Kahane 2.0: Holocaust, Antisemitismus, Antifaschismus, Israel, Propaganda und angebliche Nazi-Richter und ‑Lehrer in der DDR

Holocaust nicht thematisiert oder relativiert?

Vor sie­ben Jah­ren behaup­te­te Anet­ta Kaha­ne, dass die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Holo­caust in der DDR weder auf sys­te­mi­scher noch auf indi­vi­du­el­ler Ebe­ne gewollt gewe­sen sei.

Im Osten war eine sys­te­mi­sche und indi­vi­du­el­le Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus und der Sho­ah nicht gewollt. Dies hät­te zu Fra­gen nach Men­schen­rech­ten oder Min­der­hei­ten­schutz geführt, die nur bei Stra­fe des Unter­gangs der DDR zu beant­wor­ten gewe­sen wären. 

Anet­ta Kaha­ne, Debat­te Ost­deut­sche und Migran­ten: Nicht in die Fal­len tap­pen, taz, 12.06.2018

Sie­ben Jah­re spä­ter weist ihr Nef­fe Leon Kaha­ne in einem Inter­view in der Kunst­zeit­schrift Mono­pol dar­auf hin, dass es einen Uni­ver­sa­lis­mus gege­ben habe, in dem der Holo­caust mit den Mor­den an Kommunist*innen, Homo­se­xu­el­len usw. gemein­sam behan­delt wur­de. Immer­hin wird die Exis­tenz des Geden­kens nicht ganz geleug­net, wie das bei Ines Gei­pel der Fall war. Ich habe Anet­ta Kaha­nes und Ines Gei­pels Aus­sa­gen von 2018 und 2019 im Blog-Post Der Ossi und der Holo­caust dis­ku­tiert. Was will man gegen den Uni­ver­sa­lis­mus-Vor­wurf sagen? Uni­ver­sa­lis­mus ist ein schö­nes Schlag­wort dafür, dass sich die Kommunist*innen selbst gefei­ert haben. Da war viel Pro­pa­gan­da dabei, aber letzt­end­lich hat­ten die Men­schen, die im Wider­stand waren, auch das Recht dazu, stolz zu sein. Und es war nicht der Fall, dass der Völ­ker­mord an den Juden unter den Tisch gekehrt wur­de, wie Anet­ta Kaha­ne behaup­tet hat. Leon Kaha­ne war an einer Aus­stel­lung über jüdi­sches Leben in der DDR betei­ligt. Er weiß, dass es über 1000 Bücher zum jüdi­schen Leben, zum Holo­caust und zum Wider­stand gab, dass es über 1000 Fil­me gab (zu den Details sie­he Der Ossi und der Holo­caust). Aus­schnit­te aus den Fil­men konn­te man in der Aus­stel­lung sehen.

Über­sicht der Film­se­quen­zen, die in der Aus­stel­lung „Ein ande­res Land – Jüdisch in der DDR“ gezeigt wur­den, Jüdi­sches Muse­um, Ber­lin, 19.11.2023

Es gab dort auch ein Regal mit Büchern. 

Bücher in der Aus­stel­lung „Ein ande­res Land – Jüdisch in der DDR“, Jüdi­sches Muse­um, Ber­lin, 19.11.2023

Ich habe über die Aus­stel­lung in Aus­stel­lung: „Ein ande­res Land. Jüdisch in der DDR.“ geschrie­ben. All die Auf­ar­bei­tung und Aus­ein­an­der­set­zung und das Geden­ken wird igno­riert und abge­tan, indem man behaup­tet, die Kommunist*innen hät­ten sich nur selbst gefeiert.

Das Inter­view mit Leon Kaha­ne ist in einer Inter­view­rei­he der Zeit­schrift Mono­pol erschie­nen, zu der auf der Sei­te steht:

Es ist Teil der Rei­he „Osten vom Wes­ten“, für die Kage als in West­deutsch­land Auf­ge­wach­se­ner Gesprä­che mit Kul­tur­schaf­fen­den führt, die ihre Kar­rie­ren noch in der DDR begon­nen haben.

Die­se Aus­sa­ge ist lus­tig, denn Kaha­ne war zum Fall der Mau­er 4 Jah­re alt. Er wird damals noch im Bud­del­kas­ten Sand­förm­chen gebas­telt haben. Aber viel­leicht waren die von beson­de­rem künst­le­ri­schen Wert. Kaha­ne ist also in der­sel­ben Gene­ra­ti­on wie Anne Rabe und die Aus­sa­gen auch von ähn­li­cher Qua­li­tät. Ich gehe ein­fach mal eini­ge State­ments durch.

USA und Israel Faschisten?

In der DDR hat­te man den Faschis­mus in Gän­ze über­wun­den. Die neu­en Faschis­ten ver­or­te­te man in Isra­el und in Ame­ri­ka und hat so rela­tiv naht­los an zen­tra­le ideo­lo­gi­sche Ele­men­te des Natio­nal­so­zia­lis­mus anknüp­fen kön­nen und sie inso­fern auch nicht auf­ar­bei­ten müssen.

Leon Kaha­ne. 2025. Künst­ler Leon Kaha­ne „In der DDR gab es im Grun­de kei­ne Erin­ne­rungs­kul­tur“, Mono­pol. 20.06.2025

Also die USA waren ganz klar der Klas­sen­feind. Sie waren Kapi­ta­lis­ten und Impe­ria­lis­ten. Das wur­de uns so ver­mit­telt (mei­ne Schul­zeit dau­er­te von 1974–1986, auch wäh­rend der Armee­zeit gab es Polit­un­ter­richt). Faschis­mus war etwas ande­res, jeden­falls habe ich nie von solch einer Gleich­set­zung gehört.1 Die Sache mit Isra­el ist kom­plex. Die Sowjet­uni­on hat Isra­el nach der Staats­grün­dung sofort aner­kannt.2 Es gab in Isra­el lin­ke Tra­di­tio­nen und Bewe­gun­gen (Kib­bu­zim), wes­halb die Hoff­nung bestand, dass sich Isra­el dem Ost-Block anschlie­ßen wür­de. Ab der Stel­lung­nah­me Ben-Guri­ons zum Korea­krieg (1950–1953) war klar, dass Isra­el auf U.S.-Seite stand und die Block­lo­gik ergab dann, dass Isra­el auch Klas­sen­feind war. Das hat erst mal nichts mit Anti­se­mi­tis­mus zu tun, auch wenn das gern in einen Topf gewor­fen wird.3 Ein lus­ti­ges Gedan­ken­ex­pe­ri­ment ist es, sich aus­zu­ma­len, was pas­siert wäre, wenn Isra­el sich dem Ost­block ange­schlos­sen hät­te. Wür­de man dann alle, die das kri­ti­sie­ren, als Anti­se­mi­ten bezeich­nen? Oder nicht? Wenn nicht, war­um nicht?

Die Lager, die auf dem Gebiet der spä­te­ren DDR waren, haben eine Uni­ver­sa­li­sie­rungs-Erzäh­lung, die den Fokus ganz stark auf die kom­mu­nis­ti­schen Wider­ständ­ler legt, auf die Selbst­be­frei­ung und so wei­ter. Die Juden hat­ten dort, über die gan­ze DDR hin­weg, eigent­lich kei­nen Raum. Und das ist etwas, was gera­de wie­der Kon­junk­tur hat.

Die­se Aus­sa­ge ist falsch. Die Mor­de an den Juden kamen im Film vor, der in Buchen­wald allen Besucher*innen gezeigt wur­de. Sie­he dazu den Wiki­pe­dia-Ein­trag zum Film O Buchen­wald bzw. den Blog-Post Der Ossi und der Holo­caust. Wäh­rend vie­le West­deut­sche noch nie ein KZ gese­hen haben, war der Besuch eines KZs in der DDR für Schüler*innen Pflicht. Der Buchen­wald-Film wur­de den Besucher*innen der Gedenk­stät­te gezeigt. Er ist noch heu­te gele­gent­lich bei kom­men­tier­ten Vor­füh­run­gen zu sehen. Unab­hän­gig davon, ob die Mor­de an Juden in den Gedenk­stät­ten vor­ka­men, gibt es eine über­wäl­ti­gen­de Anzahl von Doku­men­ten und Ehrun­gen, die zei­gen, dass sie im All­tag der DDR immer wie­der the­ma­ti­siert wur­den. Ich ver­wei­se wie­der auf Der Ossi und der Holo­caust zum Geschichts- und Lite­ra­tur­un­ter­richt, zu Stra­ßen­na­men, zu Plas­ti­ken im öffent­li­chen Raum, Brief­mar­ken, Büchern, Fil­men usw.

Zeu­ge mag das völ­lig zer­le­se­ne Exem­plar von Nackt unter Wöl­fen sein, das ich 2025 foto­gra­fiert habe.

Nackt unter Wöl­fen von Bru­no Apitz, Aus­ga­be 1958, Pri­vat­be­sitz in Feri­en­quar­tier, foto­gra­fiert 2025

Die vor­lie­gen­de Aus­ga­be ist von 1958 und es waren damals bereits 330.000 Exem­pla­re verkauft.

Nackt unter Wöl­fen von Bru­no Apitz, Impres­sum Auf­la­ge 330.–369. Tausend

Zu den rele­van­ten Text­stel­len sie­he Lite­ra­tur­un­ter­richt. Nackt unter Wöl­fen erschien in 30 Spra­chen und erreich­te eine Gesamt­auf­la­ge von mehr als zwei Mil­lio­nen. Eben­falls beim Lite­ra­tur­un­ter­richt fin­det man eine Bal­la­de von Johan­nes R. Becher: Die Kin­der­schu­he aus Lub­lin (you­tube). Becher war Kul­tur­mi­nis­ter in der DDR, er war Kom­mu­nist, kein Jude und hat die Ermor­dung jüdi­scher Kin­der trotz­dem zu sei­nem The­ma gemacht. Die Bal­la­de wur­de in der DDR im Lite­ra­tur­un­ter­richt behan­delt. Es gab ein­heit­li­che Lehr­plä­ne für das gan­ze Land. Leon Kaha­ne kann das im Gegen­satz zu Anet­ta Kaha­ne nicht aus eige­ner Erfah­rung wis­sen, aber wenn er sol­che The­sen ver­tritt, hat er die Pflicht sich mit dem The­ma zu beschäftigen.

Der Wiederaufbau der Neuen Synagoge

Der Inter­view­er Jan Kage behaup­tet in einer Fra­ge über die Zeit nach der Wende:

Und gleich­zei­tig gab es ein neu­es jüdi­sches Leben, auch eine jüdi­sche Immi­gra­ti­on, dar­un­ter vie­le, die aus Ost­eu­ro­pa hier nach Ber­lin kamen. Die Syn­ago­ge wur­de wie­der in alter Pracht auf­ge­baut. Es gab einen Aufbruch.

Was dabei uner­wähnt bleibt, ist, dass die Grund­stein­le­gung für den Wie­der­auf­bau der Syn­ago­ge am 10. Novem­ber 1988 statt­fand. Einen Tag nach dem 50. Jah­res­tag der Reichs­po­grom­nacht. Ein Jahr vor dem Fall der Mau­er. Kaha­ne war da drei Jah­re alt. Laut Zeit­zeu­gen waren Kera­mik­werk­stät­ten der DDR mit der Anfer­ti­gung von Zie­geln für die Syn­ago­ge in der ent­spre­chend benö­tig­ten Form beschäf­tigt. Unter ande­rem die Werk­statt von Hed­wig Boll­ha­gen und die Kera­mik­werk­stadt der Kunst­hoch­schu­le Burg Gie­bi­chen­stein in Halle.

Bild mit Erich Hon­ecker. Bild­be­schrif­tung: „Sym­bo­li­sche Grund­stein­le­gung für den Wie­der­auf­bau der Neu­en Syn­ago­ge, Ber­lin, 1988“, „Zum 50. Jah­res­tag der Novem­ber­po­gro­me begann 1988 der Wie­der­auf­bau der Syn­ago­ge in der Ora­ni­en­bur­ger Stra­ße mit der sym­bo­li­schen Grund­stein­le­gung. Die SED-Füh­rung ver­folg­te damit außen­po­li­ti­sche und öko­no­mi­sche Inter­es­sen: Sie woll­te durch eine ver­än­der­te Erin­ne­rungs­po­li­tik die Bezie­hun­gen zu den USA ver­bes­sern. Doch sie reagier­te auch auf ein ver­än­der­tes Bewusst­sein in der Bevöl­ke­rung. In die­ser Zeit wur­den Aus­stel­lungs­pro­jek­te und Publi­ka­tio­nen zur Erin­ne­rung an die Ver­bre­chen in der NS-Zeit zu jüdi­schen The­men rea­li­siert. Mahn­ma­le und Gedenk­ta­feln wur­den errich­tet, FDJ-Mit­glie­der pfleg­ten jüdi­sche Fried­hö­fe.“ „Mit Dank­bar­keit möch­te ich gegen­über dem Staats­rats­vor­sit­zen­den und dem Hohen Haus erklä­ren, dass die Ent­schei­dung über den Wie­der­auf­bau der „Neu­en Syn­ago­ge“ in der Haupt­stadt Ber­lin im Ver­band der Jüdi­schen Gemein­den in der DDR und unter allen Bür­gern jüdi­schen Glau­bens mit gro­ßer Freu­de auf­ge­nom­men wur­de. Vie­le aus­län­di­sche Glau­bens­ge­nos­sen haben uns dazu beglück­wünscht und ver­ste­hen die­se Ent­schei­dung als Zeug­nis für leben­di­ges jüdi­sches Gemein­de­le­ben in der DDR. Sieg­mund Roth­stein (1925–2020), Gedenk­re­de auf der Son­der­sit­zung der Volks­kam­mer der DDR zum bevor­ste­hen­den Jah­res­tag am 9. Novem­ebr 1988“, Aus­stel­lung „Ein ande­res Land – Jüdisch in der DDR“, Jüdi­sches Muse­um, Ber­lin, 19.11.2023

Wahlerfolge der AfD und Transformationserfahrungen im Osten

Kaha­ne sagt zu den Wahl­er­fol­gen der AfD in den neu­en Bundesländern:

War­um wird in den soge­nann­ten „neu­en Bun­des­län­dern“ so viel AfD gewählt? Mei­nes Erach­tens hat das mehr mit der ver­säum­ten Auf­ar­bei­tung zu tun als mit der Trans­for­ma­ti­ons­er­fah­rung der Wende.

Ja, lie­ber Leon Kaha­ne. Das ist Dei­ne Geschich­te und auch die von Anne Rabe. Und die von Ines Gei­pel und von Dei­ner Tan­te. Sie wird von West-Medi­en ger­ne gedruckt, weil sie so schön ent­las­tend ist. Denn, wenn es die Trans­for­ma­ti­ons­er­fah­run­gen wären, dann wäre der Wes­ten mit­schul­dig. Wäre es aber eine man­geln­de Auf­ar­bei­tung oder, wie bei Anne Rabe behaup­tet, irgend­wel­che Gewalt­er­fah­run­gen oder bei Pfeif­fer das gemein­sa­me Sit­zen auf dem Töpf­chen im Kin­der­gar­ten (Decker, 1999), dann könn­te man die Ossis irgend­wie patho­lo­gi­sie­ren, als anders abtun und das Pro­blem exter­na­li­sie­ren. Man braucht dann noch ein biss­chen Huf­ei­sen­theo­rie dazu, damit man erklä­ren kann, war­um so vie­le Ossis erst Die Lin­ke gewählt haben und nun AfD wäh­len. Das macht lei­der aber kei­nen Sinn, weil Bodo Rame­low ein lie­ber Sozi­al­de­mo­krat ist (Thü­rin­gen hat­te einen Minis­ter­prä­si­den­ten von Der Lin­ken) und sei­ne Ansich­ten abso­lut inkom­pa­ti­bel mit denen des hes­si­schen Nazis Björn Höcke sind.

Nazi punks fuck off!

Leon Kaha­ne schreibt:

In der DDR gab es einen Wider­stand gegen den von oben ange­ord­ne­ten Anti­fa­schis­mus, der sich in einer sym­bo­li­schen Hin­wen­dung zum Rechts­ra­di­ka­lis­mus aus­drückt. Zum Bei­spiel Punks, die Land­ser gehört haben.

Leon Kaha­ne

Ja, lie­ber Leon, als sich Land­ser gegrün­det haben, warst Du sechs Jah­re alt. Das war näm­lich 1991. Aber sie waren erst 1992 dann unter dem Namen Land­ser unter­wegs. Also drei Jah­re nach der Wen­de und zwei Jah­re nach DDR. Kann schon mal pas­sie­ren. Bei die­sen gan­zen Sze­nen und Bands kennt sich ja kei­ner aus. Aber eins stimmt: Es gab ganz sicher einen oder andert­halb Punks die rechts­extre­me Musik gehört haben. Ich hat­te sel­ber eine Kas­set­te mit Titeln wie „Töte dei­nen Nach­barn“ und „Mein gol­de­ner Schlag­ring“ in der Hand.4 War nicht so meins. Ansons­ten: Die Punks haben von den Skin­heads aufs Maul bekom­men. Die Punks waren links. 1987 gab es den Über­fall von Nazis­kins aus Ost und West auf ein Kon­zert der Punk-Band Die Fir­ma in der Zions­kir­che. Es gab eine Anti­fa, die sich als Selbst­ver­tei­di­gungs­grup­pe gegen die Nazis­kins gebil­det hat­te. Es gab 1983 den Ver­such einer Kranz­nie­der­le­gung durch Ost-Ber­li­ner Punks im KZ Sach­sen­hau­sen. Das wur­de von der Sta­si ver­ei­telt. Die Punks nah­men den Kranz wie­der mit und leg­ten ihn an der Mahn­wa­che für die Opfer des Faschis­mus Unter den Lin­den ab. Die anti­fa­schis­ti­sche, pazi­fis­ti­sche Band Die Fir­ma hat­te einen Song mit der Zei­le: „Wir müs­sen weg von der Mit­te! Wo ist der Weg von der Mit­te?“ und es gab einen Song „Der Faschist“. Gefah­ren­zo­ne hat­te das Lied Glas­nost, in dem sie sich auf Rus­sisch an Micha­el Gor­bat­schow wand­ten. Die gan­ze Punk-Musik-Sze­ne ist recht gut in Lutz Schramms Par­ok­ti­mums­wi­ki beschrie­ben. Lutz Schramm hat von den Bands Tapes bekom­men und hat auch Bands wie Gefah­ren­zo­ne im DDR-Radio gespielt, gegen die in den 80ern Zer­set­zungs­maß­nah­men der Sta­si lie­fen. Auf tape attack kann man die in der DDR pro­du­zier­ten Kas­set­ten run­ter­la­den. Zum Bei­spiel Papier­krieg: Noch nie hat eine Dik­ta­tor sei­ne Volks­ab­stim­mung ver­lo­ren. Poli­tisch. Anti­fa­schis­tisch. Links. Der Song Der Schoß ist frucht­bar noch ent­hält die Zei­le „Lasst nicht zu, dass sechs Mil­lio­nen umsonst gestor­ben sind.“.

