Ossis of Colour, Allerleirauh, Mode im Osten und die Todesstrafe

Ges­tern war ich beim taz­lab zum The­ma Osten und es war groß­ar­tig. Vie­le par­al­lel statt­fin­den­de Ver­an­stal­tun­gen zu The­men, die mich auch hier immer wie­der beschäf­ti­gen. Ras­sis­mus in der DDR ist ein The­ma und die Fra­ge ist, ob die DDR ras­sis­tisch war oder nicht. Es gab eine spe­zi­el­le Dis­kus­si­ons­run­de mit „Ossis of Colour“. (Auf­zeich­nung auf You­tube)

Ossis of Colour beim taz-Lab: Patri­ce Pou­trus, His­to­ri­ker, Peg­gy Kur­ka, Autorin, Katha­ri­na War­da, Autorin & Sozio­lo­gin und Mode­ra­to­rin Adef­un­mi Ola­nig­an, taz-Volon­tä­rin, Ber­lin, 27.04.2024

Rassismus

Patri­ce Potrous hat von einer Bege­ben­heit erzählt, bei der er einen ras­sis­ti­schen Vor­fall bei der NVA mel­den woll­te und die­ser ein­fach nicht ver­folgt wur­de. Der Offi­zier habe das ein­fach abge­bü­gelt mit der Bemer­kung: „Willst Du etwa sagen, dass es in der DDR Ras­sis­mus gäbe?“ Was nicht sein kann, dass nicht sein darf. 

Katha­ri­na War­da wur­de 1985 in der DDR gebo­ren. Ihr Vater war Wider­stands­kämp­fer im ANC und ist geflo­hen. Der ANC wur­de in der Bun­des­re­pu­blik nicht unter­stützt, so also DDR. Katha­ri­na War­das Eltern wur­den bei der Schwan­ger­schaft der Mut­ter vor die Wahl Aus­rei­se oder Abtrei­bung gestellt. Wie es dazu kam, dass sie doch in der DDR gebo­ren wur­de, hat sie nicht erklärt.

Alle drei waren sich einig, dass sie froh sein kön­nen, die DDR und die Nach­wen­de­zeit über­lebt zu haben. Katha­ri­na War­da hat davon berich­tet, dass Per­so­nen, die mit ihr über Ras­sis­mus im Osten reden, immer ihre vor­ge­fass­te Mei­nung bestä­tigt sehen wol­len. Sie mein­te, dass Ras­sis­mus kein spe­zi­fi­sches DDR-Pro­blem gewe­sen und der Wes­ten genau­so gewe­sen sei.

Inter­es­sant war, dass alle irgend­wie nicht schwarz sein woll­ten und irgend­wie nicht auf­fal­len wollten. 

Ich habe die meis­te Zeit in der DDR damit zuge­bracht den Genos­se­nen zu bewei­sen, dass man zu mir Ver­trau­en haben kann, dass ich irgend­wie doch nicht anders bin. Das ging soweit, dass ich zeit­wei­se sogar im Som­mer mich gewei­gert habe, mich in die Son­ne zu stel­len, weil es zu einer signi­fi­kan­ten Ver­än­de­rung mei­nes Äuße­ren führte.

Patri­ce Potrous beim taz­lab, 27.04.2024

Ande­re schwar­ze Ost­deut­sche haben was sehr Ähn­li­ches in dem Bereich erlebt, war unglaub­lich heil­sam für mich, denn ich fin­de auch, und ich weiß nicht wie das in West­deutsch­land ablief oder in der alten BRD, aber wir hat­ten das ja eben schon beschrie­ben: Wir hät­ten uns nicht mal Hal­lo gesagt wahr­schein­lich frü­her und zumin­dest hät­ten wir kein Inter­es­se anein­an­der gehabt. Das ist ein Effekt von Ras­sis­mus und ein ande­rer Effekt von Ras­sis­mus, der damit ein­her­geht, ist eine enor­me Ein­sam­keit, die ich emp­fun­den habe im Her­an­wach­sen, weil eben genau die­se Per­spek­ti­ve so blind gemacht wur­de so mit Scham auf­ge­la­den war und über­haupt nicht besprech­bar war und ich nie jeman­den hat­te, mit dem ich die­sen Bal­last der auch du hat­test gesagt: „Dass du noch am Leben bist, ist ein Wun­der.“ und ich sag das oft auch: Ich füh­le mich als Über­le­ben­de der Zeit vor allem was die 90er Jah­re angeht und das mei­ne ich auch so, denn vie­le ande­re haben es nicht über­lebt, aber was man da alles mit sich trägt, sich nie dar­über aus­tau­schen zu kön­nen und nie jeman­den zu sehen, dem es ähn­lich geht und ich immer in sei­nem Schwarz­sein ver­ste­cken zu müs­sen oder sich als Per­son ver­ste­cken zu müs­sen, sich klein machen zu müs­sen, die­se Last der Ein­sam­keit ist ein Teil von Ras­sis­mus und dar­über zu spre­chen und zu mer­ken „So, wir haben da doch was gemein­sam.“, ist unglaub­lich befreiend.

Katha­ri­na War­da beim taz­lab, 27.04.2024

Patri­ce Potrous mein­te, wenn man ande­re PoCs getrof­fen hat, dann hat man nicht gesagt: „Hey, Du bist ja Schwarz. Wie ich. Wie geht es Dir?“. Bei der Ver­an­stal­tung, die danach auf der­sel­ben Büh­ne statt­fand, war Prof. Dr. Nai­ka Forou­tan, Sozio­lo­gin an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin, zu Gast. Sie hat­te ja 2018 Ossis und Migrant*innen ver­gli­chen (taz, 13.05.2018).

Prof. Dr. Nai­ka Forou­tan, Sozio­lo­gin an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin beim taz­lab, Ber­lin, 27.04.2024

Dar­an muss­te ich den­ken, als ich neu­lich eine Frau in einem Kli­ma­camp Thü­rin­gisch spre­chen hör­te. Ich sprach sie an, ob sie aus dem Osten sei, wegen ihrem Dia­lekt. Sie ent­schul­dig­te sich und sag­te, dass sie den manch­mal nicht unter­drü­cken kön­ne. Ich war scho­ckiert, denn ich bin ja aus Jena und habe mich sehr gefreut, jeman­den zu tref­fen, der Dia­lekt spricht. Ich den­ke, dass das das­sel­be Phä­no­men ist, obwohl die Gefah­ren, die sich aus einer nicht-wei­ßen Haut und einem nicht west­deut­schen Spra­che erge­ben, nicht zu ver­glei­chen sind. 

Ganz ähn­lich hat­te Osch­mann auch über das Säch­si­sche geschrieben:

Und schon vor 1989 ist das Säch­si­sche als die am deut­lichs­ten im Ost­teil des Lan­des zu ver­or­ten­de Sprach­va­rie­tät in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung zum Inbe­griff des gesam­ten Ostens »auf­ge­stie­gen«, das heißt zum Inbe­griff des Häss­li­chen, Schlech­ten, Unfä­hi­gen und Unge­bil­de­ten, zum Inbe­griff all des­sen, was man nicht haben will und was man selbst nicht zu sein glaubt. Ich habe in Sach­sen auf­ge­wach­se­ne Bekann­te, die Schu­lun­gen belegt haben, um lupen­rei­nes Hoch­deutsch zu erler­nen, weil sie schmerz­lich erfah­ren muss­ten, wegen ihres Hei­ma­t­idi­oms unab­läs­sig dis­kri­mi­niert zu wer­den und gesell­schaft­lich chan­cen­los zu sein. Dazu passt eine Dresd­ner Zei­tungs­an­non­ce aus den Neun­zi­ger­jah­ren: »Säch­si­scher Dia­lekt in der frei­en Markt­wirt­schaft? Undenk­bar! Neh­men Sie Sprech­un­ter­richt!« Tho­mas Rosen­lö­cher teilt das mit und mar­kiert das Säch­si­sche prä­gnant als »Ver­lier­er­spa­che«. Ganz auf die­ser Linie habe ich mei­nen eige­nen Kin­dern ange­droht, ihnen das Taschen­geld zu strei­chen, soll­ten sie je anfan­gen, Säch­sisch zu spre­chen. Wie schlimm aber ist es um eine Regi­on bestellt, die nicht mehr wagt, ihre Spra­che zu pfle­gen, weil sie Sank­tio­nen aller Art, mehr noch die Beschä­di­gung ihrer gesam­ten Exis­tenz fürch­ten muss?! Was ist das für ein gesell­schaft­li­ches Kli­ma, was für ein Land, in dem ein gro­ßer Teil der Men­schen die eige­ne Mut­ter­spra­che able­gen und die eige­ne Her­kunft ver­leug­nen muss, wenn er gesell­schaft­lich der Stig­ma­ti­sie­rung ent­ge­hen möch­te? Was für ein Land, in dem sich Men­schen ihrer Spra­che, ihrer Her­kunft und ihrer Ver­gan­gen­heit schä­men sol­len, mit­hin zen­tra­ler unhin­ter­geh­ba­rer Exis­ten­zia­li­en, was für ein Land, in wel­chem sie sich aus­ge­rech­net von dem distan­zie­ren sol­len, was sie fun­da­men­tal aus­macht und aller­erst in der Welt beheimatet?

Osch­mann, Dirk. 2023. Der Osten – eine west­deut­sche Erfin­dung, Ullstein.

Ossis ver­su­chen, nicht auf­zu­fal­len. Wie man dem Roman von Lutz Sei­ler Stern 111 ent­neh­men kann, wur­de ihnen das auch von Wes­sis expli­zit bei­gebracht. Sein Vater, der fünf Pro­gram­mier­spra­chen konn­te und im Wes­ten Schu­lun­gen durch­ge­führt hat, soll­te unbe­dingt dar­auf ach­ten, dass die Schulungsteilnehmer*innen nicht merk­ten, dass sie etwas von einem Ossi erklärt beka­men. Einem Ossi! Für 1000 DM/Tag kriegt man nur einen Ossi. Über die Vor­stel­lung, dass die Ossis alle doof waren, und die Ver­wun­de­rung dar­über, dass jemand im Osten (!) fünf (!) Programmier(!)sprachen(!) konn­te, habe ich auch in Wis­sen, Unwis­sen, Igno­ranz und Arro­ganz geschrieben.

