Vor einiger Zeit sind die Sächsischen Separatisten aufgeflogen. Eine Gruppe Rechtsextremer, die mit Waffen für den Tag X trainiert haben, wurde festgenommen. Einige von ihnen AfD-Funktionäre. Heute schreibt die taz zu dieser Gruppe:
Zu den Festgenommen gehören auch die Brüder Jörg und Jörn S. aus Brandis, deren Vater in den 1980er Jahren bereits in der militanten Neonazi-Szene in Österreich aktiv war. Jörg S. gilt der Bundesanwaltschaft als Anführer der Gruppe.
Das heißt, das wieder eine Gruppe von in den Osten gekommenen West-Nazis geleitet wird. Ich bitte, das zu berücksichtigen, wenn über „die Ossis“ berichtet wird und versucht wird, die Existenz von Nazis im Osten irgendwie auf Eigenschaften von Ossis zurückzuführen.
Übrigens hat Peter Kurth, früher Berliner CDU-Senator, den Terroristen den Kauf eines Hauses finanziert. Ost-Nazis verfügen normalerweise nicht über ausreichend Mittel zum Kauf von Häusern.
Johannes Geck, Doktorand am Institut für Zeitgeschichte München–Berlin, schreibt in einem Meinungsbeitrag in der taz, dass das rechtsextreme Institut für Staatspolitik ernster genommen werden sollte. Dem ist unbedingt zuzustimmen. Es gibt nur eine Kleinigkeit in seinem Beitrag, die mich extrem stört. Eigentlich sind es zwei Kleinigkeiten. Oder eine, die zweimal vorkommt.
Das Institut war eine rechtsextreme Denkfabrik, die rechtsextremen Politiker*innen der AfD zuarbeitete. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Landesverfassungsschutz Sachsen-Anhalt stuften die Gruppierung als „gesichert rechtsextrem“ und als verfassungsfeindlich ein. Es wurde 2024 aufgelöst, wohl um einem Verbot zuvorzukommen.
Geck schreibt:
In der deutschen Berichterstattung über das Umfeld des neurechten Verlegers Götz Kubitschek entsteht bisweilen der Eindruck, es handle sich um einen Kreis verwirrter Hochstapler. Zuletzt sprach etwa die Spiegel-Redakteurin Ann-Kathrin Müller schmunzelnd von „ganz viel pseudointellektuellem Gerede“, das aus dem sachsen-anhaltinischen Schnellroda zu vernehmen sei. Eine solche Verharmlosung des inzwischen formal aufgelösten Instituts für Staatspolitik verkennt jedoch dessen Bedeutung für die radikale Rechte und führt zu einer gefährlichen Unterschätzung der organisierten Gegner der liberalen Demokratie. Neben Maximilian Krah und Alice Weidel sind die Protagonisten der Wahlerfolge im Osten, Björn Höcke, Jörg Urban und Hans-Christoph Berndt, gern gesehene Gäste in der ostdeutschen „Denkfabrik“.
Johannes Geck verwendet die Wortgruppe ostdeutsche „Denkfabrik“ noch ein weiteres Mal in seinem Artikel. Es scheint ihm also wichtig zu sein, einen Zusammenhang zwischen Rechtsextremismus und Ostdeutschland herzustellen. Das Fachwort dafür ist Framing und die Hebbsche Lernregel erklärt, was im Gehirn passiert: „What fires together wires together.“. Wenn Konzepte immer wieder in Beziehung zueinander gesetzt werden, reicht es irgendwann, eins der Konzept zu erwähnen. Im konkreten Fall wäre dann Ostdeutschland in den Gehirnen der Medienkonsument*innen untrennbar mit Rechtsextremismus verknüpft.
Im gesamtdeutschen Diskurs ist es bequem, das Gruselige auszulagern und zu externalisieren. Die Nazis sind ostdeutsch. Sie sind alle so geworden, weil sie zu heiß gebadet wurden (Rabe)/nebeneinander auf dem Töpfchen sitzen mussten (Pfeifer, siehe Decker, 1999)/unter den Kommunisten gelitten haben (der ganze Rest, siehe Zeitung, Fernsehen, irgendwas). Leider ist das zu kurz geschossen, denn Nazis bzw. Nazi-Wähler*innen gibt es auch in Westdeutschland (und in Frankreich, Italien, Österreich und in den USA, wo ja nun kaum die Kommunisten Schuld gewesen sein konnten). Die Gründe für entsprechendes Wahlverhalten sind oft ähnlich und solange das nicht erkannt wird, rutschen wir weiter in Richtung Faschismus.
Westdeutsche Denkfabrik und westdeutsche Nazis
Hier noch kurz die Erklärung, warum mich die Phrase ostdeutsche „Denkfabrik“ ärgert. Das Institut für Staatspolitik wurde im Mai 2000 von Götz Kubitschek, Karlheinz Weißmann und dem Rechtsanwalt Stefan Hanz gegründet. Das Institut hatte seinen Sitz am Anfang in Bad Vilbel (Hessen) und ist erst 2003 nach Schnellroda in Sachsen-Anhalt umgezogen. Die Gründer kommen aus Ravensburg (Baden-Württemberg) und Northeim (Niedersachsen). Die Herkunft von Stefan Hanz ist mir nicht bekannt, ich vermute aber, dass er ebenfalls aus dem Westen kommt. Das Staatspolitik-Institut ist also eine westdeutsche Denkfabrik, die seit 2003 im Osten angesiedelt ist.