Es gab ver­schie­de­ne Teil­sze­nen. Zum Einen gab es die Punks die inner­halb der Kir­che Rück­zugs­räu­me fan­den, weil der Staat Kir­chen­ge­län­de respek­tiert hat. Auf Kir­chen­ge­län­de konn­ten Punk-Grup­pen pro­ben und es gab Fes­ti­vals wie das Erlösa­fes­ti­val in der Erlö­ser­kir­che. Die Punks arbei­te­ten in der Kir­che von Unten zusam­men. Undenk­bar, dass die Pfar­rer Nazis geför­dert hät­ten. Staats­feind­li­che Lie­der waren aber bei Kon­zer­ten auf Kir­chen­ge­län­de durch­aus zu hören („Des­halb erheb’ ich mei­ne Hand gegen mein Vater­land.“). Die Sta­si stand drau­ßen drum rum und hör­te inter­es­siert zu. In den Bands waren IMs. Gegen Ende der DDR gab es eine Libe­ra­li­sie­rung und Punk-Bands beka­men einen Ein­stu­fung (Spiel­erlaub­nis, man konn­te nicht ein­fach irgend­wie Musik machen). Das waren die so genann­ten ande­ren Bands. Von denen waren vie­le auch staats­kri­tisch und ver­lo­ren auch tem­po­rär oder für immer ihre Auf­tritts­ge­neh­mi­gung (Frey­gang, Herbst in Peking). Herbst in Peking wid­me­ten einen Song Leo Trotz­ki („dem Mann, den wir wäh­len wür­den, wenn wir wäh­len könnten“).

Nach der Wen­de kan­di­dier­ten Anar­chis­ten aus dem Umfeld von Frey­gang, Fir­ma, Ich Funk­ti­on und auch Fee­ling B als Auto­no­me Akti­on Wydoks für die Volks­kam­mer. Nix Nazis.

Zur Musik, die wir hör­ten, gehör­ten die Dead Ken­ne­dys und deren Lied: Nazi punks fuck off. Das wur­de von Lutz Schramm auch im DDR-Jugend­ra­dio DT64 gespielt.

Ein biss­chen was ist aber dran, an Dei­ner Ant­wort. Der „Gau-Lei­ter“ von Ber­lin war der Sohn eines Par­tei­ka­ders. So sag­te man. Das war die maxi­ma­le Rebellion.

Listen von Juden? Um Gottes Willen!

Kage fragt:

In der jüdi­schen Com­mu­ni­ty der DDR waren vie­le Kom­mu­nis­ten und Sozia­lis­ten. Sie waren also säku­lar. Zur kogni­ti­ven Dis­so­nanz gibt es eine Anek­do­te von Gre­gor Gysi, des­sen Vater Klaus ein paar Jah­re Kul­tur­mi­nis­ter der DDR war, und der auch aus einer jüdi­schen Fami­lie stammt. Als Ägyp­ten und Syri­en 1973 Isra­el über­fie­len, der Jom-Kip­pur-Krieg, gab es ein State­ment der SED, in dem die israe­li­sche Aggres­si­on ver­ur­teilt wur­de. Die­ses soll­ten alle jüdi­schen Per­so­nen des öffent­li­chen Lebens in der DDR unter­schrei­ben. Und der Sohn frag­te den Vater, der die Sho­ah über­lebt hat­te und der von die­sem Staat über­zeugt war, woher die denn wüss­ten, dass sie jüdisch sind. “Haben die Lis­ten?” Wie war das jüdi­sche Leben in der DDR organisiert? 

Ich weiß nicht, war­um Gysi die Geschich­te erzählt, aber die Ant­wort war ganz klar: Ja, es gab Lis­ten, denn die Men­schen, die KZs oder sonst wie Ver­fol­gung durch die Nazis über­lebt hat­ten, waren als Ver­folg­te des Nazi­re­gimes regis­triert (auch mein Groß­on­kel) und beka­men eine höhe­re Ren­te, konn­ten frü­her in Ren­te gehen und so weiter. 

Dies gilt im Prin­zip auch für die von der Deut­schen Wirt­schafts­kom­mis­si­on (DWK) am 5. Okto­ber 1949, d.h. zwei Tage vor der Grün­dung der DDR, erlas­se­nen »Anord­nung zur Siche­rung der recht­li­chen Stel­lung der aner­kann­ten Ver­folg­ten des Nazi­re­gimes«, die künf­tig den Eck­pfei­ler der Wie­der­gut­ma­chung in der DDR bil­de­te: Sie gewähr­te aner­kann­ten Opfern des Faschis­mus Alters- und Arbeits­un­fä­hig­keits­ren­ten, beson­de­re Berück­sich­ti­gung bei der Wohn- und Gewer­be­raum­ver­ga­be, aus­rei­chen­de Ver­sor­gung mit Haus­rat, umfas­sen­de Leis­tun­gen zur gesund­heit­li­chen Reha­bi­li­tie­rung sowie beson­de­re Stu­di­en­bei­hil­fen für ihre Kin­der. Im Febru­ar 1950 erlas­se­ne Richt­li­ni­en regel­ten den Kreis der Berech­tig­ten. In der detail­lier­ten Auf­lis­tung stan­den zwar die poli­tisch Ver­folg­ten, ins­be­son­de­re die­je­ni­gen, die aktiv gegen das NS-Regime gekämpft hat­ten, an der Spit­ze, doch waren die an zwölf­ter Stel­le genann­ten ras­sisch Ver­folg­ten dabei mate­ri­ell-recht­lich nicht dis­kri­mi­niert. Aller­dings waren die Ansprü­che auf sol­che aner­kann­ten Opfer des Faschis­mus beschränkt, die auf dem Ter­ri­to­ri­um der SBZ/DDR leb­ten – 1949 sol­len es etwa 50 000 gewe­sen sein.

Gosch­ler, Con­stan­tin. 1993. Pater­na­lis­mus und Ver­wei­ge­rung — Die DDR und die Wie­der­gut­ma­chung für jüdi­sche Ver­folg­te des Natio­nal­so­zia­lis­mus. In Benz, Wolf­gang (ed.), Jahr­buch für Anti­se­mi­tis­mus­for­schung, vol. 2. Frankfurt/Main: Campus-Verlag.

Aber unab­hän­gig davon hat­te der Staat Lis­ten über alles Mög­li­che. Die DDR war ein Über­wa­chungs­staat mit einem enorm auf­ge­bläh­ten Geheim­dienst und Netz von inof­fi­zi­el­len Mit­ar­bei­tern (ehm, hüstl, viel­leicht auch IM Gre­gor und ganz sicher IM Vic­to­ria, SCNR).

Letzt­end­lich waren die Per­so­nen, die zu Stel­lung­nah­men gedrängt wur­den, Per­so­nen des öffent­li­chen Lebens, die sich unter­ein­an­der gekannt haben dürf­ten und die sicher von­ein­an­der wuss­ten, war­um sie im KZ gewe­sen waren oder wo sie in der Emi­gra­ti­on gewe­sen waren.

Die Erklä­rung, die jüdi­sche Bür­ger der DDR zu einem Krieg in der Regi­on abge­ge­ben haben, bezog sich auf den Sechs­ta­ge­krieg. Ich habe sie in der Aus­stel­lung foto­gra­fiert, an der auch Leon Kaha­ne betei­ligt war (sie­he unten). Der Sechs­ta­ge­krieg fand 1967 statt. Der Jom-Kip­pur-Krieg dann 1973. Jan Kage sagt rich­tig über den Jom-Kip­pur-Krieg, dass Ägyp­ten und Syri­en Isra­el ange­grif­fen haben. Aber um die­sen Krieg ging es über­haupt nicht, son­dern eben um den Sechs­ta­ge­krieg von 1967. Ägyp­ten war mit 1000 Pan­zern und 100.000 Sol­da­ten an den israe­li­schen Gren­zen auf­mar­schiert. Isra­el hat­te dann in einem Prä­ven­tiv­schlag die ägyp­ti­sche Luft­waf­fe am Boden zer­stört und danach, da die Geg­ner ohne Absi­che­rung aus der Luft waren, gro­ße Gebie­te ein­ge­nom­men. Dar­un­ter die Golan­hö­hen, den Gaza-Strei­fen, die Sinai-Halb­in­sel, das West-Jor­dan­land und das poli­tisch und reli­gi­ös wich­ti­ge Ost­je­ru­sa­lem. Die fol­gen­de Kar­te gibt einen Über­blick über die erober­ten Gebiete:

Gebiets­ge­win­ne Isra­els im Sechs­ta­ge­krieg. Quel­le: Wiki­pe­dia Hoheit CC-BY-SA

Die Fra­ge von Jan Kage war falsch gestellt. Sie ent­hält meh­re­re Feh­ler. Leon Kaha­ne hät­te das auf­fal­len müs­sen und er hät­te den Inter­view­er auf den Feh­ler hin­wei­sen müs­sen. Der hät­te das leicht kor­ri­gie­ren kön­nen, ohne dass wir es gemerkt hät­ten, denn es war ja kein Fern­seh­in­ter­view. Die Fra­ge macht his­to­risch betrach­tet über­haupt kei­nen Sinn: War­um soll­te die SED Jüd*innen zu einem Brief anre­gen, wenn ande­re Län­der Isra­el über­fal­len? Beim Sechs­ta­ge­krieg war die Lage dage­gen anders: Isra­el hat­te einen Prä­ven­tiv­schlag geführt und im Ergeb­nis des Krie­ges gro­ße Gebie­te neu besetzt. Ein Land, das zum ande­ren Block gehör­te. Das konn­te man schon mal ver­ur­tei­len. So funk­tio­nier­te das Block­den­ken damals.

Es bleibt lei­der nur der Schluss, dass weder Inter­view­er noch Inter­view­ter sich mit der zuge­ge­be­ner­ma­ßen kom­ple­xen Mate­rie auskennen.

Mythos Antifaschismus?

Leon Kaha­ne antwortet:

Was ich zu die­sem „Sich-Ver­hal­ten“ sagen kann: Es gab tat­säch­lich eine Unter­schrif­ten­lis­te, ein State­ment jüdi­scher Bür­ger der DDR, das vie­le Künst­ler, Jour­na­lis­ten und Schrift­stel­ler ver­wei­gert haben zu unter­schrei­ben. Einer davon war mein Groß­va­ter. Die­ses State­ment war in sei­ner gan­zen Spra­che hoch­gra­dig anti­se­mi­tisch. Auch, dass man das im Namen der jüdi­schen Bür­ger ver­fasst hat, erin­nert mich an eini­ge offe­ne Brie­fe der Gegen­wart. Das Ver­ständ­nis des Juden­tums war in der DDR extrem ver­küm­mert. Auf der ande­ren Sei­te waren Bio­gra­fien wie die mei­ner Groß­el­tern unheim­lich wich­tig für den Mythos der DDR als anti­fa­schis­ti­schem Staat. Und somit auch, um nicht über das Ver­hält­nis zur NS-Nach­fol­ge­ge­sell­schaft nach­den­ken zu müs­sen. Die­ser Miss­brauch hat sicher­lich auch für Pri­vi­le­gi­en gesorgt. Aber die­se Pri­vi­le­gi­en waren ver­gif­tet und hat­ten einen Preis. Man kann sich viel­leicht vor­stel­len, wie pre­kär das jüdi­sche Leben war und wie sehr es an eine poli­ti­sche Bot­schaft der DDR gebun­den war. Sowas kann immer sehr schnell kippen.

Leon Kaha­ne

Also: Leon Kaha­ne war der Mei­nung, dass in der DDR von den USA als faschis­ti­schem Staat gespro­chen wur­de. Ande­rer­seits spricht er vom „Mythos der DDR als anti­fa­schis­ti­schem Staat“. Das heißt, er ist der Mei­nung, dass die DDR nicht anti­fa­schis­tisch war. Was denn dann? Ich bin ver­wirrt. Ich bin mein gan­zes Leben anti­fa­schis­tisch erzo­gen wor­den. Alle Kin­der der DDR waren in KZs. Ich war acht Mal in Buchen­wald (bei den Weim­ar­ta­ge der FDJ, bei einer Klas­sen­fahrt), ich war in Ausch­witz (im Rah­men eines Schul­aus­tauschs mit einer Part­ner­schu­le in Polen), ich war in Sach­sen­hau­sen (im Rah­men der Jugend­stun­den mei­ner POS). Stra­ßen, Schu­len waren nach Antifaschist*innen benannt, wir hat­ten anti­fa­schis­ti­schen Stoff in Musik, in Geschich­te, in Lite­ra­tur (z.B. haben wir Nackt unter Wöl­fen gele­sen. Ein Buch über Buchen­wald, in dem auch der Mord an den Juden the­ma­ti­siert wur­de und Die Früh­lings­so­na­te, eine Erzäh­lung, in der es um die Mor­de von SS und Wehr­macht an den Kie­wer Juden in Babyn Jar ging (33.000 Men­schen in 48 Stun­den). Zu den Details sie­he Der Ossi und der Holo­caust). Nur ein Mythos? In Wirk­lich­keit waren doch alle Faschis­ten? Wohl kaum. Die Herr­schen­den (Nicht-Juden und im Gegen­satz zum Wes­ten auch Juden) hat­ten auch im KZ geses­sen oder waren gera­de noch recht­zei­tig Rich­tung Osten oder Wes­ten geflo­hen. Man kann bzw. muss die Kom­mu­nis­ten schreck­lich fin­den, den Über­wa­chungs­staat, die Zer­set­zungs­maß­nah­men gegen die Oppo­si­ti­on usw. aber man kann nicht behaup­ten, dass sie kei­ne Anti­fa­schis­ten gewe­sen sei­en. Die Behaup­tung, dass es in der DDR kei­ne Nazis gab, kann man wohl ins Reich der Mythen ver­ban­nen. Es gab sogar neue und oft waren es Bon­zen­kin­der, die die extrems­te Form der Abgren­zung von ihren Eltern wähl­ten. In der DDR gab es auch eine Anti­fa, die nicht staat­lich war (Ich habe am 4.11.89 im Anti­fa-Block demons­triert.). Auch Anti­se­mi­tis­mus gab es in der DDR. Nach­wen­de­um­fra­gen erga­ben aber einen viel, viel gerin­ge­ren Grad an Anti­se­mi­tis­mus als im Wes­ten (Emnid-Umfra­ge von 1991: 4% vs. 16%, sie­he Dahn, 1997). Die Behaup­tung, dass die DDR nazifrei gewe­sen sei, wäre nicht rich­tig, aber ein anti­fa­schis­ti­scher Staat war sie sehr wohl.

Prekäres jüdisches Leben?

Kaha­ne schreibt: „Aber die­se Pri­vi­le­gi­en waren ver­gif­tet und hat­ten einen Preis. Man kann sich viel­leicht vor­stel­len, wie pre­kär das jüdi­sche Leben war und wie sehr es an eine poli­ti­sche Bot­schaft der DDR gebun­den war.“ Nein. Ich kann mir nicht vor­stel­len, wie pre­kär das jüdi­sche Leben war. Ich habe extra noch ein­mal nach­ge­se­hen, was pre­kär bedeu­tet: pre­kär in Wiki­pe­dia. Juden waren in der DDR als Ver­folg­te des Nazi­re­gimes (zu Recht) pri­vi­le­giert. Wie auch die Kaha­nes: Max Kaha­ne, von 1965–1968 Chef­kom­men­ta­tor der Par­tei­zei­tung Neu­es Deutsch­land, Doris Kaha­ne, Staats­künst­le­rin mit Auf­trä­gen in Indi­en. Die Kaha­nes waren 100%ig von der Sache der DDR über­zeugt und genos­sen auch schon dadurch wei­te­re Pri­vi­le­gi­en (Rei­se­frei­heit zum Bei­spiel, auch Anet­ta Kaha­ne war zu DDR-Zei­ten in den West­afri­ka und Mosam­bik.). In Der Ossi und der Holo­caust lis­te ich ande­re jüdi­sche Men­schen aus Wis­sen­schaft, Kul­tur und Poli­tik auf, die in der DDR ange­se­hen waren und das gesell­schaft­li­che Leben präg­ten. Das schreibt Gosch­ler (1993) zur mate­ri­el­len Absi­che­rung der Opfer des Faschismus:

Dort gelang­te nun die alte Tren­nung von »Kämp­fern« und »Opfern« wie­der zu neu­en Ehren und wur­de nun auch mit mate­ri­el­len Kon­se­quen­zen gewür­digt: Kämp­fer, die das um fünf Jah­re her­ab­ge­setz­te Pen­si­ons­al­ter erreicht hat­ten oder inva­li­de waren, soll­ten eine Ehren­pen­si­on in Höhe von monat­lich 800 Mark erhal­ten, für Opfer waren dem­ge­gen­über ledig­lich 600 Mark vor­ge­se­hen. Sofern Juden also nicht Trä­ger der »Medail­le für Kämp­fer gegen den Faschis­mus 1933–1945« waren, muß­ten sie sich mit dem min­de­ren Sta­tus und ent­spre­chen­der Pen­si­ons­be­rech­ti­gung des Opfers begnü­gen. Mau muß dabei aller­dings her­vor­he­ben, daß die Höhe der Ehren­pen­sio­nen gemes­sen an DDR-Nor­mal­ren­ten exor­bi­tant hoch war; bis 1989 waren die Ehren­pen­sio­nen auf 1800 Mark für »Kämp­fer« bzw. 1600 Mark für »Opfer« angestiegen.