Man sieht den Ossis ihre Her­kunft weni­ger an als PoCs, aber man­che „ver­ra­ten“ sich halt über die Spra­che. (1995 war ein Kol­le­ge von mir total geschockt, weil er, nach­dem wir eine Woche zusam­men gear­bei­tet haben, her­aus­ge­fun­den hat­te, dass ich ein Ossi bin. Ich hat­te „Plas­te“ gesagt.) Spra­che oder Haa­re, bei­des nicht gut und viel­leicht kom­men wir ja irgend­wann in einer Gesell­schaft an, die das ver­stan­den hat. Und alle Kin­der bekom­men Taschen­geld und Lie­be, egal wie sie aus­se­hen oder sprechen. 

Mode unter Lebensgefahr?

Peg­gy Kur­ka und Katha­ri­na War­da waren Punks, was sicher kein Spaß war. Schon als wei­ßer Punk hat­te man es nicht unbe­dingt leicht. Peg­gy Kur­ka war außer­dem noch Model. Sie sprach davon, dass Mode in der DDR sub­ver­siv gewe­sen ist und dass man unter Todes­dro­hung leb­te. Sie erwähn­te auch die Mode­grup­pe Aller­lei­rauh:

Ich neh­me jetzt mal mein Feld: Man hat, es gab Aller­lei­rauh, es gab eine Moden­schau, wenn die eine Moden­schau gemacht haben, dann haben die ihr Leben ris­kiert für die­se Modenschau.

Peg­gy Kur­ka: taz­lab Ossis of Colour, 27.04.2024, Stel­le im Viedeo

Mich und die bei­den Ost-Frau­en, die anwe­send waren, hat das eini­ger­ma­ßen ver­wun­dert, denn die Ost-Mode hat­te ziem­lich gro­ße Frei­hei­ten. Es gab die Sibyl­le, in der immer in sehr guten Foto­stre­cken abge­dreh­te Mode prä­sen­tiert wur­de. Eine mei­ner Beglei­te­rin­nen war mit den Kin­dern der Mitarbeiter*innen vom Mode­insti­tut im Feri­en­la­ger und berich­te­te auch von den gro­ßen Frei­räu­men im Modebereich.

Ich habe spe­zi­fisch zu Aller­lei­rauh in der Wiki­pe­dia nach­ge­se­hen und – Was soll ich sagen? – die Aus­sa­ge von Peg­gy Kur­ka ist ein­fach falsch. All­ge­mein wür­de ich behaup­ten wol­len, dass in den 80er Jah­ren nie­mand mehr ein­fach so ermor­det wur­de und schon gar nicht für Mode. In Wiki­pe­dia kann man lesen, dass Katha­ri­na Rein­wald und Ange­li­ka Kro­ker 1988 in den Ver­band Bil­den­der Künst­ler der DDR (VBK) auf­ge­nom­men wur­den. Lei­der hat der Prä­si­dent des VBK im Jahr 1988 gewech­selt, so dass man nicht genau sagen kan­ne, wer den VBK zur Zeit des Ein­tritts der bei­den Desi­gne­rin­nen gelei­tet hat. Von 1974 bis 1988 war der wegen sei­ner schin­ken­las­ti­gen Arbeiter*innengemälde all­seits gefürch­te­te Wil­li Sit­te Prä­si­dent (Lie­ber vom Leben gezeich­net, als von Sit­te gemalt.). Danach der Desi­gner Clauss Die­tel. Von 1986 bis 1989 war Sit­te Mit­glied des Zen­tral­ko­mi­tees der SED (ZK der SED). Clauss Die­tel war Mit­glied der Bezirks­lei­tung der SED in Karl-Marx-Stadt. Das heißt, der VBK war fest in SED-Hand, wie eigent­lich alle grö­ße­ren Struk­tu­ren und Ver­ei­ne. Man kann also sicher ablei­ten, dass die Modedesigner*innen ihrem Beruf nicht unter Ein­satz ihres Lebens ausübten.

Dem Arti­kel über Aller­lei­rauh kann man ent­neh­men, dass die Grup­pe gro­ße Auf­trit­te hatte:

Als Höhe­punkt gilt das Aller­lei­rauh-Hap­pe­ning im Jahr 1988, das an drei Aben­den vor 600 Zuschau­ern im aus­ver­kauf­ten Haus der jun­gen Talen­te in Ost-Ber­lin statt­fand. Die Rock­band Pan­kow spie­le live, die Man­ne­quins tra­ten in Män­teln aus Leder­fli­cken und geschupp­ten 3‑D-Klei­dern auf. 

Wiki­pe­dia-Ein­trag für Aller­lei­rauh, 28.04.2024

Das HdjT war staat­lich ver­wal­tet. Nie­mand, der schon mit einem Bein im Knast stand konn­te dort auf­tre­ten. Die Rock­grup­pe Herbst in Peking hat­te zum Bei­spiel nach einer Schwei­ge­mi­nu­te für die Opfer des Mas­sa­kers am Tian’anmen-Platz Auf­tritts­ver­bot. Das heißt, dass Aller­lei­rauh staat­lich aner­kannt war und es heißt auch, dass die­se Mode-Designer*innen und Models sich nicht irgend­wel­chen Gefah­ren aus­ge­setzt haben. 

Ein Schul­freund von mir war Ensem­ble­mit­glied beim Mode­thea­ter Lari­fa­ri, das auch im Wiki­pe­dia­ein­trag von Aller­lei­rauh erwähnt wird. Er hat mir zum The­ma Fol­gen­des geschrieben:

Ich kann das, wie auch du, so nicht bestä­ti­gen. Mei­ne Tätig­keit war beim Mode­insti­tut und bei einer frei­en Trup­pe namens Lari­fa­ri. Natür­lich waren wir sta­si­durch­setzt, was ich zu DDR-Zei­ten nicht wahr­ha­ben woll­te, spä­ter dann offen­sicht­lich wur­de. Mein Aus­schluss aus bei­den vor­ge­nann­ten 1987 scheint damit in Zusam­men­hang gestan­den zu haben – ich habe das nicht wei­ter recher­chiert, bis­her nicht in die Akte schau­en wol­len. Die Sze­ne und der Bedarf waren sicher nicht zu ver­hin­dern, so gab es die Ven­til­me­tho­dik. Ich kann mich gut an 1986/87 erin­nern. Wir sind durch die Lan­de getin­gelt und als Farb­tup­fer will­kom­men gewe­sen, das sogar auf den Arbei­ter­fest­spie­len. Eine unse­rer Damen war sogar im Zen­tral­rat der FDJ. Hast du den Film „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ gese­hen? Für mich war er ein Aus­flug in mei­ne Jugend – logi­scher­wei­se alles sehr kom­pri­miert, Sta­si an Frank Schä­fer – klar, aber auch vie­le Frei­hei­ten und knall­har­te Kon­kur­renz, was sicher gewis­se Äuße­run­gen moti­viert. Sybil­le war nicht so nah am Mode­insti­tut, wie es der Film sagt. Eine mir suspek­te Sze­ne mit Grenz­hun­den an der Ost­see woll­te ich bei Gele­gen­heit hin­ter­fra­gen. Ein Trach­ten nach Leben ist mir nicht bekannt.

Email 30.04.204

Ich kann es nicht direkt nach­wei­sen, aber es soll­te mich sehr wun­dern, wenn irgend­wer in der DDR wegen Mode mit dem Tode bedroht wor­den sein soll­te oder ins Gefäng­nis kam. Nein, man kam in die Sibyl­le.

(Was Peg­gy Kur­ka vor­her im Video über abwei­chen­de Mei­nun­gen in der DDR sagt, stimmt. Es wur­de alles unter­drückt, aber ganz so krass war es dann doch nicht.)

Schlussfolgerung

Lie­be Wes­sis, lie­be Ossis, lie­be Nach­ge­bo­re­ne: Die Mes­sit­sch ist sim­pel. Glaubt uns nicht. Auch wenn die Sto­ries zu Euren Geschich­ten und Kli­schees pas­sen. Die DDR ist nun zum Glück lan­ge Geschich­te, aber Erin­ne­run­gen ver­schie­ben sich und man­che Men­schen erzäh­len auch bewusst fal­sche Din­ge. Guckt ein­fach mal in Wiki­pe­dia nach. Das ist die Schmal­spur­va­ri­an­te der his­to­ri­schen For­schung, aber Wiki­pe­dia gibt ja immer Quel­len an. Da könnt Ihr dann weitermachen.

Quellen

Osch­mann, Dirk. 2023. Der Osten: eine west­deut­sche Erfin­dung. Ber­lin: Ull­stein Buchverlage.

Schulz, Dani­el. 2018. Pro­fes­so­rin über Iden­ti­tä­ten: „Ost­deut­sche sind auch Migran­ten“. taz. Ber­lin. (https://taz.de/Professorin-ueber-Identitaeten/!5501987/)

Die rechten Richter von Gera

In der taz vom 22.04.2024 gibt es einen Arti­kel über rech­te Rich­ter von Gera. Bespro­chen wird, dass zwei Rich­ter Asyl­an­trä­ge signi­fi­kant häu­fi­ger ableh­nen, als das im bun­des­wei­ten Durch­schnitt der Fall ist. 

In einem „For­de­rungs­pa­pier zur Jus­tiz in Thü­rin­gen“ aus dem April 2022 bekla­gen neun Ver­ei­ne aus der Flücht­lings­hil­fe eine „Ent­schei­dungs­pra­xis“ des Ver­wal­tungs­ge­richts Gera in Asyl­ver­fah­ren, die „min­des­tens eine ten­den­ziö­se Recht­spre­chung ver­mu­ten lässt“. Unter Rechts­an­wäl­ten sei es ein „offe­nes Geheim­nis“, dass es dort fast unmög­lich ist, Asyl­ver­fah­ren afri­ka­ni­scher Klä­ger zu gewin­nen. Im Faden­kreuz der Kri­tik ste­hen die Rich­ter Fuchs und Ame­lung. MDR-Recher­chen und eine Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf eine Klei­ne Anfra­ge der Links­frak­ti­on im Bun­des­tag bestä­ti­gen die Pra­xis­er­fah­run­gen der Anwäl­te und Flüchtlingshelfer.