Auch die aufgezählten Politiker*innen sind fast zur Hälfte aus dem Westen: Höcke und Weidel sind beide aus NRW.
Lilane Eierdiebe und ultimative Attributionsfehler
In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.
Wenn über einen Eierdiebstahl berichtet wird, ist die Hautfarbe der Täter*in normalerweise irrelevant und soll nicht genannt werden. Der Grund dafür ist genau das, was ich oben ausgeführt habe: Wenn ständig von lilanen Eierdieben gesprochen wird, verfestigt sich das Bild, dass alle Menschen mit lilaner Hautfarbe Eierdiebe wären oder zum Eiderdiebstahl neigen. Es kommt dann zum ultimativen Attributionsfehler:
Erklärt man sich das Verhalten eines Menschen damit, dass er Mitglied einer sozialen Gruppe ist, spricht man seit Pettigrew (1979) vom „ultimativen Attributionsfehler“. Oft dient diese dispositionale Ursachenzuschreibung der Aufrechterhaltung von Vorurteilen („Er handelt so, weil er Ausländer ist“).
Folgt man diesen Grundsätzen (Ossis sind eine Minderheit, da es fünf mal mehr Wessis als Ossis gibt, und sie haben in der Presse keine Stimme) und bedenkt, worum es in diesem Meinungsbeitrag geht, wird klar, dass das Wort ostdeutsch in Gecks Aufsatz Fehl am Platze war. Die Lage des Instituts war für die Aussage, des Artikels irrelevant. Der Effekt des Wortes ist das Framing von Rechtsextremismus als spezifisch ostdeutsch. Ob das die Absicht Gecks war, weiß ich nicht, aber wenn einem Doktoranden in Neuerer und Neuester Geschichte das aus Versehen passieren würde, würde das auch nicht für ihn sprechen.
Schlussfolgerung
Hört bitte auf damit, Rechtsextremismus als ostdeutsches Problem zu framen. Es ist unser aller Problem. Guckt nach unten auf Eure Füße, sie stehen schon jetzt im braunen Matsch.
In den letzten Jahren gibt es mit dem Erstarken der AfD wieder eine größere Debatte zu Nazis in der DDR. Es wird immer wieder die offizielle Geschichte des nazifreien Landes zitiert. Dass die DDR nazifrei war ist sicher nicht richtig, aber dass die Nazi-Dichte geringer war und dass sie eben nicht – im Unterschied zu Nazi-Größen wie Hans Globke und Hans Filbinger – in Führungspositionen waren ist und bleibt wahr. Im Wikipdeia-Artikel zu Rechtsextremismus in der DDR werden drei Personen exemplarisch genannt: Arno von Lenski, Franz Fühmann oder Erhard Mauersberger. Personen wie Arno von Lenski habe ich schon in einem früheren Post besprochen. Lenski war in Stalingrad in sowjetische Gefangenschaft geraten und hat dann die Seiten gewechselt:
Wikipedia-Eintrag von Lenski, abgerufen 22.06.2024
Franz Fühmann war ebenfalls auf einer Antifa-Schule und hat dann als Assistenzlehrer an Antifa-Schulen gelehrt. Wenn wir über Faschismus und Faschisten reden, dann nicht über solche, die zu Antifaschist*innen wurden, sondern solche, die unbehelligt ihr Leben führen konnten und es zum Teil noch führen. Solche wie Karl M.:
Interessant ist, dass das Institut seine Mitarbeiter veröffentlicht hat, so dass man jetzt untersuchen kann, was aus den Nazis und Antisemiten, die bis 1945 im Osten gelebt haben, geworden ist. Wikipedia hat eine lange Liste mit Namen, von denen viele verlinkt sind. Um zu zeigen, dass nach dem Krieg weniger Nazis im Osten waren, muss man nur die Ost-Nazis anschauen und untersuchen, wie viele von ihnen in den Westen gegangen sind, denn es wird wohl kaum ein West-Nazi sein Leben aufgegeben haben, um zu den Russen in den Osten zu ziehen. (Das setzt natürlich eine Gleichverteilung von Nazis in Ost und West direkt nach dem Krieg voraus.)
Die Wikipedia-Seite listet die Mitarbeiter in drei Rubriken:
Mitarbeiter in kirchenleitender Funktion
Geistliche bzw. Pfarrer
Hochschullehrer bzw. Akademiker
Im folgenden sortiere ich die Listen nach Sterbe- oder Wohnort nach 1945 in West, Ost, unbekannt/irrelevant. Irrelevant ist der Sterbeort zum Beispiel bei Personen, die in Kriegsgefangenschaft gestorben sind. Irrelevant sind auch diejenigen, die schon vor Kriegsende im Westen waren.