Gosch­ler, Con­stan­tin. 1993. Pater­na­lis­mus und Ver­wei­ge­rung — Die DDR und die Wie­der­gut­ma­chung für jüdi­sche Ver­folg­te des Natio­nal­so­zia­lis­mus. In Benz, Wolf­gang (ed.), Jahr­buch für Anti­se­mi­tis­mus­for­schung, vol. 2. Frankfurt/Main: Campus-Verlag.

Die­se Ehren­pen­si­on gab es zusätz­lich zu der nor­ma­len Ren­te aus er Sozi­al­ver­si­che­rung. Nur zum Ver­gleich: 1989 betrug das Sti­pen­di­um 200 Mark. Man konn­te davon bequem leben, denn Grund­nah­rungs­mit­tel waren sehr bil­lig. Mie­te kos­te­te 30 Mark. Es wur­de den Bezieher*innen die­ser Ren­ten nahe­ge­legt, die­se nicht in Bank­fi­lia­len abzu­ho­len, um kei­nen Neid zu erregen.

Sicher, wenn man sich zum Staats­feind ent­wi­ckel­te, dann bekam man Pro­ble­me. Da gab es aber kei­ne Unter­schie­de zwi­schen Juden und Nicht-Juden. Die Zer­set­zungs­maß­nah­men der Sta­si waren für alle glei­cher­ma­ßen unschön. Ansons­ten war es auch nicht schlimm, wenn man die Ehren­pen­si­on nicht bekam, denn in der DDR konn­te man auch von nor­ma­len Ein­kom­men und Ren­ten leben. Und wegen des mög­li­chen Ent­zugs von Pri­vi­le­gi­en rum­zu­jam­mern, fin­de ich schon etwas … nun ja schräg.

Übri­gens stand neben dem State­ment in der Aus­stel­lung, dass vie­le Jüd*innen es nicht unter­schrie­ben haben. Dar­un­ter Peter Edel, Ste­fan Heym, Lin Jal­da­ti und Arnold Zweig. Wie Leon Kaha­ne anmerkt, hat wohl Max Kaha­ne auch nicht unter­schrie­ben. Max Kaha­ne hat noch 1970 den Vater­län­di­schen Ver­dienst­or­den in Gold bekom­men und 1974 eine Span­ge dazu. Auch Peter Edel und Lin Jal­da­ti wur­den noch nach 1967 mit hohen Aus­zeich­nun­gen geehrt. Wenn man im Osten in Ungna­de gefal­len war, bekam man kei­ne Orden mehr. Zu Max Kaha­nes Nicht-Unter­schrift gibt es unten noch wei­te­re Gedanken.

Die Erklärung jüdischer DDR-Bürger*innen zum Sechstagekrieg

Das ist die Erklä­rung der jüdi­schen DDR-Bür­ger. Ich habe sie in maxi­ma­ler Auf­lö­sung hoch­ge­la­den. Wenn man das Bild anklickt, kann man den Text lesen. 

Erklä­rung jüdi­scher Bürger*innen aus der DDR zu Isra­els Agie­ren im Sechs­ta­ge­krieg vom 09.06.1967 im Zen­tral­or­gan der SED Neu­es Deutschland

Kaha­ne sagt: „Die­ses State­ment war in sei­ner gan­zen Spra­che hoch­gra­dig anti­se­mi­tisch.“ Die geneig­te Lese­rin möge das State­ment selbst lesen. Zu Beginn steht: „Als Bür­ger der Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik jüdi­scher Her­kunft erhe­ben wir unse­re Stim­me, um fei­er­lich die Aggres­si­on zu ver­ur­tei­len, der sich die herr­schen­den Krei­se Isra­els gegen die ara­bi­schen Nach­bar­staa­ten schul­dig gemacht haben.“ Das State­ment bezieht sich auf die Regie­rung, nicht auf die Israe­lis oder Jüd*innen an sich. Es stellt auch nicht das Exis­tenz­recht Isra­els in Fra­ge. Es wird ledig­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Staats­grün­dung nicht nach dem vor­ge­se­he­nen UN-Plan erfolg­te. Die Behaup­tung zur Grün­dung Isra­els ist nicht kor­rekt. Isra­el hat­te sich selbst gegrün­det. Die Paläs­ti­nen­ser woll­ten kei­nen eige­nen Staat grün­den und die umge­ben­den Staa­ten (Ägyp­ten, Syri­en, Jor­da­ni­en und Irak) grif­fen Isra­el an. Das Ergeb­nis des Paläs­ti­na­krie­ges war aber, dass Gebie­te, die den Paläs­ti­nen­sern zuge­dacht waren, dann 1949 israe­lisch besetzt waren. Ansons­ten geht es in der Erklä­rung um die Gebiets­be­set­zung 1967, die im vori­gen Abschnitt beschrie­ben wur­den. Zum Schluss der Erklä­rung wird dar­auf hin­ge­wie­sen, wie die­ser Kon­flikt been­det wer­den kann: „Frie­den im Vor­de­ren Ori­ent wird es nur geben, wenn die Regie­rung Isra­els ihre impe­ria­lis­ti­sche Poli­tik auf­gibt und end­lich zu einer Poli­tik der guten Nach­bar­schaft und der Ach­tung der Inter­es­sen der ara­bi­schen Völ­ker fin­det.“. Es geht also ganz klar um gute Nach­bar­schaft. Das Exis­tenz­recht Isra­els wird nir­gends in Fra­ge gestellt. Die 1967 besetz­ten Gebie­te habe ich oben ver­linkt. Die geneig­te Leser*in möge den Links fol­gen und die in Wiki­pe­dia auf­ge­lis­te­ten UN-Reso­lu­tio­nen und völ­ker­recht­li­chen Ein­schät­zun­gen zur Kennt­nis neh­men. Erst 2024 stell­te der Inter­na­tio­na­le Gerichts­hof wie­der fest, dass das West­jor­dan­land unrecht­mä­ßig besetzt ist (tages­schau, 19.07.2024).

Also: Die­se Erklä­rung rich­te­te sich gegen die Poli­tik der israe­li­schen Regie­rung und ist auch nach der Defi­ni­ti­on der IHRA, die ich im Fol­gen­den dis­ku­tie­re, nicht antisemitisch.

Antisemitismus nach der Definition der IHRA

Im wei­te­ren Ver­lauf des Inter­views wie­der­holt Jan Kage den fal­schen Bezug auf den Jom-Kip­pur-Krieg und behaup­tet eben­falls, das State­ment dazu sei anti­se­mi­tisch gewesen:

Von hier bis zu der Debat­te nach dem Jom-Kip­pur-Krieg in der DDR: Immer wie­der kom­men die­se anti­se­mi­ti­schen Kli­schees hoch.

Jan Kage

Die­se Sache ist schwie­rig, aber wenn man sich gegen Krie­ge äußert, ist das noch lan­ge nicht anti­se­mi­tisch. Es kann anti­se­mi­tisch sein, auch kön­nen an sich nicht anti­se­mi­ti­sche Äuße­run­gen aus einer anti­se­mi­ti­schen Moti­va­ti­on her­aus getä­tigt wer­den, aber State­ments gegen einen Krieg sind nicht auto­ma­tisch anti­se­mi­tisch. Man kann sich das anhand der aktu­el­len Ent­wick­lun­gen in Gaza klar­ma­chen. Es ist abso­lut legi­tim, gegen die­sen Krieg zu sein. Ich habe Freun­de in Isra­el, die jede Woche gegen die Netan­ja­hu-Regie­rung protestieren.

Nurit auf dem Work­shop on lar­ge-sca­le grammar deve­lo­p­ment and grammar engi­nee­ring, Open Uni­ver­si­ty Hai­fa, Zikhron Ya’a­kov, 24.06.2015

Nurit hat ihre Nich­te beim Mas­sa­ker der Hamas ver­lo­ren. Sie war 17 und hat in der Wüs­te getanzt. Den­noch ist Nurit und ihre Fami­lie gegen den Krieg (Times of Isra­el, 20.03.2024) und sie demons­trier­te schon vor dem 7. Okto­ber 2023 jede Woche gegen die rechts­extre­me israe­li­sche Regie­rung. Ist sie anti­se­mi­tisch? Bin ich anti­se­mi­tisch, wenn ich den­ke wie sie? Wohl kaum.

Das hier ist die Defi­ni­ti­on von Anti­se­mi­tis­mus der Inter­na­tio­nal Holo­caust Remem­brance Alli­ance (IHRA), die von vie­len als zu streng abge­lehnt wird:

„Anti­se­mi­tis­mus ist eine bestimm­te Wahr­neh­mung von Jüdin­nen und Juden, die sich als Hass gegen­über Jüdin­nen und Juden aus­drü­cken kann. Der Anti­se­mi­tis­mus rich­tet sich in Wort oder Tat gegen jüdi­sche oder nicht­jü­di­sche Ein­zel­per­so­nen und/oder deren Eigen­tum sowie gegen jüdi­sche Gemein­de­in­sti­tu­tio­nen oder reli­giö­se Einrichtungen.“

Um die IHRA bei ihrer Arbeit zu lei­ten, kön­nen die fol­gen­den Bei­spie­le zur Ver­an­schau­li­chung dienen:

Erschei­nungs­for­men von Anti­se­mi­tis­mus kön­nen sich auch gegen den Staat Isra­el, der dabei als jüdi­sches Kol­lek­tiv ver­stan­den wird, rich­ten. Aller­dings kann Kri­tik an Isra­el, die mit der an ande­ren Län­dern ver­gleich­bar ist, nicht als anti­se­mi­tisch betrach­tet wer­den. Anti­se­mi­tis­mus umfasst oft die Anschul­di­gung, die Juden betrie­ben eine gegen die Mensch­heit gerich­te­te Ver­schwö­rung und sei­en dafür ver­ant­wort­lich, dass „die Din­ge nicht rich­tig lau­fen“. Der Anti­se­mi­tis­mus mani­fes­tiert sich in Wort, Schrift und Bild sowie in ande­ren Hand­lungs­for­men, er benutzt unheil­vol­le Ste­reo­ty­pe und unter­stellt nega­ti­ve Charakterzüge.

Das ist eine sinn­vol­le Defi­ni­ti­on mit einer sinn­vol­len Erklä­rung. Es ist nicht so, wie oft behaup­tet wird, dass die­se Defi­ni­ti­on Kri­tik an Isra­el unmög­lich machen wür­de. Jede Kri­tik an Isra­el wür­de aber sofort anti­se­mi­tisch wer­den, wenn man behaup­ten wür­de, dass Isra­el Gaza nur des­halb platt­ge­macht hat, weil die Men­schen in Isra­el Juden sind.

Also noch­mal: Die DDR war gegen Isra­el, weil Isra­el Teil des kapi­ta­lis­ti­schen Blocks war. Das steht auch sehr klar in die­sem Brief.

Nurit hat mir übri­gens davon erzählt, wie für den Krieg gegen die Men­schen im Gaza-Strei­fen argu­men­tiert wird. Es wird behaup­tet, in Gaza gäbe es kei­ne Unschul­di­gen. Schließ­lich hät­ten die Men­schen in Gaza ja die Hamas gewählt. Eine sol­che Argu­men­ta­ti­on ist ras­sis­tisch und rechts­extrem, denn: Die letz­ten Wah­len waren 2006. Wer weiß, was Men­schen heu­te den­ken? Wer weiß, was sie über den aktu­el­len Kon­flikt den­ken? Und was ist mit Kin­dern? Und unab­hän­gig davon: Muss man die Men­schen dann erschie­ßen? Inter­es­sant wird es, wenn man die­sel­be Logik auf Isra­el anwen­det, denn das wür­de bedeu­ten, dass es in Isra­el kei­ne Unschul­di­gen gibt und man die Israe­lis alle erschie­ßen könn­te, denn eine Mehr­heit von ihnen hat ja Netan­ja­hu gewählt bzw. eine der Koali­ti­ons­par­tei­en. Oder sind all die­je­ni­gen, die aktiv gegen den Krieg sind oder ihn auch nur pas­siv ableh­nen aus­ge­nom­men? Und was ist mit den Deut­schen? Was ist mit mei­nem Groß­on­kel? Ist er schuld? Der Mann aus dem ande­ren Teil der Fami­lie, der einem Juden ein Bahn­ti­cket gekauft hat und zur Flucht über Wla­di­wos­tok, Japan in die USA ver­hol­fen hat? Was ist mit uns, den Nach­kom­men? Bin ich raus, weil mein Groß­on­kel im KZ saß? Das wäre merk­wür­dig, denn für mei­nen Groß­on­kel kann ich nichts. Man kommt da in sehr schwie­ri­ge Berei­che. Die Alli­ier­ten haben nach dem Krieg die Vor­stel­lung von Kol­lek­tiv­schuld sehr schnell auf­ge­ge­ben. Es ist nicht gerecht­fer­tigt, ein ande­res Volk so zu behan­deln, wie es Isra­el der­zeit tut. Durch nichts.

Nurit hat ihre Nich­te ver­lo­ren. Ein jun­ges Mäd­chen, das getanzt hat. Bis früh um 7:00, bis die Ter­ro­ris­ten kamen. Bei der Aus­hand­lung des Waf­fen­still­stands gab es drei Hal­tun­gen von Men­schen aus Opfer­fa­mi­li­en. Man­che Eltern (weni­ge) waren der Mei­nung, ihre Kin­der soll­ten auf kei­nen Fall aus­ge­tauscht wer­den, denn auf die­se Wei­se kämen nur Paläs­ti­nen­ser frei, die wei­ter mor­den wür­den (War­ti­me Dia­ries, 2024). Eine zwei­te Grup­pe war der Ansicht, dass nur sol­che Men­schen aus­ge­tauscht wer­den soll­ten, die nicht zu den Mör­dern vom 7.10.2023 gehör­ten. Eine drit­te Grup­pe war dafür, dass das kei­ne Rol­le spie­len soll­te. Nurit und ihre Fami­lie gehör­te zur drit­ten Grup­pe. Ich bewun­de­re sie dafür. Die­ser Kon­flikt muss been­det wer­den. Der Hass muss ein Ende haben, die Spi­ra­le der Gewalt. Es geht nur, in dem bei­de Sei­ten sagen: Wir hören auf. Jetzt!

Die Ansichten von Max Kahane

Ein letz­ter Punkt noch hier­zu: „das vie­le Künst­ler, Jour­na­lis­ten und Schrift­stel­ler ver­wei­gert haben zu unter­schrei­ben. Einer davon war mein Groß­va­ter.“ In einem Inter­view von Wera Herz­berg, auf das ich wei­ter unten noch ein­ge­hen wer­de, berich­tet die­se von ihrer Mut­ter Ursu­la Herz­berg, die Staats­an­wäl­tin in der DDR war, dass die­se nie­mals etwas Kri­ti­sches gegen­über Isra­el gesagt oder unter­schrie­ben hät­te. Bei Max Kaha­ne war das anders (Dank an Peer, der das raus­ge­sucht hat):

Max Kaha­ne zu Isra­el in Neue Zeit, 23.04.1965, S. 6 (zwei Jah­re vor dem Sechstagekrieg)

Für Men­schen ohne DDR-Ver­ständ­nis: Für das State­ment der jüdi­schen Bür­ger der DDR gab es viel­leicht einen Druck zum Unter­schrei­ben von offi­zi­el­ler Sei­te. Anders war das für das obi­ge Doku­ment: Max Kaha­ne war die offi­zi­el­le Sei­te (aus ers­ter Hand). Was gedruckt wur­de, war abge­wo­gen. Auch wenn der Arti­kel das sug­ge­riert, wur­den kei­ne spon­ta­nen Ant­wor­ten, die viel­leicht Minu­ten spä­ter bereut wur­den, doku­men­tiert. Die Pres­se war in der Hand des Staa­tes. Die CDU war eine gleich­ge­schal­te­te Block­par­tei (Ulb­richt Mai, 1945: „Es muss demo­kra­tisch aus­se­hen, aber wir müs­sen alles in der Hand haben.“, Leon­hard, 1955). Was Max Kaha­ne hat dru­cken las­sen, war sei­ne Mei­nung und die des Staa­tes und der Tenor die­ser kur­zen Mel­dung ist der glei­che wie der des Brie­fes der jüdi­schen Bürger*innen: Isra­el ist ein impe­ria­lis­ti­scher Agres­sor. Anti­se­mi­tisch? Hängt von der Defi­ni­ti­on und deren Anwen­dung ab. Sie­he oben. Anti­im­pe­ria­lis­tisch? Ganz sicher. Bei Pro­fes­sor Eis­ler han­del­te es sich wohl um Hanns Eis­ler, eben­falls ein Jude.

Die Stel­lung­nah­me der jüdi­schen Bürger*innen erschien im Neu­en Deutsch­land. Pro­pa­gan­dis­tisch hät­te es über­haupt kei­nen Sinn erge­ben, wenn der Chef­kom­men­ta­tor des Neu­en Deutsch­lands einen Brief von unab­hän­gi­gen jüdi­schen Bürger*innen mit unter­zeich­net hät­te. Es war klar, dass das, was im Neu­en Deutsch­land erscheint, die offi­zi­el­le Mei­nung der SED-Staats­füh­rung war und somit iden­tisch mit der des Chef­kom­men­ta­tors. Sol­che Brie­fe und Stel­lung­nah­men waren dazu da, der rest­li­chen Bevöl­ke­rung zu zei­gen, was Intel­lek­tu­el­le und Künstler*innen von einer bestimm­ten Sache hal­ten. Also: Leon Kaha­ne kann sich nichts dar­auf ein­bil­den, dass sein Groß­va­ter das aus Leon Kaha­nes Sicht anti­se­mi­ti­sche State­ment nicht unter­schrie­ben hat. Viel­leicht war das State­ment ja doch nicht antisemitisch?

Nazis auf den mittleren Ebenen?

Jan Kage fragt:

Auch in der DDR hat man nach 1945 weder Rich­ter noch Staats­an­wäl­te oder Leh­rer – die­sen gan­zen Mit­tel­bau aus Beam­ten – aus­ge­tauscht. Das ging nicht, weil man nicht schnell genug nach­aus­bil­den konn­te. Statt­des­sen tausch­te man die Füh­rungs­ebe­ne aus. Und von hier konn­te man dann gut vom Osten auf den Wes­ten zei­gen. Wir sind die Guten und da drü­ben bei Ade­nau­er sit­zen die Faschis­ten. Und in Öster­reich auch. Waren die jüdi­schen Leu­te in der DDR Kron­zeu­gen für die­se eige­ne anti­fa­schis­ti­sche Erzählung?

