Juden in den politischen Administrationen in der DDR und der BRD

Im Fol­gen­den zei­ge ich zwei Tabel­len. Sie basie­ren auf einem For­schungs­pro­jekt, das neben vie­len ande­ren Daten den reli­giö­sen Hin­ter­grund aller Mitarbeiter*innen in der Staats­füh­rung und Admi­nis­tra­ti­on im Kai­ser­reich, der Wei­ma­rer Repu­blik, im Natio­nal­so­zia­lis­mus, in der BRD und der DDR erho­ben hat. Dabei wur­den immer, soweit zugäng­lich, die obers­ten drei Hier­ar­chie­ebe­nen erfasst. 

Stro­bel et. al. 2021. Daten­be­richt zur Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ve Eli­te der
DDR unter Wil­li Stoph I (1964–1973)

BRD

Tabel­le 1 zeigt den Anteil der Juden in den Eli­ten von 1949 bis 1998, Tabel­le 2 den der Juden in der DDR von 1949 bis 1989. Wie man sehen kann, ist der Anteil der Juden in der BRD 0. Kein ein­zi­ger war dort an Regie­run­gen betei­ligt. In der ers­ten Spal­te sind die Minis­ter zu sehen, in der zwei­ten die Verwaltung.

Politiker*innenBeamt*innen
Kon­rad Ade­nau­er 1949–1963 0/51 0/283
Lud­wig Erhard (1963–1966)
0/28
0/186
Georg Kie­sin­ger (1966–1969)
0/32

0/208
Wil­ly Brandt (1969–1974)
0/52
0/251
Hel­mut Schmidt (1974–1982)
0/64

0/279
Hel­mut Kohl (1982 – 1998)
0/133
0/480

DDR

In der DDR gab es neun, dann acht, dann einen. Even­tu­ell hat es noch wei­te­re gege­ben, aber die Daten, die in Kas­sel aus­ge­wer­tet wer­den konn­ten, waren im Gegen­satz zu denen, die für die BRD vor­la­gen, nicht vollständig.

In der ers­ten drei Spal­ten fin­det man Politiker*innen, in den zwei­ten drei Spal­ten das Ver­wal­tungs­per­so­nal. In der ers­ten Spal­te fin­det man jeweils die abso­lu­ten Zah­len. Danach kommt eine Anga­be in Pro­zent bezo­gen auf die gesam­te Grup­pe. Die jeweils drit­te Spal­te gibt den Pro­zent­wert in Bezug auf den Rück­lauf. D.h. wenn die Reli­gi­on nicht bekannt war, wur­de die betref­fen­de Per­son nicht mitgezählt.

Pro­zentGül­ti­gePro­zentGül­ti­ge
Otto Gro­te­wohl (1949–1964)9/3342,7%11,1%1/911,1%100%
Wil­li Stoph I (1964–1973)8/3792,1%16,3%1/205,0%33,3%
Horst Sin­der­mann (1973–1976)1/2910,3%3,4%0/6
Wil­li Stoph II (1976–1989)0/3950/11

Die Kass­ler Unter­su­chung lis­tet die jewei­li­gen Mit­glie­der der Admi­nis­tra­ti­on nament­lich auf. Man kann die Lis­ten also durch­ge­hen und nach Per­so­nen in Wiki­pe­dia suchen. Bis­her habe ich fol­gen­de Juden gefunden:

Bei den Juden, die ich in den Kass­ler Lis­ten fin­den konn­te, habe ich nach­ge­se­hen, war­um sie nach 1976 nicht mehr in den Regie­run­gen geführt wer­den. Wie man den fol­gen­den Zita­ten aus Wiki­pe­dia ent­neh­men kann, lag das nicht dar­an, dass sie irgend­wie in Ungna­de gefal­len wären. Auch ist zu berück­sich­ti­gen, dass Ver­folg­te des Nazi­re­gimes bereits mit 60 Jah­ren in Ren­te gehen konn­ten (Gosch­ler, 1993: 107). (Frau­en mit 55)

Über Her­bert Grün­stein steht fol­gen­des in Wikipedia:

Im Janu­ar 1951 wur­de er als Nach­fol­ger des abge­setz­ten Gene­ral­inspek­teurs Hans Klein Lei­ter die­ser Abtei­lung, die 1952 in Poli­ti­sche Ver­wal­tung umbe­nannt wur­de. Von Sep­tem­ber 1955 bis 1957 war er Stell­ver­tre­ter und vom Febru­ar 1957 bis Okto­ber 1973. Stell­ver­tre­ter des Minis­ters des Innern und gleich­zei­tig Staats­se­kre­tär im MdI. Im Juli 1957 wur­de er vom Chef­inspek­teur zum Gene­ral­ma­jor umat­tes­tiert und am 29. Juni 1962 auf Beschluss des Minis­ter­ra­tes der DDR zum Gene­ral­leut­nant beför­dert.
Von 1974 bis 1984 war er stell­ver­tre­ten­der Gene­ral­se­kre­tär bzw. Sekre­tär für inter­na­tio­na­le Bezie­hun­gen der Gesell­schaft für Deutsch-Sowje­ti­sche Freund­schaft (DSF), von 1976 bis 1989 Vor­sit­zen­der des Bezirks­ko­mi­tees Ber­lin der Anti­fa­schis­ti­schen Wider­stands­kämp­fer der DDR und gleich­zei­tig Mit­glied der SED-Bezirks­lei­tung Ber­lin. Er war 20 Jah­re lang von 1953 bis 1973 neben Erich Miel­ke zwei­ter Vor­sit­zen­der der Zen­tra­len Lei­tung der Sport­ver­ei­ni­gung Dyna­mo.
Grün­stein war Mit­glied des Vor­stan­des der Stif­tung Neue Syn­ago­ge Ber­lin – Cen­trum Judai­cum. Sei­ne jüdi­sche Iden­ti­tät hielt er – auch vor sei­ner Toch­ter Eva Grün­stein-Neu­mann – lan­ge verborgen.

Lei­der weiß man nicht wie lan­ge „lan­ge“ war. Sicher kann man Grün­stein dann aber nicht als Beweis für Anti­se­mi­tis­mus oder das Gegen­teil in der DDR heranziehen.

Über Hertz­feldt steht fol­gen­des in Wikipedia:

Hertz­feldt gehör­te zu den weni­gen Juden, die in Ber­lin die NS-Herr­schaft in der Ille­ga­li­tät über­leb­ten.
Nach Kriegs­en­de 1945 war er im Jugend­not­ein­satz als Zim­mer­mann tätig. Hertz­feld war Grün­dungs­mit­glied der Anti­fa-Jugend und der Frei­en Deut­schen Jugend. 1945 trat er der KPD bei und Hertz­feldt war der jüngs­te Dele­gier­te auf dem Ver­ei­ni­gungs­par­tei­tag von KPD und SPD zur SED. Von 1947 bis 1949 war er Jour­na­list beim Ber­li­ner Rund­funk und anschlie­ßend bis 1962 als Mit­ar­bei­ter in der Redak­ti­on der theo­re­ti­schen Zeit­schrift des ZK der SED „Ein­heit“ und spe­zia­li­sier­te sich auf Außen­po­li­tik. Zwi­schen­zeit­lich absol­vier­te er von 1954 bis 1957 ein Stu­di­um an der Par­tei­hoch­schu­le beim ZK der KPdSU in Mos­kau mit Abschluss als Diplom-Gesell­schafts­wis­sen­schaft­ler.
1962 trat er in den diplo­ma­ti­schen Dienst der DDR. Von 1962 bis 1965 war Hertz­feldt Gene­ral­kon­sul der DDR in Jakar­ta. Von 1966 bis 1969 war er als einer der Stell­ver­tre­ter des Außen­mi­nis­ters tätig und ver­trat die DDR anschlie­ßend von März 1969 bis 1973 als Bot­schaf­ter in Peking. Der Antritt Herz­feldts fiel in die Zeit der mili­tä­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen der VR Chi­na mit der UdSSR am Uss­u­ri. Von 1973 bis 1983 war er Chef­re­dak­teur der Zeit­schrift „Deut­sche Außen­po­li­tik“, des Organs des DDR-Außenministeriums.

Über Hans Roden­berg kann man lesen:

Als er 1948 in die Sowje­ti­sche Besat­zungs­zo­ne zurück­kehr­te, konn­te Roden­berg sei­ne künst­le­ri­sche Ent­wick­lung fort­set­zen. Er grün­de­te das Thea­ter der Freund­schaft in Ber­lin-Lich­ten­berg und wur­de des­sen ers­ter Inten­dant. Er wur­de 1952 auch Ordent­li­ches Mit­glied der Aka­de­mie der Küns­te, Ber­lin (Ost), Sek­ti­on Dar­stel­len­de Kunst und blieb es bis zu sei­nem Tod.

1949 nahm er als Son­der­kor­re­spon­dent des Neu­en Deutsch­land am Pro­zess gegen Trajt­scho Kos­tow und sei­ne Grup­pe in Sofia teil.