In kirchenleitender Funktion
In den Westen gegangen
Bischof Friedrich Peter, Berlin, gestorben 1960, Gronau, NRW „Obgleich Peter 1948 aus dem Pfarramt entlassen wurde, blieben ihm die geistlichen Rechte erhalten. So erhielt er Beschäftigungsaufträge in der Evangelischen Kirche von Westfalen, zunächst in Oeding und seit 1953 in Gronau (Westf.).“
Landesbischof Walther Schultz, Schwerin, gestorben 1957 in Schnackenburg, Niedersachsen „Nach Kriegsende wurde Schultz, zusammen mit Konsistorialpräsident Hermann Schmidt zur Nedden, am 25. Juni 1945 von der britischen Besatzungsmacht verhaftet und interniert. Zwei Tage später legte er sein Amt nieder. Im Jahre 1948 wurde er aus dem Dienst der Landeskirche Mecklenburgs entlassen. Im Jahre 1950 wurde Schultz mit der pfarramtlichen Hilfeleistung in der St.-Dionysius-Kirchengemeinde Fallingbostel in der Lüneburger Heide beauftragt. Als für diese Aufgabe dort eine neue Pfarrstelle errichtet wurde, musste Schultz die Gemeinde verlassen und übernahm in Schnackenburg an der Elbe ein Gemeindepfarramt, das er bis zu seinem Tode innehatte.“
Oberkonsistorialrat Theodor Ellwein, Berlin, gestorben 1962 München „Nach der Entlassung im Dezember 1949 wurde er 1950 von kirchlicher Seite in den Ruhestand versetzt. Im Jahre 1951 wurde er Religionslehrer am Gymnasium Pasing und Lehrbeauftragter an der Lehrerbildungsanstalt München-Pasing. Von 1954 bis 1961 war er Leiter der Pädagogischen Arbeitsstelle der Evangelischen Akademie Bad Boll bei Göppingen. 1955 war er Mitglied der Studienkommission für Lehrerbildung („Tutzinger Empfehlungen“) in der Evangelischen Akademie Tutzing. 1961 trat er in den Ruhestand.“
Oberkonsistorialrat Hans Hohlwein, Eisenach, gestorben 1996 in Solingen „Nach 1945 wirkte Hohlwein als theologischer Hilfsarbeiter in der Propstei Halberstadt, und von 1947 bis 1951 verwaltete er die Pfarrstelle Heudeber in der Kirchenprovinz Sachsen. Im Jahre 1951 erfolgte seine Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland.“
Kirchenrat Wilhelm Bauer, Eisenach, gestorben 1969 in Bayern „In dem von ihm 1935 herausgegebenen Buch „Feierstunden Deutscher Christen“ kamen neben Bibelzitaten auch Autoren wie Adolf Hitler zu Wort. Zugleich betätigte er sich als Schriftleiter der Zeitschrift „Deutsche Frömmigkeit“, in der die Positionen der Deutschen Christen vertreten wurden. In einer ihrer Ausgaben bekundete er: „Wir sind Nationalsozialisten. Der Nationalsozialismus bedeutet uns die Wiederaufrichtung einer wahrhaften Volksordnung auf dem Grunde der ewigen Gesetze unseres Blutes und unserer Heimaterde.“ Im Jahre 1939 erklärte er seine Mitarbeit am Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben. Zu Beginn der 1940er Jahre wurde er stellvertretender Studienleiter des Thüringer Predigerseminars. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus lebte Bauer in der Bundesrepublik Deutschland, publizierte dort weiter und starb in einem Ort des Freistaats Bayern.“
Landessuperintendent Friedrich Kentmann, Güstrow, gestorben 1953 in Hamburg „Nach dem Ende von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg 1945 wurde er seines Amtes als Landessuperintendent enthoben und vom pfarramtlichen Dienst suspendiert. Sein Nachfolger als Landessuperintendent wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 1945 der Güstrower BK-Pastor Sibrand Siegert (1890–1954). 1950 erfolgte die Entlassung Kentmanns aus dem Dienst der mecklenburgischen Landeskirche.“
Superintendent Gerhard Spangenberg, Altenweddingen, gestorben 1975 in Dülmen, NRW „Bis zum Antritt der Pfarrstelle im westfälischen Dülmen, wo er bis zu seinem Tod lebte, arbeitete er als Verwalter einer Obstfirma und später als Krankenhausverwalter. Die Kirchenleitungen verlangten zur Wiederaufnahme in den Dienst zunächst die Wiederholung des Ordinationsgelübdes, ein Kolloquium und die zeitweilige Tätigkeit als Hilfsprediger, was er ablehnte. Dennoch stimmte 1955 die Kirchenleitung in Bielefeld seiner Wahl zum Pfarrer der Gemeinde in Dülmen zu, wo er nach seinem Ruhestand auch als Militärpfarrer wirkte.“
Im Osten geblieben
Reichsvikar Fritz Engelke, Schwerin, gestorben 1956 in Schwerin „Nach 1945 wirkte er als Pastor der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs in Schwerin. Ab 1950 vertrat er den im Gulag Workuta inhaftierten Aurel von Jüchen an der Kirche St. Nikolai (Schelfkirche) Schwerin.