Leon Kaha­ne wider­spricht dem nicht, aber die Aus­sa­ge ist ein­fach falsch. Es gab nach dem Krieg die soge­nann­ten Neu­leh­rer. Ich ken­ne per­sön­lich einen Latein/­Kunst-Leh­rer, der Mit­glied der NSDAP gewe­sen war und nach dem Krieg nicht arbei­ten durf­te. Das steht im Wiki­pe­dia-Ein­trag zu den Neulehrern:

Wur­den im ers­ten Schul­jahr noch eini­ge Leh­rer mit natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ver­gan­gen­heit gedul­det, so wur­den die Richt­li­ni­en für den Ver­bleib im Schul­dienst schritt­wei­se ver­schärft. In den west­li­chen Besat­zungs­zo­nen konn­ten eini­ge Leh­rer mit zwei­fel­haf­tem Hin­ter­grund nach soge­nann­ten „Ent­bräu­nungs­kur­sen“ ab 1947 wie­der in den Schul­dienst ein­tre­ten, wäh­rend in der sowje­ti­schen Besat­zungs­zo­ne das Neu­leh­rer­pro­gramm so umfang­reich gestal­tet wur­de, dass gro­ße Tei­le der bis­he­ri­gen Leh­rer­schaft von den rund 40.000 Neu­leh­rern ersetzt wur­den. Obschon die alte Leh­rer­schaft die Qua­li­tät einer höchs­tens ein­jäh­ri­gen Umschu­lung anzwei­fel­te, war auf­grund des zumeist aka­de­mi­schen Hin­ter­grun­des der Neu­leh­rer das Ergeb­nis hin­rei­chend gut und ermög­lich­te den sonst im Nach­kriegs­deutsch­land auf­ga­ben­lo­sen Beru­fen eine fes­te Anstel­lung. Die gro­ße Mehr­zahl der Neu­leh­rer blieb auf Dau­er im Schul­dienst tätig.

Wiki­pe­dia­ein­trag Neu­leh­rer, 05.11.2025

Auch die Behaup­tung bezüg­lich der Juris­ten ist nicht rich­tig. Die Mut­ter von André Herz­berg (Dem Sän­ger der Rock­band Pan­kow, die auch in der Aus­stel­lung vor­kam) war Staats­an­wäl­tin in der DDR. Sie hat­te nach dem Krieg und der Rück­kehr aus dem Exil einen Crash-Kurs zur Juris­tin absol­viert. Ihre Toch­ter Wera Herz­berg hat über ihr Leben ein Thea­ter­stück gemacht und schreibt dazu in der Ber­li­ner Zeitung:

In Lei­ces­ter, wo sie leb­te, hat sie mei­nen Vater ken­nen­ge­lernt und vie­le ande­re jüdi­sche Emi­gran­ten aus Deutsch­land. Sie trat in die Kom­mu­nis­ti­sche Par­tei ein und ging 1947 zurück nach Deutsch­land, nach Ber­lin-Ste­glitz, wo sie bei Freun­den woh­nen konn­te. Und dann bekam sie die Chan­ce, einen Kurz­lehr­gang im Fach Jura zu besu­chen. Das war in Pots­dam und damit ver­bun­den war die Auf­for­de­rung, in den sowje­tisch besetz­ten Teil Deutsch­lands zu ziehen.

[…]

War­um ist sie zurück­ge­gan­gen?

Mei­ne Mut­ter ist 1942 in die Kom­mu­nis­ti­sche Par­tei ein­ge­tre­ten, und hat­te tat­säch­lich einen Auf­trag. Aber sie hat auch dar­an geglaubt, dass sie in die­sem Deutsch­land etwas ändern kann. Und der erkenn­ba­re Anti­fa­schis­mus im Ost­teil war für sie etwas Gutes. Zudem tat sich dort für sie ein rie­si­ges Berufs­feld auf, weil alle Nazi-Juris­ten ent­las­sen wurden.

Hat Ihre Mut­ter spä­ter noch Jura stu­diert?

Sie soll­te, aber sie hat­te dann schon drei Kin­der, hat­te sich von mei­nem Vater schei­den las­sen. Es war für sie nicht zu stem­men. Sie hat dann auf mitt­le­rer Ebe­ne als Staats­an­wäl­tin gear­bei­tet, war auch mal Jugend­staats­an­walt, aber eigent­lich war ihr Gebiet die Wirt­schafts­kri­mi­na­li­tät, auch Dieb­stäh­le und so etwas.

Lenz, Susan­ne. 11.01.2025. Wera Herz­berg im Inter­view: „Mei­ne Mut­ter woll­te raus aus dem ver­ein­ten Deutsch­land“. Ber­li­ner Zei­tung.

Peer hat mich auf Hafer­kamp & Wudt­ke (1997) hin­ge­wie­sen. In die­ser Fach­ver­öf­fent­li­chung zur Rich­ter­aus­bil­dung in der DDR kann man Fol­gen­des lesen:

Hin­zu kamen die rigo­ro­sen Ent­na­zi­fi­zie­rungs­plä­ne der Sowjets. In Befehl Nr. 49 der SMAD vom 4. Sep­tem­ber 1945 wur­de ange­ord­net, daß „bei der Durch­füh­rung der Reor­ga­ni­sa­ti­on des Gerichts­we­sens sämt­li­che frü­he­re Mit­glie­der des NSDAP aus dem Appa­rat der Gerich­te und der Staats­an­walt­schaft zu ent­fer­nen sind, eben­so Per­so­nen, wel­che an der Straf­po­li­tik unter dem Hit­ler­re­gime unmit­tel­bar teil­ge­nom­men haben.“ Von den etwa 2400 im Mai 1945 im Jus­tiz­dienst täti­gen Rich­tern und Staats­an­wäl­ten hat­ten knapp 80 % das Par­tei­buch der NSDAP. Schon im Okto­ber 1945 führ­te eine ers­te Ent­las­sungs­wel­le in der SBZ zur Ent­fer­nung von 811 Rich­tern, das ent­sprach etwa 90 % der NS-belas­te­ten Rich­ter. Bis 1948 erhöh­te sich die­se Zahl auf 905, damit betrug die ver­blie­be­ne Belas­tung in der Rich­ter­schaft im Sep­tem­ber 1948 4,8 %. Zu Errei­chung des Min­dest­solls für die Ein­rich­tung einer funk­ti­ons­fä­hi­gen Jus­tiz fehl­ten Ende 1945 bereits etwa 40 % der Rich­ter. Die ört­li­chen Kom­man­dan­ten ver­such­ten, die Lücke durch sog. „Rich­ter im Sofort­ein­satz“ zu schlie­ßen. Regio­nal unter­schied­lich über­nah­men juris­tisch halb- oder unge­bil­de­te Kom­mu­nis­ten und „bewähr­te Anti­fa­schis­ten“ die Recht­spre­chung. Ende 1945 waren etwa 25 % der Rich­ter „im Soforteinsatz“.

Hafer­kamp, Hans-Peter & Wudt­ke, Tors­ten. 1997. Rich­ter­aus­bil­dung in der DDR. forum his­to­riae iuris. Quel­len für die Ein­zel­aus­sa­gen sie­he dort.

Die Behaup­tun­gen von Jan Kage sind also plain wrong und es ist eine Schan­de für Leon Kaha­ne, dass er sie unwi­der­spro­chen ste­hen lässt.

Ehm, davon unab­hän­gig bleibt der Rest von Kages Fra­ge natür­lich wahr: „Und von hier konn­te man dann gut vom Osten auf den Wes­ten zei­gen. Wir sind die Guten und da drü­ben bei Ade­nau­er sit­zen die Faschis­ten.“ Die Füh­rungs­ebe­ne war aus­ge­tauscht und die Faschis­ten saßen im Wes­ten. Hans Glob­ke zum Bei­spiel. Glob­ke war Mit­ver­fas­ser der Nürn­ber­ger Ras­sen­ge­set­ze und rech­te Hand Ade­nau­ers. Die Orga­ni­sa­ti­on Geh­len war der Vor­läu­fer des BND und wur­de von Nazis auf­ge­baut. Alles so Sachen, die man schlecht weg­dis­ku­tiert bekommt. Ich habe auch für KZ-Mann­schaf­ten oder Deut­sche Chris­ten, die die Bibel von jüdi­schen Ein­flüs­sen befrei­en woll­ten, Ver­bleibs­stu­di­en ange­stellt. Die Schwer­ver­bre­cher sind bis auf sehr weni­ge Aus­nah­men alle in den Wes­ten oder über die Rat­ten­li­nie (von der katho­li­schen Kir­che bzw. US-Geheim­diens­ten orga­ni­siert) nach Argen­ti­ni­en oder in die ara­bi­sche Welt geflo­hen. Auch von den im Osten leben­den christ­li­chen Anti­se­mi­ten sind vie­le in den Wes­ten gegan­gen. Sie­he Nazis im Wes­ten, Nazis in der SED und Das SS-Lager­per­so­nal von Buchen­wald und (Ost-)Deutsche Chris­ten in Ost und West.

Antisemitismus?

Ich möch­te einen Punkt noch ein­mal klar machen: Isra­el begeht Men­schenrechs­ver­let­zun­gen. Der Anti­se­mi­tis­mus­vor­wurf ist eine Immu­ni­sie­rungs­stra­te­gie: Jede Kri­tik an Isra­el wird sofort als Anti­se­mi­tis­mus geblockt. Zum bes­se­ren Ver­ständ­nis viel­leicht hier ein Bei­spiel für sol­che Stra­te­gien aus den Mate­ria­li­en der Ama­deu-Anto­nio-Stif­tung, die Leon Kaha­nes Tan­te Anet­ta Kaha­ne gelei­tet hat. In der Erklä­rung anti­se­mi­ti­scher Codes wird neben Roth­schild, Rocke­fel­ler, Geor­ge Sor­os, Mark Zucker­berg und Bill Gates noch Anet­ta Kaha­ne genannt.

Bei­spiel für anti­se­mit­sche Codes in Mate­ri­al der Ama­deu-Anto­nio-Stif­tung erstellt am 23.09.2021 decon­s­truct anti­se­mi­tism! Anti­se­mi­ti­sche Codes und Meta­phern erken­nen, auch heu­te noch vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung, Fami­lie, Senio­ren, Frau­en und Sport ver­linkt.

Als beschei­de­ner Mensch wür­de ich, wenn ich für eine sol­che Bro­schü­re ver­ant­wort­lich wäre (Anet­ta Kaha­ne lei­te­te die Stif­tung bis 2022), dafür sor­gen, dass mein Name aus die­ser Lis­te ver­schwin­det, selbst wenn die Aus­sa­ge wahr wäre. Davon abge­se­hen: Anet­ta Kaha­ne mag sich als Aus­län­der­be­auf­trag­te und auch im Kampf gegen Anti­se­mi­tis­mus ver­dient gemacht haben, sie spielt aber in einer gaaaaa­anz ande­ren Liga als Rocke­fel­ler, Sor­os, Zucker­berg und Gates. In einer ganz ande­ren. So anders, dass es schon weh tut. Die Auf­nah­me des eige­nen Namens in eine sol­che Lis­te ist der Ver­such der Immu­ni­sie­rung: Alle die Anet­ta Kaha­ne kri­ti­sie­ren, han­deln anti­se­mi­tisch, wenn man die Kri­te­ri­en von Anet­ta Kaha­ne zugrundelegt.

Zeitzeugen

Leon Kaha­ne gehört wie Anne Rabe zur Drit­ten Gene­ra­ti­on Ost. Die bei­den sind fast gleich alt. Anne Rabe hat in einer Podi­ums­dis­kus­si­on mit Simo­ne Schmol­lack auf die Fra­ge, wie sie denn über die DDR schrei­ben kön­ne, wenn sie zur Wen­de erst drei Jah­re alt war, geant­wor­tet, dass Umber­to Eco ja auch nicht im Mit­tel­al­ter gelebt, aber den­noch über die­se Zeit geschrie­ben habe. Das ist wohl wahr, aber im Gegen­satz zu Anne Rabe konn­te man Umber­to Eco bis­her kei­ne gro­ben Schnit­zer in sei­nem Roman nach­wei­sen. Im Gegen­satz zur Nach­kriegs­ge­nera­ti­on und zur DDR-Gene­ra­ti­on kön­nen die jüngs­ten Vertreter*innen der Drit­ten Gene­ra­ti­on Ost nichts oder sehr wenig über ihre Zeit in der DDR sagen, dafür aber eini­ges über die Nach­wen­de­zeit und das Leben mit ihren vom Umbruch betrof­fe­nen Eltern. Wenn Sie sich den­noch zu The­men äußern, die den DDR-All­tag betref­fen, müs­sen sie sich genau­so auf­wen­dig in die Mate­rie ein­ar­bei­ten, wie Men­schen aus dem Wes­ten. Sie brau­chen Quel­len und müs­sen ihr Wis­sen sys­te­ma­ti­sie­ren. Leon Kaha­ne hat offen­sicht­lich kei­ne Ahnung von den Sub­kul­tu­ren in der DDR und lei­der auch nicht von der Geschich­te der DDR nach dem Krieg (Neu­leh­rer) und der Geschich­te Isra­els (Sechs­ta­ge­krieg vs. Jom-Kip­pur-Krieg). Sonst hät­te er sei­nem Inter­view­part­ner wider­spre­chen müs­sen. Genau so hat Anne Rabe kei­ne Ahnung von Amok­läu­fen oder Poli­zei­sta­tis­ti­ken. All­ge­mein nicht mit dem wis­sen­schaft­li­chen Arbei­ten. Rabe und Kaha­ne kom­men aus sys­tem­treu­en Fami­li­en, wes­halb ihnen selbst das Wis­sen über den DDR-Unter­grund aus zwei­ter Hand aus den Fami­li­en fehlt. Ihre Aus­sa­gen sind also mit Vor­sicht zu genie­ßen und soll­ten von inter­es­sier­ten Journalist*innen veri­fi­ziert wer­den. Damit kann man Pein­lich­kei­ten wie das vor­lie­gen­de Inter­view und auch eine Preis­ver­ga­be an ein schlech­tes Buch vermeiden.

Zusammenfassung

Zusam­men­ge­fasst: Auch Israe­lis kön­nen Ras­sis­ten sein, auch Israe­lis kön­nen das Völ­ker­recht bre­chen und Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen bege­hen. Und Anet­ta Kaha­ne und ihr Nef­fe kön­nen Unfug über den Osten ver­brei­ten. Dass man zu einer dis­kri­mi­nier­ten Min­der­heit gehört, bedeu­tet nicht, dass man unfehl­bar ist. Um es mit Fun­ny van Dan­nen zu sagen: Auch les­bi­sche schwar­ze Behin­der­te kön­nen ätzend sein!

Das gan­ze Inter­view ist mal wie­der ein Ärger­nis und letzt­end­lich auch ein Bei­trag zur För­de­rung des Faschis­mus, auch wenn das Jan Kage und Leon Kaha­ne jetzt weh­tun mag. Die Bericht­erstat­tung über den Osten ist seit über 35 Jah­ren auf ähn­li­chem Niveau. Das hat zur Fol­ge, dass die west­deut­schen Leit­me­di­en im Osten nicht mehr kon­su­miert wer­den (Fromm, 2021), dass wei­te Tei­le der ost­deut­schen Gesell­schaft nicht mehr am Dis­kurs teil­neh­men und dann ihre Infor­ma­tio­nen aus diver­sen Schmud­del­ka­nä­len auf Tele­gram und sonst­wo bekom­men. War­um soll­ten sie Geld bezah­len, um Falsch­in­for­ma­tio­nen über sich zu lesen? War­um soll­ten sie Men­schen aus dem Wes­ten zuschau­en, die über sie spre­chen? Oder Men­schen aus dem Osten, die kei­ne Ahnung haben, wie die DDR war und The­sen ver­brei­ten, die zu dem pas­sen, was Men­schen aus dem Wes­ten hören wol­len? Die­se Men­schen zurück­zu­ho­len dürf­te schwer wer­den. Viel­leicht ist es bereits zu spät.

Danksagungen

Ich dan­ke Peer, der in der Dis­kus­si­on auf Mast­o­don mal wie­der wert­vol­le Doku­men­te bei­getra­gen hat.

Quellen

Dahn, Danie­la. 1997. West­wärts und nicht ver­ges­sen: Vom Unbe­ha­gen in der Ein­heit (Rororo Sach­buch 60341). Ham­burg: Rowohlt Verlag.

Decker, Kers­tin. 1999. Das Töpf­chen und der Haß. tages­spie­gel. Ber­lin. (https://www.tagesspiegel.de/kultur/das-toepfchen-und-der-hass/77844.html)

Fromm, Anne. 2021. Pres­se in Ost­deutsch­land: Wer strei­chelt unse­re See­le? taz. Ber­lin. (https://taz.de/Presse-in-Ostdeutschland/!5756271/)

Gosch­ler, Con­stan­tin. 1993. Pater­na­lis­mus und Ver­wei­ge­rung – Die DDR und die Wie­der­gut­ma­chung für jüdi­sche Ver­folg­te des Natio­nal­so­zia­lis­mus. In Benz, Wolf­gang (ed.), Jahr­buch für Anti­se­mi­tis­mus­for­schung, vol. 2. Frankfurt/Main: Campus-Verlag.

Hafer­kamp, Hans-Peter & Wudt­ke, Tors­ten. 1997. Rich­ter­aus­bil­dung in der DDR. forum his­to­riae iuris. (https://forhistiur.net/1997–10-haferkamp-wudtke/1997–10-haferkamp-wudtke)

Jung, Tilo. 2025. Geno­zid-For­scher Omer Bar­tov über Gaza, Isra­el & den Wes­ten. (https://jung-naiv.podigee.io/1103–784-genozid-forscher-omer-bartov-uber-gaza-israel-den-westen)

Lenz, Susan­ne. 2025. Wera Herz­berg im Inter­view: „Mei­ne Mut­ter woll­te raus aus dem ver­ein­ten Deutsch­land“. Ber­li­ner Zei­tung, 11.01.2025. (https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/theater/wera-herzberg-im-interview-meine-mutter-wollte-raus-aus-dem-vereinten-deutschland-li.2286366)

Leon­hard, Wolf­gang. 1955. Die Revo­lu­ti­on ent­lässt ihre Kin­der (Kiwi Band 119). Köln: Kie­pen­heu­er & Witsch.

