In Der Ossi und der Holocaust habe ich die Behauptungen von Anetta Kahane und Ines Geipel zum Umgang der DDR mit dem Holocaust untersucht und bin zum Schluss gekommen, dass beide Autorinnen entweder keine Ahnung haben oder lügen.
Die West-Gesellschaft des direkten Nachkriegs, die sich manisch schönputzte, die schier märchengleich Kohle machte und sich in ihrer Unfähigkeit zu trauern verpuppte. Die postfaschistische DDR der fünfziger Jahre dagegen wurde zur Synthese zwischen eingekapseltem Hitler und neuer Stalin-Diktatur, planiert durch einen roten Antifaschismus, der einzig eine Heldensorte zuließ: den deutschen Kommunisten als Überwinder Hitlers. Mit dieser instrumentellen Vergessenspolitik wurde im selben Atemzug der Holocaust für 40 Jahre in den Ost-Eisschrank geschoben. Er kam öffentlich nicht vor.
Im Blog-Post zeige ich recht deutlich, dass die Verbrechen an den Juden überall thematisiert wurden. In den Geschichtsbüchern der neunten Klasse, im Literaturunterricht, in Büchern, Filmen, Straßennahmen usw.
Beim taz-Lab gab es eine Podiumsdiskussion mit der Historikerin Katja Hoyer und dem Schriftsteller Marco Martin, bei der letzterer sagte, das mit der Geschichtsschreibung durch die Sieger im Vereinigungsprozess sei doch eine Mär, denn es gäbe doch auch ostdeutsche Stimmen wie Ines Geipel und Anne Rabe. Ich habe dann im Diskussionsteil darauf hingewiesen, dass Anetta Kahane und Ines Geipel keine glaubwürdigen Quellen seien, da sie entweder keine Ahnung hätten oder lügen würden, was zu großer Entrüstung führte. Leider kannte ich zu diesem Zeitpunkt eine Dokumentation des MDRs noch nicht, denn aus dieser geht hervor, dass Ines Geipel erhebliche Probleme mit der Wahrheit in Bezug auf ihr eigenes Leben hat. Auch die Zahlen der Dopingbetroffenen, die sie als Chefin der Dopingopferhilfe vertreten hat, hielten einer Überprüfung nicht stand.
Das ist der MDR-Beitrag:
Ines Geipel hat behauptet, dass die Stasi bei einer Blinddarm-Operation ihre Bauchmuskulatur und all ihre Organe zerschnitten habe.
Eine Unterleibsoperation 1984 bot die Gelegenheit, „sie zumindest für längere Zeit auf Eis zu legen“, wie sie aus den Akten zitierte. Ein Chirurg der Virchow-Klinik in Berlin stellte 2004, zwanzig Jahre nach der perfiden Tat, fest, was die Ärzte in der DDR ihr angetan hatten. „Mein gesamter Bauch war samt Muskulatur durchschnitten worden“, erfuhr sie. „Alle inneren Organe waren verletzt.“
In der Dokumentation wurde sie bei einem Sprint-Wettbewerb zwei Monate nach der OP gezeigt. Mit verletzten Organen läuft man keine 100m, weil man auch vor dem Wettkampf trainieren muss.
Den kompletten Bauch aufschneiden, wer glaubt in so einen Unsinn? Da könnte man nicht mehr laufen. Ich habe ja erst vor ein paar Tagen wieder gelesen, dass alle innere inneren Organe wurden verletzt. Das ist ein Unding. Das geht nicht und da kann man vor allen Dingen nicht sechs Wochen oder acht Wochen später laufen. Schlecht wie immer – aber gelaufen ist sie.
Bezüglich ihrer Blinddarmoperation gibt sie an, dass sie als Folge der durch die Stasi durchgeführten Operation keine Kinder mehr bekommen konnte (Einzelkämpfer bei 1:24:15). Laut MDR-Faktencheck (2023: 60) steht im OP-Bericht vom 17.01.2003 nichts von Verletzungen anderer Organe oder Verletzungen, die Kinderlosigkeit hätten verursacht haben können.
Geipel gibt mit Weltrekorden an und damit Olympionikin gewesen zu sein, sie hat aber nie eine gewonnen, ja, sie hat nicht einmal an einer Olympiade teilgenommen. Bei Sprint-Wettkämpfen landete sie trotz hoher Dopingwerte auf hinteren Plätzen. In die nationale Auswahl der Sprintstaffel kam sie nicht, weil es bessere Läuferinnen gab.
Nach Ausstrahlung der MDR-Doku legte Ines Geipel eine Programmbeschwerde ein (dokumentiert auf ihrer Web-Seite: Programmbeschwerde Doping und Dichtung). Diese ist eigentlich noch schlimmer, als das, was man aus der Doku erfährt, denn sie zeigt, wie Ines Geipel arbeitet. Mit bewussten Auslassungen, Verdrehungen und Manipulationen. Der MDR hat die Programmbeschwerde durch zwei renommierte Sportjournalist*innen prüfen lassen und auf 101 Seiten ist die ganze Ungeheuerlichkeit des Vorgangs dokumentiert. Die Autor*innen nennen Geipel darin eine Lügnerin und Hochstaplerin, die Wörter Unverfrorenheit und Dreistigkeit kommen vor. Nur ein Beispiel: In Geipels Stasi-Akte steht:
Dieser Darmverschluss ergab sich jedoch, da dies bei jungen Menschen noch der Fall ist oder möglich ist; ansonsten wäre eine weitere Operation nötig gewesen. Danach sollte Geipel wieder in ein Krankenhaus wegen ihrer .… Geschichte. Dies wäre die Chance gewesen, sie für längere Zeit auf Eis zu legen. Sie ist jetzt z.Z. in einer Phase der Rehabilitation …
BStU, nach Screenshot aus MDR-Doku.
Diese Aussage belegt, dass das eine Chance gewesen wäre, d.h. das Auf-Eis-Legen ist nicht erfolgt. Geipel lässt in ihren Zitaten das Wort gewesen einfach weg: „Das ist die Chance, sie für längere Zeit auf Eis zu legen.“ (In Einzelkämpfer, 2013: 1:26:15 kann man sehen, wie sie die Passage „vorliest“).
Man kann also schließen, dass Ines Geipel keine glaubwürdige Zeugin in Bezug auf die DDR-Geschichte ist.
Denn der verantwortungsvolle Umgang mit der Wahrheit gehört augenscheinlich nicht zu den Stärken der 62 Jahre alten Berlinerin.
Ich hatte ja in der Auseinandersetzung über den Umgang mit dem Holocaust in der DDR als Ergebnis die beiden Möglichkeiten „keine Ahnung“ und „lügen“. Theoretisch ist es immer noch möglich, dass Ines Geipel keine Ahnung in Bezug auf das Thema Holocaust hatte bzw. hat, aber die Lügen-Möglichkeit erhält mit dieser Information über Ines Geipel mehr Plausibilität.
Nachtrag
Die Dokumente auf Ines Geipels Web-Seite sind mir bekannt. Sie werden im Faktencheck in der Erwiderung auf die Programmbeschwerde gegen den MDR besprochen. Die von Geipel beigebrachten Dokumente widerlegen nichts von dem, was oben aus den Dokumentationen zitiert wurde.
Ich habe schon im Beitrag über Kling Klang und den Osten darüber geschrieben, dass Zeitungsbeiträge die Ossis einfach nicht zur Leserschaft zählen. Es wird über sie geschrieben. Selbst in Fällen in denen die Autor*innen das eigentlich ändern wollen und auf eine bessere Verständigung und mehr Respekt hinarbeiten. Hier möchte ich ein paralleles Beispiel aus der Wissenschaft diskutieren.
Die Soziologin Prof. Jutta Allmendinger spricht über Kinderbetreuung und wie sich das alles bei „uns“ verändert und verbessert hat. Wie „wir“ mit gewissen Problemen umgehen und erwähnt dann lobend und vergleichend den Osten. Wenn man genau hinhört oder hinterher noch mal drüber nachdenkt, merkt man, dass der Osten nicht zu „wir“ gehört. Der Osten ist immer das Andere, das Abweichende. Etwas mit dem man sich vergleichen kann.
Wir sind halt keine doppelten Lottchen. Wir leben in unserer Gesellschaft. Wir können hier nur Vergleiche anziehn. Beispielsweise zu den ostdeutschen Ländern, wo immer noch es viel, viel selbstverständlicher ist, dass Frauen auch erwerbstätig, auch ganztags erwerbstätig sind.
Als Wissenschaftler*in müsste man sagen: Bei uns ist das so: Einerseits haben wir X im Westen und andererseits haben wir Y im Osten.
Dass es Unterschiede gibt, lässt sich nicht leugnen. Aber die gibt es auch zwischen Nord und Süd (zum Beispiel im Fleischverbrauch).
Viele Ossis wollten lange dazugehören. Jetzt haben sie aufgegeben. Die Schlumpfpartei hört ihnen zu. Alle anderen haben versagt. Versagen immer noch.
Und wie man sieht, ist das Ganze nicht nur ein Problem der (West-)Medien, sondern auch eins der Intelligenz, der wissenschaftlichen Elite.
In der taz vom 22.04.2024 gibt es einen Artikel über rechte Richter von Gera. Besprochen wird, dass zwei Richter Asylanträge signifikant häufiger ablehnen, als das im bundesweiten Durchschnitt der Fall ist.
In einem „Forderungspapier zur Justiz in Thüringen“ aus dem April 2022 beklagen neun Vereine aus der Flüchtlingshilfe eine „Entscheidungspraxis“ des Verwaltungsgerichts Gera in Asylverfahren, die „mindestens eine tendenziöse Rechtsprechung vermuten lässt“. Unter Rechtsanwälten sei es ein „offenes Geheimnis“, dass es dort fast unmöglich ist, Asylverfahren afrikanischer Kläger zu gewinnen. Im Fadenkreuz der Kritik stehen die Richter Fuchs und Amelung. MDR-Recherchen und eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag bestätigen die Praxiserfahrungen der Anwälte und Flüchtlingshelfer.