Oberlandeskirchenrat Willy Kretzschmar, Dresden, gestorben 1962 in Dresden „Nach Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 erfolgte zunächst seine Entlassung aus dem aktiven Kirchendienst. 1946 stellte er den erfolgreichen Antrag auf Rehabilitierung, in dem er seine Mitarbeit im „Entjudungsinstitut“ in Eisenach extrem herunterspielte. In seinem Rehabiltierungsantrag an das sächsische Landeskirchenamt in Dresden stellte er sich selbst „als Verführten der NSDAP“ dar. Spätestens seit 1939 habe er sich „zu aktiven Gegner des NS-Regimes gewandelt“ und sich antinationalistisch und parteischädlich verhalten sowie Grundsätze der NSDAP bekämpft. 1959 ging Kretzschmar als kirchlicher Finanzverwalter der Landeskirche Sachsens in den Ruhestand.“
Oberlandeskirchenrat Heinrich Seck, Dresden, gestorben 1947 in Stadt Wehlen „In dieser Eigenschaft und als Mitglied der Deutschen Christen war er Mitarbeiter am Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben und wurde deshalb nach Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 aus dem aktiven Kirchendienst entlassen. Er zog in die Sächsische Schweiz, wo er im Alter von 51 Jahren in Stadt Wehlen starb.“
Oberkirchenrat Friedrich Buschtöns, Berlin, gestorben 1962 in Berlin „1945 übernahm er die Aufsicht über die kirchlichen Vermögenswerte im Schloss Ilsenburg und wenig später über das kirchliche Flüchtlingslager in Stolberg. 1946 wurde Buschtöns in den Ruhestand versetzt. Er hat aber auch danach noch pfarramtliche Dienste geleistet, so etwa in Kleinmachnow. 1955 gehörte er zum Herausgeber- und Redaktionskreis der vom ZK der SED angeregten Zeitschrift Glaube und Gewissen: eine protestantische Monatsschrift.“
Kirchenrat Erhard Mauersberger, Eisenach, gestorben 1982 Leipzig, Chorleiter, Leiter Bach-Komitee, 1972 bei politischer Säuberung aus Chorleitung entfernt.
Unbekannt / irrelevant
Landesbischof Martin Sasse, Eisenach, gestorben 1942 an Schlaganfall
Kirchenregierungsrat Erwin Brauer, Eisenach, gestorben 1946 Buchenwald „Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus verlor er seine Ämter und wurde von den sowjetischen Militärbehörden im Speziallager Nr. 2 in Buchenwald interniert, wo er am 19. Dezember 1946 verstarb.“
Zwischenfazit: Von den Nazi-Christen mit kirchlicher Funktion im Osten sind 7 in den Westen gegangen und 5 im Osten geblieben. Das bedeutet erstens, dass die Mehrheit in den Westen gegangen ist und zweitens, dass es im Osten sieben Nazis weniger und im Westen sieben Nazis mehr gab als vor der Befreiung.
Geistliche bzw. Pfarrer
Die Liste der Geistlichen ist lang. Nur wenige sind in Wikipedia verlinkt. Ich liste hier nur die verlinkten auf.
In den Westen gegangen
Pfarrer Hermenau, Potsdam, gestorben 1981 Wiesbaden „Im Jahre 1939 erklärte er seine Mitarbeit am Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben. In zahlreichen Publikationen vertrat er seine Überzeugung von der Rolle der deutschen Frau im Reich Adolf Hitlers. […] 1972: Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland“ Zur Entnazifizierung und zum Grund für das Bundesverdienstkreuz steht nichts in Wikipedia.
Pfarrer Hosenthien, Magdeburg, gestorben 1972 in Braunschweig „1949 folgte Albert Hosenthien seinem Sohn und zog nach Fort Bliss in El Paso (Texas), kehrte jedoch, da er mit den dortigen Gegebenheiten nicht zurechtkam, 1954 wieder nach Deutschland zurück. Da die Region Magdeburg jetzt in der DDR lag, siedelte er sich in Braunschweig, im westlichen Teil Deutschlands an. Er arbeitete hier auch wieder als Pfarrer.“
Pfarrer Hunger, Eisenach, gestorben 1995 Münster, NRW „Nach 1945 orientierte er sich auf das Gebiet der Sexualerziehung, was ihm den Spitznamen „Sex-Hunger“ eintrug. Bis Ende der 1960er Jahre publizierte er seine christlich-konservative Sexualmoral im Gütersloher Verlagshaus. Er wurde auch Redaktionsleiter der Zeitschrift Der evangelische Religionslehrer an der Berufsschule, die vom Schriftenmissionsverlag Gladbeck herausgegeben wurde.“
Pfarrer Kersten-Thiele, Köthen, gestorben 1988 Göttingen, Niedersachsen „Nach 1945 wirkte Kersten-Thiele im Vorstand der Deutschen Ostasien-Mission und publizierte in deren Sinne mehrere Bücher. 1948 war er Pfarrer in Göttingen-Grone und 1954 in Düsseldorf. Von 1960 bis 1964 war er Religionslehrer am Rethel-Gymnasium (bzw. Jacobi-Gymnasium) Düsseldorf und zwischen 1968 und 1973 war er als Pastor in Sereetz tätig. Anschließend ging er in die Rheinische Landeskirche zurück.“
Pfarrer Kuhl, Berlin, gestorben 1959 Kassel „Spätere Wohnsitze waren Nordkirchen, wo er von 1949 bis 1956 Pfarrer war. Hier gründete er einen Kirchbauverein, um in Nordkirchen ein Gemeindezentrum schaffen zu können. Im Jahr 1956 wurde ihm von der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Bonn die Ehrendoktorwürde verliehen. Nachdem Kuhl 1957 in den Ruhestand gegangen war, lebte er bis zu seinem Tod 1959 in Kassel und hinterließ eine Frau und zwei Kinder. In seinen letzten Lebensjahren hatte er einen Lehrauftrag an der Georg-August-Universität Göttingen. Gemeinsam mit Bo Reicke arbeitete er ab 1958 am Biblisch-historischen Handwörterbuch für den Verlag Vandenhoeck & Ruprecht. Kuhl war von 1921 bis zu seinem Tod Mitglied der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft.“
Pfarrer Schmidt-Clausing, Potsdam-Babelsberg, gestorben 1984 in West-Berlin „Nach dem Zweiten Weltkrieg leitete Schmidt-Clausing den Wiederaufbau der Gemeinde von 1947 bis 1962 als Pfarrer an der Berliner Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. In der Kirchenruine wurde die einzige verbliebene Glocke wieder gangbar gemacht und bis in die 1950er Jahre zum Begrüßungsläuten für die Berliner Russlandheimkehrer benutzt. Im beginnenden Kalten Krieg setzte Schmidt-Clausing damit ein politisches Zeichen und machte seine Gemeinde bekannt – bis hin zur US-amerikanischen Wochenschau, die das Thema dankbar aufnahm. Fritz Schmidt-Clausing starb in einem West-Berliner Pflegeheim und wurde auf dem Friedhof Wilmersdorf beigesetzt.“
Hans-Joachim Thilo hat sich neuorientiert, so dass ich ihn hier extra aufzähle. Prinzipiell ist das bei den sechs oben genannten Personen natürlich auch denkbar, es steht aber ncihts dazuin Wikipedia.