Sokol, Sam. 2024. Likud MK tells fami­ly mem­ber of Oct. 7 vic­tim to ‘get out of my sight’ during Knes­set pro­test. Times of Isra­el 20.03.2024. (https://www.timesofisrael.com/liveblog_entry/likud-mk-tells-family-member-of-oct-7-vicitm-to-get-out-of-my-sight-during-knesset-protest/)

tages­schau. 2024. Inter­na­tio­na­ler Gerichts­hof: Isra­els Sied­lungs­po­li­tik laut UN-Gut­ach­ten ille­gal. tages­schau 19.07.2024. ARD. (https://www.tagesschau.de/ausland/asien/israel-igh-volkerrecht-100.html)

Tzvi­ka Mor. 2024. War­ti­me dia­ries 143. (https://www.israelstory.org/episode/tzvika-mor/)

Wel­lisch, Felix. 2025. Frei­ge­las­se­ne Paläs­ti­nen­ser: Wei­ter Weg zur Ver­söh­nung. taz. 29.10.2025. Ber­lin. (https://taz.de/Freigelassene-Palaestinenser/!6122480/)


Die Nazis aus der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein

Neu­lich hat­te ich ja mal geguckt, wo die Nazis aus dem KZ Lich­ten­burg und die Nazis aus Buchen­wald abge­blie­ben sind. Durch einen taz-Arti­kel über den Wahr­sa­ger Max Moe­cke (taz, 25.09.2025), der in Pir­na-Son­nen­stein ermor­det wur­de, bin ich auf die­sen Ort gekom­men und habe dann mal nach­ge­schaut, wo die Nazis nach Kriegs­en­de hin­ge­gan­gen sind und was aus ihnen gewor­den ist. Der Wiki­pe­dia­ein­trag für Pir­na-Son­nen­stein lis­tet fol­gen­de Per­so­nen auf, die für Eutha­na­sie-Ver­bre­chen im Rah­men der Akti­on T4 (13.720 psy­chisch kran­ke und geis­tig behin­der­te Men­schen wur­den in Son­nen­stein mit Gift­gas ermor­det) oder Mor­de an poli­ti­schen Geg­nern zustän­dig waren.

Die Akti­on T4 wur­de 1941 von Hit­ler been­det und das Schloss Son­nen­stein anders ver­wen­det, aber eini­ge der Nazis, die T4 bis dahin umge­setzt hat­ten, mor­de­ten dann in den Ver­nich­tungs­la­gern wei­ter. Die fol­gen­den Per­so­nen wer­den im Zusam­men­hang mit den Ver­nich­tungs­la­gern genannt:

Ansons­ten wer­den im Arti­kel noch fol­gen­de Ärz­te nament­lich genannt:

1947 gab es in Dres­den einen Pro­zess (Dresd­ner Ärz­te­pro­zess), in dem Her­mann Paul Nit­sche (seit 1940 einer der medi­zi­ni­schen Lei­ter der Kran­ken­mord­ak­ti­on) und zwei Son­nen­stei­ner Pfle­ger wur­den zum Tod ver­ur­teilt. Außer­dem gab es Haft­stra­fen, die 1956 bei einer Amnes­tie erlas­sen wur­den. In Wiki­pe­dia kann man zu dem Pro­zess lesen:

Der Dres­de­ner Pro­zess gilt als einer der frü­hes­ten Ver­su­che der deut­schen Jus­tiz zur juris­ti­schen Auf­ar­bei­tung der NS-Kran­ken­mor­de. Er fand unter Ober­ho­heit der sowje­ti­schen Besat­zung statt, Rechts­grund­la­ge war das Kon­troll­rats­ge­setz Nr. 10, das unter ande­rem die Bestra­fung von Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit vor­sah.[6]

Zwi­schen dem 16. Juni und dem 25. Juni wur­den die Ange­klag­ten und die Zeu­gen in öffent­li­chen Sit­zun­gen ver­nom­men.[7] Durch die Medi­en fand der Pro­zess in der Öffent­lich­keit gro­ße Auf­merk­sam­keit. Die Säch­si­sche Zei­tung berich­te­te täg­lich über den Ver­lauf des Pro­zes­ses.[8]

Am 7. Juli 1947 wur­de das Urteil ver­kün­det.[9] Die Staats­an­walt­schaft hat­te zwar elf­mal die Todes­stra­fe bean­tragt, jedoch wur­de sie nur vier­mal aus­ge­spro­chen. Beson­ders bei den Kran­ken­schwes­tern fie­len die Urtei­le meist gerin­ger aus als gefor­dert wur­de. Ein­zel­ne Ange­klag­te, dar­un­ter der Haupt­an­ge­klag­te Alfred Schulz sowie der Lei­ter der Kin­der­fach­ab­tei­lung Arthur Mit­tag, hat­ten sich zuvor sui­zi­diert resp. Sui­zid­ver­su­che began­gen, an deren Fol­gen sie ver­star­ben. Im März 1948 wur­den die Todes­ur­tei­le in Dres­den voll­streckt, nach­dem eine Revi­si­on gegen das Urteil mit Beschluss des Ober­lan­des­ge­richts Dres­den vom 27. Sep­tem­ber 1947 als unbe­grün­det ver­wor­fen wor­den war.[10]

Ich zitie­re das hier, damit man sehen kann, dass es im Osten Auf­ar­bei­tung gab, dass es Todes­ur­tei­le gab, die voll­streckt wur­den, dass es Medi­en­be­glei­tung gab. In ent­spre­chen­den Ver­öf­fent­li­chung wird immer wie­der behaup­tet, dass es in der DDR kei­ne Auf­ar­bei­tung und kei­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus gab. Die Wahr­heit ist, dass es in bestimm­ten Berei­chen die ers­ten Pro­zess gab und dass die DDR auch bei der Errich­tung von Gedenk­stät­ten dem Wes­ten bis zum Schluss weit vor­aus war.

Text­ta­fel: „Die SED betrach­tet den Auf­stieg des Natio­nal­so­zia­lis­mus als eine Fol­ge des kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­sys­tems. Mit der Eta­blie­rung des «Arbei­ter- und Bau­ern­staa­tes» und sei­nes plan­wirt­schaft­li­chen Sys­tems sieht sie den Faschis­mus als end­gül­tig über­wun­den an. Geschichts­po­li­tisch stellt sich die Par­tei in die Tra­di­ti­on des kom­mu­nis­ti­schen Arbei­ter­wi­der­stands gegen den Natio­nal­so­zia­lis­mus (NS). An Orten ehe­ma­li­ger Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger wird daher vor allem an pro­mi­nen­te Kom­mu­nis­ten wie Ernst Thäl­mann erin­nert, wäh­rend ande­re Opfer­grup­pen, allen vor­an Juden:Jüdinnen, in den Hin­ter­grund gerückt wer­den.
Die drei gro­ßen «Natio­na­len Mahn- und Gedenk­stät­ten» Buchen­wald, Sach­sen­hau­sen und Ravens­brück wer­den jähr­lich von Hun­dert­tau­sen­den besucht. Da es in der Bun­des­re­pu­blik zu jener Zeit kei­ne ver­gleich­ba­ren gesamt­staat­li­chen Insti­tu­tio­nen zur Erin­ne­rung an den NS-Ter­ror gibt, wird der Umgang mit ihnen ab 1990 wich­tig für die Her­aus­bil­dung der heu­ti­gen Gedenk­stät­ten­land­schaft.“ Muse­um Uto­pie und All­tag, Eisen­hüt­ten­stadt, 07.08.2025

Jetzt noch ein­mal eine alpha­be­ti­sche Lis­te aller Per­so­nen, die ich in Wiki­pe­dia fin­den konn­te, und deren Ver­bleib nach 1945.