Außerdem sind Richter desselben Gerichts für Genehmigungen von Nazi-Veranstaltungen zuständig:
Die Asylrechtssprechung ist aber nicht der einzige Bereich, der in Gera Fragen aufwirft. Auch die Entscheidungspraxis des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Gera, Michael Obhues, als Vorsitzender der 1. Kammer ist politisch umstritten. Diese hat einer Neonazi-Gruppe und der NDP (heute „Die Heimat“) über Jahre erstaunlich viel Raum für Demonstrationen, Protestaktionen und rechte Rockkonzerte eröffnet.
In Jena durfte die NPD Märsche im Gedenken an die Reichspogromnacht und an den Tod von Hitlerstellvertreter Rudolf Heß durchführen. Die Neonazi-Gruppe „Thügida/Wir lieben Ostthüringen“ durfte Hitlers Geburtstag am 20. April 2016 mit einem Fackelzug in Jena feiern. Das Gericht kassierte dabei immer wieder zuvor verhängte Versammlungsverbote des damaligen SPD-Oberbürgermeisters Albrecht Schröter.
Typisch für diese Gerichtsbeschlüsse ist, dass die Kammer den Vorträgen der braunen Anmelder eher glaubte als denen des Oberbürgermeisters – wenn sie zum Beispiel vorgaben, mit Demos die Meinungsfreiheit zu verteidigen oder gegen „linken Terror“ zu protestieren, obwohl sie tatsächlich Hitler oder Heß huldigen wollten. Dass die offiziell genannten Demonstrationsziele nur zur Tarnung vorgeschoben waren und die Proteste in Wirklichkeit Tarnversammlungen für braune Anliegen waren, hielten die Verwaltungsrichter in Gera für nicht hinreichend belegt.
Und wie Joachim Wagner feststellt: „Die Folge dieser Spruchpraxis: Zwischen 2006 und 2016 hatte sich Jena zur einem Protesteldorado für NPD und Neonazis entwickelt.“
Dasselbe Gericht hat entschieden, dass die AfD nicht wirklich verfassungsfeindlich sei, obwohl der Verfassungsschutz, der sich ja mit der Einordnung von Parteien als rechtsextrem auch nicht leicht tut, das nach jahrelanger Detailarbeit inzwischen herausgefunden hatte. Ein AfD-Sportschütze durfte seine Waffe behalten:
Hier kam die Kammer im August 2023 nebenbei zum Ergebnis, dass die Verfassungsschützer bislang nicht „tragfähig nachgewiesen“ hätten, dass der Thüringer AfD-Landesverband „erwiesen rechtsextremistisch“ sei. Der AfD-Sportschütze durfte seine Waffenbesitzkarte vorerst behalten.
Sehr guter Artikel. Es fehlten nur einige Details, die im Ost-West-Diskurs aber sehr wichtig sind: Wer sind diese Richter? Wo kommen sie her? Dr. Bengt-Christian Fuchs, Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Gera, ist laut linkedIn-Profil Bankkaufmann und hat 1984–1986 in Hannover und London gearbeitet. Er ist außerdem Oberstleutnant der Bundeswehr. Dr. Bernd Amelung hat von 1982–1989 an der Georg-August-Universität Göttingen sein erstes Staatsexamen in Öffentlichem Recht gemacht. Michael Obhues, Präsident des Verwaltungsgerichts Gera, wurde in Erwitte/Westfalen geboren. Er studierte 1986–1992 an der Universität in Münster Rechtswissenschaften. Details zu seiner Karriere als Jurist findet man in den ThürVBl. 8/2006, S. III.
Steffen Mau hat in Lütten Klein festgestellt, dass Richter*innen im Osten meistens aus dem Westen sind:
In den wenigen Bereichen, wo die Ostdeutschen aufholen konnten, reden wir von Fortschritten im niedrigen einstelligen Prozentbereich: in der Richterschaft insgesamt von 11,8 auf 13,3 Prozent, bei den Präsidenten und Vizepräsidenten der obersten Gerichte sowie den Vorsitzenden Richtern der einzelnen Senate von 3,4 auf 5,9 Prozent. Jeweils in Ostdeutschland wohlgemerkt, nicht bundesweit.
Und so ist es auch in diesem Fall. Was ich mir von der taz wünsche, ist, dass die Herkunft von Nazis oder von Menschen, die Nazi-Aktionen ermöglichen, angegeben wird. Das ist wichtig, weil durch die Berichterstattung ohne diese Information das Klischee verfestigt wird, dass im Osten alles Nazis seien. Hier am konkreten Fall von Jena kann man sehen, dass die Wähler*innen einen SPD-Bürgermeister gewählt haben, der sich redlich mühte, die Nazis aus der Stadt zu halten, was aber durch Richter*innen aus dem Westen torpediert wurde.
Nach der Wende wurde die komplette Justiz und Polizei und auch der Verfassungsschutz von Westlern aufgebaut. Wie wir jetzt wissen, waren viele der involvierten Personen extrem rechts. (Maaßen war der gemäßigte Ersatz für jemanden, der mit dem NSU zu gut klargekommen war, und was Maaßen denkt, wissen wir ja nun ziemlich genau. Seine eigene Behörde stuft ihn als rechtsextrem ein.) Nazi-Parteien sind gezielt in den Osten gegangen, um dort Strukturen aufzubauen (siehe „Historische Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in den neuen Bundesländern“: Kommentare zu einem Aufsatz von Patrice G. Poutrus, Jan C. Behrends und Dennis Kuck). Das alles sollte man wissen, wenn man darüber nachdenkt, warum die Machtverhältnisse im Osten jetzt so sind, wie sie sind. Der blühende Faschismus im Osten ist sicher nicht darauf zurückzuführen, dass wir Ossis alle nebeneinander auf dem Töpfchen gesessen hätten (Pfeiffer) und auch Anne Rabes Geschwafel von der Gewalttätigkeit in der DDR ist Unfug, wie ich in vielen Blog-Posts nachgewiesen habe (Sie interpretiert die Kriminalstatistik falsch. Aussagen über Amokläufe in Schulen sind falsch usw. usf.). Auch in Lichtenhagen waren am dritten Tag West-Nazis vor Ort und die gesamte verantwortliche Führung (Regierung und Polizeileitung) war trotz vorheriger Ankündigung der Ausschreitungen in Zeitungen im Wochenende und nicht erreichbar (Post dazu). Zu Anne Rabes Behauptungen siehe die Übersichtsseite mit Blogposts.
Man stelle sich nun die Gefühle eines antifaschistischen Menschen vor, der solche Artikel liest. Sie denkt: Erst kommen sie her und besetzen alle Stellen in der Verwaltung, um uns Ossis zu zeigen, wie es geht. Dann legen sie die komplette Industrie still, weil sie die Treuhand-Anstalt auch übernommen haben (Kahla Thüringen Porzellan wurde für 1 DM an einen windigen Rechtsanwalt verkauft, dessen einzige Qualifikation ein Bruder bei der Treuhand war.). Dann kommen Westler, gründen eine rechte, wirtschaftsliberale Partei, wo auch fast die gesamte Führung der ostdeutschen Landesvorstände in West-Hand sind (siehe Der Ossi ist nicht demokratiefähig. Merkt Ihr’s noch?). Dann radikalisiert sich diese Partei und die Gerichte im Osten, die mit Westler*innen bestückt sind, protegieren das. Den Ossis wird nach erfolgreichem Aufbau der Strukturen durch Westler vorgeworfen, dass sie alle Nazis seien. Und wenn dann über den Osten berichtet wird, werden die relevanten Fakten über die Herkunft der entsprechenden Nazis oder ihre Beschützer*innen nicht genannt und das Klischee weiter vertieft.
Die taz hat sich in den letzten Wochen und Monaten extrem verbessert, was die Berichterstattung über den Osten angeht. Wahrscheinlich hängt das auch mit dem kommenden taz-Lab zum Thema Osten zusammen. Ein besonderes Highlight ist der Beitrag von Dr. rer. pol. Ute Scheub Demokratie resonant machen über den Anschluss der DDR und vertane Chancen bei der Ausarbeitung einer gemeinsamen Verfassung.
Zu einer Sache, die immer wieder passiert und die viele Ossis ärgern dürfte und die auch jetzt noch – trotz geschärfter Sinne – passiert, möchte ich etwas sagen. Frankfurt. In der taz vom 20.04.2024 schreibt Bernd Pickert zum Thema Mixed Martial Arts (MMA):
Da ist Katharina Dalisda aus Frankfurt, studierte Sportökonomin mit Bürstenschnitt und Blumenkohlohren, eine der aufstrebenden Frauen in den deutschen MMA,
Katharina Dalisda ist aus Frankfurt am Main. Der Fluss wird aber nicht genannt. Es gibt in der BRD zwei Frankfurte: Frankfurt am Main und Frankfurt an der Oder. Das Problem ist, dass das Ost-Frankfurt komplett ignoriert wird. Nun könnte man sagen, Frankfurt/M. ist viel größer, ein industrielles, kulturelles und politisches Zentrum and nothing important ever came from Frankfurt (Oder). Aber das ist nicht richtig: Frankfurt O. war eine der 15 Bezirkshauptstädte in der DDR und ist aus Sicht der taz von Berlin aus viel näher gelegen. Das könnte die Wichtigkeit des anderen Frankfurts ausgleichen, aber selbst wenn man das nicht weiß oder wenn es einem egal ist, sollte man doch als Journalist, der zum Thema Spor, insbesondere Mixed Martial Arts, schreibt, schon von Frankfurt gehört haben.