Außer­dem sind Rich­ter des­sel­ben Gerichts für Geneh­mi­gun­gen von Nazi-Ver­an­stal­tun­gen zuständig:

Die Asyl­rechts­spre­chung ist aber nicht der ein­zi­ge Bereich, der in Gera Fra­gen auf­wirft. Auch die Ent­schei­dungs­pra­xis des Prä­si­den­ten des Ver­wal­tungs­ge­richts Gera, Micha­el Obhues, als Vor­sit­zen­der der 1. Kam­mer ist poli­tisch umstrit­ten. Die­se hat einer Neo­na­zi-Grup­pe und der NDP (heu­te „Die Hei­mat“) über Jah­re erstaun­lich viel Raum für Demons­tra­tio­nen, Pro­test­ak­tio­nen und rech­te Rock­kon­zer­te eröffnet.

In Jena durf­te die NPD Mär­sche im Geden­ken an die Reichs­po­grom­nacht und an den Tod von Hit­ler­stell­ver­tre­ter Rudolf Heß durch­füh­ren. Die Neo­na­zi-Grup­pe „Thügida/Wir lie­ben Ost­thü­rin­gen“ durf­te Hit­lers Geburts­tag am 20. April 2016 mit einem Fackel­zug in Jena fei­ern. Das Gericht kas­sier­te dabei immer wie­der zuvor ver­häng­te Ver­samm­lungs­ver­bo­te des dama­li­gen SPD-Ober­bür­ger­meis­ters Albrecht Schröter.

Typisch für die­se Gerichts­be­schlüs­se ist, dass die Kam­mer den Vor­trä­gen der brau­nen Anmel­der eher glaub­te als denen des Ober­bür­ger­meis­ters – wenn sie zum Bei­spiel vor­ga­ben, mit Demos die Mei­nungs­frei­heit zu ver­tei­di­gen oder gegen „lin­ken Ter­ror“ zu pro­tes­tie­ren, obwohl sie tat­säch­lich Hit­ler oder Heß hul­di­gen woll­ten. Dass die offi­zi­ell genann­ten Demons­tra­ti­ons­zie­le nur zur Tar­nung vor­ge­scho­ben waren und die Pro­tes­te in Wirk­lich­keit Tarn­ver­samm­lun­gen für brau­ne Anlie­gen waren, hiel­ten die Ver­wal­tungs­rich­ter in Gera für nicht hin­rei­chend belegt.

Und wie Joa­chim Wag­ner fest­stellt: „Die Fol­ge die­ser Spruch­pra­xis: Zwi­schen 2006 und 2016 hat­te sich Jena zur einem Pro­te­stel­do­ra­do für NPD und Neo­na­zis entwickelt.“

Das­sel­be Gericht hat ent­schie­den, dass die AfD nicht wirk­lich ver­fas­sungs­feind­lich sei, obwohl der Ver­fas­sungs­schutz, der sich ja mit der Ein­ord­nung von Par­tei­en als rechts­extrem auch nicht leicht tut, das nach jah­re­lan­ger Detail­ar­beit inzwi­schen her­aus­ge­fun­den hat­te. Ein AfD-Sport­schüt­ze durf­te sei­ne Waf­fe behalten:

Hier kam die Kam­mer im August 2023 neben­bei zum Ergeb­nis, dass die Ver­fas­sungs­schüt­zer bis­lang nicht „trag­fä­hig nach­ge­wie­sen“ hät­ten, dass der Thü­rin­ger AfD-Lan­des­ver­band „erwie­sen rechts­extre­mis­tisch“ sei. Der AfD-Sport­schüt­ze durf­te sei­ne Waf­fen­be­sitz­kar­te vor­erst behalten.

Sehr guter Arti­kel. Es fehl­ten nur eini­ge Details, die im Ost-West-Dis­kurs aber sehr wich­tig sind: Wer sind die­se Rich­ter? Wo kom­men sie her? Dr. Bengt-Chris­ti­an Fuchs, Vize­prä­si­dent des Ver­wal­tungs­ge­richts Gera, ist laut lin­ke­dIn-Pro­fil Bank­kauf­mann und hat 1984–1986 in Han­no­ver und Lon­don gear­bei­tet. Er ist außer­dem Oberst­leut­nant der Bun­des­wehr. Dr. Bernd Ame­lung hat von 1982–1989 an der Georg-August-Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen sein ers­tes Staats­examen in Öffent­li­chem Recht gemacht. Micha­el Obhues, Prä­si­dent des Ver­wal­tungs­ge­richts Gera, wur­de in Erwit­te/Westfalen gebo­ren. Er stu­dier­te 1986–1992 an der Universität in Münster Rechts­wis­sen­schaf­ten. Details zu sei­ner Kar­rie­re als Jurist fin­det man in den ThürVBl. 8/2006, S. III.

Stef­fen Mau hat in Lüt­ten Klein fest­ge­stellt, dass Richter*innen im Osten meis­tens aus dem Wes­ten sind: 

In den weni­gen Berei­chen, wo die Ost­deut­schen auf­ho­len konn­ten, reden wir von Fort­schrit­ten im nied­ri­gen ein­stel­li­gen Pro­zent­be­reich: in der Rich­ter­schaft ins­ge­samt von 11,8 auf 13,3 Pro­zent, bei den Prä­si­den­ten und Vize­prä­si­den­ten der obers­ten Gerich­te sowie den Vor­sit­zen­den Rich­tern der ein­zel­nen Sena­te von 3,4 auf 5,9 Pro­zent. Jeweils in Ost­deutsch­land wohl­ge­merkt, nicht bundesweit.

Mau, Stef­fen. 2020. Lüt­ten Klein: Leben in der ost­deut­schen Trans­for­ma­ti­ons­ge­sell­schaft (Schrif­ten­rei­he 10490). Bonn: Zen­tra­le für Poli­ti­sche Bil­dung. S. 182

Und so ist es auch in die­sem Fall. Was ich mir von der taz wün­sche, ist, dass die Her­kunft von Nazis oder von Men­schen, die Nazi-Aktio­nen ermög­li­chen, ange­ge­ben wird. Das ist wich­tig, weil durch die Bericht­erstat­tung ohne die­se Infor­ma­ti­on das Kli­schee ver­fes­tigt wird, dass im Osten alles Nazis sei­en. Hier am kon­kre­ten Fall von Jena kann man sehen, dass die Wähler*innen einen SPD-Bür­ger­meis­ter gewählt haben, der sich red­lich müh­te, die Nazis aus der Stadt zu hal­ten, was aber durch Richter*innen aus dem Wes­ten tor­pe­diert wurde. 

Nach der Wen­de wur­de die kom­plet­te Jus­tiz und Poli­zei und auch der Ver­fas­sungs­schutz von West­lern auf­ge­baut. Wie wir jetzt wis­sen, waren vie­le der invol­vier­ten Per­so­nen extrem rechts. (Maa­ßen war der gemä­ßig­te Ersatz für jeman­den, der mit dem NSU zu gut klar­ge­kom­men war, und was Maa­ßen denkt, wis­sen wir ja nun ziem­lich genau. Sei­ne eige­ne Behör­de stuft ihn als rechts­extrem ein.) Nazi-Par­tei­en sind gezielt in den Osten gegan­gen, um dort Struk­tu­ren auf­zu­bau­en (sie­he „His­to­ri­sche Ursa­chen der Frem­den­feind­lich­keit in den neu­en Bun­des­län­dern“: Kom­men­ta­re zu einem Auf­satz von Patri­ce G. Pou­trus, Jan C. Beh­rends und Den­nis Kuck). Das alles soll­te man wis­sen, wenn man dar­über nach­denkt, war­um die Macht­ver­hält­nis­se im Osten jetzt so sind, wie sie sind. Der blü­hen­de Faschis­mus im Osten ist sicher nicht dar­auf zurück­zu­füh­ren, dass wir Ossis alle neben­ein­an­der auf dem Töpf­chen geses­sen hät­ten (Pfeif­fer) und auch Anne Rabes Geschwa­fel von der Gewalt­tä­tig­keit in der DDR ist Unfug, wie ich in vie­len Blog-Posts nach­ge­wie­sen habe (Sie inter­pre­tiert die Kri­mi­nal­sta­tis­tik falsch. Aus­sa­gen über Amok­läu­fe in Schu­len sind falsch usw. usf.). Auch in Lich­ten­ha­gen waren am drit­ten Tag West-Nazis vor Ort und die gesam­te ver­ant­wort­li­che Füh­rung (Regie­rung und Poli­zei­lei­tung) war trotz vor­he­ri­ger Ankün­di­gung der Aus­schrei­tun­gen in Zei­tun­gen im Wochen­en­de und nicht erreich­bar (Post dazu). Zu Anne Rabes Behaup­tun­gen sie­he die Über­sichts­sei­te mit Blog­posts.

Man stel­le sich nun die Gefüh­le eines anti­fa­schis­ti­schen Men­schen vor, der sol­che Arti­kel liest. Sie denkt: Erst kom­men sie her und beset­zen alle Stel­len in der Ver­wal­tung, um uns Ossis zu zei­gen, wie es geht. Dann legen sie die kom­plet­te Indus­trie still, weil sie die Treu­hand-Anstalt auch über­nom­men haben (Kahla Thü­rin­gen Por­zel­lan wur­de für 1 DM an einen win­di­gen Rechts­an­walt ver­kauft, des­sen ein­zi­ge Qua­li­fi­ka­ti­on ein Bru­der bei der Treu­hand war.). Dann kom­men West­ler, grün­den eine rech­te, wirt­schafts­li­be­ra­le Par­tei, wo auch fast die gesam­te Füh­rung der ost­deut­schen Lan­des­vor­stän­de in West-Hand sind (sie­he Der Ossi ist nicht demo­kra­tie­fä­hig. Merkt Ihr’s noch?). Dann radi­ka­li­siert sich die­se Par­tei und die Gerich­te im Osten, die mit Westler*innen bestückt sind, pro­te­gie­ren das. Den Ossis wird nach erfolg­rei­chem Auf­bau der Struk­tu­ren durch West­ler vor­ge­wor­fen, dass sie alle Nazis sei­en. Und wenn dann über den Osten berich­tet wird, wer­den die rele­van­ten Fak­ten über die Her­kunft der ent­spre­chen­den Nazis oder ihre Beschützer*innen nicht genannt und das Kli­schee wei­ter vertieft. 