  • Kurt Borm (2001, Suder­burg, Nie­der­sach­sen, Borm ver­heim­lich­te sei­ne Iden­ti­tät und wur­de in Schles­wig-Hol­stein lei­ten­der Arzt. Erst 1962 wur­de er ver­haf­tet, dann aber aus der Unter­su­chungs­haft ent­las­sen. „Am 6. Juni 1972 sprach ihn das Gericht frei. Borm habe zwar objek­tiv Bei­hil­fe zur Tötung von min­des­tens 6652 Geis­tes­kran­ken geleis­tet, jedoch kön­ne ihm nicht nach­ge­wie­sen wer­den, dass er schuld­haft gehan­delt habe, da ihm „unwi­der­leg­bar das Bewusst­sein der Rechts­wid­rig­keit“ sei­nes Tuns gefehlt habe. Urteil 1974 vom Bun­des­ge­richts­hof bestä­tigt.“ Er war dann wei­ter als Arzt tätig.),
  • Kurt Bolen­der (Sui­zid vor Urteils­ver­kün­dung, 1966, Hagen, NRW, leb­te bis 1961 uner­kannt in Ham­burg die Peit­sche aus dem KZ hat­te er noch in der Woh­nung. Er war mit Diet­rich Allers befreun­det, der T4 gelei­tet hatte)
  • Klaus End­ru­weit (1994, Hil­des­heim, Nie­der­sach­sen, „Am Ende des Krie­ges noch an der Ost­front ein­ge­setzt, geriet End­ru­weit in ame­ri­ka­ni­sche Gefan­gen­schaft, aus der er jedoch als­bald wie­der ent­las­sen wur­de. Im Juni 1945 konn­te er in Hil­des­heim beim Städ­ti­schen Kran­ken­haus gegen freie Woh­nung und Ver­pfle­gung unter­kom­men. Am 1. Juli 1946 eröff­ne­te er eine Arzt­pra­xis in Bet­t­rum im Land­kreis Hil­des­heim. Gleich­zei­tig war er ab 1956 Vor­stands­mit­glied der Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gung sowie von 1956 bis 1957 und 1962 bis 1965 der Ärz­te­kam­mer Nie­der­sach­sens in Hil­des­heim. Dort konn­te er bis zu sei­ner Ver­haf­tung am 20. Juni 1962 unbe­hel­ligt prak­ti­zie­ren. Noch am glei­chen Tage erhielt er Haft­ver­scho­nung gegen die Auf­la­ge, sich ein­mal wöchent­lich bei der Poli­zei zu mel­den. So konn­te er wei­ter­hin prak­ti­zie­ren.“ „Noch vor Pro­zess­be­ginn ord­ne­te der Regie­rungs­prä­si­dent in Hil­des­heim am 16. Sep­tem­ber 1966 das Ruhen von End­ru­weits Bestal­lung als Arzt an. Ähn­lich wie bei sei­nem Mit­an­ge­klag­ten lös­te die­se Ent­schei­dung eine Wel­le von Soli­da­ri­täts- und Sym­pa­thie­be­kun­dun­gen aus Krei­sen sei­ner Ärz­te­kol­le­gen, Ver­bän­den und ver­schie­de­nen Bür­ger­meis­tern aus.“),
  • Kurt Franz (1998, Wup­per­tal, Lager­kom­man­dant des Ver­nich­tungs­la­gers Treb­linka. „Aus der ame­ri­ka­ni­schen Gefan­gen­schaft konn­te er flie­hen und nach Düs­sel­dorf zurück­keh­ren. Dort mel­de­te er sich am 26. Juni 1945 mit sei­nem rich­ti­gen Namen beim Arbeits­amt an. Bis Ende 1948 war er als Brü­cken­bau­ar­bei­ter tätig. Von 1949 bis zu sei­ner Ver­haf­tung an sei­nem Wohn­ort Düs­sel­dorf am 2. Dezem­ber 1959 arbei­te­te er wie­der als Koch.“ Lebens­lan­ge Haft: „Wegen sei­nes Alters und aus gesund­heit­li­chen Grün­den wur­de Franz Mit­te 1993 ent­las­sen, nach­dem er bereits seit Ende der sieb­zi­ger Jah­re Frei­gän­ger war.“),
  • Hein­rich Gley (1985, Müns­ter, NRW, „Nach Kriegs­en­de geriet er am 10. Mai 1945 in Pil­sen in ame­ri­ka­ni­sche Kriegs­ge­fan­gen­schaft, sei­ne Ent­las­sung erfolg­te am 29. Dezem­ber 1947. Anschlie­ßend arbei­te­te er bis 1958 als Mau­rer in West­fa­len und muss­te in der Fol­ge die­se Tätig­keit krank­heits­be­dingt auf­ge­ben. In Bie­le­feld wur­de Gley wegen sei­ner Zuge­hö­rig­keit zur SS, wahr­schein­lich im Rah­men der Ent­na­zi­fi­zie­rung, zu 100 Tagen Haft ver­ur­teilt, die jedoch durch die Inter­nie­rungs­haft bereits abge­gol­ten waren. Im Rah­men der Ermitt­lun­gen bezüg­lich der Ver­bre­chen in Bel­zec kam Gley Anfang der 1960er Jah­re in Haft. Im Bel­zec-Pro­zess wur­de gegen Gley und sie­ben wei­te­re Ange­klag­te ab August 1963 vor dem Land­ge­richt Mün­chen ver­han­delt. Er wur­de wegen des Puta­tiv­not­stan­des im Janu­ar 1964 außer Ver­fol­gung gesetzt und damit wur­de kei­ne Haupt­ver­hand­lung gegen ihn eröff­net. Auch wegen sei­ner Betei­li­gung an der „Akti­on T4“ kam es zu kei­nem Pro­zess. Gley starb im Juni 1985.“
  • Lorenz Hacken­holt (für tot erklärt im Wes­ten, Eini­ge Jah­re nach dem Krieg stell­te sei­ne Frau den Antrag, ihren ver­miss­ten Mann für tot zu erklä­ren. Dies geschah am 1. April 1954 durch das Amts­ge­richt Ber­lin-Schö­ne­berg zum 31. Dezem­ber 1945. Trotz ein­zel­ner Hin­wei­se, dass Hacken­holt noch am Leben sei, ende­te eine Unter­su­chung durch eine Son­der­kom­mis­si­on der Münch­ner Kri­mi­nal­po­li­zei von 1959 bis 1963 ohne Ergebnis.)
  • Gott­lieb Hering (9/1945 Stet­ten im Rems­tal, BaWü, „Nach Kriegs­en­de soll Hering wie­der kurz­zei­tig die Kri­mi­nal­po­li­zei in Heil­bronn gelei­tet haben. Er starb infol­ge einer Erkran­kung unter unge­klär­ten Umstän­den im Schloss Stet­ten (Rems­tal), wo sich ab Herbst 1943 ein Aus­weichs­kran­ken­haus der Stadt Stutt­gart befand.[3] Sowohl in sei­nem 1948 von sei­ner deut­lich jün­ge­ren Wit­we pos­tum betrie­be­nen Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ver­fah­ren[4] als auch in sei­ner beim Poli­zei­prä­si­di­um Stutt­gart geführ­ten Per­so­nal­ak­te, laut der er sich im Okto­ber 1944 „vom Ein­satz zurück“ gemel­det habe,[5] blie­ben sei­ne Auf­ent­hal­te und Tätig­kei­ten seit Dezem­ber 1939 im Wesent­li­chen uner­wähnt. Man ging im Beneh­men mit dem Befrei­ungs­mi­nis­te­ri­um viel­mehr davon aus, dass er nicht als Haupt­schul­di­ger oder Belas­te­ter zu betrach­ten sei. Folg­lich blieb sei­ne Wit­we von der andern­falls zu erwar­ten­den Ein­zie­hung des Nach­las­ses und dem Ver­lust der Pen­si­ons­an­sprü­che ver­schont. Die­se Ent­schei­dung wur­de zuletzt noch im Jah­re 1972 bei der Über­prü­fung der soge­nann­ten 131er nach Akten­la­ge bestätigt.“
  • Otto Horn (1999, Ber­lin, „Horn wur­de vom Land­ge­richt Düs­sel­dorf am 3. Sep­tem­ber 1965 in den Treb­linka-Pro­zes­sen man­gels eines siche­ren Nach­wei­ses sei­ner Schuld frei­ge­spro­chen.“ War wohl angeb­lich gegen die Mor­de, die in sei­nem Umfeld stattfanden.)
  • Erwin Lam­bert (1976, Stutt­gart, BaWü, „Am 15. Mai 1945 wur­de Lam­bert von den Bri­ten gefan­gen genom­men und an die US-Ame­ri­ka­ner aus­ge­lie­fert, die ihn in ein Lager ins würt­tem­ber­gi­sche Aalen brach­ten. Nach Waib­lin­gen ent­las­sen, zog er zunächst nach Schwaik­heim und ließ sich dann in Stutt­gart nie­der. Dort mach­te er sich als Flie­sen­le­ger selb­stän­dig. Bei der Ent­na­zi­fi­zie­rung in Schwaik­heim wur­de Lam­bert als Mit­läu­fer ein­ge­stuft. Mit Urteil des Land­ge­richts Düs­sel­dorf vom 3. Sep­tem­ber 1965 (Az.: I Ks 2/64) wur­de er im soge­nann­ten Treb­linka-Pro­zess wegen Bei­hil­fe zum gemein­schaft­li­chen Mord an min­des­tens 300.000 Per­so­nen zu vier Jah­ren Zucht­haus ver­ur­teilt. Im Sobi­bor-Pro­zess ver­ur­teil­te ihn das Land­ge­richt Hagen am 20. Dezem­ber 1966 wegen gemein­schaft­li­cher Bei­hil­fe zum Mord an min­des­tens 57.000 Men­schen zu drei Jah­ren Zucht­haus (Az.: 11 Ks 1/64). Sara Ber­ger urteilt, Lam­bert habe die akti­ve Bereit­schaft gezeigt, Stra­te­gien zur Ver­bes­se­rung der Ver­nich­tungs­struk­tu­ren zu fin­den und maß­geb­lich zur Effi­zi­enz­stei­ge­rung der Lager bei­getra­gen.“)
  • Hein­rich Matthes (1978, JVA Bochum, Im Treb­linka-Pro­zess 1965 ver­ur­teilt, vor­her als Pfle­ger gearbeitet.)
  • Gus­tav Münz­ber­ger (1977, Gar­misch-Par­ten­kir­chen, Bay­ern „Nach Kriegs­en­de arbei­te­te Münz­ber­ger als Tisch­ler in Unter­am­mer­gau. Im Rah­men der Ermitt­lun­gen bezüg­lich der Ver­bre­chen im Ver­nich­tungs­la­ger Treb­linka geriet Münz­ber­ger in das Visier der Ermitt­lungs­be­hör­den und wur­de am 13. Juli 1963 in Haft genom­men. Der Treb­linka-Pro­zess gegen zehn Ange­klag­te fand vom 12. Okto­ber 1964 bis zum 3. Sep­tem­ber 1965 vor dem Land­ge­richt Düs­sel­dorf statt. Der Ver­fah­rens­ge­gen­stand umfass­te die Ver­ga­sung von min­des­tens 700.000 über­wie­gend jüdi­schen Men­schen sowie die töd­li­che Miss­hand­lung, Erschie­ßung, Erschla­gung sowie Erhän­gung ein­zel­ner Häft­lin­ge und zudem die Zer­flei­schung durch Bar­ry, den Dienst­hund des Lager­kom­man­dan­ten Kurt Franz. Im Pro­zess ver­such­te die Ver­tei­di­gung, Münz­ber­gers Taten zu recht­fer­ti­gen:
    „Wenn er auf eine mög­lichst letz­te Aus­nut­zung der Gas­kam­mern bestan­den habe, so sei das auch im Inter­es­se der war­ten­den Juden gewe­sen; denn je schnel­ler die Ver­ga­sun­gen erfolgt sei­en, umso kür­zer sei­en die Lei­den und Ängs­te der noch nicht ver­gas­ten Juden gewe­sen.“[3]
    Münz­ber­ger wur­de wegen Bei­hil­fe zum gemein­schaft­li­chen Mord bezie­hungs­wei­se Bei­hil­fe zum Mord zu 12 Jah­ren Zucht­haus ver­ur­teilt. Er ver­büß­te sei­ne Haft in der Jus­tiz­voll­zugs­an­stalt Müns­ter und am 3. Sep­tem­ber 1975 wur­de aus der Haft bedingt entlassen.“)
  • Her­mann Paul Nit­sche (1948 Dres­den, nach Todes­ur­teil hin­ge­rich­tet, „Noch im Früh­jahr 1945 wur­de Nit­sche in Seb­nitz ver­haf­tet. Die von sowje­ti­schen Dienst­stel­len vor­ge­nom­me­nen Unter­su­chungs­er­geb­nis­se wur­den am 20. Juni 1946 an die deut­schen Jus­tiz­be­hör­den in Sach­sen über­ge­ben. Das Land­ge­richt Dres­den erhob am 7. Janu­ar 1947 Ankla­ge gegen Nit­sche und wei­te­re 14 Täter. Nit­sche ver­wies auf sei­nen Stand­punkt, wonach die Tötung von unheil­bar Kran­ken wis­sen­schaft­lich und auch gesell­schaft­lich gerecht­fer­tigt sei, und ver­wahr­te sich gegen die Mord­an­kla­ge. Mit Urteil vom 7. Juli 1947 wur­de er jedoch zum Tode ver­ur­teilt. Nach Ableh­nung der Beru­fung durch das Ober­lan­des­ge­richt Dres­den wur­de das Urteil am 25. März 1948 durch das Fall­beil voll­streckt und sein Leich­nam der Ana­to­mie in Leip­zig überantwortet.“)
  • Wal­ter Nowak (ver­schol­len wohl zu letzt in Ita­li­en gese­hen, davor in ame­ri­ka­ni­scher Gefangenschaft),
  • Josef Ober­hau­ser (1979 Mün­chen, Nach der Ent­las­sung aus der Gefan­gen­schaft war Ober­hau­ser 1947/48 Wald- und Säge­werks­ar­bei­ter in Beven­sen. Am 13. April 1948 wur­de er in der Ost­zo­ne ergrif­fen und am 24. Sep­tem­ber 1948 durch eine nach Befehl 201 der sowje­ti­schen Mili­tär­ver­wal­tung gebil­de­te 5. Straf­kam­mer des Land­ge­richts Mag­de­burg wegen Ver­bre­chens gegen das Kon­troll­rats­ge­setz Nr. 10 auf­grund sei­ner Zuge­hö­rig­keit zur SS als einer ver­bre­che­ri­schen Orga­ni­sa­ti­on und sei­ner Betei­li­gung an der Tötung von „Euthanasie“-Opfern in Gra­feneck, Bran­den­burg und Bern­burg zu einer Zucht­haus­stra­fe von 15 Jah­ren unter Aberken­nung der bür­ger­li­chen Ehren­rech­te auf zehn Jah­re ver­ur­teilt. Gleich­zei­tig wur­de er nach Direk­ti­ve 38 Arti­kel II Zif­fer 7 und 8 als Haupt­be­las­te­ter ein­ge­stuft. Nach acht Jah­ren wur­de Ober­hau­ser unter end­gül­ti­ger Haft­er­las­sung am 28. April 1956 im Rah­men einer Amnes­tie aus der Haft ent­las­sen. Zurück in sei­ner Hei­mat­stadt Mün­chen war Ober­hau­ser als Gele­gen­heits­ar­bei­ter und als Schank­kell­ner tätig, bis er am 21. Janu­ar 1965 vom Land­ge­richt Mün­chen I im Bel­zec-Pro­zess zu vier Jah­ren und sechs Mona­ten Zucht­haus wegen Bei­hil­fe zum gemein­schaft­li­chen Mord in 300.000 Fäl­len und wegen fünf wei­te­rer Ver­bre­chen der Bei­hil­fe zum gemein­schaft­li­chen Mord in je 150 Fäl­len ver­ur­teilt wur­de (Az.: 110 Ks 3/64, s. Web­link). Nach­dem er (unter Anrech­nung der Unter­su­chungs­haft) die Hälf­te sei­ner Stra­fe ver­büßt hat­te, wur­de er 1966 ent­las­sen und arbei­te­te wie­der als Schank­kell­ner in Mün­chen (als sol­cher erscheint er in einer kur­zen Sze­ne in Clau­de Lanz­manns Film Sho­ah[4]). Wegen der in Ita­li­en began­ge­nen Kriegs­ver­bre­chen wur­de er im April 1976 von einem ita­lie­ni­schen Gericht in Abwe­sen­heit zu einer lebens­lan­gen Frei­heits­stra­fe ver­ur­teilt. Da die ita­lie­ni­sche Jus­tiz auf einen (wegen feh­len­der Rechts­grund­la­gen aus­sichts­lo­sen) Aus­lie­fe­rungs­an­trag ver­zich­te­te, brauch­te er die­se Stra­fe nicht anzutreten.“)
  • Paul Rost (1984, Dres­den, Sach­sen „Paul Rost geriet 1945 in Öster­reich in ame­ri­ka­ni­sche Gefan­gen­schaft und war kurz­zei­tig im Lager Habach inter­niert. Dort soll er Wal­ter Nowak wie­der­ge­trof­fen haben,[8] der jedoch nach ande­ren Quel­len bereits seit 1943 oder 1944 tot war.[9] Von dort wur­de er nach kur­zer Zeit ent­las­sen und ging nach Dres­den zu sei­ner Fami­lie zurück. Kurz dar­auf nahm ihn dort 1946 die Sowje­ti­sche Armee in Unter­su­chungs­haft. Paul Rost wur­de im glei­chen Jahr im Rah­men des Dresd­ner Eutha­na­sie-Pro­zes­ses ver­nom­men und anschlie­ßend wie­der auf frei­en Fuß gesetzt.[10] Eine wei­te­re Straf­ver­fol­gung fand nicht statt. Die DDR lehn­te 1971 eine Zeu­gen­ver­neh­mung von Rost im Zusam­men­hang mit dem Pro­zess des Land­ge­richts Frank­furt am Main gegen den Direk­tor der Tötungs­an­stalt Son­nen­stein Horst Schu­mann ab.“)
  • Curt Schma­len­bach (1944 bei Flug­zeug­ab­sturz gestorben)
  • Alfred Schulz (1947, Haft­kran­ken­haus Zwi­ckau, evtl. Suizid)
  • Horst Schu­mann (1983, Frank­furt am Main, Im Janu­ar 1945 kam er als Trup­pen­arzt an die West­front, wo er in ame­ri­ka­ni­sche Gefan­gen­schaft geriet, aus der er im Okto­ber 1945 wie­der ent­las­sen wur­de. Mit sei­ner Frau zog er nach Glad­beck und mel­de­te sich beim dor­ti­gen Ein­woh­ner­mel­de­amt ord­nungs­ge­mäß am 15. April 1946 an. Zunächst als Sport­arzt in Diens­ten der Stadt Glad­beck, eröff­ne­te er 1949 mit einem Flücht­lings­kre­dit eine eige­ne Pra­xis. Im Juli 1950 wur­de er Knapp­schafts­arzt der Ruhr­knapp­schaft, obwohl sein Name bereits in Eugen Kogons frü­hem Werk Der SS-Staat genannt wur­de. Ein Antrag vom 29. Janu­ar 1951 auf Ertei­lung eines Jagd- und Fische­rei­sch­ei­nes bei der Stadt Glad­beck führ­te schließ­lich auf­grund des erfor­der­li­chen poli­zei­li­chen Füh­rungs­zeug­nis­ses zu sei­ner Ent­tar­nung als ein von der Staats­an­walt­schaft Tübin­gen Gesuch­ter. Die zöger­li­chen Ermitt­lun­gen ermög­lich­ten es Schu­mann jedoch, am 26. Febru­ar 1951 ins Aus­land zu flie­hen. Nach drei Jah­ren als Schiffs­arzt erhiel­ten die deut­schen Behör­den erst­mals wie­der am 25. Febru­ar 1954 durch das deut­sche Gene­ral­kon­su­lat im japa­ni­schen Osa­ka-Kobe einen Hin­weis auf Schu­mann. Die­ser hat­te dort einen deut­schen Rei­se­pass bean­tragt und erhal­ten. Die Spur Schu­manns führ­te dann 1955 wei­ter nach Ägyp­ten und Mit­te des glei­chen Jah­res in den Sudan, wohin ihm auch sei­ne Frau nach­reis­te. In der Wochen­zei­tung Christ und Welt, deren Redak­ti­ons­lei­ter der Jour­na­list und ehe­ma­li­ge SS-Haupt­sturm­füh­rer Gisel­her Wir­sing war, erschien am 16. April 1959 ein Arti­kel über einen „zwei­ten Albert Schweit­zer“ in Li Jubu, einem Ort im Grenz­ge­biet von Sudan, Kon­go und Fran­zö­sisch-Äqua­to­ri­al­afri­ka, und führ­te damit unge­wollt zur Ent­tar­nung Schu­manns. Einem Haft­be­fehl konn­te sich Schu­mann durch sei­ne Flucht über Nige­ria nach Gha­na ent­zie­hen, wo er in Kete Kra­chi ein Urwald­kran­ken­haus errich­te­te und lei­te­te. […] Ein Repor­ter der bri­ti­schen Zei­tung Dai­ly Express ent­deck­te das Ehe­paar Schu­mann 1962 in Gha­na. Ein deut­sches Aus­lie­fe­rungs­er­su­chen aus dem Vor­jahr wur­de vom gha­nai­schen Staats­prä­si­den­ten Kwa­me Nkru­mah, der Schu­mann zu sei­nen Freun­den zähl­te, igno­riert. Erst nach Nkru­mahs Sturz im Febru­ar 1966 wur­de Schu­mann von den neu­en Macht­ha­bern fest­ge­setzt und am 7. März 1966 in Aus­lie­fe­rungs­haft genom­men. Am 17. Novem­ber 1966 wur­de er an Deutsch­land aus­ge­lie­fert und in der Jus­tiz­voll­zugs­an­stalt Butz­bach in Hes­sen in Unter­su­chungs­haft genom­men. Der Pro­zess gegen Schu­mann begann am 23. Sep­tem­ber 1970 vor dem Land­ge­richt Frank­furt am Main und geriet auf­grund der zahl­rei­chen und teil­wei­se dubio­sen Gut­ach­ten über sei­ne Ver­hand­lungs­un­fä­hig­keit zum Jus­tiz­skan­dal. Schließ­lich wur­de das Ver­fah­ren am 14. April 1971 wegen Ver­hand­lungs­un­fä­hig­keit, bedingt durch einen zu hohen Blut­druck des Ange­klag­ten, vor­läu­fig ein­ge­stellt. Am 29. Juli 1972 erfolg­te sei­ne Haft­ent­las­sung. Den Rest sei­nes Lebens ver­brach­te Schu­mann in Frank­furt-Seck­bach, wo er 1983 verstarb.“)
  • Ewald Wort­mann (1985, Osna­brück, Nie­der­sach­sen, 1950 kehr­te Wort­mann aus der sowje­ti­schen Gefan­gen­schaft zurück. Er eröff­ne­te in Fried­rich­skoog eine all­ge­mein­ärzt­li­che Pra­xis, hei­ra­te­te und hat­te vier Kin­der. Wort­mann konn­te erst als letz­ter T4-Arzt für den soge­nann­ten ers­ten Ärz­te­pro­zess gegen Ull­rich und ande­re vor dem Frank­fur­ter Land­ge­richt ermit­telt wer­den. Am 21. März 1963 sag­te er erst­mals als Zeu­ge im Ver­fah­ren gegen den T4-Arzt Georg Ren­no aus. Ein gegen Wort­mann ein­ge­lei­te­tes Ermitt­lungs­ver­fah­ren wur­de am 1. August 1969[9] ein­ge­stellt. Im Pro­zess gegen sei­nen ehe­ma­li­gen Vor­ge­setz­ten und Lei­ter der Ver­ga­sungs­an­stalt Son­nen­stein, Horst Schu­mann, ver­wei­ger­te er im Okto­ber 1970 sei­ne Aus­sa­ge. Wort­mann war der ein­zi­ge der T4-Ärz­te, der zumin­dest „eine gewis­se mora­li­sche Schuld“ ein­räum­te, „weil ich nichts gegen die­se Din­ge unter­nom­men habe. Das ist aber nur eine Ange­le­gen­heit, die mich inner­lich trifft. Ich konn­te ja damals über­haupt nicht gegen die­se Din­ge antre­ten. Es fehl­te mir die Mög­lich­keit und auch der Ein­fluß.“[10] In den Jah­ren 1969/70 dreh­te der Nord­deut­sche Rund­funk einen Doku­men­tar­film über Wort­mann und sei­ne Fami­lie, in dem unter dem Titel „De Dok­tor snackt platt“ die Situa­ti­on eines „typi­schen“ Land­arz­tes dar­ge­stellt wer­den soll­te. Die Auf­nah­men fan­den im Herbst 1969 statt; gesen­det wur­de der Film im Juni 1970.[11]“)

So. Zusam­men­fas­sen kann man sagen, dass von denen, die in Wiki­pe­dia auf­ge­führt sind, nur einer, näm­lich Paul Rost, im Osten geblie­ben sind. Im Osten wur­den Men­schen für ihre Ver­bre­chen zum Tode ver­ur­teilt oder begin­gen vor dem Urteil Sui­zid. Im Wes­ten wur­den eini­ge ver­ur­teilt aber im Rah­men von grö­ße­ren Pro­zes­sen wegen Mord an 700.000 Men­schen. Aber selbst da wur­den teil­wei­se Ver­fah­ren ein­ge­stellt, weil sie sehr spät erfolg­ten oder war­um auch immer.

Von 19 Per­so­nen ist einer im Osten geblie­ben und einer im Osten ver­ur­teilt wor­den und dann in den Wes­ten gegan­gen. Das ist genau so wie die Ergeb­nis­se zu Lich­ten­burg und Buchen­wald und genau­so, wie es uns die Pro­pa­gan­da zu DDR-Zei­ten gesagt hat. Die gro­ßen Nazis waren alle in den Wes­ten geflo­hen. Wer will es ihnen verdenken.

Da die AfD nun auch im Wes­ten erfolg­reich ist, begin­nen die ers­ten Men­schen zu begrei­fen, dass die Ursa­chen für den Erfolg der neu­en Nazis viel­leicht doch nicht oder nicht allein in der DDR-Ver­gan­gen­heit lie­gen, die nun auch schon 36 Jah­re hin­über ist. Viel­leicht gibt es ja Ursa­chen in der Zeit danach und viel­leicht sind es letzt­end­lich die­sel­ben wie im Wes­ten auch. Die Pro­ble­me wur­den nicht erkannt, weil es die­se beque­me Mög­lich­keit der Exter­na­li­sie­rung und Ver­drän­gung gab: ein Ost­pro­blem. Nee! 

Habt Ihr nun davon.

Nachtrag 26.09.2025

Ich wur­de dar­auf hin­ge­wie­sen, dass in Stadt­ro­da (Thü­rin­gen) auch Kin­der ermor­det wur­den. Die Sta­si hat davon 1965 erfah­ren, die Sache wur­de aber nicht ver­folgt. Mar­ga­re­te Hiel­schler hat bis zur Beren­tung 1965 als lei­ten­de Ober­ärz­tin in Stadt­ro­da gearbeitet.

Ger­hard Kloos war Direk­tor der Lan­des­heil­an­stal­ten Stadt­ro­da und als sol­cher an den Eutha­na­sie­ver­bre­chen betei­ligt. Er ist 1988 in Göt­tin­gen gestor­ben. Man lese sei­nen Wiki­pe­dia-Ein­trag, um sich über die Ver­net­zung mit T4-Leu­ten und sei­ne wei­ter Lehr­tä­tig­keit an west­deut­schen Uni­ver­si­tä­ten zu informieren.