Frankfurt O. war und ist eine Sportstadt. Der Armeesportklub Frankfurt hat zu DDR-Zeiten dort trainiert und es gibt dort jetzt auch einen Bundeswehrsportstützpunkt. Massenhaft Olympiasieger kommen aus Frankfurt O. Sieger*innen im Boxen, im Judo und im Ringen (siehe Sportzentrum Frankfurt). Allen, die in den 90ern irgendwas mit Sport zu tun hatten, dürften Henry Maske und Axel Schulz ein Begriff sein, die beide aus der Boxtradition hervorgegangen sind (trainiert von Manfred Wolke). Auch Menschen, die ansonsten mit dem Boxen nichts am Hut hatten, kannten die beiden. Ihre Boxkämpfe hatten Rekordeinschaltquoten.
Also, wenn eins der beiden Frankfurts hier der Default ist, dann ist es wohl Frankfurt O. Da Katharina Dalisda aus Frankfurt/Main ist, hätte das kenntlich gemacht werden müssen.
Es ist eine Kleinigkeit, aber diese Kleinigkeit zeigt: Der Osten ist in den Redaktionen nicht präsent. Viele Menschen gendern, weil sie es nicht ausreichend finden, dass Frauen nur mitgedacht werden anstatt mitrepräsentiert und mitgenannt zu werden. Der Osten, selbst wenn er direkt vor der Tür liegt, wird nicht mitgedacht. Über den Osten wird bzw. wurde nur geschrieben, wenn es irgend etwas Negatives zu vermelden gibt. Das ändert sich gerade bei der taz so ein bisschen. Hoffen wir, dass das auch nach dem taz-Lab so bleibt.
Während der Arbeit am Beitrag Weitere Kommentare zu Anne Rabes Buch: Eine Möglichkeit aber kein Glück habe ich mir den Wikipedia-Eintrag zum KZ Lichtenburg angesehen. Mein Großonkel war dort ein Jahr und neun Monate eingesperrt. Es gibt dort Listen mit den Lagerkomandanten und den Schutzhaftlagerführern. Die Schutzhaftlagerführer waren die, die die Häftlinge bewachten. Sie unterstanden dem Lagerkommandanten. Ich habe mir dann den Spaß gemacht, nachzuschauen, wer die Nazis waren, die in der Zeit verantwortlich waren, als mein Großonkel dort eingesessen hat, und was aus ihnen geworden ist. Wikipedia ist ein fantastische Ressource! Hier ist das Ergebnis:
Lagerkommandanten
Die Lagerkommandanten waren:
SS-StandardtenführerOtto Reich. Wikipedia sagt: „Reich wurde nach Kriegsende juristisch nicht belangt.“ Reich ist 1955 in Düsseldorf gestorben.
SS-Standartenführer Hans Helwig, gestorben 1952 in Hemsbach, Baden-Württemberg. „Helwig starb 1952, ohne dass es zu einer strafrechtlichen Verfolgung seiner Tätigkeit in den Konzentrationslagern gekommen war.“
Der wurde wenige Tage vor der Befreiung Buchenwalds durch die Nazis selbst hingerichtet. Das wusste ich bisher nicht. Es gab ein Korruptionsverfahren gegen ihn. Himmler hatte ihn erst geschützt, aber dann war es doch zu viel. Er hat Zeugen ermordet.
SS-Sturmbannführer Heinrich Remmert, gestorben 1994 in Braunschweig.
Remmert wurde verurteilt: „wegen Körperverletzung im Amt“. 1934!
Wikipedia schreibt: „In der zeitgenössischen Presse wurde über das Verfahren nicht berichtet. Es handelte sich um ein weitestgehend nach rechtsstaatlichen Grundsätzen ablaufendes Verfahren. In der Folge befahl Adolf Hitler, dass weitere zu den Misshandlungen im KZ Esterwegen laufende Ermittlungen eingestellt werden sollten.“
„Von 1946 bis 1948 war er interniert; anschließend wurde er wegen seiner SS-Zugehörigkeit zu einem Jahr Gefängnis verurteilt; seine Internierung wurde jedoch angerechnet, sodass er freikam. 1950 wurde er wegen der Misshandlung weiterer Häftlinge zu drei Jahren Haft verurteilt; er kam im April 1954 frei.“
„1955 fällte das Schwurgericht des Landgericht München II am 14. Januar ein Urteil: lebenslängliche Haft wegen „Anstiftung zum Mord im KZ Dachau“.“
Auswertung des Schnelltests
Das Ergebnis dieser Kurzüberprüfung aus privatem Interesse ist:
1) Die Nazis, die mit Lichtenburg zu tun hatten, sind nach Kriegsende alle (!) in den Westen gegangen.
2) Viele von ihnen haben dort fröhlich bis an ihr Lebensende gelebt. Sie wurden nicht angeklagt und nicht verurteilt oder bekamen Haftstrafen von wenigen Jahren.
Das entspricht dem, was Ossis in der Schule gelernt haben, und ist irgendwie auch nicht verwunderlich. Als Nazi hätte ich auch Angst vor den Russen gehabt.
Nazis in der SED
In der Diskussion auf Mastodon über Anne Rabes Buch „Die Möglichkeit von Glück“ gibt es einen Nutzer, der meine Argumentation nicht versteht. Er hat mich auf eine Publikation des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags von 2019 hingewiesen, in der der Anteil der NSDAP-Mitglieder in der SED diskutiert wird. In dieser Kurzmitteilung findet man Folgendes:
Einen ersten repräsentativen Überblick über die frühere Zugehörigkeit der Parteimitglieder zur NSDAP und deren Gliederungen verschaffte sich die Parteizentrale Anfang 1954. Demnach hatten zu diesem Zeitpunkt 96844 Mitglieder (= 8,6%) und 9533 Kandidaten(= 9,3%) früher der NSDAP angehört.
Diese Information ist interessant. In Wikipedia steht noch ein bisschen mehr dazu:
Nach dem 17. Juni 1953, in dessen Folge es bis zum März 1954 zu 23.173 Parteiausschlüssen kam,[43] wurde von der Abteilung Parteiorgane des Zentralkomitees einmalig auch der Anteil ehemaliger NSDAP-Mitglieder an der SED-Mitgliedschaft ermittelt.[44] Demnach hatten zu diesem Zeitpunkt 8,7 % (106.377) der SED-Mitglieder und ‑Kandidaten vor 1945 der NSDAP angehört. Regional war dieser Anteil aus bislang nicht abschließend geklärten Gründen sehr ungleichmäßig verteilt; in Berlin lag er bei lediglich 4 Prozent, in Thüringen in einzelnen Kreisorganisationen dagegen bei bis zu 25 Prozent. Diese SED-Mitglieder mit NS-Vergangenheit lassen sich nach dem Forschungsstand von 2021 in der Hauptsache zwei Gruppen mit unterschiedlichen Profilen zuordnen. Zum einen handelte es sich um jüngere Männer, die nach einer Vergangenheit in der Hitlerjugend während des Zweiten Weltkrieges Mitglieder der NSDAP geworden waren, zum anderen um Leitungspersonal in Betrieben und Verwaltungen, das von der Entnazifizierung nicht erfasst worden war. Die Integration der zuletzt genannten Gruppe war mit erheblichen Spannungen verbunden; vor allem während der 1950er Jahre kam es immer wieder zu „Konflikten zwischen Altkommunisten und Wirtschaftsfunktionären“, die „als ehemalige NSDAP-Mitglieder der SED beigetreten waren und weiterhin wie lokale Honoratioren auftraten“.
Man kann die Zahl der Mitglieder nun mit der Anzahl der NSDAP-Mitglieder in Gesamtdeutschland vergleichen. Im Mai 43 waren 7.700.000 Menschen in dieser Partei. Das waren 11% der Deutschen. Wenn 8,6% der SED-Mitglieder in der NSDAP waren, dann muss die Gesamtzahl der Mitglieder bei 1.126.093 gelegen haben. 1954 lag die Einwohnerzahl bei 18.002.000. Geht man davon aus, dass die NSDAP-Mitgliedschaft gleichmäßig über das Deutsche Reich verteilt ist, müssten 1.980.220 Menschen auf DDR-Gebiet in der NSDAP gewesen sein. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Zahl nicht korrekt ist, denn in den Jahren vor 1954 haben schon Hunderttausende die DDR bzw. die SBZ verlassen. Darunter sicher auch viele Nazis. Wahrscheinlich überproportional viele Nazis. Wenn man jetzt trotzdem mit 1.980.220 weiterrechnet, kommt man darauf, dass 5,4% der NSDAP-Mitglieder in die SED aufgenommen wurden.
Am 15. Juni 1946 fasste das Zentralsekretariat den grundlegenden Beschluss zur Öffnung der Partei für „nominelle Pgs“ und hob damit einen Unvereinbarkeitsbeschluss auf. Die Aufnahme konnte nun nach „individueller Beurteilung in den Parteiorganisationen“ erfolgen; bei der Entscheidung berücksichtigt werden sollten insbesondere Jugendliche und „die aktive Betätigung des Betreffenden gegen Hitler“.
Wie weit jetzt die individuellen Beurteilungen in den Parteiorganisationen der SED korrekt waren, kann ich nicht wissen, aber dass es in Betrieben vor 1945 Leitungspersonal gab, das in die NSDAP eingetreten war, um dort präsent zu sein, weiß ich aus dem familiären Umfeld einer antifaschistischen Familie. Der Hintergedanke war, dass man frühzeitig über eventuell für die Firma bedrohliche Entwicklungen informiert war. Aus der entsprechenden Fabrikleitung ging eine von drei Personen ungern in die Partei.