Quellen

Decker, Kers­tin. 1999. Das Töpf­chen und der Haß. tages­spie­gel. Ber­lin. (https://www.tagesspiegel.de/kultur/das-toepfchen-und-der-hass/77844.html)

Mau, Stef­fen. 2020. Lüt­ten Klein: Leben in der ost­deut­schen Trans­for­ma­ti­ons­ge­sell­schaft (Schrif­ten­rei­he 10490). Bonn: Zen­tra­le für Poli­ti­sche Bil­dung. (https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/303713/luetten-klein)

Frankfurt

Die taz hat sich in den letz­ten Wochen und Mona­ten extrem ver­bes­sert, was die Bericht­erstat­tung über den Osten angeht. Wahr­schein­lich hängt das auch mit dem kom­men­den taz-Lab zum The­ma Osten zusam­men. Ein beson­de­res High­light ist der Bei­trag von Dr. rer. pol. Ute Scheub Demo­kra­tie reso­nant machen über den Anschluss der DDR und ver­ta­ne Chan­cen bei der Aus­ar­bei­tung einer gemein­sa­men Verfassung. 

Zu einer Sache, die immer wie­der pas­siert und die vie­le Ossis ärgern dürf­te und die auch jetzt noch – trotz geschärf­ter Sin­ne – pas­siert, möch­te ich etwas sagen. Frank­furt. In der taz vom 20.04.2024 schreibt Bernd Pickert zum The­ma Mixed Mar­ti­al Arts (MMA):

Da ist Katha­ri­na Dalis­da aus Frank­furt, stu­dier­te Sportöko­no­min mit Bürs­ten­schnitt und Blu­men­kohl­oh­ren, eine der auf­stre­ben­den Frau­en in den deut­schen MMA, 

Pickert, Bernd (20.04.2024): Die net­ten Cage­figh­ter von nebenan

Katha­ri­na Dalis­da ist aus Frank­furt am Main. Der Fluss wird aber nicht genannt. Es gibt in der BRD zwei Frank­fur­te: Frank­furt am Main und Frank­furt an der Oder. Das Pro­blem ist, dass das Ost-Frank­furt kom­plett igno­riert wird. Nun könn­te man sagen, Frankfurt/M. ist viel grö­ßer, ein indus­tri­el­les, kul­tu­rel­les und poli­ti­sches Zen­trum and not­hing important ever came from Frank­furt (Oder). Aber das ist nicht rich­tig: Frank­furt O. war eine der 15 Bezirks­haupt­städ­te in der DDR und ist aus Sicht der taz von Ber­lin aus viel näher gele­gen. Das könn­te die Wich­tig­keit des ande­ren Frank­furts aus­glei­chen, aber selbst wenn man das nicht weiß oder wenn es einem egal ist, soll­te man doch als Jour­na­list, der zum The­ma Spor, ins­be­son­de­re Mixed Mar­ti­al Arts, schreibt, schon von Frank­furt gehört haben.

In Wiki­pe­dia steht zum The­ma MMA:

Die Kämp­fer bedie­nen sich sowohl der Schlag- und Tritt­tech­ni­ken (Striking) des Boxens, Kick­bo­xens, Tae­kwon­do, Muay Thai und Kara­te als auch der Boden­kampf- und Ring­tech­ni­ken (Grap­pling) des Bra­zi­li­an Jiu-Jitsu, Rin­gens, Judo und Sam­bo. Auch Tech­ni­ken aus ande­ren Kampf­kunst­ar­ten wer­den benutzt.

Frank­furt O. war und ist eine Sport­stadt. Der Armee­s­port­klub Frank­furt hat zu DDR-Zei­ten dort trai­niert und es gibt dort jetzt auch einen Bun­des­wehr­sport­stütz­punkt. Mas­sen­haft Olym­pia­sie­ger kom­men aus Frank­furt O. Sieger*innen im Boxen, im Judo und im Rin­gen (sie­he Sport­zen­trum Frank­furt). Allen, die in den 90ern irgend­was mit Sport zu tun hat­ten, dürf­ten Hen­ry Mas­ke und Axel Schulz ein Begriff sein, die bei­de aus der Box­tra­di­ti­on her­vor­ge­gan­gen sind (trai­niert von Man­fred Wol­ke). Auch Men­schen, die ansons­ten mit dem Boxen nichts am Hut hat­ten, kann­ten die bei­den. Ihre Box­kämp­fe hat­ten Rekordeinschaltquoten.

Also, wenn eins der bei­den Frank­furts hier der Default ist, dann ist es wohl Frank­furt O. Da Katha­ri­na Dalis­da aus Frankfurt/Main ist, hät­te das kennt­lich gemacht wer­den müssen.

Es ist eine Klei­nig­keit, aber die­se Klei­nig­keit zeigt: Der Osten ist in den Redak­tio­nen nicht prä­sent. Vie­le Men­schen gen­dern, weil sie es nicht aus­rei­chend fin­den, dass Frau­en nur mit­ge­dacht wer­den anstatt mit­re­prä­sen­tiert und mit­ge­nannt zu wer­den. Der Osten, selbst wenn er direkt vor der Tür liegt, wird nicht mit­ge­dacht. Über den Osten wird bzw. wur­de nur geschrie­ben, wenn es irgend etwas Nega­ti­ves zu ver­mel­den gibt. Das ändert sich gera­de bei der taz so ein biss­chen. Hof­fen wir, dass das auch nach dem taz-Lab so bleibt.

In der Wochen­end­aus­ga­be zum taz-Lab gab es eine Korrektur. =:-)

Waschmaschinen und Schwule in der DDR und Lesben natürlich auch

Ich dach­te, ich sei fer­tig mit Anne Rabe (sie­he Posts in Kate­go­rie Anne Rabe), aber ich woll­te die Sen­dung Zwi­schen­tö­ne mit ihr noch mal kom­plett hören. Es ist wirk­lich erschüt­ternd, wie wenig Anne Rabe über die DDR weiß. Da ihre Gesprächspartner*innen meist aus dem Wes­ten sind, blei­ben ihre Aus­sa­gen auch unwi­der­spro­chen und wer­den weiterverbreitet.

Waschmaschinen

Anne Rabe behaup­tet, in der DDR hät­te es kei­ne Wasch­ma­schi­nen gegeben. 

Tat­säch­lich auf jeden Fall weiß ich, dass mei­ne Mut­ter zu der Zeit allein gelebt hat mit uns, weil mein Vater noch woan­ders stu­die­ren war und das ist was, wor­über ich manch­mal so nach­den­ke, weil tat­säch­lich, also die­se tat­säch­li­che mate­ri­el­le Armut beson­ders für die Frau­en so in den 80er Jah­ren ein ziem­lich har­tes Leben bedeu­te­te, so ohne Wasch­ma­schi­nen, ohne Bade­zim­mer, also die­ses Win­deln aus­ko­chen, ohne das, was wir heu­te alles so haben und die Kin­der eben sehr früh mor­gens in den Kin­der­gar­ten brin­gen und dann wei­ter zur Arbeit. Also das ist was, wor­über ich manch­mal nach­den­ke, dass das doch ein sehr, sehr anstren­gen­des Leben gera­de für jun­ge Müt­ter war.

Anne Rabe im Inter­view in den Zwischentönen

Wiki­pe­dia schreibt zum The­ma Waschmaschinen:

Die WM 66 war eine Wasch­ma­schi­ne, die in der Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik (DDR) ab 1966 gebaut und ver­kauft wur­de. Die Bezeich­nung WM stand für Wel­len­rad­wasch­ma­schi­ne. Auf­grund der ein­fa­chen tech­ni­schen Kon­struk­ti­on war sie ver­gleichs­wei­se preis­wert und gekenn­zeich­net durch leich­te Bedien­bar­keit, eine kom­pak­te Bau­form, sehr gerin­ge Stör- und Feh­ler­an­fäl­lig­keit sowie eine lan­ge Lebens­dau­er. Dies trug dazu bei, dass sie sowohl für den DDR-Markt als auch für den Export mil­lio­nen­fach pro­du­ziert wur­de. Die wei­te Ver­brei­tung der WM 66 mach­te sie zu einem der bekann­tes­ten Elek­tro­haus­halts­ge­rä­te in der DDR und zum Sym­bol für den Anstieg des Lebens­stan­dards, der ab dem Ende der 1960er und dem Beginn der 1970er Jah­re die sozia­le Ent­wick­lung in der DDR kenn­zeich­ne­te. Her­stel­ler war der VEB Wasch­ge­rä­te­werk Schwar­zen­berg – Betrieb des Kom­bi­na­tes Haushaltsgeräte.

Wiki­pe­dia-Arti­kel zur WM 66.

Und so sah sie aus:

WM 66 mit einem Paket Spee, einem bekann­ten Wasch­mit­tel in der DDR, Bild aus Wiki­pe­dia CC0.