Pastor Thilo, Pirna, gestorben 2003 in Lübeck „Thilos Erfahrungen im Kriegsdienst, seine Verwundung bei Kiew und seine Kriegsgefangenschaft, zunächst in Kanada, dann in England, führten ihn zu einem Umdenken und Neuanfang. Im Dezember 1947 kehrte er nach Deutschland zurück und erhielt eine Pfarrstelle der Kirchengemeinde am Lietzensee in Berlin-Witzleben. Gleichzeitig baute er hier die kirchliche Beratungsarbeit auf. Von 1956 bis 1961 wirkte er an der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Genf. Anschließend war er Referent an der Evangelischen Akademie Bad Boll, bis er 1966 zum Pastor der Marienkirche in Lübeck berufen wurde, wo er bis zu seiner Pensionierung wirkte. 1973 habilitierte er sich an der Universität Hamburg für das Fach Praktische Theologie. Er blieb Gemeindepastor, hielt jedoch regelmäßig Lehrveranstaltungen in Hamburg. 1979 wurde ihm der Titel Professor verliehen.“
Im Osten geblieben
Oberpfarrer Ungern von Sternberg, Ronneburg, gestorben 1949 in Gera „Noch im Januar 1945 gehörte er zu den Thüringer Pröpsten, die den DC-Kirchenpräsidenten Hugo Rönck dazu drängten, den Bischofstitel anzunehmen.[2] Aufgrund des Gesetzes zur Überprüfung der Pfarrerschaft und der Verwaltung der Thüringer evangelischen Kirche (Reinigungsgesetz) vom 12. Dezember 1945 wurde Ungern-Sternberg aus dem Pfarrdienst entlassen und die Dienstbezeichnung „Superintendent im Wartestand“ wurde ihm aberkannt. Er wurde aber zunächst kommissarisch als Pfarrer in Ronneburg weiterbeschäftigt, ab dem 1. Dezember 1947 wurde er dann wieder offiziell als Pfarrer in Niederpöllnitz eingesetzt.“
Pfarrer Delling, Leipzig, gestorben 1986 in Halle „Im Jahre 1945 geriet Delling in Dänemark in Kriegsgefangenschaft und wirkte bis 1947 als Seelsorger im Internierungslager Aarhus. Nach seiner Entlassung ging er nach Pommern und erhielt 1947 einen Lehrauftrag an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. 1948 habilitierte er sich hier mit der Schrift Gottesdienst im Neuen Testament (gedruckt 1952) für das Fach Neues Testament. Im Jahre 1950 wurde Delling als Professor mit Lehrauftrag an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg berufen, 1952 bekam er den vollen Lehrauftrag, die Beförderung zum Professor mit Lehrstuhl für spätantike Religionsgeschichte erfolgte 1953. 1955 erhielt er durch Kurt Aland, dem Leiter der Kommission für spätantike Religionsgeschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, eine Stelle zur Reorganisation des Corpus Hellenisticum. 1955/56 übernahm Delling eine Gastprofessur an der Universität Leipzig, eine Berufung kam jedoch ebenso wenig zustande wie die von Teilen der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität in den 1960er Jahren gewünschte Versetzung nach Berlin. An der Universität Halle baute Delling das Institut für spätantike Religionsgeschichte auf, dem er seit 1963 als Direktor vorstand. Nach der IV. Hochschulreform wurde Delling 1969 zum ordentlichen Professor ernannt und 1970 emeritiert. Delling forschte vor allem zur Überlieferungsgeschichte des Neuen Testaments und zum antiken Judentum (Das Zeitverständnis des Neuen Testaments, 1940; Jüdische Lehre und Frömmigkeit in den paralipomena Jeremiae, 1967; gesammelte Aufsätze: Studien zum Neuen Testament und zum hellenistischen Judentum, 1950–1968, 1970; Studien zum Frühjudentum, 1971–1987, 2000). Außerdem gab er Bibliographien zur jüdisch-hellenistischen Forschung heraus und arbeitete am Corpus Hellenisticum Novi Testamenti mit. Die Universität Greifswald verlieh ihm 1964 die Ehrendoktorwürde. Delling verstarb am 18. Juni 1986, im Alter von 81 Jahren, in Halle.“
Pfarrer Ohland, Unkeroda (Thüringen), gestorben 1953 in Friedelshausen, Thüringen „Im Jahre 1946 verlor Ohland sein Amt, durfte aber seit 1948 in Behrungen als Pfarrvikar wieder amtieren, seit 1952 als Pfarrer in Friedelshausen.“
Pfarrer Joseph Roth, Diersheim, gestorben 1941 Tirol
Pastor Dungs, Weimar, gestorben 1947 durch Hinrichtung oder 1949 in Haft
Zwischenfazit: Von den Nazi-Pfarrern im Osten sind 7 in den Westen gegangen und 4 im Osten geblieben. Zählt man Hans-Joachim Thilo zu den irrelevanten Fällen, weil es bei ihm ein Umdenken und Neuanfang gab, bleiben 6 in den Westen gegangene, die zu den Nazis, die ohnehin aus dem Westen waren, dazugekommen sind und den Osten verlassen haben.