So, davon kann man jetzt halten, was man will. Wichtig ist, welche NSDAP-Mitglieder in Führungspositionen gelangten. Und dafür gibt es glücklicherweise eine Liste in Wikipedia: Liste ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach Mai 1945 politisch tätig waren. Dieser Liste kann man entnehmen, dass fast ausschließlich in West-Deutschland Nazis in hohe Positionen gekommen sind. Die NSDAP-Mitglieder, die im Osten aktiv waren, waren vorher bei den Russen in Umerziehungsprogrammen gewesen und haben teilweise noch im Krieg aktiv gegen Nazi-Deutschland gekämpft. Im Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD). Leider ist die Liste nicht vollständig, aber Kurt Blecha und Günther Kretzscher, die auf der Liste noch fehlen, waren ebenfalls im NKFD und haben aktiv gegen die Nazis gekämpft. Günter Kertzscher war sogar Gründungsmitglied des NKFD. Auf der anderen Seite gab es Globke, der als Jurist prominent im Nationalsozialismus an Rassengesetzen mitwirkte, und andere hohe Nazis, die auch im Westen wieder hohe Positionen belegten.
Neuere Forschungen in einem Sonderforschungsbereich haben ergeben, dass in Thüringen 14% der SED-Funktionäre in leitender Funktion ihre NSDAP-Mitgliedschaft die gesamte DDR-Zeit geheim halten konnten (Novy, Beatrix. 2009). Die relevante Gruppe bestand aus 262 Personen. 14% davon sind 36. Die Wissenschaftler*innen haben 3 von 15 Bezirken der DDR untersucht und vermuten, dass in Mecklenburg-Vorpommern noch mehr Personen betroffen sein könnten, weil die Vertriebenen dort ohne Papiere ankamen. Multipliziert man also 36 mit 5 und legt noch ein bisschen was drauf für die Vertriebenen im Norden, so kommt man auf 180+20 oder 180+70. Das wären dann 250 NSDAP-Mitglieder, die sich unerkannt durchgemogelt haben. Wie Dietmar Remy sagt, sagt das nichts darüber aus, was sie als NSDAPler gemacht und gedacht haben. Es wurde nur die Tatsache festgestellt, dass sie in der NSDAP waren und das nicht angegeben hatten. Teilweise hatten ihnen wohl ältere Genossen gesagt, dass das ok sei (Novy, Beatrix. 2009). Jedenfalls handelte es sich nicht um Menschen vom Kaliber Globkes. Die hätten das nicht geheim halten können.
Sag mir, wo die Nazis sind! Wo sind sie geblieben?
Als kleines Kind hatte meine Frau gelernt, dass in Deutschland die Nazis geherrscht hatten. Sie hatte dann ihre Mutter gefragt, wo denn die Menschen von früher seien. Nein, die Nazis waren nicht alle weg. Aber die schlimmen Nazis waren weg. Sie lebten entweder im Westen friedlich vor sich hin (siehe oben) oder wanderten über die Rattenlinie, unterstützt von westlichen Geheimdiensten und dem Vatikan, nach Südamerika aus, wo sie bei der Niederschlagung linker Revolutionen gern gesehene Experten für Folter und Zerstörung waren (Harrasser, 2022).
Dieser Mann lebt noch heute:
In Nordstemmen in Niedersachsen. Er wurde in Frankreich wegen seiner Verbrechen zum Tode verurteilt, aber da es kein Auslieferungsabkommen gab, wurde er nicht ausgeliefert und er konnte auch nicht in der Bundesrepublik erneut angeklagt werden, weil es rechtlich nicht möglich ist, für dasselbe Verbrechen zweimal vor Gericht gestellt zu werden. Tja. Jetzt wird er von Neonazis gefeiert und findet das toll: Er bereut nichts.
Wenn es im Osten noch ehemals prominente Nazis gab, dann haben die wenigstens die Hufe stillgehalten. Parteien wie die Sozialistische Reichspartei gegründet haben sie jedenfalls nicht.
To do Anteil der NSDAP-Mitglieder in Parteien der BRD.
Ich habe das hervorragende Buch von Lutz SeilerStern 111 gelesen. Es handelt von einem jungen Mann aus Gera, der nach Berlin aufbricht, nachdem seine Eltern am Tag der Maueröffnung in den Westen gegangen sind. Das Schicksal seiner Eltern in Aufnahmelagern und bei ersten Jobs wird beschrieben. Folgenden Ausschnitt habe ich mir markiert und auch auf Mastodon gepostet:
Ohne Zweifel gab es Kursteilnehmer, die über UNIX ein paar Dinge fragen konnten, die Walter Bischoff nicht wusste. Sie ließen es ihn spüren, sie versuchten, es ihm zu beweisen. „Das Wichtigste wird sein, dass niemand erfährt, woher du kommst, eigentlich“ — das hatte Karajan gesagt, Cheftrainer von CTZ. Karajan hatte Walter gezeigt, wie das Kursmaterial beschaffen sein sollte, welche Technik ihn vor Ort erwarten und wie sie gehandhabt werden musste. Das Aufwendigste waren die Folien für den Overhead-Projektor. Jeder Kurs war eine Folienwüste. „Ein Ostler, verstehst du, Walter — viele ertrügen das nicht, bei 1000 Mark Kursgebühr pro Tag“, hatte Karajan gesagt.
Lutz Seiler, 2020: Stern 111, Suhrkamp
Diese Abwertung und Arroganz. Sowohl durch den Chef der Ausbildungsfirma als auch durch die Auszubildenden. Ich selbst habe diese Abwertung nie erfahren, aber die Mehrheit der Ostdeutschen wohl schon. Viele Westdeutsche wundern sich, warum die Dinge so laufen, wie sie jetzt laufen, aber sie verstehen immer noch nichts.
Bei der Diskussion auf Mastodon hat mich jemand auf einen Podcast hingewiesen, in dem Andreas Baum und Andi Arbeit über Stern 111 sprechen. Andi Arbeit äußert dann irgendwann folgendes:
Und ich glaub, bei so Akademikereltern stellt sich dann ja auch raus, dass der Vater – wie man sich kaum vorstellen kann – irgendwelche Programmiersprachen kann, mit denen er dann bis in LA irgendwelche wilden Software-Programme irgendwie entwirft und wo man sich auch fragt: Mein Gott, woher konnte der das? In Jena oder irgendwo in irgend ner Uni hat er dann C+ oder C++, ich weiß auch nicht genau, wie die heißt, alles Mögliche gelernt, was ihn dazu befähigt hat, überhaupt dieses Leben zu führen.
Hätte ich nicht beim Abwaschen gestanden, wäre ich wohl vom Stuhl gefallen. Über dreißig Jahre später kommt da dieselbe Arroganz zum Vorschein, die es auch 1989 gab und die im Buch beschrieben ist. Und Andi Arbeit hat es wahrscheinlich nicht einmal selbst bemerkt. Mein Gott, woher konnte der das? Als Ossi! C+ oder C++ oder wie das heißt. Das kann man sich ja kaum vorstellen, dass irgendeiner von diesem nichtsnutzigen Pack zu irgendwas gut war.
Mal schnell noch zwischendurch, bevor wir zum eigentliche Inhalt hier kommen. In der Syntax von C und auch anderen Programmiersprachen gibt es eine Nachfolgerfunktion. Man kann also statt c = c + 1; auch c = c++; oder einfach gleich c++; schreiben. Damit wird der Wert der Variable c um eins erhöht. Die Programmiersprache C++ ist der Nachfolger von C. Eine Weiterentwicklung.
Also: Also! Los.
Karl Marx und ich
Über Karl Marx haben wir in der Schule gelernt, dass er acht Sprachen konnte. Ich habe mich als junger Mann darüber gefreut, dass ich mehr Sprachen als Marx beherrschte. Die meisten davon waren allerdings Computersprachen. Ich konnte BASIC, Pascal (Turbo Pascal), C, C++, ReDaBas (Ost-Kopie von DBASE) und forth. Außerdem konnte ich Z80 Assembler programmieren. Ich kannte mich mit CP/M und Unix aus und hatte mit programmierbaren Taschenrechnern von Texas Instruments (Umgekehrte Polnische Notation, yes), Home-Computern (ZX81, C20, C64, C128, Z9001, KC 85/2) und an russischen Prozessrechnern wie der SM‑4 (Nachbau der PDP-11 von DEC) gearbeitet. Alles noch vor dem Studium. Wie war es mir nur gelungen, dieses Wissen zu erwerben? Als Ossi????
Homecomputer und Computerclubs
In den 80er Jahren kamen die ersten Homecomputer auf. Der ZX80 kostete 100£ und das Nachfolgemodell, der ZX81, fand auch seinen Weg nach Ostdeutschland. Liebe Westverwandte brachten einen mit, manche Arbeitsgruppen hatten solche Westgeräte. Später fand der C64 auch in ostdeutschen Kinderzimmern weite Verbreitung. Mit meinem Freund Peer bekam ich einen Ferienjob bei einem Wissenschaftler in einer Lungenklinik in Buch. Er hatte zwei C64 und auch das Vorgängermodell Commodore VC20. Unser Job war es, Programme aus der Zeitschrift 64er einzugeben. Diese Maschinenspracheprogramme waren dort in Hexadezimalcode abgedruckt. Endlose Zeichenkolonnen. Wozu die Lungenklinik Computerspiele brauchte, war uns nicht ganz klar, aber wir durften die Programme dann auch selbst haben und bekamen noch Geld. Diese Programme bildeten den Grundstock eines Tauschimperiums für Computerspiele, die dann im Haus der Jungen Talente in größeren Tauschkreisen noch vermehrt wurden (Don’t ask about copyrights. War halt ne Mauer dazwischen.). Der Punkt ist: Es gab West-Computer, es gab West-Zeitschriften, die bis zur absoluten Materialermüdung gelesen und weitergegeben wurden. Es gab auch Computer-Bücher von Data-Becker zum Beispiel, die von hilfsbereiten Omas oder Opas über die Grenze gebracht wurden. Es gab Computerclubs und es gab Veranstaltungen für Schüler*innen, bei denen man auch programmieren lernen konnte. Diese Heimcomputer hatten meist einen BASIC-Interpreter dabei, so dass alle BASIC lernen konnten.