Mei­ne Eltern hat­ten auch eine Wasch­ma­schi­ne. Sogar einen Wasch­voll­au­to­mat. Mei­ne Mut­ter hat damit mei­ne Hosen geschrumpft, wes­halb ich mich genau dar­an erin­nern kann. Die Wasch­ma­schi­ne stand im Bad. Eine Trom­mel­wasch­ma­schi­ne. Ein Toploa­der. Wir sind 1976 in die Woh­nung gezo­gen. Da war sie schon da. Nach Aus­kunft mei­ner Mut­ter war es eine WVA66. Mei­ne Mut­ter hat­te sie zu mei­ner Geburt (1968) von mei­nem Groß­va­ter bekom­men. Die hat­te 2800 Mark gekos­tet, was viel, viel Geld war, aber mein Opa war Inge­nieur bei Zeiss. Wiki­pe­dia schreibt zu die­sem Gerät:

1966 wur­de ein Wasch­voll­au­to­mat ohne Boden­be­fes­ti­gung in Schmal­bau­wei­se mit der Typ­be­zeich­nung WVA 66 (Nach­fol­ge­ge­rät WVA 68) vor­ge­stellt. Die Beschi­ckung der Wasch­trom­mel mit Wäsche erfolg­te von oben (Top­la­der). Die Behäl­ter­bau­grup­pe mit Antriebs­sys­tem war schwing­be­weg­lich in Federn zur Kom­pen­sa­ti­on der Unwucht­kräf­te wäh­rend des Schleu­der­gan­ges auf­ge­hängt, sodass das Gerät ohne Boden­be­fes­ti­gung betrie­ben wer­den konn­te. Die Schleu­der­dreh­zahl betrug 850/min. Das Gerät war auf aus­fahr­ba­ren Lauf­rol­len ortsbeweglich.

Wel­len­rad­wasch­ma­schi­nen gab es ab 640 Mark. Ich hat­te auch selbst so eine Wel­len­rad­wasch­ma­schi­ne, als ich eine eige­ne Woh­nung hat­te (1989). Das Rad am Boden riss alle Knöp­fe ab. Wiki­pe­dia: „Nach­teil des Wel­len­rad­sys­tems ist der rela­tiv hohe Wäsche­ver­schleiß, da die Wäsche teil­wei­se auch vom rotie­ren­den Wel­len­rad erfasst wird.“ Aber Win­deln und Kara­te-Anzü­ge haben kei­ne Knöp­fe, dafür waren sie auf alle Fäl­le geeig­net. Die Schleu­der war extra. Als Stu­dent hat­te ich das Geld, was ich als Sti­pen­di­um bekam. Das waren 300 Mark, weil ich bei der Armee gewe­sen war. Sonst lag es bei 200 Mark. Ich weiß nicht, wo ich die Wasch­ma­schi­ne her hat­te. Kann mich jeden­falls nicht erin­nern, dass Geld ein Pro­blem gewe­sen wäre. Viel­leicht habe ich sie gebraucht gekauft oder geschenkt bekom­men von jeman­dem, der sich eine bes­se­re gekauft hat.

Das DDR-Design­mu­se­um schreibt zum The­ma Waschmaschinen:

Wel­cher DDR-Bür­ger kennt die­se Wasch­ma­schi­nen nicht. Der Name Schwar­zen­berg war ein Begriff.

1961 ent­stand der Wasch­voll­au­to­mat WVA 61. 1966 die WVA 66 mit Schleu­der­gang, 1987 der Wasch­voll­au­to­mat VA 68‑E.

Die ers­te Wasch­ma­schi­ne vom Typ „WM 66“ wur­de ab 1966 her­ge­stellt. Die Maschi­ne konn­te weder spü­len noch schleu­dern. Die Bezeich­nung WM steht für Wel­len­rad­wasch­ma­schi­ne. Die Haus­frau benö­tig­te zum Schleu­dern eine Tischschleuder.

Auf der Muse­ums­sei­te gibt es Bil­der der ver­schie­de­nen Model­le und der Schleu­dern. Auf der Wiki­pe­dia-Sei­te des Wasch­ge­rä­te­werks Schwar­zen­berg fin­det man Infor­ma­ti­on zu den ver­kauf­ten Stück­zah­len. Anne Rabe scheint die ein­zi­ge DDR-Bür­ge­rin zu sein, die die­se Wasch­ma­schi­nen nicht kennt. Viel­leicht hat­te ihre Mut­ter die Maschi­ne im Kel­ler und hat das vor ihrer Toch­ter geheim gehal­ten. Anders ist das nicht zu erklä­ren. Viel­leicht hat­ten sie auch wirk­lich kei­ne, obwohl es eine Funk­tio­närs­fa­mi­lie mit zwei arbei­ten­den Erwach­se­nen und einem Funk­tio­närs­groß­va­ter waren, aber dann müs­sen sie das Geld irgend­wie anders ver­p­läm­pert haben.

Übri­gens: Es gab in der DDR Ehe­kre­di­te, die man „abkin­dern“ konn­te. Die waren genau für sol­che Din­ge wie Wasch­ma­schi­nen gedacht.

Zwi­schen 1972 und 1988 wur­den 1.371.649 Ehe­kre­di­te mit einem Gesamt­vo­lu­men von 9,3 Mil­li­ar­den Mark ver­ge­ben, von denen etwa ein Vier­tel „abge­kin­dert“ wurde.

Wiki­pe­dia: Ehe­kre­dit

Die Ehe­kre­di­te gab es für Paa­re, „deren gemein­sa­mes Ein­kom­men bei Ehe­schlie­ßung nicht über 1.400 Mark lag“. Rabe sagt, dass ihre Mut­ter gear­bei­tet hat. Ihr Vater hat viel­leicht ein Sti­pen­di­um bekom­men. Ent­we­der, sie haben über 1400 Mark ver­dient, dann konn­ten sie eine Wasch­ma­schi­ne kau­fen oder sie haben weni­ger ver­dient, dann hät­ten sie einen Kre­dit über 5000 Mark bekom­men, von dem sie nur 2500 Mark hät­ten zurück­zah­len müs­sen. Das wäre prak­tisch ein geschenk­ter Wasch­voll­au­to­mat gewesen.

(Nach­trag: 09.04.2024 Peer hat mich auf fol­gen­de Infor­ma­ti­on zur Ver­brei­tung von Wasch­ma­schi­nen hingewiesen:

1986 befan­den sich in 94,4 Pro­zent aller DDR-Haus­hal­te Wasch­ma­schi­nen, davon ca. 13 Pro­zent Wasch­voll­au­to­ma­ten, ca. 40 Pro­zent Wasch­au­to­ma­ten und ca. 47 Pro­zent Bot­tich­wasch­ma­schi­nen; Hans-Joa­chim Scheit­hau­er u. Micha­el Laue, Moder­ne Wasch­ma­schi­nen – spar­sa­me Hel­fer im Haus­halt, in: Ener­gie­an­wen­dung 37, 1988, H. 6, S. 229ff., hier S. 229; Sta­tis­ti­sches Amt der DDR (Hg.), Sta­tis­ti­sches Jahr­buch der Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik 1990, Ber­lin 1990, S. 324f.

Wöl­fel, Syl­via. 2012. „Plan­mä­ßi­ge Ver­rin­ge­rung des Bedarfs“ Die Ent­wick­lung ver­brauchs­ar­mer Haus­halts­ge­rä­te in der DDR. Tech­nik­ge­schich­te 79(1). 45–60. (doi:10.5771/0040–117X-2012–1‑45)

Die­se Ver­brei­tung ent­spricht in etwa der heu­ti­gen Ver­brei­tung in der Bun­des­re­pu­blik, die bei 96,2% liegt.

Das bedeu­tet, so die Aus­sa­ge über „tat­säch­li­che mate­ri­el­le Armut“ und die feh­len­de Wasch­ma­schi­ne in der Fami­lie Rabe denn kor­rekt ist, dass die­se Fami­lie sehr spe­zi­ell war. Aber die­sen Ver­dacht hat­te ich ja schon mehr­fach und Rabe selbst äußert sich ja auch so bzgl. der Gewalt in ihrer Familie.)

Homosexualität

Im Inter­view in den Zwi­schen­tö­nen beschreibt Anne Rabe, wie sie fest­ge­stellt hat, dass der Sozia­lis­mus der DDR ganz schreck­lich war:

Rabe: Eigent­lich gab es einen Moment, einen Aus­lö­ser, an den ich mich sehr gut erin­ne­re und zwar war ich so mit 18, Sil­ves­ter in Ham­burg und war dann mit mei­nem Freund damals im Kino und wir haben den Film geguckt von Juli­an Schna­bel, Befo­re Night Falls. Ein ganz tol­ler Film, den ich sehr emp­feh­len kann, über den kuba­ni­schen Schrift­stel­ler Rey­nal­do Are­nas, einen homo­se­xu­el­len Schrift­stel­ler, der des­halb auf Kuba ver­folgt wur­de für sei­ne Homo­se­xua­li­tät. Und das war ein sehr berüh­ren­der Film, da gibt es dann auch so Ver­schnit­te mit vie­len Cas­tro-Reden über Homo­se­xua­li­tät und das war der Moment, ich konn­te hin­ter­her gar nicht auf­ste­hen aus dem Kino­ses­sel, wo mir so bewusst wur­de, dass das, ich bin mit einem sehr posi­ti­ven DDR-Bild, einem sehr posi­ti­ven Bild vom Sozia­lis­mus und auch so sehr naiv damals noch so im Sin­ne von „Das wäre eigent­lich die Lösung für die Pro­ble­me unse­rer Zeit jetzt.“ auf­ge­wach­sen, hat­te nicht viel gehört über die Abgrün­de die­ses Sys­tems und das war für mich dann klar, ach so, das ist alles ganz, ganz anders und ich selbst wuss­te damals auch schon eben, ich bin nicht hete­ro­se­xu­ell, ich bin sel­ber que­er, für mich gäbe es da kei­nen Platz viel­leicht oder das wäre infra­ge gestellt und das war so ein ganz, ganz berüh­ren­der Moment, der mich rich­tig geschockt hat und da war mir klar, ach nee, hier stimmt eigent­lich gar nichts.

Schwarz: Mit 18, im Jahr 2002, nee 2004.

Rabe: Genau und dann habe ich tat­säch­lich ange­fan­gen auch dar­über zu lesen und mir selbst ein Bild zu machen über die DDR, über das, was da so alles so los war und dann gerät man ja rela­tiv schnell, kommt man da auf ziem­lich fins­te­re Ange­le­gen­hei­ten sozu­sa­gen. Ja doch, wenn man sucht schon, also das geht schon.