Hochschullehrer bzw. Akademiker
In den Westen gegangen
Johannes Hempel, Berlin, gestorben 1964 in Göttingen „Er übernahm die Herausgeberschaft der Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft. Im Jahre 1937 wurde er nach Berlin berufen und leitete das Institutum Judaicum zur Erforschung des Judentums „vom Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung aus“. Im Jahre 1939 erklärte Hempel seine Mitarbeit am Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben als Leiter der Arbeitsgruppe Altes Testament. Auf der Arbeitstagung im März 1941 referierte er über Die Aufgabe von Theologie und Kirche von der Front her gesehen. Während des Zweiten Weltkrieges fungierte er als Militärpfarrer. Das Kriegsende erlebte er 1945 in einem Lazarett an der Nordsee. Im Jahre 1947 wurde Hempel Pfarrverweser in Salzgitter-Lebenstedt, einem Ort im Gebiet der Braunschweigischen Landeskirche. Im Jahre 1955 wurde er Honorarprofessor in Göttingen und betrieb ab 1958 als Emeritus seine wissenschaftliche Arbeit weiter, besonders für die von ihm betreute Zeitschrift.“
Wolf Meyer-Erlach, Jena, gestorben 1982 in Idstein, Hessen „Im Jahre 1945 ging er aller Ämter verlustig, auch eine Wiedereinstellung in der bayerischen Landeskirche blieb ihm versagt. 1950 flüchtete Meyer-Erlach aus der DDR. Von 1951 bis 1963 wurde er Pfarrverwalter in Wallrabenstein und Wörsdorf bei Idstein im Taunus (Evangelische Kirche in Hessen und Nassau). Von ihm wurden historische Sujets wie das Stück „Anno 1634“ aufgeführt.“
Max Adolf Wagenführer, Jena, gestorben 2010 irgendwo im Westen „Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam er an die Lutherkirche nach Köln-Nippes und wurde zunächst in den Pfarrdienst der Rheinischen Kirche übernommen. 1949 wurde er wegen seiner fehlenden Ordination vorübergehend suspendiert und wechselte in den Schuldienst. 1953 kam er zurück in den Pfarrdienst, wurde ordiniert und erhielt eine Berufung an die neuerbaute Erlöserkirche in Weidenpesch. Von 1970 bis 1982 war er Pfarrer in Prien am Chiemsee.“
Im Osten geblieben
Richard Barth, Jena, gestorben nach 1946 „Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus verlor er sein Amt. Ab 1946 arbeitete er als Grundschullehrer in Jena.“
Paul Fiebig, Leipzig, gestorben 1949 in Kalbe Sachsen Anhalt
Reinhard Liebe, Freiberg (Sachsen), gestorben 1956 in Freiberg. Der Wikipedia-Eintrag lässt zu wünschen übrig.
Heinz Erich Eisenhuth, Jena, gestorben 1983 Pferdsdorf/Werra, Thüringen „Nachdem er 1945 aus dem Universitätsdienst entlassen worden war, wurde er 1946 zunächst kommissarisch, später im Hauptamt Pfarrer in Jena-Zwätzen. 1952 wurde er Superintendent in Eisenach. Anders als in der Forschungsliteratur bisweilen behauptet wird, übernahm er jedoch nie die Leitung der Evangelischen Akademie Thüringen. Er gehörte aber zeitweise der Synode an und erhielt mehrere Lehraufträge am Theologischen Seminar Leipzig. Nachdem er 1967 in den Wartestand getreten war, ging er 1969 in den Ruhestand.“
Wilhelm Knevels, Rostock, gestorben 1978 in West-Berlin „Im Jahre 1950 erhielt er einen Lehrauftrag an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Nach seiner Emeritierung lebte er in West-Berlin und wirkte dort weiter an der Freien Universität Berlin. Er ist auf dem Waldfriedhof Dahlem bestattet. Auf dem Grabstein steht unter den Lebensdaten: „Theologe des dritten Weges / = Selbstbesinnung des Glaubens / zwischen Fundamentalismus / und Existenzialtheologie / Unser Glaube ist der Sieg / der die Welt überwindet“.“ Knevels ist 1897 gebohren, die Emeritierung muss also gegen 1962 gewesen sein. Ich liste ihn hier unter Im Osten geblieben, weil er sein gesamtes Berufsleben im Osten verbracht hat.