Nachtrag 22.07.2024: Peer hat Stasi-Unterlagen zur Computerszene in der DDR gefunden. Diese bestätigen sehr schön, was ich hier geschrieben habe und geben auch Zahlen zum Umfang der Szenen. Die Stasi spricht von zehntausenden Computerbesitzern.
Universitäten und Forschungseinrichtungen
Meine Mutter hat Astrophysik studiert, mein Vater Physik. Im Rahmen des Astrophysikstudiums wurden die Student*innen auf dem Zeiss-Rechenautomat 1 (ZRA1) ausgebildet. Mein Vater hat, obwohl das eigentlich nur für die Astrophysiker*innen Pflicht war, auch in dieser Veranstaltung programmieren gelernt. Das war 1964/1965. Während der Mütterkur nach meiner Geburt 1968 lernte meine Mutter COBOL. Sie war nicht ganz sicher, welche Programmiersprache sie brauchen würde. Es stellte sich heraus, dass das die falsche Sprache gewesen war und sie Fortran brauchte, aber auch das war dann kein Problem. Über 20 Jahre später, nach der Wende, wurde meine Mutter entlassen. Sie arbeitete dann in der Weiterbildung für Frauen und brachte ihnen Programmieren bei. In COBOL. Meine Eltern arbeiteten beide an der Akademie der Wissenschaften in der Molekularbiologie an einem Großrechner, der BESM‑6. Noch während der DDR-Zeit lernte meine Mutter auch BASIC und C. Meine Eltern hatten in der Akademie der Wissenschaften Zugriff auf die Fachzeitschriften aus dem Westen. Mein Vater hat zu hause mit einem programmierbaren Taschenrechner von Texas Instruments gearbeitet, den sein Schwiegervater aus dem Westen mitgebracht hatte. Programme wurden auf Magnetkarten gespeichert. Mein Vater konnte MOPS (Maschinenorientierte Programmiersprache für den Robotron 300), alle Fortran-Varianten und Algol 60.
Meine Mutter hat mich auch schon als Schüler zu Kollegen mitgenommen, die Computer zusammen gebaut haben. Ich erinnere mich an Büros mit offenen Computern, wo ich die Platinen sehen konnte. Die Laufwerke.
Ich hatte das Glück, auf die Spezialschule mit mathematisch-naturwissenschaftlicher Ausrichtung Heinrich-Hertz gehen zu können. Dort hatten wir zu Beginn (1982) ebenfalls programmierbare Taschenrechner von Texas Instruments. Später kamen Z9001 dazu, die ersten Heimcomputer der DDR. Die Heinrich-Hertz-Schule ist sogar im Wikipedia-Artiekl über den Z9001 erwähnt. Unser Computerkabinett wurde mit Computern aus den ersten 100 Stück ausgestattet. Mit diesen Rechnern hatten wir speziellen Informatikunterricht, den es an anderen Schulen nicht gab. Wir lernten Grundlagen wie bestimmte Algorithmen und Programmablaufpläne. Mit Peer bekam ich eine Einzelbetreuung im Rechenzentrum der Humboldt-Uni. Wir konnten direkt am Hauptcomputer der HU arbeiten, was die Student*innen zu der Zeit nicht durften. Sie mussten Lochkarten stanzen und diese dann zum Rechnen abgeben. In der elften und zwölften Klasse gab es ein Unterrichtsfach Wissenschaftlich-praktische Arbeit. Die Hertz-Schule hatte Verträge mit dem Zentralinstitut für Kybernetik und Informationsprozesse der DDR (ZKI). Peer, ich und ein Junge aus der Nachbarklasse konnten in der UNIX-Arbeitsgruppe arbeiten. Sie arbeiten an MUTOS. Das war eine UNIX-Variante, die ihren Weg über Österreich-Ungarn in den Ostblock gefunden hatte. Embargotechnik, aber für Geld … Im ZKI habe ich C gelernt. Der Wissenschaftler, der es mir beigebracht hat, meinte zu BASIC: „Wer BASIC gelernt hat, ist versaut für’s Leben!“ Ich habe dann die Arbeit am ZKI der Arbeit im Rechenzentrum der HU vorgezogen, denn die Rechner im ZKI waren besser. Der theoretische Teil in der HU war aber toll. In der HU wurde auch das folgende Dokument ausgedruckt:
Das war eine Version des Standard-Buches über C von Kernighan & Ritchie aus dem Jahre 1978. Es wurde für mich auf einem Paralleldrucker ausgedruckt. Der Drucker hatte Typenräder und es wurde je eine Zeile gedruckt. Leider waren die Typenräder nicht gut synchronisiert. Das wurde aber durch das Ruckeln der Straßenbahnen ausgeglichen.
Im ZKI konnten Peer und ich die Bibliothek benutzen und hatten darüber Zugriff auf Computer und Wissenschaftszeitschriften (mc – Die Mikrocomputer-Zeitschrift, c’t, Chip, Bild der Wissenschaft). Die aktuellen Ausgaben waren oft ausgeliehen, aber wir lasen auch alte Ausgaben gern. Peer sorgte auch dafür, dass wir an die Fachzeitschriften in der Berliner Stadtbibliothek drankamen: Nach einem Briefwechsel inklusive Leserbrief an die Berliner Zeitung hatten wir irgendwann ein Gespräch mit dem Direktor der Bibliothek. Ich habe dort als Schüler auch Bücher über die Grundlagen der Hardware von Computern gelesen. Diese Bücher waren ganz normal für alle auch ohne Sondergenehmigung ausleihbar.
Bei der Armee konnte ich dann letztlich auch mit Computern arbeiten. Ich habe mit Redabas (ein geklautes Ostblock-DBASE) und dann mit Turbo-Pascal gearbeitet. Um in die Computergruppe reinzukommen (lief wohl irgendwie über die ZKI-Connection, die Kontakte nach Strausberg hatten, wo auch MUTOS verwendet wurde), musste ich nachweisen, dass ich das entsprechende Wissen hatte. Ich arbeite nach Dienst an einem Programm für den KC85/2 in Assembler. Die KC85/2 hatten einen U880-Prozessor. Das war die Ost-Variante des Z80.
Zusammenfassung: Es gab im Osten Computer. Die liefen mit denselben Programmiersprachen wie im Westen. Wir hatten Zugriff auf die West-Literatur. Mitunter lief die Literaturbeschaffung etwas holperig, aber man kam dran. Mitunter waren die Ausdrucke etwas holperig, aber man kam zurecht. Wissenschaftler*innen aus ganz verschiedenen Disziplinen haben mit Computern gearbeitet. Allein in meiner Familie war es Physik, Astrophysik, Molekularbiologie, Kristallografie. Das Militär hatte Computer. Nach der Wende arbeitet ich als Studentische Hilfskraft bei der Akademie der Wissenschaften der DDR, Abteilung für Computerlinguistik von Prof. Jürgen Kunze. Die Arbeitsgruppe gab es – soweit ich weiß – seit den 70er Jahren. Sie hatten Computer und haben diese programmiert. Überraschung.
Informatik als eigenes Fach gab es erst relativ spät. Es gab ab 1987 an der Humboldt-Universität zu Berlin einen Studiengang für Mathematische Informatik. Das war das komplette Mathestudium plus zusätzliche Informatikkurse. In diesem Studiengang habe ich 1989 angefangen zu studieren. In Dresden gab es noch technische Informatik. Dort ging es mehr um die Hardware von Computern.
In Frankfurt/Oder gab es ein Halbleiterwerk, das den Osten versorgt hat. Es brach zusammen, am Tag der Währungsunion, weil der Ostblock keine West-Währung bezahlen konnte. In Sachsen gab es ebenfalls Halbleiter-Industrie. Die NZZ schreibt zur Zeit nach der Wende:
In den 1990er Jahren habe man deshalb die richtigen Fachkräfte gefunden, und die Universitäten seien darauf ausgerichtet gewesen, diese Fachkräfte auszubilden.
Das heißt, es gab qualifiziertes Personal und es gab Universitäten, die die Menschen ausgebildet haben.
Nachtrag 22.07.2024: In den schon erwähnten Stasi-Unterlagen werden auch Besitzer privater Computer erwähnt, die einen beruflichen EDV-Hintergrund haben.
Das sind nur die Personen, die zusätzlich zu ihrer Arbeit mit Computern auch privat über einen Computer verfügten. Obwohl meine Eltern beide mit Rechnern arbeiteten, hatten sie bis auf einen programmierbaren Taschenrechner keine privaten Computer. Das heißt, die Zahl der Personen mit EDV-Berufen war größer.
Schulbildung
Die Schulbildung war im naturwissenschaftlichen Bereich besser als die im Westen. Sagt man. Mein Sohn hatte einen guten Mathelehrer, der auch schon zu Ostzeiten Lehrer war. Er hat zur Vorbereitung auf die MSA-Prüfung die Schüler*innen Aufgaben für die Prüfung nach der 10. Klasse in der DDR rechnen lassen. Mein Sohn meinte, dass die viel, viel schwieriger waren als die aktuellen Aufgaben.
