Baden-Würt­tem­berg, Land­tags­ab­ge­ord­ne­ter und Co-Vor­sit­zen­der des AfD-Lan­des­ver­ban­des Baden-Würt­tem­berg, fand die anti­se­mi­ti­schen Äuße­run­gen von Gede­on (sie­he oben) nicht so schlimm … Gehört zum Stutt­gar­ter Auf­ruf, stu­dier­te Betriebs­wirt­schaft in Kon­stanz, arbei­te­te bei der Deut­schen Bank und für die BMW Bank GmbH)
  • Roland Ulb­rich (Düs­sel­dorf, NRW, Jurist, stu­diert in Bonn, Mar­burg und Köln, Mit­glied in diver­sen schla­gen­den Ver­bin­dun­gen, Ange­hö­ri­ger des Flü­gels, fand Par­tei­aus­schluss von Kal­bitz falsch, hat ver­spro­chen, dass es mit ihm im Schieds­ge­richt kei­ne Par­tei­aus­schluss­ver­fah­rens­or­gi­en mehr geben wür­de und wur­de dafür gewählt. 2024 hat er ein Urteil mit Bezug auf Geset­ze aus der Nazi-Zeit begrün­det.)
  • Chris­ti­an Buch­holz (Ham­burg, laut taz, 28.02.2024 Neo­na­zi Mar­tin Sell­ner ein­ge­la­den, Ange­hö­ri­ger des Flügels) 
  • Andre­as Lichert (Bad Hom­burg vor der Höhe, Hes­sen, Vor­stands­spre­cher AfD Hes­sen, bei Land­tags­wahl 2018 im Wahl­kreis Wet­ter­au II 17,4 % der Erst­stim­men, bis 2018 Vor­stands­mit­glied des Trä­ger­ver­eins des rechts­extre­men Insti­tuts für Staats­po­li­tik, war Haus­ver­wal­ter einer Immo­bi­lie in Hal­le, die von der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung als „iden­ti­tä­res Zen­trum“ genutzt wurde)
  • Jür­gen Elsäs­ser (Pforz­heim, Baden-Würt­em­berg, Rechts­extre­mist, Lei­ter des 2024 ver­bo­te­nen Compact)
  • Oli­ver Janich (Mün­chen, Bay­ern, vom Bay­ri­schen Ver­fas­sungs­schutz als Rechts­extre­mist und Anti­se­mit eingeordnet)

Rechts­extre­me, die ver­ur­teilt wur­den laut Volksverpetzer:

Hier noch eine Lis­te von Wiki­pe­dia-Sei­ten von AfD-Politiker*innen, auf denen nicht steht, dass die betref­fen­den Per­so­nen rechts­extrem sind, aber statt­des­sen aus­län­der­feind­li­che, anti-demo­kra­tisch oder sonst wie gear­te­te Mei­nun­gen bekun­det wer­den, die nor­ma­ler­wei­se Ossis vor­ge­wor­fen werden:

  • Nico­laus Fest (Ham­burg, islam­feind­lich und grund­ge­setz­wid­rig, weil er ent­ge­gen der Reli­gi­ons­frei­heit alle Moscheen schlie­ßen will, unter Mer­kel dro­he Ent-Par­la­men­ta­ri­sie­rung par­al­lel zum Ermäch­ti­gungs­ge­setz der Nazis, will völ­ki­schen Flü­gel in AfD-Ber­lin inte­grie­ren, sie­he auch taz, 15.02.22)

Ostler

Es folgt eine Lis­te von rechts­extre­men AfD-Politiker*innen aus dem Osten:

Man kann also zusam­men­fas­send sagen: Die AfD wur­de von West-Pro­fes­so­ren gegrün­det und sie wird von West­deut­schen gelei­tet. Pro­mi­nen­te Rechts­extre­me bzw. Nazis kom­men aus dem Wes­ten und wur­den zum Teil auch nach ange­lau­fe­nen Aus­schluss­ver­fah­ren in ihren Ämtern bestätigt.

Demokratieversagen?

Was ist pas­siert? 25 % der säch­si­schen und bran­den­bur­gi­schen Wäh­le­rIn­nen haben eine Nazi-Par­tei gewählt. Haben sie sich unde­mo­kra­tisch ver­hal­ten? Nein. Sie­he oben. Wie konn­te das über­haupt pas­sie­ren? Wie­so gab es das frü­her nicht? Es gab im Wes­ten immer schon sol­che Par­tei­en wie die NPD, die DVU, die Repu­bli­ka­ner. Das Gute war: Die waren zu doof. Sobald sie irgend­wie nen­nens­wer­te Stim­men­an­tei­le beka­men und Posi­tio­nen beset­zen konn­ten, brach alles zusam­men, weil die nöti­ge Struk­tu­riert­heit und der Durch­hal­te­wil­le fehl­ten. Das ist nun anders. Neo­li­be­ra­le Pro­fes­so­ren haben die­se Par­tei gegrün­det und auf einen rechts­kon­ser­va­ti­ven Weg gebracht. Die Par­tei wur­de dann schritt­wei­se von Nazis über­nom­men, bei den Macht­spiel­chen von Lucke, Petry und Gau­land ist eben eini­ges schief gelaufen.