Wilhelm Koepp, Greifswald, gestorben 1965 Kleinmachnow „1952 erhielt er den Lehrstuhl an der Universität Rostock. 1954 emeritiert, lehrte er noch bis zu seinem Tode an der Universität Rostock weiter.“
Johannes Leipoldt, Leipzig, gestorben 1965 in Leipzig „Nach 1945 war er Domherr des Hochstifts Meißen und erhielt eine Professur mit Lehrstuhl für Neutestamentliche Wissenschaft in Leipzig. Er wurde als ordentliches Mitglied in die Sächsische Akademie der Wissenschaften aufgenommen und 1954 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Silber und 1960 in Gold ausgezeichnet. […] Leipoldt war von 1953 bis 1963 als Vertreter der CDU Abgeordneter der Volkskammer.“
Herbert von Hintzenstern, Eisenach, gestorben 1996 in Weimar „Seit August 1945 war er in Lauscha, ab 1948 als Pfarrer. Dort trat er der DDR-CDU bei, sein Parteiaustritt erfolgte zum 1. Mai 1947. Im Jahre 1952 wurde er zum Landesjugendpfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen berufen. Seit 1956 leitete er die Evangelische Akademie Thüringen und die Pressestelle der Kirche. Gleichzeitig wurde er zum Chefredakteur der Kirchenzeitung Glaube und Heimat berufen. 1962 wurde er zum Kirchenrat ernannt. Von 1968 bis 1986 war er nebenamtlicher Leiter des Pfarrhausarchivs im Lutherhauses in Eisenach. 1981 ging er in den Ruhestand.“
Rudolf Meyer, Leipzig, gestorben 1991 in Jena, Thüringen „Im Jahre 1947 wurde er außerplanmäßiger Professor und 1948 […] Ordinarius für Altes Testament an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Hier unterrichtete er Generationen von Theologiestudenten in Hebräisch, der Geschichte des Volkes Israel und der Theologie des Alten Testaments. Zusammen mit […] wurde ihm 1952 von der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin die Ehrendoktorwürde verliehen. Meyer war seit 1959 ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften und seit 1978 korrespondierendes Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.“
Siegfried Morenz, Leipzig, gestorben 1970 Leipzig „Morenz wurde 1946 Dozent an der Universität Leipzig und habilitierte sich im selben Jahr bei Wilhelm Schubart mit einer Schrift zu Ägyptens Beitrag zur werdenden Kirche. Ab 1948 leitete Morenz, zunächst kommissarisch, das Ägyptologische Institut der Universität Leipzig. Im Februar 1952 wurde er Professor mit Lehrauftrag, im September des Jahres mit vollem Lehrauftrag und zwischen 1954 und 1961 schließlich als Lehrstuhlinhaber für Ägyptologie und hellenistische Religionsgeschichte. Zwischen 1952 und 1958 nahm Morenz zudem nebenamtlich die Leitung der Ägyptischen Abteilung der Staatlichen Museen zu Berlin in Ost-Berlin wahr. Zwischen 1961 und 1966 lehrte Morenz als Lehrstuhlinhaber an der Universität Basel, leitete jedoch im Nebenamt weiterhin das Leipziger Ägyptologische Institut. Danach kehrte er nach Leipzig zurück, wo er bis zu seinem Tod 1970 wieder den Lehrstuhl für Ägyptologie innehatte.“
Konrad Weiß, Berlin, gestorben 1979 in Rostock „1946 wurde Weiß außerordentlicher Professor für neutestamentliche Theologie an der Universität Rostock, 1948 wurde er dort auf eine ordentliche Professur berufen und 1972 emeritiert. Die Universität Kiel zeichnete Weiß 1961 mit der Ehrendoktorwürde aus.“
Unbekannt / irrelevant
Adolf Bartels, Weimar, gestorben März 1945 in Weimar
Die Auswertung der Lebensdaten der Hochschullehrer ist verblüffend. Nur drei sind in den Westen gegangen. 11 sind im Osten geblieben. Man müsste die Einzelfälle näher ansehen und erforschen, wie intensiv ihre Mitarbeit im Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben war und was davon zu Lebzeiten bekannt war. Teilweise hatten die Wissenschaftler Ehrendoktortitle von Universitäten in Ost und West.