Nun ist es aber so, dass die Ein­stel­lung zur Homo­se­xua­li­tät im katho­lisch gepräg­ten Kuba sicher eine ande­re war als in der DDR der 80er Jah­re. Die DDR hat­te 1968 den Para­graph 175 gegen Homo­se­xua­li­tät lan­ge vor der BRD (1994) abge­schafft und in den 80er Jah­ren gab es Schwu­len­grup­pen in der FDJ und der SED, die ver­such­ten, den kirch­li­chen Grup­pen, die es schon seit den 70ern gab, Kon­kur­renz zu machen bzw. mit denen zu kooperieren.

Man kann dazu bei der Bun­des­zen­tra­le poli­ti­scher Bil­dung nachlesen: 

1988/89 kam es zur Grün­dung von schwul-les­bi­schen Grup­pen bei der Frei­en Deut­schen Jugend (FDJ) und in Klub­häu­sern. In Leip­zig nann­te man sich „Rosa­Lin­de“, in Dres­den „Gere­de“. Ziel war es, ein schwul-les­bi­sches Enga­ge­ment außer­halb der Kir­che zu initi­ie­ren. Man ver­such­te auch, Par­tei­mit­glie­der in bestehen­de Orga­ni­sa­tio­nen ein­zu­schleu­sen oder dort ange­schlos­se­ne Genos­sen für die SED-Zie­le zu instru­men­ta­li­sie­ren, bei­spiels­wei­se im Sonn­tags-Club. Nach­dem die­ser Ver­such geschei­tert war, wur­de – als Kon­kur­renz – die Grup­pe „Cou­ra­ge“ gegrün­det. Die FDJ gab allen Jugend­klubs vor, ein­mal im Monat eine Ver­an­stal­tung zum The­ma Homo­se­xua­li­tät zu orga­ni­sie­ren. Die unter dem Dach der SED in ver­schie­de­nen Städ­ten gegrün­de­ten Grup­pen bil­de­ten die „Inter­es­sen­grup­pe Theo­rie“, die schwul-les­bi­sche Poli­tik auf mar­xis­tisch-leni­nis­ti­scher Basis, aber auch eine Ver­net­zung mit den kirch­li­chen Arbeits­krei­sen anstrebte. 

Kön­ne, Chris­ti­an. 2018. Schwu­le und Les­ben in der DDR und der Umgang des SED-Staa­tes mit Homo­se­xua­li­tät. Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung.

Ich hat­te einen schwu­len Klas­sen­ka­me­ra­den, der mir Info­ma­te­ri­al kirch­li­cher Grup­pen zu Homo­se­xua­li­tät gege­ben hat (ca. 1985). Jörg ist jetzt Pfar­rer und hat es sich erkämpft, dass er mit sei­nem Mann im Pfarr­haus woh­nen darf (May­er, 2015).

Pfar­rer Jörg Zab­ka mit sei­nem Mann, Ber­lin, 02.11.2014. Bild: Vere­na May­er / Süd­deut­sche Zeitung

John Zin­ner hat sich in Lauscha, einer klei­nen Stadt in Thü­rin­gen, geoutet. Er ist stadt­be­kannt. Das Outing war wegen sei­nes homo­pho­ben Stief­va­ters nicht ein­fach, aber er hat es nach einer abge­bro­che­nen Repu­blik­flucht doch durch­ge­zo­gen. Das kann man in einem Arti­kel in der Zeit von 2016 nachlesen.

Kneipen

Wir wuss­ten von Schwu­len­treffs in der DDR. Von einem Lokal an der Schön­hau­ser Allee Ecke Kas­ta­ni­en­al­lee hat mir mein Mathe­leh­rer erzählt. Den Namen habe ich lei­der ver­ges­sen. Wahr­schein­lich war es das Cafe Schön­hau­ser. Es gab die Offen­bach­stu­ben. Die Prenz­lau­er-Berg-Nach­rich­ten schrei­ben über schwu­le Treffpunkte:

Nach der Zeit vor der Wen­de befragt, fal­len Patrick meh­re­re legen­dä­re Loca­ti­ons für schwu­les Publi­kum ein: „Es gab das Café Schön­hau­ser, die Schop­pen­stu­be und den Burg­frie­den“, zählt er auf. „Der Film Coming Out wur­de in die­sen Knei­pen gedreht“, weiß Wal­ter zu berich­ten. Und das war ein wah­rer Mei­len­stein: Coming Out (Regie: Hei­ner Carow) war der ein­zi­ge Film mit zen­tral schwu­ler The­ma­tik, der in der DDR je pro­du­ziert wur­de – im Novem­ber 1989 kam er in die Kinos. Auch (Ost-)Berlins bekann­tes­te Trans*-Person, Char­lot­te von Mahls­dorf, ein Name, der im Lau­fe des Abends häu­fi­ger fällt, hat­te eine Rol­le in Coming Out.

Cald­art, Isa­bel­la. 2018. Ver­schwin­den die schwu­len Knei­pen? Prenz­lau­er Berg Nachrichten.

In Kön­ne (2018) wird ange­merkt, dass es in Ost-Ber­lin viel weni­ger Schwu­len-Knei­pen gab als vor dem Krieg. Dazu muss man aller­dings wis­sen, dass es in Ost-Ber­lin ins­ge­samt eine Unter­ver­sor­gung mit Knei­pen gab. Man müss­te das also ins Ver­hält­nis zur Gesamt­knei­pen­dich­te set­zen, wenn man irgend­et­was dar­aus ablei­ten will.

Papier

Kön­ne (2018) schreibt zu Papierkontingenten:

Selbst Papier­kon­tin­gen­te für Flug­blät­ter wur­den staat­li­cher­seits nicht genehmigt.

Das hört sich für Nicht-Ossis oder Nach­ge­boh­re­ne sicher nach schlim­mer Unter­drü­ckung an. Die feh­len­de Hin­ter­grund­in­for­ma­ti­on ist, dass es einen extre­men Man­gel an Papier gab. Die meis­ten Druckerzeug­nis­se waren so genann­te Bück­wa­re. Man konn­te nicht ohne wei­te­res Abos für Peri­odi­ka abschlie­ßen. Ich habe jah­re­lang für mei­ne Mut­ter auf dem Schul­weg am Bahn­hofs­ki­osk ver­sucht, die Für Dich und die NBI zu ergat­tern. Ich war früh um 7:00 dort und es hat meis­tens geklappt. Wenn ich es ver­ba­selt hat­te, war mei­ne Mut­ter sauer. 

Titel­sei­te der DDR-Frau­en­zei­tung Für Dich von 1979. Die DDR hat Ver­wun­de­te aus Nami­bia in Ber­lin-Buch im Kli­ni­kum betreut. Bild in einer Aus­stel­lung im Muse­um Pan­kow, Ber­lin, 04.04.2024

Das Mosa­ik habe ich auch meis­tens bekom­men, aber mei­ne Samm­lung hat­te auch Lücken. 

  • Mosa­ik (Comic für Kin­der und Jugendliche)
  • Neu­es Leben (Jugend­zeit­schrift)
  • Für Dich (Wochen­zeit­schrift für die Frau)
  • NBI (Neue Ber­li­ner Illus­trier­te, Wochenzeitschrift)
  • Das Maga­zin (monat­lich erschei­nen­de Zeit­schrift mit Geschich­ten und Akt-Bildern)

Wenn also der Staat den Schwu­len- und Les­ben-Ver­bän­den Papier geneh­migt hät­te, dann hät­te das bedeu­tet, dass er Homo­se­xua­li­tät nicht nur nicht behin­dert, son­dern auch för­dert. Das pass­te nun aber gar nicht ins Sys­tem. Wie­so soll­te der Staat etwas för­dern, das er nicht unter Kon­trol­le hat­te und das ihm even­tu­ell Schwie­rig­kei­ten berei­ten wür­de? Geför­dert wur­den eige­ne Mas­sen­or­ga­ni­sa­ti­on oder Grup­pen, die die eige­ne Ideo­lo­gie propagierten.

Ver­viel­fäl­ti­gungs­ma­schi­nen und Papier gab es nicht. Ich habe eine Zeit­schrift, die ich mit einem Freund gemacht habe, auf NVA-Dru­ckern aus­ge­druckt. Der Tele­graph wur­de mit Uralt-Druck­wal­zen vervielfältigt.

Stasi

Kön­ne (2018) schreibt, dass die Sta­si Schwu­len- und Les­ben­ver­bän­de bespit­zelt hat. Das hört sich schlimm an und es war auch schlimm, aber als Hin­ter­grund­in­for­ma­ti­on muss man wis­sen, dass alle Grup­pie­run­gen, die sich gebil­det haben, von der Sta­si unter­wan­dert und beob­ach­tet wur­den. Allen war klar, dass bei einem Tref­fen von drei Leu­ten, einer bei der Sta­si war. Man­che, wie zum Bei­spiel Vera Wol­len­ber­ger, hat­ten die Sta­si mit im Bett. Da war sie sogar in Zwei­er­grup­pen dabei. Das war die DDR. Ein Staat, der sei­ner Bevöl­ke­rung nicht trau­te und sie lücken­los über­wacht hat.

Kurt Demm­ler am 4.11.1989: Irgend­ei­ner ist immer dabei

Die Schwu­len- und Les­ben­ver­bän­de haben das ein­zig Rich­ti­ge getan: Sie haben die Sta­si mit offe­nen Armen empfangen.