Im Einigungsvertrag wurden alle Ost-Abitur-Abschlüsse um eine Note heruntergestuft. Ich stelle mir gerade vor, wie der West-Verhandlungsführer, dessen Name ich vergessen habe, mit dem Ost-Verhandlungsführer, dessen Name ich vergessen habe, gesprochen hat: „Also, Herr X, Sie müssen schon einsehen, dass die Ossis alle ein bisschen döofer als die Wessis sind.“ „Ja, ehm, hm, Herr Y, da haben sie schon Recht. Wäre es ok, wenn wir die Abiturnoten aller Ossis um eine halbe Note nach unten korrigieren?“ „Nein, die sind noch viel döofer. Also das muss mindestens eine ganze Note sein.“ „Ok.“ (Mister X zu sich selber: „Sag ich doch, die sind doof.“)
Aber jetzt mal Spaß beiseite. Die empirische Grundlage dieses Beschlusses würde mich schon interessieren. Wie wurden die Vergleichsstichproben bestimmt? So?
Aber das kann es nicht gewesen sein, denn diese Form der Bestenermittlung fand erst statt, als der Einigungsvertrag unter Dach und Fach war.
Das Ergebnis war jedenfalls, dass alle Ossis schon mal schlechtere Chancen hatten, wenn sie sich mit Westlern messen mussten. Und das mussten viele. Millionen haben nach der Wende das Land (den Osten) verlassen, denn sie wurden dort arbeitslos, weil ihre Betriebe geschlossen wurden oder sie einfach aus den Universitäten und den Forschungseinrichtungen rausgeworfen wurden. („Von den 218.000 Wissenschaftlern der ehemaligen DDR verlor die Hälfte ihre Stelle. Bei den Professoren waren es nach Zahlen der britischen Zeitschrift Nature sogar zwei Drittel.“ Peter André Alt, Berliner Zeitung, 06.11.2019)
Es gab übrigens zwei Schulen im Osten, deren Abitur nicht abgewertet wurde. Eine davon war meine. Ich bin also nicht betroffen. Ich bin also kein Jammer-Ossi. Bis 2013 war mir das ganze Ost-Thema Wumpe. Die DDR war nichts meins, ich habe ihr nicht nachgeweint. Ich bin Professor, mir geht es gut. Bis 2019 habe ich auch nichts gesagt. Jetzt spreche ich für andere. Ich hoffe, irgendwer versteht das und irgendwem nützt das.
Nachtrag 08.01.2024. Es gab Nachfragen bezüglich der Herabstufung der Abiturnoten. Im Einigungsvertrag war das nicht geregelt, aber ich habe zwei Artikel zu dem Thema gefunden. Einen im Spiegel (Drüben war es leichter) und einen in der taz (Zwei Bundesländer erkennen DDR-Abitur nicht an). Noch zum Hintergrund: In der DDR konnten pro Klasse zwei bis drei Schüler*innen Abitur machen, wobei die Klassenstärke um die 30 lag.
In unseren Klassen erhielten von knapp dreißig Kindern gerade mal zwei bis drei eine Empfehlung für die Erweiterte Oberschule, so dass Lehrer gut daran taten, frühzeitig zu signalisieren, wen sie dafür im Auge hatten.
Mau, Steffen, 2019, Lütten Klein: Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft, Berlin: Suhrkamp Verlag S. 55.
In meiner Klasse waren 31 Schüler*innen. Die Studienplatzvergabe erfolgte nach volkswirtschaftlichem Bedarf. Wenn man einen Studienplatz bekommen hat, hatte man dann auch die Arbeitsstelle sicher. Das war ganz anders, als das im Westen ist, wo es hunderte Student*innen im Bereich Literaturwissenschaft und habilitierte Taxifahrer*innen gibt.
Zusammenfassung
Liebe Wessis, wir wussten alles über Euch. Wir fanden Euch interessant. Euer Leben haben wir im Fernsehen gesehen und das der Amis. Wir haben Eure Bücher gelesen. Die Romane und die Fachbücher. Das war noch viel spannender, wenn sie schwer zu bekommen waren. Wir wussten alles über Euch, aber Ihr nichts über uns. Und das ist zum Teil leider auch über 30 Jahre nach dem Anschluss der DDR immer noch so. Shame on you. Also jedenfalls on ein paar von Euch. On those, who immer noch solchen Müll in Zeitungen schreiben, in Podcasts sagen oder sonst wie verbreiten. Wundert Euch nicht, wenn das keiner mehr will bzw. immer noch keiner will.
Und noch etwas: Redet über uns, als wären wir dabei. Das reicht vielleicht schon. Wobei, Andreas Baum ist ja aus dem Osten und Andi Arbeit hat dennoch so gesagt, was sie gesagt hat.
Immerhin haben ja alle bis zum Ende gelesen. =:-) Stay tuned, bis zum nächsten Rant.
Nachgedanken
Mir fallen immer noch nachträglich Dinge ein. Zum Thema „doofe Ossis“ noch drei Punkte: 1) Prof. Dr. Manfred Bierwisch war der erste Deutsche, der im Rahmen von Chomskys Transformationsgrammatik gearbeitet hat. Und zwar ab 1959, lange, lange vor dem Westen. Jahrzehnte. Bierwisch hat 1963 die erste Transformationsanalyse des Deutschen vorgestellt. Es gibt ein tolles Gespräch mit Bierwisch über die gesamte DDR-Zeit und darüber, wie die Entwicklung der Arbeitsgruppen verlief. Viele bekannte Westler haben die Gruppe im Osten besucht (Prof. Dr. Dieter Wunderlich war einer davon. In Wikipedia steht auch, dass Wunderlich über Bierwisch zur Generativen Grammatik kam.)
2) Die sogenannte Akademie-Grammatik von 1981 Grundzüge einer deutschen Grammatik hat Standards gesetzt. Die Duden-Grammatik aus dieser Zeit war … nun ja. Ab 2005 ist sie sehr gut.
3) Renate Schmidt, eine gute Bekannte, hat an der Akademie der Wissenschaften an Wörterbüchern gearbeitet. Nach der Wende wurde die Akademie der Wissenschaften der DDR abgewickelt. 22 Ossis wurden vom Institut für Deutsche Sprache in Mannheim übernommen. Renates Chef Helmut Schumacher begrüßte die Neuen und versprach ihr, ihr das Erstellen von Wörterbüchern beizubringen. Sie hatte aber schon an fünf Wörterbüchern mitgearbeitet. Zum Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache steht in Wikipedia:
Das Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (WDG) wurde in Berlin an der Deutschen Akademie der Wissenschaften (ab Oktober 1972: Akademie der Wissenschaften der DDR) zwischen 1952 und 1977 unter der Leitung von Ruth Klappenbach und Wolfgang Steinitz erarbeitet. Das Wörterbuch erschien in 6 Bänden und wurde bis zum Ende der DDR bandweise versetzt nachgedruckt. Das WDG umfasst über 4.500 Seiten und enthält knapp 100.000 Stichwörter. In Konzeption und Quellenauswahl war es seiner Zeit weit voraus und wurde daher auch als Vorbild vieler Wörterbuchprojekte herangezogen, so etwa vom Großen Wörterbuch der deutschen Sprache des Dudenverlags (1976–1981).
Im Westen wurde das Werk zu DDR-Zeiten kaum rezensiert oder gar in seiner Bedeutung erkannt und gewürdigt.
Wikipedia zum Wörterbuch der Deutschen Gegenwartssprache, 08.01.2024
Renate Schmidt arbeitete unter Helmut Schumachers „Leitung“ am Valenzwörterbuch: VALBU. Valenzwörterbuch deutscher Verben. Schumachers Beitrag am gesamten Wörterbuch waren vier Artikel von insgesamt 638. Seine Artikel waren von schlechter Qualität. Renate Schmidt korrigierte diese Artikel und legte sie ihm wieder hin. Er übernahm die revidierten Fassungen ohne irgendwelche Änderungen und ohne irgendeinen Kommentar. Wortlos. Renate hat noch als Rentnerin das ganze Wörterbuch durchgesehen und alle Artikel korrigiert. Als Erstautor wird Schumacher geführt (Wer als Erstautor genannt wird, ist in der Wissenschaft wichtig, weil die Literaturverzeichnisse nach Erstautoren sortiert sind.) Schuhmacher war dann wegen schwerer Depressionen sechs Monate krank geschrieben. Er sagte, Renate Schmidt habe ihn in die Depression getrieben. Tja, ist eben doof, wenn man nichts beiträgt und das Wenige, was von einem kommt, dann auch noch falsch ist. Vielleicht noch zum Hintergrund: Renate ist die liebste Person der Welt, niemand, der Stress macht oder so. Das können sicher alle ehemaligen Kolleg*innen bestätigen. Ein Kollege, der früher am IDS arbeitete und jetzt eine Professur anderswo hat, hat mir mal gesagt, dass sich die Arbeitsatmosphäre am IDS durch die Ossis wesentlich verbessert hat. Die Ossis gingen sogar mit Sekretärinnen essen, was die Wessis nie im Leben gemacht hätten, obwohl sie 68er-Revoluzzer waren. Also alles sehr umgängliche Menschen, kein Grund für schlechte Laune. Schumachers Depression ist also wahrscheinlich wirklich auf die Einsicht in die eigene Inkompetenz zurückzuführen.
Auf der ersten Jahrestagung des IDS nach der Wende hat Prof. Dr. Hartmut Schmidt, Renate Schmidts Mann, einen Vortrag gehalten (Beitrag im Jahrbuch). Danach kam ein Kollege aus dem Westen zu ihr und lobte den Vortrag. Sie fragte sich, wieso er dazu zur Frau des Vortragenden gekommen war (Tja, doch etwas andere Rollenbilder damals. Im Westen.) und antwortete: „Wir haben viele an unserem Institut, die solche Vorträge halten können.“. Das Gegenüber wusste nicht mehr weiter und das Gespräch war beendet.