Weitere Nazis aus dem Umfeld der Deutschen Christen / dem Institut
In den Westen gegangen
Hugo Rönck deutscher evangelischer Pfarrer und Bischof, gestorben 1990, bis 1976 Pastor in Eutin, Schleswig-Holstein. „Im Jahre 1945 nahm er „kurz vor dem Einmarsch der amerikan[ischen] Truppen“ den Titel Landesbischof an. Im April 1945 wurde er von den Vertretern der innerkirchlichen Opposition um Moritz Mitzenheim, Erich Hertzsch und Gerhard Kühn zum Amtsverzicht gedrängt und wenige Tage später von US-amerikanischen Truppen verhaftet. Im August 1945 entließ ihn die Thüringer Kirche aus dem kirchlichen Dienst. Später war er von 1947 bis 1976 Pastor in Eutin.“
Im Osten geblieben
Johannes Klotsche gestorben 1963, Stadt Wehlen, Pirna, Sachsen, „Der „fanatische Antisemit“ Klotsche unterzeichnete im April 1939 gemeinsam mit zehn anderen Landeskirchenleitern die Bekanntmachung über Gemeinschaftsarbeit von Landeskirchenleitern, deren erste Maßnahme in der Gründung des Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben bestand. Im Dezember 1941 wurden Christen jüdischer Herkunft aus der Landeskirche ausgeschlossen, womit das Sakrament der Taufe in Sachsen partiell außer Kraft gesetzt war. Bis 1942 gehörte er dem Verwaltungsrat des sog. Entjudungsinstituts an. Nach Kriegsende absolvierte er 1951/52 eine Ausbildung zum volksmissionarischen Dienst an der Predigerschule Paulinum in Ost-Berlin.“
Walter Grundmann gestorben 1976 in Eisenach „1930 wurde er Mitglied der NSDAP und 1933 aktives Mitglied der Deutschen Christen, deren im ganzen Deutschen Reich gültige Richtlinien er verfasste. 1939 wurde er zum akademischen Direktor des neu gegründeten Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben in Eisenach ernannt, das im Dienst des staatlichen Antisemitismus die „Entjudung“ der Bibel und der theologischen Ausbildung betrieb. Ungeachtet seiner NS-Vergangenheit erlangte Grundmann in der DDR als Theologe erhebliches Ansehen: 1954 erteilten ihm das Katechetische Oberseminar Naumburg (Saale) und das Theologische Seminar Leipzig Lehraufträge und er wurde Rektor des Eisenacher Katechetenseminars; seine ab 1959 erschienenen Evangelienkommentare waren Standardliteratur und werden bis heute (2022) zitiert. Er arbeitete für das Ministerium für Staatssicherheit, unter dem Decknamen GI Berg. […] In der DDR galt Grundmann bis zu seiner Emeritierung 1975 trotz seiner NS-Vergangenheit als angesehener theologischer Lehrer. 1974 verlieh die Kirchenleitung ihm nochmals den Titel eines „Kirchenrats“, um seine Arbeit anzuerkennen und um seine Pension zu erhöhen.“ Seine Wikipedia-Seite enthält eine ausführlichere Schilderung der Stasi-Tätigkeit.
Irrelevant
Friedrich Coch gestorben September 1945 in amerikanischer Gefangenschaft „Führer der Glaubensgemeinschaft Deutsche Christen in Sachsen und Herausgeber der Monatszeitschrift Christenkreuz und Hakenkreuz.“
Schlussfolgerung
7 + 6 + 3 der Personen, die in der NSDAP waren und sich öffentlich zum Antisemitismus bekannt hatten, sind vom Osten in den Westen gegangen. Dazu noch mindestens ein leitendes Mitglied der Deutschen Christen. Damit hat sich die Anzahl der Antisemiten und Nazis im Osten verringert und im Westen erhöht. Von einigen dieser Personen ist klar, dass sie wirklich harte Nazis und Rassisten waren. Andere waren eventuell weniger involviert, einige haben sich vielleicht gewandelt. Das geht aus Wikipedia nicht hervor.
Der Chef von Combat 18 lebt in Thüringen. Netterweise schreibt die taz jetzt aber auch schon manchmal selbst dazu, wo die Nazis eigentlich herkommen:
Die vier Männer, darunter der Anführer Stanley Röske, sollen Combat 18 gemeinsam mit anderen Mitgliedern bis mindestens 2022 weiterbetrieben haben. […] Röske ist ein langjähriger Neonazi aus Kassel, der nach Thüringen übergesiedelt war und sich auch mit Stephan Ernst umgeben hatte, dem Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.
Der andere Chef kommt nach Spiegel aus Dortmund bzw. nach taz aus Castrop-Rauxel in Nordrhein-Westfalen.
Im taz-Artikel wird auch Knockout 51 erwähnt. Das ist eine Naziorganisation von Menschen aus Eisenach und Erfurt. Sie wurde laut MDR vom Neonazi Patrick Wieschke (NPD, jetzt Die Heimat) aufgebaut.
Was die bürgerliche Fassade als Buchhändler und das biedere Image der Partei für manche Beobachter verdeckte: Wieschke scharrte schon zu diesem Zeitpunkt immer mehr Jugendliche aus Eisenach und Erfurt um sich, die zwar rechts, aber noch nicht straff organisiert waren.
Wieschke ist selbst aus Eisenach, aber wurde erst 1981 geboren. Zur Wende war er also 8 Jahre alt. Den überwiegenden und für die Herausbildung politischer Überzeugungen wichtigeren Teil seiner Jugend hat er also im Nachwende-Deutschland verbracht.
Ha! Wieder! Die taz schreibt über den Schelm-Verlag, der Mein Kampf und Holocaust-Leugnung vertreibt (Die Lieferanten des Hasses). Sie schreiben über den Verlagsleiter als Rechtsextremist und früheren Leipziger.
der langjährige Rechtsextremist und frühere Leipziger Adrian Preißdinger.
Der Verlag war in Leipzig, das wird im Artikel auch erwähnt, aber wieso sollte die Information, dass der Verlagsleiter ein Leipziger war, relevant sein? Die wäre nur in der Ost-West-Diskussion wichtig. Und da ist sie falsch. Adrian Preißinger wurde 1964 in Kronach, einer oberfränkischen Stadt, geboren.