Correctiv bei Nazi-Treffen und Remigration

Am 11.01.2024 habe ich zur Zusam­men­set­zung der Grup­pe beim Nazi-Tref­fen, das Cor­rec­tiv doku­men­tiert hat­te, geschrie­ben (Cor­rec­tiv und die Nazi-Vor­stel­lun­gen bzgl. Remi­gra­ti­on). Von 22 Men­schen war einer aus dem Osten. Alle ande­ren Nazis kom­men aus dem Wes­ten. Nun gab es wie­der ein Tref­fen. Dies­mal nicht in Pots­dam, son­dern in der Schweiz. Bei die­sem Tref­fen waren Mit­glie­der der in Deutsch­land ver­bo­te­nen rechts­extre­men Orga­ni­sa­ti­on „Blood & Honour“, der rechts­extre­men schwei­zer Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on Jun­ge Tat, Mit­glie­der der Jun­gen Alter­na­ti­ve Baden-Würt­tem­berg und AfD-Politiker*innen. Eini­ge wur­den mit Namen genannt: Roger Beck­amp, Abge­ord­ne­ter für die AfD im Deut­schen Bun­des­tag, und Lena Kotré, AfD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­te in Brandenburg. 

Ich neh­me an, dass bei der Jun­gen Alter­na­ti­ve aus BaWü kein Ossi dabei war. Beck­amp ist aus Köln und Kotré aus West-Ber­lin. Das heißt, dass bei dem Tref­fen kein Ossi dabei war. Obwohl Kotré im Bran­den­bur­ger Land­tag sitzt, ist sie nicht aus dem Osten. Die Asso­zia­ti­on Osten = Nazi wird durch die Erwäh­nung des Arbeits­or­tes ohne die Anga­be der Her­kunft ver­stärkt. Noch mal: Beim Tref­fen in der Schweiz waren aus­schließ­lich Westler.

Quellen

Peters, Jean & Gins­burg, Tobi­as & Fie­gert, Nic­las & Böh­mer, Mar­tin. 2024. Neue Rech­te: Kein Geheim­tref­fen gegen Deutsch­land – wir waren trotz­dem dabei. cor­rec­tiv. (https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/12/27/kein-geheimtreffen-gegen-deutschland/)

Sächsische Separatisten (SS)

Vor eini­ger Zeit sind die Säch­si­schen Sepa­ra­tis­ten auf­ge­flo­gen. Eine Grup­pe Rechts­extre­mer, die mit Waf­fen für den Tag X trai­niert haben, wur­de fest­ge­nom­men. Eini­ge von ihnen AfD-Funk­tio­nä­re. Heu­te schreibt die taz zu die­ser Gruppe:

Zu den Fest­ge­nom­men gehö­ren auch die Brü­der Jörg und Jörn S. aus Bran­dis, deren Vater in den 1980er Jah­ren bereits in der mili­tan­ten Neo­na­zi-Sze­ne in Öster­reich aktiv war. Jörg S. gilt der Bun­des­an­walt­schaft als Anfüh­rer der Gruppe. 

Lit­sch­ko, Kon­rad. 2024. Kurth finan­zier­te Ter­ror­ver­däch­ti­ge. taz 13.11.24. Berlin.

Das heißt, das wie­der eine Grup­pe von in den Osten gekom­me­nen West-Nazis gelei­tet wird. Ich bit­te, das zu berück­sich­ti­gen, wenn über „die Ossis“ berich­tet wird und ver­sucht wird, die Exis­tenz von Nazis im Osten irgend­wie auf Eigen­schaf­ten von Ossis zurückzuführen.

Übri­gens hat Peter Kurth, frü­her Ber­li­ner CDU-Sena­tor, den Ter­ro­ris­ten den Kauf eines Hau­ses finan­ziert. Ost-Nazis ver­fü­gen nor­ma­ler­wei­se nicht über aus­rei­chend Mit­tel zum Kauf von Häusern.

Quellen

Lit­sch­ko, Kon­rad. 2024. Kurth finan­zier­te Ter­ror­ver­däch­ti­ge. taz 13.11.24. Ber­lin. (https://www.taz.de/!6049011)

Lilane Eierdiebe, ostdeutsche Institute und Framing

Johan­nes Geck, Dok­to­rand am Insti­tut für Zeit­ge­schich­te München–Berlin, schreibt in einem Mei­nungs­bei­trag in der taz, dass das rechts­extre­me Insti­tut für Staats­po­li­tik erns­ter genom­men wer­den soll­te. Dem ist unbe­dingt zuzu­stim­men. Es gibt nur eine Klei­nig­keit in sei­nem Bei­trag, die mich extrem stört. Eigent­lich sind es zwei Klei­nig­kei­ten. Oder eine, die zwei­mal vorkommt.

Das Insti­tut war eine rechts­extre­me Denk­fa­brik, die rechts­extre­men Politiker*innen der AfD zuar­bei­te­te. Das Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz und der Lan­des­ver­fas­sungs­schutz Sach­sen-Anhalt stuf­ten die Grup­pie­rung als „gesi­chert rechts­extrem“ und als ver­fas­sungs­feind­lich ein. Es wur­de 2024 auf­ge­löst, wohl um einem Ver­bot zuvorzukommen.

Geck schreibt:

In der deut­schen Bericht­erstat­tung über das Umfeld des neu­rech­ten Ver­le­gers Götz Kubit­schek ent­steht bis­wei­len der Ein­druck, es hand­le sich um einen Kreis ver­wirr­ter Hoch­stap­ler. Zuletzt sprach etwa die Spie­gel-Redak­teu­rin Ann-Kath­rin Mül­ler schmun­zelnd von „ganz viel pseu­do­in­tel­lek­tu­el­lem Gere­de“, das aus dem sach­sen-anhal­ti­ni­schen Schnell­ro­da zu ver­neh­men sei. Eine sol­che Ver­harm­lo­sung des inzwi­schen for­mal auf­ge­lös­ten Insti­tuts für Staats­po­li­tik ver­kennt jedoch des­sen Bedeu­tung für die radi­ka­le Rech­te und führt zu einer gefähr­li­chen Unter­schät­zung der orga­ni­sier­ten Geg­ner der libe­ra­len Demo­kra­tie. Neben Maxi­mi­li­an Krah und Ali­ce Wei­del sind die Prot­ago­nis­ten der Wahl­er­fol­ge im Osten, Björn Höcke, Jörg Urban und Hans-Chris­toph Berndt, gern gese­he­ne Gäs­te in der ost­deut­schen „Denk­fa­brik“.

Johan­nes Geck. 2024. Rech­te Extramei­len, taz, 08.11.2024, S. 12.

Framing

Johan­nes Geck ver­wen­det die Wort­grup­pe ost­deut­sche „Denk­fa­brik“ noch ein wei­te­res Mal in sei­nem Arti­kel. Es scheint ihm also wich­tig zu sein, einen Zusam­men­hang zwi­schen Rechts­extre­mis­mus und Ost­deutsch­land her­zu­stel­len. Das Fach­wort dafür ist Framing und die Hebbsche Lern­re­gel erklärt, was im Gehirn pas­siert: „What fires tog­e­ther wires tog­e­ther.“. Wenn Kon­zep­te immer wie­der in Bezie­hung zuein­an­der gesetzt wer­den, reicht es irgend­wann, eins der Kon­zept zu erwäh­nen. Im kon­kre­ten Fall wäre dann Ost­deutsch­land in den Gehir­nen der Medienkonsument*innen untrenn­bar mit Rechts­extre­mis­mus verknüpft.

„Bran­den­burg zeigt Hal­tung“ Demo­teil­neh­me­rin bei „Wir sind die Brand­mau­er“ Kund­ge­bung gegen den Faschis­mus, Ber­lin, 03.02.2024

Im gesamt­deut­schen Dis­kurs ist es bequem, das Gru­se­li­ge aus­zu­la­gern und zu exter­na­li­sie­ren. Die Nazis sind ost­deutsch. Sie sind alle so gewor­den, weil sie zu heiß geba­det wur­den (Rabe)/nebeneinander auf dem Töpf­chen sit­zen muss­ten (Pfei­fer, sie­he Decker, 1999)/unter den Kom­mu­nis­ten gelit­ten haben (der gan­ze Rest, sie­he Zei­tung, Fern­se­hen, irgend­was). Lei­der ist das zu kurz geschos­sen, denn Nazis bzw. Nazi-Wähler*innen gibt es auch in West­deutsch­land (und in Frank­reich, Ita­li­en, Öster­reich und in den USA, wo ja nun kaum die Kom­mu­nis­ten Schuld gewe­sen sein konn­ten). Die Grün­de für ent­spre­chen­des Wahl­ver­hal­ten sind oft ähn­lich und solan­ge das nicht erkannt wird, rut­schen wir wei­ter in Rich­tung Faschismus.

Westdeutsche Denkfabrik und westdeutsche Nazis

Hier noch kurz die Erklä­rung, war­um mich die Phra­se ost­deut­sche „Denk­fa­brik“ ärgert. Das Insti­tut für Staats­po­li­tik wur­de im Mai 2000 von Götz Kubit­schek, Karl­heinz Weiß­mann und dem Rechts­an­walt Ste­fan Hanz gegrün­det. Das Insti­tut hat­te sei­nen Sitz am Anfang in Bad Vil­bel (Hes­sen) und ist erst 2003 nach Schnell­ro­da in Sach­sen-Anhalt umge­zo­gen. Die Grün­der kom­men aus Ravens­burg (Baden-Würt­tem­berg) und Nort­heim (Nie­der­sach­sen). Die Her­kunft von Ste­fan Hanz ist mir nicht bekannt, ich ver­mu­te aber, dass er eben­falls aus dem Wes­ten kommt. Das Staats­po­li­tik-Insti­tut ist also eine west­deut­sche Denk­fa­brik, die seit 2003 im Osten ange­sie­delt ist.

Auch die auf­ge­zähl­ten Politiker*innen sind fast zur Hälf­te aus dem Wes­ten: Höcke und Wei­del sind bei­de aus NRW.

Lilane Eierdiebe und ultimative Attributionsfehler

Zum Pres­se­ko­dex gehört seit 2017 folgendes:

In der Bericht­erstat­tung über Straf­ta­ten ist dar­auf zu ach­ten, dass die Erwäh­nung der Zuge­hö­rig­keit der Ver­däch­ti­gen oder Täter zu eth­ni­schen, reli­giö­sen oder ande­ren Min­der­hei­ten nicht zu einer dis­kri­mi­nie­ren­den Ver­all­ge­mei­ne­rung indi­vi­du­el­len Fehl­ver­hal­tens führt. Die Zuge­hö­rig­keit soll in der Regel nicht erwähnt wer­den, es sei denn, es besteht ein begrün­de­tes öffent­li­ches Inter­es­se. Beson­ders ist zu beach­ten, dass die Erwäh­nung Vor­ur­tei­le gegen­über Min­der­hei­ten schü­ren könnte.

Wenn über einen Eier­dieb­stahl berich­tet wird, ist die Haut­far­be der Täter*in nor­ma­ler­wei­se irrele­vant und soll nicht genannt wer­den. Der Grund dafür ist genau das, was ich oben aus­ge­führt habe: Wenn stän­dig von lila­nen Eier­die­ben gespro­chen wird, ver­fes­tigt sich das Bild, dass alle Men­schen mit lila­n­er Haut­far­be Eier­die­be wären oder zum Eider­dieb­stahl nei­gen. Es kommt dann zum ulti­ma­ti­ven Attributionsfehler:

Erklärt man sich das Ver­hal­ten eines Men­schen damit, dass er Mit­glied einer sozia­len Grup­pe ist, spricht man seit Pet­ti­g­rew (1979) vom „ulti­ma­ti­ven Attri­bu­ti­ons­feh­ler“. Oft dient die­se dis­po­si­tio­na­le Ursa­chen­zu­schrei­bung der Auf­recht­erhal­tung von Vor­ur­tei­len („Er han­delt so, weil er Aus­län­der ist“).

Wiki­pe­dia­ein­trag ulti­ma­ti­ver Attri­bu­ti­ons­feh­ler, 09.11.2024

Folgt man die­sen Grund­sät­zen (Ossis sind eine Min­der­heit, da es fünf mal mehr Wes­sis als Ossis gibt, und sie haben in der Pres­se kei­ne Stim­me) und bedenkt, wor­um es in die­sem Mei­nungs­bei­trag geht, wird klar, dass das Wort ost­deutsch in Gecks Auf­satz Fehl am Plat­ze war. Die Lage des Insti­tuts war für die Aus­sa­ge, des Arti­kels irrele­vant. Der Effekt des Wor­tes ist das Framing von Rechts­extre­mis­mus als spe­zi­fisch ost­deutsch. Ob das die Absicht Gecks war, weiß ich nicht, aber wenn einem Dok­to­ran­den in Neue­rer und Neu­es­ter Geschich­te das aus Ver­se­hen pas­sie­ren wür­de, wür­de das auch nicht für ihn sprechen.

Axel Graf­manns und Miri­am Tödter von „Wir packen’s an Not­hil­fe für Geflüch­te­te“ aus Ber­lin-Bran­den­burg spre­chen auf der Ver­an­stal­tung „Wir sind die Brand­mau­er“ gegen Faschis­mus, die 1630 Orga­ni­sa­tio­nen mit­ein­an­der orga­ni­siert haben. Reichs­tag, Ber­lin, 03.02.2024

Schlussfolgerung

Hört bit­te auf damit, Rechts­extre­mis­mus als ost­deut­sches Pro­blem zu framen. Es ist unser aller Pro­blem. Guckt nach unten auf Eure Füße, sie ste­hen schon jetzt im brau­nen Matsch.

Quellen

Decker, Kers­tin. 1999. Das Töpf­chen und der Haß. tages­spie­gel. Ber­lin. (https://www.tagesspiegel.de/kultur/das-toepfchen-und-der-hass/77844.html)

Das SS-Lagerpersonal von Buchenwald

Ich habe vor Kur­zem das Buch Nackt unter Wöl­fen von Bru­no Apitz erneut gele­sen. Dar­in gibt es die fol­gen­de Passage:

Aus­zug aus Nackt unter Wöl­fen. Ein Gespräch zwi­schen zwei SS-Män­nern über ihr Abtau­chen nach dem Krieg.

Ein SS-Mann legt einem zwei­ten nahe, dass er sich schon auf eine mög­lichst unauf­fäl­li­ge Exis­tenz nach dem Krieg vor­be­rei­ten soll­te. Das hat mich an mei­ne Recher­che zum SS-Per­so­nal des KZ Lich­ten­burg erin­nert und ich habe beschlos­sen, auch für Buchen­wald mal nach­zu­se­hen, was aus dem Per­so­nal gewor­den ist.

Die Struk­tur und die Namen der SS-Ver­wal­tung des KZs Buchen­wald habe ich von der Wiki­pe­dia-Sei­te Per­so­nal im KZ Buchen­wald über­nom­men. Die Daten zum Ver­bleib der SS-Män­ner nach 1945 sind aus den ein­zel­nen Ein­trä­gen der Personen.

Abteilung I: Kommandantur

Lagerkommandant

  • Karl Otto Koch, Juli 1937 bis Dezem­ber 1941, im April 1945 in Buchen­wald von der SS hingerichtet
  • Her­mann Pis­ter, Janu­ar 1942 bis April 1945, zum Tode ver­ur­teilt und im Gefäng­nis an Herz­in­frakt gestorben

Adjutanten

  • Hart­wig Block, 1937, unbekannt
  • Johan­nes Wel­lers­haus, 1937, unbekannt
  • Hans Hüt­tig, 1938 bis 1939, 1954 in Metz durch ein fran­zö­si­sches Mili­tär­ge­richt zu lebens­lan­ger Haft ver­ur­teilt, leb­te bis 1980 in Wachen­heim an der Wein­stra­ße, Rheinland-Pfalz
  • Her­mann Hack­mann, 1939 bis 1940, vor 1945 mehr­fach zum Tode ver­ur­teilt, wegen Buchen­wald zum Tode ver­ur­teilt, 1948 begna­digt in lebens­lan­ge Frei­heits­stra­fe umge­wan­delt, 1955 ent­las­sen, gestor­ben 1994 in Uslar
  • Heinz Bün­ge­ler, 1941 bis 1942, 1943 in SS-Pan­zer­gre­na­dier-Divi­si­on „Toten­kopf“ in der Sov­jet­uni­on gefallen
  • Hans-Theo­dor Schmidt, 1942 bis 1945, 1951 nach Buchen­wald­pro­zess hingerichtet

Abteilung II: Politische Abteilung (Lager-Gestapo)

  • Wil­helm Fre­richs, 1937 bis 1941, ver­bleib unbe­kannt, zuletzt im Som­mer 1947 im Spe­zi­al­la­ger Nr. 2 Buchen­wald lebend gesehen
  • Wal­ter Ser­no, 1941 bis 1945, gestor­ben 1961 in Bremen

Abteilung III: Schutzhaftlagerführung

  • Arthur Rödl, 1937 bis 1940, Sui­zid im April 1945 mit Handgranate
  • Her­mann Flor­stedt, 1940 bis 1942, Ver­bleib unklar, angeb­lich von SS hin­ge­rich­tet, aber auch bei Schwä­ge­rin in Hal­le gese­hen und dann unter­ge­taucht, angeb­lich 1962 bei Kri­mi­nal­po­li­zei in Mainz gear­bei­tet. Ermitt­lun­gen ergeb­nis­los. Ober­staats­an­walt in Lud­wigs­burg sah Tod 1975 nicht als erwie­sen an.
  • Max Scho­bert, 1940 bis 1942, 1942 bis 1945, 1948 nach Buchen­wald­pro­zess hingerichtet
  • Jakob Wei­se­born, 1937 bis 1938, 1939 Sui­zid wegen Unter­schla­gun­gen im KZ Buchenwald
  • SS-Sturm­bann­füh­rer Hans Hüt­tig, 1938 bis 1939, 1954 in Metz durch ein fran­zö­si­sches Mili­tär­ge­richt zu lebens­lan­ger Haft ver­ur­teilt. 1956 ent­las­sen, gestor­ben 1980 in Wachen­heim, Rheinland-Pfalz. 
  • Wolf­gang Plaul, 1941, seit Kriegs­en­de verschollen
  • SS-Ober­sturm­füh­rer Erich Gust, 1942 bis 1944, Gust betrieb ab 1966 das Lokal „Hei­mat­hof“ in Mel­le, Nie­der­sach­sen. Dort speis­ten bekann­te Bon­ner Poli­ti­ker (z.B. Kai-Uwe von Has­sel und Wil­ly Brandt). Die Sta­si wuss­te, wo Gust sich auf­hielt und woll­te die Poli­ti­ker­kon­tak­te aus­nut­zen. Die west­deut­sche Jus­tiz hat ihn nie gefun­den. Gust ist 1992 in Mel­le gestorben.
  • Hans Mer­bach, 1945, wegen Ver­bre­chen bei Eva­ku­ie­rung von Buchen­wald zum Tode ver­ur­teilt und 1949 hingerichtet

Abteilung III/E: Arbeitseinsatz

  • Phil­ipp Grimm, 1940 bis 1942, Im Buchen­wald-Pro­zess zum Tod ver­ur­teilt, in lebens­läng­lich umge­wan­delt, 1954 ent­las­sen, 1984 in Bay­reuth, Bay­ern, gestorben.
  • SS-Haupt­sturm­füh­rer Albert Schwartz, 1942 bis 1945, Im Buchen­wald-Pro­zess zum Tod ver­ur­teilt, zu lebens­läng­lich umge­wan­delt, 1954 ent­las­sen, in lei­ten­der Posi­ti­on in der Indus­trie tätig,1984 in Ahrens­bök, Schles­wig-Hol­stein, gestorben.