Bei der Armee waren wir in großen Zimmern untergebracht. Acht, zehn, zwölf Personen. Die mussten über Jahre zusammen leben. Miteinander klarkommen. Es gab Radios. Die Lautstärke musste ausgehandelt werden. Manchmal bat jemand darum, die Musik leiser zu stellen. Da gab es einen Trick: Man drehte einfach noch lauter, sagte „huch“ und drehte dann wieder etwas zurück. Letztendlich war es auf diese Weise sogar lauter geworden, als es vorher schon gewesen war.
Deutsche Fahnen haben mir schon immer Übelkeit bereitet. Die Sachsen begrüßten Kohl 1990 in einem Fahnenmeer. Ich bin zusammengezuckt, wenn die Wessis in den 90ern von Deutschland gesprochen haben. 2006 war irgendwas mit Fußball. Die Deutschen waren froh und glücklich. Überall Fahnen. Die Deutschen waren nett zu anderen. Das war nur kurz. Bald drehte jemand wieder lauter.
Nach der Wende. Asylbewerberheime brannten in Ost und West. Es war entsetzlich. Unerträglich. 2015. Krieg in Syrien. Viele Menschen mussten fliehen. Angela Merkel sagte: „Wir schaffen das!“. Die BILD-Zeitung war solidarisch mit den Flüchtlingen. Ich rieb mir verwundert die Augen. In der Schule meiner Kinder sammelten die Menschen Anziehsachen und andere Dinge, die man den Flüchtlingen geben konnte. Medikamente. Menschen nahmen die Flüchtlinge bei sich zu hause auf. Vier Jahre später wurde ein Politiker erschossen, weil er 2015 Menschlichkeit gezeigt hatte. 2023 drang die Polizei mit großem Krach in eine Kirche ein und beendete das Kirchenasyl.
Seit den 70ern weiß man vom Treibhauseffekt. Hier und da kam etwas in den Medien vor. Konferenzen fanden statt. Eine Umweltministerin schrieb 1997 ein Buch, in dem alles klar gesagt wurde. Sie wurde später Kanzlerin, verantwortlich für Pillepalle (ihre eigenen Worte). 2018 sorgte eine Schülerin dafür, dass die Menschheit Notiz von dem Problem nahm. Millionen Menschen gingen auf die Straße. Es gab Hoffnung. Bei den Wahlen 2021 gab es eine Partei, die bei 12% lag, eine Partei mit einem Clown als Kandidat und die Partei, die den Grund zur Hoffnung gab. Der Clown hat sich selbst ins Aus gelacht, die Partei der Hoffnung wurde massiv bekämpft, so dass letztendlich die 12%-Partei mit dem Typ mit der Raute gewann. Die Pillepalle-Politik wurde fortgesetzt. Der Machen-Sie-sich-keine-Sorgen-Raute-Mann zerstörte ein Gesetz, das er in der Vorgängerregierung selbst mit ausgearbeitet hatte. Es wurde noch wärmer.
Von meiner Frau wusste ich, dass sie in ihrer Familie einen Wehrmachtsangehörigen hatten, der in Norwegen Zivilisten erschießen sollte, den Befehl verweigert hat und selbst erschossen wurde.
Nun habe ich erfahren, dass ein Mitglied meiner Familie wegen Fahnenflucht erschossen wurde. Kurz vor Kriegsende war er ebenfalls in Norwegen nicht vom Ausgang zurückgekehrt.
Er war mit seiner norwegischen Freundin untergetaucht. Er wurde geschnappt und hingerichtet. Was aus seiner Freundin geworden ist, ist nicht bekannt. Vielleicht haben sich die Wege meiner Familie und der Familie meiner Frau ja schon früher gekreuzt. Vielleicht war ihrem Verwandten ja die Aufgabe zugedacht, die Freundin meines Verwandten zu ermorden und er hat sich geweigert und ist selbst dafür gestorben.
Ich wüsste gern mehr über die Umstände und Gründe seiner Flucht, über die norwegische Familie, die ein Kind verloren hat.
In der Todesnachricht stand, dass Todesanzeigen und Nachrufe verboten sind. Hier nun also sehr spät ein Nachruf für meinen Verwandten, der für seine Liebe gestorben ist. Er erscheint nicht in einer Zeitung oder in einer Zeitschrift, aber in dergleichen.
Heute vor 34 Jahren war Michael Gorbatschow in Berlin. Zum 40 Geburtstag der DDR. Eine gute Bekannte von mir, die heute meine Frau ist, hatte irgendwann 1989 eine Wohnung bekommen und einen Termin für die Einweihung gesucht. Da der 7.10. ein Feiertag war und niemand von ihren Freunden zu irgendwelchen der offiziellen Feiern gehen würde, hatte sie den 7.10. gewählt. Am 07. Mai 1989 fanden in der DDR Kommunalwahlen statt (Wikipedia-Eintrag zu diesen Wahlen). Die Bürgerbewegung organisierte zusammen mit der Kirche eine flächendeckende Präsenz bei den Auszählungen. Das war im Wahlgesetz der DDR so vorgesehen. Der Beschiss fand bei der Zusammenführung der Wahlergebnisse auf Stadtbezirks- bzw. Bezirksebene statt, wo dann ein Wahlergebnis von 98,85% für die Kandidat*innen der Nationalen Front (SED + Blockparteien) herauskam. Meine Schwester war bei den Auszählungen in Buch dabei. Dort waren 70% der Wähler*innen für die Blockparteien. Von der Kunsthochschule in Weißensee ist auch bekannt, dass nur 50% der Wähler*innen dafür waren. Seit dem 7. Juni gab es deshalb jeden Monat Proteste der Opposition an der Weltzeituhr am Alexanderplatz. Es war klar, dass es am 7.10. eine Terminkollision gab. Gorbatschow in der Stadt. 40 Jahre DDR. Jubelfeiern mit ein paar Sachsen, die zum Feiern herangekarrt worden waren.
Honecker feierte im Palast der Republik. Andrej Hermlin trat dort auf. Er hat Honecker gesehen, als die Proteste von draußen drinnen wahrgenommen worden waren. Honecker saß allein an einem Tisch. Hermlin wusste da schon, dass das das Ende der DDR war. (Bericht in der taz, 07.10.2009) Wir waren auf dem Weg nach Hellersdorf.
Viele der Partygäste, die Freunde von der Jungen Gemeinde, kamen erst kurz vor Zwölf. Sie waren am Alexanderplatz gewesen. Sie berichteten von Wasserwerfern, Polizisten mit Schutzhelmen. Ich wusste von den Wasserwerfern, aber niemand hatte sie je gesehen. Im Einsatz gesehen. Polizisten mit Schutzhelmen gab es nur im Westfernsehen.
Wir saßen um ein kleines Küchenradio und versuchten irgendwie Information zu bekommen. Jede halbe Stunde Nachrichten: SFB. Rias. Wie eine kleine Verschwörung. Mit der letzten U‑Bahn verließ ich Hellersdorf und war gegen 1:30 Uhr Schönhauser Allee. An der Gethsemanekirche war alles abgesperrt. Eine Polizeikette stand in der Stargarder. Ich hatte Befürchtungen, dass ich meine Wohnung nicht mehr erreichen würde. Aber ich kam unbehelligt an LKWs und Streifenwagen vorbei, sah noch drei voll besetzte Mannschaftswagen in die Gleimstraße einbiegen und war dann im rettenden Hauseingang verschwunden. Ich war sehr froh, dass ich da durchgekommen war, denn ich war noch in Buch gemeldet und wie hätte ich der Staatsgewalt erklären sollen, dass ich „da hinten“ in einer besetzten Wohnung wohnte?
Dieser Blog-Post ist aus einer Mastodon-Diskussion entstanden. Weil sie so schön war, habe ich sie hier noch einmal ein bisschen sortiert und für die Nachwelt archiviert. Dieser Beitrag kann Spuren von Sarkasmus und sogar Wut enthalten.
Die taz hat am 03.07.2023, vor dem Hintergrund der Wahl eines AfD-Mitglieds zum Landrat in Sonneberg, ein Interview mit dem (ostdeutschen) Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk veröffentlicht. In der Printausgabe endet es so:
taz: Also ist das nicht nur ein Ost-Problem?
Nein. Zeigt nicht immer nur mit dem Finger auf den Osten. Der Osten ist als Laboratorium der Globalisierung, als Ort der Transformation dem Westen nur ein paar Trippelschritte voraus. Genau deshalb ist die Debatte über den Osten so relevant: Hier – wie zum Teil in Osteuropa – sehen wir Entwicklungen, die europaweit drohen, wenn nicht endlich mal gegengesteuert wird. Das können Sie an vielen demoskopischen Untersuchungen sehen und übrigens auch an den Wahlumfragen der AfD. Die liegt im Osten bei 30 Prozent, im Westen steht sie aber mittlerweile auch bei 15 Prozent, der Westen zieht nach. Deswegen sind der Ostdeutschland-Diskurs und Debatten über Sonneberg wichtig: Wir können hier erleben, was uns in ganz Deutschland erwartet, wenn wir nicht endlich mal gegensteuern.
Das ist genau meine Meinung. Ein Punkt, den ich hier in diesem Blog und auch auf Mastodon zu vermitteln versuche. Also alles primstens? Nein, leider nicht, denn es gibt komische Stellen im Interview.
Ilko-Sascha Kowalczuk hat in der #DDR#Nazi-Äußerungen gegen geistig Behinderte gehört und leitet daraus ab, dass die DDR ein präfaschistischer Staat war.
Das finde ich ein bisschen schnell geschossen. Solche Bemerkungen wird es sowohl im Westen wie im Osten geben, die Erziehung, die ich in meinen Schulen hatte, war aber zutiefst humanistisch. Die #Euthanasie-Morde der #Nazis und ihre Verbrechen wurden im Unterricht besprochen (siehe auch Der Ossi und der Holocaust).