Roden­berg war 1952 bis 1956 Haupt­di­rek­tor des DEFA-Stu­di­os für Spiel­fil­me. Zwi­schen 1956 und 1960 war Roden­berg Dekan an der Deut­schen Hoch­schu­le für Film­kunst in Pots­dam-Babels­berg; 1958 erhielt er sei­ne Ernen­nung zum Professor.

Außer­dem betä­tig­te er sich kul­tur­po­li­tisch als stell­ver­tre­ten­der Kul­tur­mi­nis­ter (1960–1963), Mit­glied des Staats­rats, der Volks­kam­mer und des Zen­tral­ko­mi­tees der SED.

Von 1969 bis 1974 war Roden­berg Vize­prä­si­dent der Aka­de­mie der Küns­te, Ber­lin (Ost).

Quellen

Gosch­ler, Con­stan­tin. 1993. Pater­na­lis­mus und Ver­wei­ge­rung — Die DDR und die Wie­der­gut­ma­chung für jüdi­sche Ver­folg­te des Natio­nal­so­zia­lis­mus. In Benz, Wolf­gang (ed.), Jahr­buch für Anti­se­mi­tis­mus­for­schung, Band 2. Frankfurt/Main: Campus-Verlag.

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021. Die Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ve Eli­te der BRD unter Hel­mut Kohl (1982–1998). Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://dx.doi.org/doi:10.17170/kobra-202102193307)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021a. Daten­be­richt zur Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ven Eli­te der DDR unter Horst Sin­der­mann (1973–1976). Zwi­schen­be­richt der Daten­er­he­bung zur DDR im Rah­men des For­schungs­pro­jek­tes „Neue Eli­ten – eta­blier­tes Per­so­nal? (Dis-)Kontinuitäten deut­scher Minis­te­ri­en in Sys­tem­trans­for­ma­tio­nen“. Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://www.uni-kassel.de/fb07/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=3021&token=2c6fae1adfcbb1c4762fd67174cd664979d7f4f8)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021b. Daten­be­richt zur Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ven Eli­te der DDR unter Otto Gro­te­wohl (1949–1964). Zwi­schen­be­richt der Daten­er­he­bung zur DDR im Rah­men des For­schungs­pro­jek­tes „Neue Eli­ten – eta­blier­tes Per­so­nal? (Dis-)Kontinuitäten deut­scher Minis­te­ri­en in Sys­tem­trans­for­ma­tio­nen“. Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://www.uni-kassel.de/fb07/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=3023&token=8eb0f51761c4749523f5803ed4e6c6c62bd5de04)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021c. Daten­be­richt zur Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ven Eli­te der DDR unter Wil­li Stoph I (1964–1973). Zwi­schen­be­richt der Daten­er­he­bung zur DDR im Rah­men des For­schungs­pro­jek­tes „Neue Eli­ten – eta­blier­tes Per­so­nal? (Dis-)Kontinuitäten deut­scher Minis­te­ri­en in Sys­tem­trans­for­ma­tio­nen“. Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://www.uni-kassel.de/fb07/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=3022&token=f349d9887a6c7d9185e7fb9c0a54456aff6f27f6)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021d. Daten­be­richt zur Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ven Eli­te der DDR unter Wil­li Stoph II (1976–1989). Zwi­schen­be­richt der Daten­er­he­bung zur DDR im Rah­men des For­schungs­pro­jek­tes „Neue Eli­ten – eta­blier­tes Per­so­nal? (Dis-)Kontinuitäten deut­scher Minis­te­ri­en in Sys­tem­trans­for­ma­tio­nen“. Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://www.uni-kassel.de/fb07/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=3377&token=69d43af16bfd665bb2c0b29358fc169623c83639)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021e. Die Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ve Eli­te der BRD unter Hel­mut Schmidt (1974–1982). Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://dx.doi.org/doi:10.17170/kobra-202102193306)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021f. Die Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ve Eli­te der BRD unter Kon­rad Ade­nau­er (1949–1963). Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://dx.doi.org/doi:10.17170/kobra-202102183292)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021g. Die Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ve Eli­te der BRD unter Kurt Georg Kie­sin­ger (1966–1969). Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://dx.doi.org/doi:10.17170/kobra-202102193304)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021h. Die Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ve Eli­te der BRD unter Lud­wig Erhard (1963–1966). Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://dx.doi.org/doi:10.17170/kobra-202102183293)

Stro­bel, Bas­ti­an & Scholz-Pau­lus, Simon & Ved­der, Ste­fa­nie & Veit, Syl­via. 2021i. Die Poli­tisch-Admi­nis­tra­ti­ve Eli­te der BRD unter Wil­ly Brandt (1969–1974). Uni­ver­si­tät Kas­sel: Fach­ge­biet Public Manage­ment. (https://dx.doi.org/doi:10.17170/kobra-202102193305)