Einstellung zu Homosexualität in Aufklärungsbüchern und der Wissenschaft

Im Auf­klä­rungs­buch „Mann und Frau intim“ gibt es ein Kapi­tel zur Homo­se­xua­li­tät, das im Wesent­li­chen dem ent­spricht, was fort­schritt­li­che Men­schen heu­te über Homo­se­xua­li­tät den­ken. Das Buch ist 1971 erschie­nen und wur­de wie­der­holt unver­än­dert nach­ge­druckt. Mir liegt die 12. unver­än­der­te Auf­la­ge von 1979 vor. Mei­ne Aus­ga­be ist aus dem Ver­lag Volk und Gesund­heit, Ber­lin. Nach Wiki­pe­dia­ein­trag des Autors Schnabl ist es vor­her 1969 in Rudol­stadt und auch als gering­fü­gig gekürz­te Lizenz­aus­ga­be 1969 in der BRD ver­öf­fent­licht wor­den. Das Buch wur­de ins Tsche­chi­sche (1972), Bul­ga­ri­sche (1979) und Rus­si­sche (1982) über­setzt. Bis 1990 hat­te das Buch 18 Auflagen.

Sexu­al­rat­ge­ber von 1971 aus der DDR mit heu­ti­gen Ansich­ten zur Homosexualität

Da in der DDR nicht ein­fach irgend­wer irgend­wel­che Bücher ver­öf­fent­li­chen konn­te, kann man davon aus­ge­hen, dass das die offi­zi­el­le Mei­nung zum The­ma war. Kön­nen (2018) schreibt:

Dies zeig­te sich in den Rat­ge­bern zur Sexua­li­tät für Erwach­se­ne. So wur­de 1977 Homo­se­xua­li­tät im Auf­klä­rungs­buch „Mann und Frau intim“ als eine von meh­re­ren Mög­lich­kei­ten mensch­li­cher Sexua­li­tät dar­ge­stellt. 1984 fand sich in „Lie­be und Sexua­li­tät bis 30“ erst­mals ein Kapi­tel zur Homo­se­xua­li­tät, das die­se posi­tiv dar­stell­te. Es ist nicht belegt, dass eine sol­che Ände­rung auch in den Unter­richts­hil­fen erfolg­te. Im sel­ben Jahr wur­de vom Ber­li­ner Magis­trat, der Ost-Ber­li­ner Stadt­ver­wal­tung, eine Grup­pe von Wis­sen­schaft­lern an der Hum­boldt Uni­ver­si­tät ein­ge­setzt, die Kon­zep­te erar­bei­ten soll­te, um die Lebens­um­stän­de und Lebens­be­din­gun­gen von Schwu­len und Les­ben zu ver­bes­sern.

DDR-weit gab es von 1985 bis 1990 drei inter­dis­zi­pli­nä­re Work­shops an ver­schie­de­nen Uni­ver­si­tä­ten mit dem Fokus auf homo­se­xu­el­len Eman­zi­pa­ti­ons­be­we­gun­gen. 1987 erschien mit „Homo­se­xua­li­tät“ die ers­te popu­lär­wis­sen­schaft­li­che Publi­ka­ti­on in der DDR. 1988 pro­du­zier­te das Deut­sche Hygie­ne-Muse­um Dres­den den Auf­klä­rungs­film „Die ande­re Lie­be“. Die Bro­schü­re zum Film infor­mier­te über die Geschich­te und das aktu­el­le Leben Homo­se­xu­el­ler sowie über die Kennt­nis­se der Wis­sen­schaft und gab Tipps für den All­tag des Ein­zel­nen – und spe­zi­ell für Eltern und Erzieher.

Kön­ne, Chris­ti­an. 2018. Schwu­le und Les­ben in der DDR und der Umgang des SED-Staa­tes mit Homo­se­xua­li­tät. Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung.

Es gab ein Auf­klä­rungs­buch für Jugend­li­che ab 12 Jah­ren: Denkst Du schon an Lie­be von Hein­rich Brück­ner.

Zu DDR-Zei­ten habe ich es gele­sen, es stand bei mei­nen Eltern im Schrank. Ich habe es mir extra jetzt noch ein­mal gekauft (4. Auf­la­ge von 1976). Es gibt auch in die­sem Buch ein Kapi­tel über Homo­se­xua­li­tät und die­se wird als nor­ma­le Vari­an­te dar­ge­stellt. Ich den­ke, dass das auch den Ansich­ten ent­spricht, die heu­te Stand der medi­zi­ni­schen For­schung sind. Ein­zi­ger Unter­schied ist wahr­schein­lich das Schutz­al­ter (§151), das in dem Buch noch gerecht­fer­tigt wird, aber in der DDR auch 1988 abge­schafft wurde.

Kuba und Homosexualität

Kuba war nach der Revo­lu­ti­on bis zu Fidel Cas­tros Tod von die­sem kon­trol­liert und gelenkt. Wie Rabe schreibt, gab es Reden von Cas­tro mit homo­se­xu­el­le­feind­li­chen Äuße­run­gen. Nach des­sen Tod wur­den wich­ti­ge Ämter von Raúl Cas­tro über­nom­men. Inter­es­san­ter­wei­se lei­te­te ab 1980 Raúl Cas­tros Toch­ter Marie­la Cas­tro Espín das Zen­trum für Sexu­el­le Bil­dung. Seit 1990 ist sie Direk­to­rin des Cen­tro Nacio­nal de Edu­ca­ción Sexu­al (Natio­na­les Zen­trum für sexu­el­le Auf­klä­rung – CENESEX). Sie ist LGBTQ-Akti­vis­tin und setzt sich sehr stark für die Rech­te der Homo­se­xu­el­len ein. Der Cuba-Bud­dy, eine Tou­ris­mus-Sei­te mit Spe­zia­li­sie­rung auf Kuba, schreibt:

In den letz­ten Jah­ren hat sich die Situa­ti­on der LGBTQ-Gemein­schaft auf Kuba deut­lich ver­bes­sert. Im Jahr 2008 wur­den Geset­ze ein­ge­führt, die Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund der sexu­el­len Ori­en­tie­rung ver­bie­ten. Die Geschlechts­um­wand­lung wur­de lega­li­siert und ist für jede Kuba­ne­rin und für jeden Kuba­ner kos­ten­frei und wird voll­stän­dig von den Kran­ken­kas­sen übernommen.

Im Sep­tem­ber 2022 stimm­te eine gro­ße Mehr­heit der Bevöl­ke­rung außer­dem bei einem Refe­ren­dum für eine Reform des Fami­li­en­ge­set­zes. Damit ist die Lega­li­sie­rung der gleich­ge­schlecht­li­chen Ehe, die Mög­lich­keit der Leih­mut­ter­schaft für homo­se­xu­el­le Paa­re sowie Adop­ti­on und här­te­res Vor­ge­hen gegen geschlech­ter­spe­zi­fi­sche Gewalt beschlos­sen worden.

Vor genau zehn Jah­ren, 2013 fand die ers­te offi­zi­el­le Pri­de-Woche in Havan­na statt, an der Tau­sen­de von Men­schen teil­nah­men. Seit­dem erstrahlt die Haupt­stadt jedes Jahr für eine Woche in den Far­ben der Community.

Der Cuba bud­dy: Geschich­te der LGBTQIAS+-Gemeinschaft in Kuba

Aus wirt­schaft­li­chen Grün­den inten­si­vier­te Kuba ab den 80er Jah­ren den Tou­ris­mus und war des­halb auch an einer fort­schritt­li­che­ren Sicht auf Homo­se­xua­li­tät inter­es­siert. 2022, also ein Jahr vor dem Inter­view mit Rabe, wur­den die Fami­li­en­ge­set­ze in Kuba moder­ni­siert, so dass man jetzt gleich­ge­schlecht­lich hei­ra­ten kann. Kuba hat jetzt eins der libe­rals­ten Fami­li­en­ge­set­ze weltweit.

Kuba ist immer noch ein sozia­lis­ti­sches Land, ein Ein­par­tei­en­sys­tem mit einer kom­mu­nis­ti­schen Par­tei. Die Fra­ge, die man sich stel­len muss, ist, war­um es so lan­ge gedau­ert hat, bis die Geset­ze geän­dert wur­den. Und die Ant­wort ist, dass in sol­chen Dik­ta­tu­ren des Pro­le­ta­ri­ats, also de fac­to Ein­par­tei­en­sys­te­men, je nach Gege­ben­hei­ten im jewei­li­gen Land, viel an Ein­zel­per­so­nen hän­gen kann. Die Men­schen, die, als Rabe drei Jah­re alt war, an den run­den Tischen saßen, waren zum Teil für einen Sozia­lis­mus mit mensch­li­chem Ant­litz. Mehr Betei­li­gung, weni­ger Über­wa­chung. Eine eigen­stän­di­ge, lin­ke, pro­gres­si­ve DDR.

Wer­bung für Anti-Kohl-Demo im Dezem­ber 1989 ver­schie­de­ner Oppo­si­ti­ons­grup­pen, u.a. den Grü­nen und der Frau­en­ver­ei­ni­gung Lila Offen­si­ve. DDR-Muse­um Eisenhüttenstadt.

Wich­tig ist in die­sem Zusam­men­hang, dass das Fami­li­en­ge­setz auf­grund eines Refe­ren­dums geän­dert wur­de. Das zeigt, dass es in Kuba heut­zu­ta­ge eine Betei­li­gung des Vol­kes gibt. Übri­gens setzt sich auch hier Marie­la Cas­tro für die Stär­kung par­ti­zi­pa­ti­ver Mecha­nis­men ein.

Schwule und der Sozialismus

Anne Rabe lei­te­te ja aus einem Film über einen Schrift­stel­ler im katho­li­schen Kuba irgend­et­was über „den Sozia­lis­mus“ ab. Man hät­te ja mal gucken kön­nen, wie es in der DDR war, um her­aus­zu­fin­den, ob das im Film Gezeig­te für den Sozia­lis­mus an sich typisch gewe­sen war. Aber selbst wenn es in der DDR auch so schlimm gewe­sen wäre, wäre man noch nicht fer­tig gewe­sen. Es hät­te ja sein kön­nen, dass die DDR viel­leicht als Nazi-Erbe noch bestimm­te spe­zi­el­le homo­pho­be Ein­stel­lun­gen tra­diert hät­te, die aber nicht zwangs­läu­fig mit dem Sozia­lis­mus gekop­pelt gewe­sen sein müss­ten. Dazu hät­te man über­prü­fen müs­sen, wie es in ande­ren Län­dern des Ost-Blocks gewe­sen ist. Kön­nen (2018) schreibt dazu:

Die sich in der DDR for­mie­ren­de Eman­zi­pa­ti­ons­be­we­gung war durch die­sel­be Film­pro­duk­ti­on beein­flusst wie die der Bun­des­re­pu­blik und such­te sich auch spä­ter ihre Vor­bil­der im Wes­ten. Sol­che aus der frü­hen Geschich­te der UdSSR, wo die Straf­bar­keit für Homo­se­xua­li­tät – zwi­schen 1917 und 1934 – abge­schafft wor­den war, wur­den nicht genutzt. Kon­tak­te mit Homo­se­xu­el­len aus ande­ren Staa­ten des ehe­ma­li­gen Ost­blocks wie Polen, ČSSR oder Ungarn, in denen Homo­se­xua­li­tät teil­wei­se eben­falls seit den 1960er straf­frei war, sind aber ab 1987/88 bezeugt.