Ich habe in Berlin-Buch gewohnt. WBS70. Im untersten Stockwerk haben in all den Häusern Rollstuhlfahrer*innen gewohnt. Es gab und gibt immer noch hinten an den Häusern spezielle Zufahrtswege, über die Menschen mit Rollis leicht in die Wohnungen gelangen konnten. Siehe rote Linien auf der Karte. Fahrstühle gab es in den Fünfgeschossern vor der Wende nicht. Für Menschen mit Rollstuhl kamen also nur die Ergeschosswohnungen in Frage. Die Zufahrten wurden beim Neubau der Blöcke 1974–1976 eingerichtet.
Das waren also strukturelle Maßnahmen im Zuge des Wohnungsbaus. Das folgende Bild zeigt, dass beim Entwurf des WBS 70-Systems, das in der DDR in den 70er Jahren entwickelt und dann für den Bau von 644 900 Wohnungen verwendet wurde, Erdgeschosswohnungen für Rollstuhlfahrer*innen und Menschen mit Behinderungen eingeplant wurden.
Ich habe von 1976 bis 1986 in dem Block gemeinsam mit vielen Rolli-Fahrer*innen gelebt und nie irgendein böses Wort gehört.
Ein geistig behinderter Junge fuhr immer mit dem Bus vom Bahnhof Buch zum Lindenberger Weg und zurück. Tagaus, tagein. Ohne Begleitung. Manchmal durfte er die Türen auf und zumachen. Er hat sich sehr gefreut. Er hatte eine brauen Kunstledertasche dabei, die er als Lenkrad benutze. Er saß immer in der ersten Reihe vorn neben dem Fahrer. Später habe ich ihn auch ab und zu in der S‑Bahn getroffen. Das war alles ganz normal.
Dass ich nie irgendwas Böses gehört habe, schließt natürlich nicht aus, dass es böse Bemerkungen gegeben hat. Wenn man mit Behinderten unterwegs ist, gibt es ja viel mehr Begegnungen. Nur ist es eben nicht wahr, wenn behauptet wird, alle Behinderten seien weggesperrt worden oder beschimpft worden.
Insgesamt scheint es mir sehr weit hergeholt, aus Begegnungen mit behindertenfeindlichen Menschen zu schließen, dass man in einem präfaschistischen Staat lebt.
Der Nutzer Peer schreibt dazu auf Mastodon:
Warum so vorsichtig in deiner Kritik? Kowalczuks Schlussfolgerungen sind nicht nur „etwas weit hergeholt“, sondern Nonsens. Vorausgesetzt das taz-Interview gibt seine Aussagen zutreffend wieder.
Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster: Es gibt kein einziges Land auf der Welt, in dem die bestmöglichen staatlichen Inklusionsbemühungen verhindern würden, dass sich Menschen negativ über behinderte Menschen äußern. Demnach wären diese Länder alle präfaschistisch nach der Kowalczuk-Definition.
Geschichtenerzähler Kowalczuk schließt von mehreren Einzelerfahrungen auf strukturelle/staatliche Probleme und daraus wieder auf Prä-Faschismus.
In der Christburger Straße im DDR-Prenzlauer Berg gab es einen privaten Handwerker (Ledergürtel, Schuhmacher so was in der Art). Die hatten ein Kind mit Down-Syndrom, das sich dort sichtbar im bzw. vor dem Laden beschäftigte, ohne dass die Eltern immer selbst sichtbar waren. Hätte das zu negativen Reaktionen geführt, hätten sie das ihrem Kind vermutlich nicht zugemutet. Jedenfalls wurde es nicht versteckt und war auch nicht im Heim. (Geistig behindert und privater Handwerker gleich 2x nicht Mainstream in der DDR).
Pankow war ein Stadtbezirk in der DDR. Ist natürlich nicht so postitiv, dass er in der Schule nicht sofort mit offen Armen aufgenommen wurde, aber das war zu der Zeit im Westen sicher auch nicht so. Entscheidender dürfte aber sein, dass seine Eltern sich gegen die „präfaschistische Diktatur“ durchgesetzt haben. Wie geht denn das? Würde mich nicht wundern, wenn der deutsche Rechtsstaat zu dieser Zeit noch sehr viel effektiver darin war, den Zugang zur Regelschule zu verhindern.
In Hamburg soll es jedenfalls erst seit dem Schuljahr 2010 das Recht für Schüler mit Down-Syndrom geben, allgemeine Schulen zu besuchen. https://kidshamburg.de/down-syndrom/das-kind-mit-down-syndrom-in-der-schule/ Das wären immerhin „nur“ 36 Jahre nach der westdeutschen TV-Serie „Unser Walter“, die angeblich sehr zur Sensibilisierung im Westen beigetragen hat.
Übrigens: Im Osten wurde auch Westfernsehen geschaut, bis auf marginale regionale Ausnahmen. – Sollte man vielleicht nicht ignorieren.
Der Artikel enthält noch einige nicht belegte Allaussagen, z.B. über Nazis in der NVA, die ebenfalls auf Mastodon diskutiert wurden. Die fehlende Aufarbeitung der Naziverbrechen im Osten im Gegensatz zur Aufarbeitung im Westen durch die 68er ist auch ein Thema im Interview. Hierzu möchte ich nur kurz auf meinen Blog-Beitrag Der Ossi und der Holocaust verweisen, der ein ziemlich genaues Bild zeichnet, wann welche Aufarbeitungsschritte erfolgten, was an Wissen über die Verbrechen der Nazis in der Bevölkerung vorhanden war und in dem man auch die Unterschiede zum Westen sehen kann (Beispiel Ausstrahlung der Serie Holocaust und Bayrischer Rundfunk, sowie Skandal um Wehrmachtsausstellung).
Die Diskussion auf Mastodon hatte sich gerade ein wenig beruhigt, da erschien dieser Leserbrief in der taz:
Bezeichnend für die Wahrnehmung behinderter Menschen durch DDR-Bürger ist, dass die im Interview erwähnte westdeutsche, auch „ drüben“ zu empfangende ZDF Fernsehserie „Unser Walter“ in der DDR entgegen der Intention der Sendung diskriminatorisch benutzt wurde. „Mein Gott, Walter“ sagten die Leute zum Beispiel, wenn jemand ungeschickt handelte. Die faschistischen Narrative vom gesunden Volkskörper wurden in der DDR eben nur abgesägt, aber Wurzel und Nährboden blieben weitestgehend unangetastet.
Dieser Brief ist so haarsträubend! Die Redensart kommt von einem Lied von Mike Krüger von 1975, in dem es um einen Walther mit „th“ geht, der der Verwalter eines Mietshauses ist.
Das könnte man kennen, wenn man in der Bundesrepublik oder in der DDR aufgewachsen ist. Mike Krüger ist ein deutscher Komiker aus Ulm. Mein Gott, Walther war 32 Wochen auf Platz 1 der deutschen Album-Charts und wurde über 250.000 mal verkauft (siehe Wikipedia). Im Osten ist die Platte sicher auf Kassetten kopiert und weitergereicht worden.
So und zum Schluss, weil ich gerade so schön in Schwung bin, kommt jetzt mein Leserbrief in meiner privaten Ossi-Bild-Zeitung.
Mein Leserbrief in meiner Zeitung (Sarkasmus)
Ich habe kurz vor Corona noch einige Amazon-Aktien gekauft und bin dadurch unglaublich reich geworden. Ich habe mich dafür sehr geschämt und das meiste Geld an die Deutsche Umwelthilfe gespendet. Vom Rest habe ich eine Zeitung für Ostdeutsche auf Bild-Niveau gegründet. Die ist natürlich, was die Redaktion angeht, total unabhängig von ihrem Besitzer, so wie die Washington Post auch. Aber ab und zu veröffentliche ich einen Leserbrief. Hier meiner zu Mein Gott, Walther.
Betrifft Beitrag „Im Westen alles Nazis?“
Ihren Ausführungen zu den faschistischen Umtrieben in den alten Bundesländern der BRD kann ich nur zustimmen. Zu denen von Ihnen bereits erwähnten Nazi-Strukturen im Verfassungschutz, in der Armee, in der Polizei und der notorischen Blindheit der Justiz auf dem rechten Auge, sowie der trotz Parteiausschlussverfahren mit Mehrheit als AfD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein wiedergewählten Politikerin Doris von Sayn-Wittgenstein mit Kontakt zu Holocaust-Leugnerin möchte ich noch folgende unerhörte Begebenheit hinzufügen: 1974 begann das Fernsehen der BRD mit der Ausstrahlung der Fernsehserie „Unser Walter“, in der das Leben mit einem Kind mit Behinderung thematisiert wurde. Nur kurz darauf erschien eine Schallplatte mit dem Titel „Mein Gott, Walther“, in dem Menschen verhöhnt werden, denen ab und zu Dinge misslingen. Der Zusammenhang zur Fernsehserie wurde durch die Änderung der Schreibung des Wortes „Walther“ nur oberflächlich kaschiert. Die faschistische Grundhaltung der Bürger der BRD kann man auch daran erkennen, dass sich dieses Machwerk eines west-deutschen Komikers über 250.000 mal verkauft hat. Das Lied war übrigens wie immer noch auf youtube abrufbare Videos zeigen, auch im österreichischen Fernsehen zu sehen, aber dass in diesem Land sogar die Künstler Nazis sind, wissen wir ja spätestens seit dem Erscheinen von „Mein Kampf“!
Mit antifaschistischen Grüßen aus Ost-Berlin Stefan Müller
Ist absurd, oder? Aber nicht absurder als der Leserbrief, den die taz gedruckt hat.