Wer hat ver­sagt? Wir alle. Ja, unse­re Demo­kra­tie hat ver­sagt. Spä­tes­tens seit Maa­ßen ist das klar. Ver­fas­sungs­schutz­chef Maa­ßen (CDU, Mön­chen­glad­bach, Nord­rhein-West­fa­len) konn­te in Chem­nitz kei­ne Hetz­jag­den erken­nen und es hat ein Jahr gebraucht, bis dann irgend­wie doch klar war, dass es Hetz­jag­den gab. See­ho­fer (CSU) hat Mona­te gebraucht, bis er Maa­ßen end­lich gefeu­ert hat. Kurt „Die Sach­sen sind immun gegen Rechts­extre­mis­mus.“ Bie­den­kopf konn­te in Sach­sen kei­ne rechts­extre­men Ten­den­zen fest­stel­len. Der säch­si­sche Ver­fas­sungs­schutz war ihm offen­sicht­lich kei­ne gro­ße Hil­fe. Klei­ne gemei­ne Fra­ge: Wer hat den Ver­fas­sungs­schutz im Osten auf­ge­baut? Wer die Poli­zei? Die Ost­deut­schen? Nee. Wie war das mit dem NSU? Nix gemerkt? Oder viel­leicht doch sogar einer vom Ver­fas­sungs­schutz beim Mord dabei gewe­sen? Wir haben rie­si­ge rechts­extre­me Netz­wer­ke mit Todes­lis­ten (Han­ni­bal), rechts­extre­me Vor­fäl­le in Armee und Poli­zei. Gar einen Mord mit rechts­extre­men Hin­ter­grund in Hes­sen (wur­de lei­der bei der Mel­dung der Straf­ta­ten mit rechts­extre­men Hin­ter­grund ver­ges­sen, upsi).

Und nun? Ver­bie­ten? Ist nicht so ein­fach, wenn die Par­tei bereits 25 % der Stim­men bekom­men hat. 

Sind die Ostdeutschen nicht demokratiefähig?

Eine Stu­die der Uni­ver­si­tät Leip­zig hat erge­ben, dass die Ost­deut­schen Demo­kra­tie grund­sätz­lich befür­wor­ten und zwar zu 95 % (im Wes­ten nur 93 %). Ein Teil der Wäh­le­rIn­nen hat eine rechts­extre­me Par­tei gewählt. Die­se wur­de von West­deut­schen Pro­fes­so­ren gegrün­det und eta­bliert und wird immer noch über­wie­gend von West­deut­schen gelei­tet. Auf­grund der spe­zi­fi­schen Situa­ti­on im Osten sind Men­schen dort für ras­sis­ti­sche und natio­na­lis­ti­sche Posi­tio­nen und den Quatsch, den die AfD von der Wen­de erzählt, emp­fäng­lich. Ins­ge­samt ist es aber so, dass die­ses Land, das gesam­te Land, ein Rechts­extre­mis­mus­pro­blem hat. Die­ses kann man nur gemein­sam lösen und man löst es nicht durch Fin­ger­zei­gen und Bemer­kun­gen von oben nach unten. Das Posi­ti­ve ist, dass die jüngs­ten Ereig­nis­se zu einer Poli­ti­sie­rung und auch zu einem Umden­ken in der Poli­tik geführt haben:

Den­noch geben die Wah­len für all­zu apo­ka­lyp­ti­sche Deu­tun­gen kei­nen Anlass. In dem Schla­mas­sel ste­cken Geschich­ten, die Mut machen. Sie spie­len jen­seits der klas­si­schen Par­tei­e­narith­me­tik und klin­gen nach Auf­bruch und Erneue­rung. Da wäre zum Bei­spiel eine umfas­sen­de Poli­ti­sie­rung der Gesell­schaft, die bei Wahl­ver­an­stal­tun­gen von CDU, SPD, Grü­nen oder Lin­ken zu spü­ren war. Die Men­schen kamen, sie waren vie­le, und sie rede­ten ernst­haft über Poli­tik. Über schrump­fen­de Dör­fer, über Züge, die nicht mehr fah­ren, über die Braun­koh­le – und über Kon­zep­te, die es bes­ser machen. Was sel­ten vor­kam, war das ima­gi­nier­te Zuviel an Migra­ti­on. Es fand eine Erdung statt, die vor einem Jahr undenk­bar schien, als Neo­na­zis durch Chem­nitz maro­dier­ten.
Die demo­kra­ti­sche Mehr­heit hat sich dis­kur­si­ve Räu­me zurück­er­kämpft und mit Leben gefüllt. Von Des­in­ter­es­se der Bür­ge­rIn­nen kann kei­ne Rede sein, es gibt ein Bedürf­nis nach Teil­ha­be und Enga­ge­ment. Das, was Ost- und West­deutsch­land 30 Jah­re nach der Wen­de trennt, liegt jetzt auf dem Tisch, für alle sicht­bar. Auch die Par­tei­en haben viel rich­tig gemacht. Oben auf der Büh­ne steht einer, belehrt die ande­ren und wird gewählt – so funk­tio­niert es nicht mehr. CDU-Mann Kret­schmer hat im Wahl­kampf gefühlt jedem Sach­sen per­sön­lich die Hand geschüt­telt, der Grü­ne Habeck in sei­nen Town Halls auch dem kri­tischs­ten Atom­kraft­fan minu­ten­lang geantwortet. 

Ernst­haft ins Gespräch kom­men, Zuge­wandt­heit zei­gen, das ist ein Anfang, aus dem etwas ent­ste­hen kann. Die Zivil­ge­sell­schaft und die demo­kra­ti­schen Par­tei­en befin­den sich in einer Such­be­we­gung – auf­ein­an­der zu.

Ulrich Schul­te, Auch Mut machen­de Signa­le, taz, 03.09.2019

Hof­fen wir, dass die­se Ent­wick­lung anhält und dass wir die­ses Land ret­ten können.

Nach­trag 07.09.2019: In Alten­stadt-Wald­sied­lung (Hes­sen) wur­de der stell­ver­tre­ten­de NPD-Lan­des­vor­sit­zen­de ein­stim­mig mit Stim­men der SPD, FDP und CDU zum Orts­vor­ste­her gewählt.