Das zeigt, dass die Sowjet­uni­on, wo zumin­dest die spä­te­re Hälf­te des Mar­xis­mus-Leni­nis­mus her­kam, schon vor 1934 eine ande­re Ein­stel­lung zur Homo­se­xua­li­tät hat­te als die Deut­schen, die ihr 1000jähriges fins­te­res Kapi­tel da gera­de erst begon­nen hat­ten. 1934 wur­de Röhm ermor­det und dann war der Weg frei für die sys­te­ma­ti­sche Ver­fol­gung und Ver­nich­tung Homo­se­xu­el­ler (Wiki­pe­dia: Homo­se­xua­li­tät in der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus). In Polen wur­de die Homo­se­xua­li­tät sogar 1932 schon straf­frei und homo­se­xu­el­le Pro­sti­tu­ti­on 1968 lega­li­siert.

Schlussfolgerung

An der DDR gab es viel zu bemän­geln und ich war auch im Okto­ber 1989 in der Geth­se­ma­ne-Kir­che und habe pro­tes­tiert, aber aus einem Film über das schwe­re Leben eines schwu­len Schrift­stel­lers in Kuba abzu­lei­ten, dass der Sozia­lis­mus schlecht ist, hal­te ich für etwas gewagt. Schlimm ist es dann, wenn eine que­e­re Per­son 2023, also 19 Jah­re spä­ter, die­se Geschich­te völ­lig unre­flek­tiert erzählt.

Der Sozialismus ist tot, es lebe der Solzialismus!

Anne Rabe ist Mit­glied der SPD. Aus mei­nen ver­schie­de­nen Blog-Bei­trä­gen soll­te klar gewor­den sein, dass Anna Rabes Arbeit sich nicht durch Gründ­lich­keit aus­zeich­net. So hat sie wahr­schein­lich auch nicht wirk­lich nach­ge­schaut, in wel­che Par­tei sie ein­ge­tre­ten ist. Die SPD war ursprüng­lich eine Arbei­ter­par­tei. Mein Opa war drin, sein Bru­der war in der SAJ, der Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on der SPD. Er hat im KZ geses­sen für Flug­blät­ter für eine Ein­heits­front aus KPD und SPD (sie­he Blog-Post zu Rabes Ideen von Blut­schuld). Die SPD war bis 1959, bis zum Godes­ber­ger Pro­gramm, eine mar­xis­tisch-leni­nis­ti­sche Par­tei. Das haben sie dann aus dem Pro­gramm gewor­fen, aber sie wol­len immer noch den (demo­kra­ti­schen) Sozia­lis­mus auf­bau­en (sie­he Ham­bur­ger Pro­gramm, 2007). Ob das mit dem aktu­el­len Per­so­nal was wird, ist noch eine ande­re Fra­ge, aber das ist zumin­dest das Ziel. Die SPD steht zur Zeit nir­gend­wo im Osten da, wo sie ste­hen könn­te, in Sach­sen bei 6%, und Anne Rabe ist Teil des Pro­blems. Sie hilft dem Wes­ten, wie Osch­mann es sagen wür­de, sich einen Osten zu kon­stru­ie­ren. Mit die­sen Men­schen möch­te im Osten nie­mand zu tun haben. Damit die­ses Pro­blem irgend­wann im Wes­ten ankommt, schrei­be ich die­se Blog-Beiträge.

Umfra­ge­er­geb­nis­se für Sach­sen 3.4.2024: https://dawum.de/Sachsen/

Zusammenfassung

Lie­be Wes­sis, lie­be drit­te oder vier­te Gene­ra­ti­on Ossis: Anne Rabe ist kei­ne zuver­läs­si­ge Quel­le für irgend­was. Wenn Ihr sie inter­viewt, berei­tet Euch gut dar­auf vor. Wenn Ihr über Ihre Aus­sa­gen schreibt, recher­chiert selbst. Ihr wer­det sonst auch Teil der gro­ßen Peinlichkeit.

Quellen

Anne Rabe: „In ver­wir­ren­den Zei­ten sind ein­fa­che Nar­ra­ti­ve ver­füh­re­risch“. 2023. Deutsch­land­ra­dio. (Zwi­schen­tö­ne.) (https://www.deutschlandfunk.de/anne-rabe-in-verwirrenden-zeiten-sind-einfache-narrative-verfuehrerisch-dlf-84b94bff-100.html)

Kön­ne, Chris­ti­an. 2018. Schwu­le und Les­ben in der DDR und der Umgang des SED-Staa­tes mit Homo­se­xua­li­tät. Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung. (https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/265466/schwule-und-lesben-in-der-ddr/)

May­er, Vere­na. 2015. Homo­se­xua­li­tät und Kir­che: Der Herr Pfar­rer und sein Mann. Süd­deut­sche Zei­tung. Mün­chen. (https://www.sueddeutsche.de/leben/homosexualitaet-und-kirche-der-herr-pfarrer-und-sein-mann‑1.2218981)

Timt­schen­ko, Maria. 2016. DDR: Ein Mann fin­det sein Glück. Die Zeit (50/2016). (https://www.zeit.de/2016/50/ddr-thueringen-homosexualitaet-lauscha/)

Wöl­fel, Syl­via. 2012. „Plan­mä­ßi­ge Ver­rin­ge­rung des Bedarfs“ Die Ent­wick­lung ver­brauchs­ar­mer Haus­halts­ge­rä­te in der DDR. Tech­nik­ge­schich­te 79(1). 45–60. (doi:10.5771/0040–117X-2012–1‑45)

Combat 18 und Thüringen

Der Chef von Com­bat 18 lebt in Thü­rin­gen. Net­ter­wei­se schreibt die taz jetzt aber auch schon manch­mal selbst dazu, wo die Nazis eigent­lich herkommen:

Die vier Män­ner, dar­un­ter der Anfüh­rer Stan­ley Rös­ke, sol­len Com­bat 18 gemein­sam mit ande­ren Mit­glie­dern bis min­des­tens 2022 wei­ter­be­trie­ben haben. […] Rös­ke ist ein lang­jäh­ri­ger Neo­na­zi aus Kas­sel, der nach Thü­rin­gen über­ge­sie­delt war und sich auch mit Ste­phan Ernst umge­ben hat­te, dem Mör­der des Kas­se­ler Regie­rungs­prä­si­den­ten Wal­ter Lübcke.

Sabi­ne am Orde: Ankla­ge gegen vier Neo­na­zis, taz, 05.04.2024, S. 6. 

Der ande­re Chef kommt nach Spie­gel aus Dort­mund bzw. nach taz aus Cas­trop-Rau­xel in Nordrhein-Westfalen.

Im taz-Arti­kel wird auch Knock­out 51 erwähnt. Das ist eine Nazi­or­ga­ni­sa­ti­on von Men­schen aus Eisen­ach und Erfurt. Sie wur­de laut MDR vom Neo­na­zi Patrick Wiesch­ke (NPD, jetzt Die Hei­mat) aufgebaut. 

Was die bür­ger­li­che Fas­sa­de als Buch­händ­ler und das bie­de­re Image der Par­tei für man­che Beob­ach­ter ver­deck­te: Wiesch­ke scharr­te schon zu die­sem Zeit­punkt immer mehr Jugend­li­che aus Eisen­ach und Erfurt um sich, die zwar rechts, aber noch nicht straff orga­ni­siert waren.

dst. 20.08.2023 MDR THü­rin­gen: Die Neo­na­zis, die nie­mand stopp­te: Pro­zess gegen Eisen­acher “Knock­out 51” startet

Wiesch­ke ist selbst aus Eisen­ach, aber wur­de erst 1981 gebo­ren. Zur Wen­de war er also 8 Jah­re alt. Den über­wie­gen­den und für die Her­aus­bil­dung poli­ti­scher Über­zeu­gun­gen wich­ti­ge­ren Teil sei­ner Jugend hat er also im Nach­wen­de-Deutsch­land verbracht.

Quellen

Die Neo­na­zis, die nie­mand stopp­te: Pro­zess gegen Eisen­acher “Knock­out 51” star­tet. 2023. MDR Thü­rin­gen. (https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/west-thueringen/eisenach/neonazis-knockout-angeklagt-flieder-100.html)

Leipziger oder Franke?

Ha! Wie­der! Die taz schreibt über den Schelm-Ver­lag, der Mein Kampf und Holo­caust-Leug­nung ver­treibt (Die Lie­fe­ran­ten des Has­ses). Sie schrei­ben über den Ver­lags­lei­ter als Rechts­extre­mist und frü­he­ren Leipziger.

der lang­jäh­ri­ge Rechts­extre­mist und frü­he­re Leip­zi­ger Adri­an Preißdinger.

taz, 15.03.: Die Lie­fe­ran­ten des Hasses

Der Ver­lag war in Leip­zig, das wird im Arti­kel auch erwähnt, aber wie­so soll­te die Infor­ma­ti­on, dass der Ver­lags­lei­ter ein Leip­zi­ger war, rele­vant sein? Die wäre nur in der Ost-West-Dis­kus­si­on wich­tig. Und da ist sie falsch. Adri­an Preiß­in­ger wur­de 1964 in Kro­nach, einer ober­frän­ki­schen Stadt, geboren.