Abteilung IV: Verwaltung (SS-Standortverwaltung)

  • Chris­ti­an Mohr, 1937
  • Karl Weich­sel­dor­fer, 1937 bis 1942
  • SS-Sturm­bann­füh­rer Otto Bar­ne­wald, 1942 bis 1945, Im Buchen­wald-Pro­zess zum Tod ver­ur­teilt, 1948 in lebens­läng­lich umge­wan­delt, 1954 ent­las­sen, 1973 in Rhein­hau­sen, NRW, gestorben. 

Abteilung V: Sanitätswesen (Standortarzt)

Standortarzt

  • SS-Ober­sturm­bann­füh­rer Wer­ner Kir­chert, 1937 bis 1938, Inhaf­tiert in Eich­stätt, 1953 in Mün­chen zu vier Jah­ren Zucht­haus ver­ur­teilt, Geschäfts­füh­rer bei der O.W.G‑Chemie in Kiel. Gestor­ben 1987 in Eitorf, NRW, Ermitt­lungs­ver­fah­ren der Staats­an­walt­schaft Würz­burg 1995 nach dem Tod Kir­cherts eingestellt
  • Hans Schlos­ser, 1939
  • Gus­tav Bus­se, 1939 bis 1941
  • SS-Haupt­sturm­füh­rer Wal­de­mar Hoven, 1942 bis 1943, 1945 von SS-Rich­ter wegen Mord zum Tod ver­ur­teilt im April 1945 aber wegen Ärz­te­man­gels ent­las­sen. 1947 im Nün­ber­ger Ärz­te­pro­zess zum Tode ver­ur­teilt und 1948 hingerichtet.
  • SS-Haupt­sturm­füh­rer Ger­hard Schied­laus­ky, 1943 bis 1945, 1947 zum Tod ver­ur­teilt und gehängt.

Weitere

Lagerärzte

  • SS-Haupt­sturm­füh­rer Hein­rich Pla­za, nach 1945 Arzt in Alt­öt­ting, Bay­ern, Lei­ter der Patho­lo­gie in Buchen­wald und betei­ligt am Mas­sen­mord, wegen Mul­ti­pler Skle­ro­se Ermitt­lungs­ver­fah­ren 1952 von der Staats­an­walt­schaft Traun­stein ein­ge­stellt, 1954 in Frank­reich in Abwe­sen­heit zum Tod ver­ur­teilt, 1968 in Alt­öt­ting gestorben.
  • Erwin Ding-Schul­er, Men­schen­ver­su­che, 1945 Sui­zid in ame­ri­ka­ni­scher Haft
  • Erich Wag­ner, 1948 aus Haft ent­flo­hen, leb­te unter Pseud­onym sechs Jah­re in Bay­ern, ab 1957 arbei­te­te er in der Pra­xis sei­ner Frau, 1958 Fest­nah­me und Ankla­ge, 1959 Suizid. 
  • August Ben­der, 1947 zu zehn Jah­ren Haft ver­ur­teilt, 1948 ent­las­sen, als Mit­läu­fer ent­na­zi­fi­ziert, von 1953 bis zur Auf­lö­sung der Kame­rad­schaft Düren 1993 Mit­glied in der Hilfs­ge­mein­schaft auf Gegen­sei­tig­keit der Ange­hö­ri­gen der ehe­ma­li­gen Waf­fen-SS e.V. (HIAG), gestor­ben 2005 in Düren, NRW.
  • SS-Haupt­sturm­füh­rer Hans Eise­le, 1943 im Dach­au-Pro­zess zum Tod ver­ur­teilt, Umwand­lung zu lebens­läng­lich, 1947 erneut Todes­ur­teil im Buchen­wald-Pro­zess, nach Über­prü­fung in zehn Jah­re Haft umge­wan­delt, 1952 ent­las­sen. Kas­sen­arzt in Mün­chen mit Exis­tenz­auf­bau­hil­fe. 1958 ande­re Anschul­di­gun­gen und Flucht nach Ägyp­ten. Wiki­pe­dia schreibt: „Unter dem ägyp­ti­schen Staats­prä­si­den­ten Gam­al Abdel Nas­ser waren seit Mit­te der fünf­zi­ger Jah­re deut­sche und öster­rei­chi­sche, zum gro­ßen Teil ehe­mals natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Wis­sen­schaft­ler ins Land gekom­men, die in mili­tä­ri­schen For­schungs­ein­rich­tun­gen an der Kon­struk­ti­on von Kampf­flug­zeu­gen und Mit­tel­stre­cken­ra­ke­ten betei­ligt waren, die Nas­ser für den Aus­bau der ägyp­ti­schen Vor­rang­stel­lung im Nahen Osten und spe­zi­ell für den Kampf gegen Isra­el benö­tig­te. In die­sen Krei­sen tauch­te auch Eise­le unter, nach­dem ein deut­sches Aus­lie­fe­rungs­ge­such abge­lehnt wor­den war.“ Anschlag des Mos­sad schug fehl. 1967 in Ägyp­ten gestorben.
  • SS-Unter­sturm­füh­rer Wer­ner Greu­nuss, zu lebens­läng­li­cher Haft ver­ur­teilt, auf 20 Jah­re redu­ziert, 1949 geflo­hen, Ver­bleib unklar.
  • Carl Eisen,
  • Lud­wig Ehrsam, 
  • Her­bert Gräff, 
  • Heinz Guda­cker,
  • Ari­bert Heim, 1945 ver­haf­tet, 1947 im Zuge einer Weih­nachts­am­nes­tie ent­las­sen, Ent­na­zi­fi­zie­rung, Haft­be­feh­le, 1962 Flucht nach Ägyp­ten, 1992 in Kai­ro gestor­ben. Der Wiki­pe­dia-Ein­trag ist wild, unbe­dingt dort lesen.
  • Peter Hofer,
  • Kon­rad Köbrich, 
  • Richard Krie­ger,
  • Vik­tor Lewe, 
  • SS-Haupt­sturm­füh­rer Karl-Wer­ner Maa­ßen „Nach Kriegs­en­de betrieb er eine Arzt­pra­xis in Kiel.“
  • Hans Mül­ler,
  • Heinz Neu­mann,
  • Ralf Rog­ge,
  • Wer­ner Roh­de, 1946 in Hameln hingerichtet
  • Wer­ner Stephan

Lagerzahnärzte

  • Georg Col­dew­ey,
  • SS-Ober­sturm­bann­füh­rer Hel­mut Johann­sen, gestor­ben 1994 Hamburg
  • Hans Fischer,
  • Ger­hard Palfer, 
  • Wal­ter Pongs, ab 1945 betrieb er eine Zahn­arzt­pra­xis in Wies­ba­den, Hessen.
  • Paul Reut­ter

SS-Sanitätsdienstgrade

Wachkompanie KZ Buchenwald

  • Paul Krö­ger
  • Arnold Büscher
  • Otto Försch­ner, 1942 bis 1943, 1945 im Dach­au­er Pro­zess zum Tod ver­ur­teilt und 1946 gehängt
  • SS-Ober­sturm­füh­rer Gui­do Rei­mer, 1943 bis 1944, 1947 zum Tod ver­ur­teilt, zu lebens­läng­li­cher Haft begna­digt, 1952 ent­las­sen, Ver­bleib unbekannt
  • Offi­zier der Wehr­macht ab 1944

Zusammenfassung

Wie auch beim Per­so­nal von Lich­ten­burg gab es unter den Buchen­wald-Nazis kei­nen ein­zi­gen, der in den Osten gegan­gen ist. Die SS-Män­ner sind alle hin­ge­rich­tet wor­den, nach Ägyp­ten geflo­hen oder nach Begna­di­gung (im Wes­ten) und Ent­las­sung im Wes­ten geblie­ben. Es gibt eini­ge, die geflo­hen sind und ande­re, bei denen der Ver­bleib unklar ist. Aber es steht zu ver­mu­ten, dass kei­ner von ihnen an die schö­ne Oder gezo­gen ist. Die Buchen­wald-SS war auch an der sys­te­ma­ti­schen Ermor­dung von Sowjet-Bür­gern betei­ligt und so ist es nicht ver­wun­der­lich, dass sie nicht in die SBZ bzw. die DDR zurück wollten.

Wie die­se Men­schen dann die Gesell­schaft in der BRD beein­flusst haben, steht nicht in Wiki­pe­dia, aber zumin­dest einer war in der Hilfs­ge­mein­schaft auf Gegen­sei­tig­keit der Ange­hö­ri­gen der ehe­ma­li­gen Waf­fen-SS e.V. (HIAG) organisiert.

Das soll­te man beden­ken, wenn man die­se Behaup­tun­gen hört, dass es in der DDR auch Nazis gege­ben habe. Ja, hat es, immer­hin gin­gen die Mit­glieds­num­mern der NSDAP bis 10 Mil­lio­nen. Aber die Fra­ge ist natür­lich, was für Nazis, in wel­chen Orga­ni­sa­tio­nen sie wie mit­ge­ar­bei­tet haben, wel­che Dienst­gra­de sie hat­ten, wenn es mili­tä­ri­sche Orga­ni­sa­tio­nen waren, und was aus ihnen dann spä­ter in der DDR im Ver­gleich zur BRD gewor­den ist.

Und eine HIAG gab es in der DDR nicht.

Nachtrag

03.11.2024: Mit­hil­fe von Lei­de (2011) habe ich einen KZ-Arzt gefun­den, der in den Osten gegan­gen ist: Horst Fischer

Als KZ-Arzt im KZ Ausch­witz III Mono­witz und Stell­ver­tre­ten­der Lager­arzt im gesam­ten Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ausch­witz war er von 1942 bis 1945 an Mor­den von Gefan­ge­nen in tau­send­fa­cher Zahl beteiligt.

Wiki­pe­dia­ein­trag Horst Fischer

Er hat bis 1964 unent­deckt als Land­arzt in Bran­den­burg praktiziert.

10.11.2025: Im Wiki­pe­dia-Ein­trag von Rai­ner Eppel­mann (Wehr­dienst­ver­wi­ge­rer und Pfar­rer in der DDR und Minis­ter für Ver­tei­di­gung und Abrüs­tung nach der Wen­de) kann man lesen, dass sein Vater in der SS war und in Buchen­wald und Sach­sen­hau­sen im Ein­satz war. Eppel­mann hat das erst nach der Wen­de erfah­ren. Dem Ein­trag für Eppel­mann bei der Bun­des­stif­tung Auf­ar­bei­tung kann man ent­neh­men, dass Eppel­manns Vater nach dem Mau­er­bau in West-Ber­lin geblie­ben ist. In den KZs hat­te er als Kraft­fah­rer gearbeitet.

Quellen

Lei­de, Hen­ry. 2011. NS-Ver­bre­cher und Staats­si­cher­heit: Die gehei­me Ver­gan­gen­heits­po­li­tik der DDR (Ana­ly­sen Und Doku­men­te: Wis­sen­schaft­li­che Rei­he Der Bun­des­be­auf­trag­ten Für Die Unter­la­gen Des Staats­si­cher­heits­diens­tes Der Ehe­ma­li­gen Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik (BStU) 28). 2nd edn. Göt­tin­gen: Van­den­hoeck & Ruprecht.

(Ost-)Deutsche Christen in Ost und West

In den letz­ten Jah­ren gibt es mit dem Erstar­ken der AfD wie­der eine grö­ße­re Debat­te zu Nazis in der DDR. Es wird immer wie­der die offi­zi­el­le Geschich­te des nazifrei­en Lan­des zitiert. Dass die DDR nazifrei war ist sicher nicht rich­tig, aber dass die Nazi-Dich­te gerin­ger war und dass sie eben nicht – im Unter­schied zu Nazi-Grö­ßen wie Hans Glob­ke und Hans Fil­bin­ger – in Füh­rungs­po­si­tio­nen waren ist und bleibt wahr. Im Wikip­deia-Arti­kel zu Rechts­extre­mis­mus in der DDR wer­den drei Per­so­nen exem­pla­risch genannt: Arno von Len­ski, Franz Füh­mann oder Erhard Mau­ers­ber­ger. Per­so­nen wie Arno von Len­ski habe ich schon in einem frü­he­ren Post bespro­chen. Len­ski war in Sta­lin­grad in sowje­ti­sche Gefan­gen­schaft gera­ten und hat dann die Sei­ten gewechselt:

Nach eini­gem Zögern trat Len­ski am 7. Mai 1944 dem Natio­nal­ko­mi­tee Frei­es Deutsch­land und dem Bund Deut­scher Offi­zie­re bei. Dafür wur­de er von einem Kriegs­ge­richt in Tor­gau in Abwe­sen­heit zum Tode ver­ur­teilt. Er war Mit­ar­bei­ter der Zei­tung und des Sen­ders Frei­es Deutsch­land in Luno­wo. Von Dezem­ber 1944 bis Mai 1945 stu­dier­te er Gesell­schafts­wis­sen­schaf­ten und Poli­ti­sche Öko­no­mie in der Anti­fa-Schu­le in Kras­no­gorsk. Von März 1946 bis August 1949 war er mili­tä­ri­scher Fach­be­ra­ter bei Mos­film für den Doku­men­tar­film Die Schlacht um Sta­lin­grad.

Wiki­pe­dia-Ein­trag von Len­ski, abge­ru­fen 22.06.2024

Franz Füh­mann war eben­falls auf einer Anti­fa-Schu­le und hat dann als Assis­tenz­leh­rer an Anti­fa-Schu­len gelehrt. Wenn wir über Faschis­mus und Faschis­ten reden, dann nicht über sol­che, die zu Antifaschist*innen wur­den, son­dern sol­che, die unbe­hel­ligt ihr Leben füh­ren konn­ten und es zum Teil noch füh­ren. Sol­che wie Karl M.:

Der drit­te Name ist Erhard Mau­ers­ber­ger, der Mit­ar­bei­ter des Insti­tuts zur Erfor­schung und Besei­ti­gung des jüdi­schen Ein­flus­ses auf das deut­sche kirch­li­che Leben war. Er hat dar­an mit­ge­wirkt, Kir­chen­lie­der umzu­dich­ten. Das wur­de zu DDR-Zei­ten nicht auf­ge­ar­bei­tet und ist in der Tat unakzeptabel.

Inter­es­sant ist, dass das Insti­tut sei­ne Mit­ar­bei­ter ver­öf­fent­licht hat, so dass man jetzt unter­su­chen kann, was aus den Nazis und Anti­se­mi­ten, die bis 1945 im Osten gelebt haben, gewor­den ist. Wiki­pe­dia hat eine lan­ge Lis­te mit Namen, von denen vie­le ver­linkt sind. Um zu zei­gen, dass nach dem Krieg weni­ger Nazis im Osten waren, muss man nur die Ost-Nazis anschau­en und unter­su­chen, wie vie­le von ihnen in den Wes­ten gegan­gen sind, denn es wird wohl kaum ein West-Nazi sein Leben auf­ge­ge­ben haben, um zu den Rus­sen in den Osten zu zie­hen. (Das setzt natür­lich eine Gleich­ver­tei­lung von Nazis in Ost und West direkt nach dem Krieg voraus.)

Die Wiki­pe­dia-Sei­te lis­tet die Mit­ar­bei­ter in drei Rubriken:

  • Mit­ar­bei­ter in kir­chen­lei­ten­der Funktion
  • Geist­li­che bzw. Pfarrer
  • Hoch­schul­leh­rer bzw. Akademiker

Im fol­gen­den sor­tie­re ich die Lis­ten nach Ster­be- oder Wohn­ort nach 1945 in West, Ost, unbekannt/irrelevant. Irrele­vant ist der Ster­be­ort zum Bei­spiel bei Per­so­nen, die in Kriegs­ge­fan­gen­schaft gestor­ben sind. Irrele­vant sind auch die­je­ni­gen, die schon vor Kriegs­en­de im Wes­ten waren.

In kirchenleitender Funktion

In den Westen gegangen 

  1. Bischof Fried­rich Peter, Ber­lin, gestor­ben 1960, Gro­nau, NRW „Obgleich Peter 1948 aus dem Pfarr­amt ent­las­sen wur­de, blie­ben ihm die geist­li­chen Rech­te erhal­ten. So erhielt er Beschäf­ti­gungs­auf­trä­ge in der Evan­ge­li­schen Kir­che von West­fa­len, zunächst in Oeding und seit 1953 in Gro­nau (Westf.).“
  2. Lan­des­bi­schof Walt­her Schultz, Schwe­rin, gestor­ben 1957 in Schna­cken­burg, Nie­der­sach­sen „Nach Kriegs­en­de wur­de Schultz, zusam­men mit Kon­sis­to­ri­al­prä­si­dent Her­mann Schmidt zur Ned­den, am 25. Juni 1945 von der bri­ti­schen Besat­zungs­macht ver­haf­tet und inter­niert. Zwei Tage spä­ter leg­te er sein Amt nie­der. Im Jah­re 1948 wur­de er aus dem Dienst der Lan­des­kir­che Meck­len­burgs ent­las­sen. Im Jah­re 1950 wur­de Schultz mit der pfarr­amt­li­chen Hil­fe­leis­tung in der St.-Dionysius-Kirchengemeinde Fal­ling­bos­tel in der Lüne­bur­ger Hei­de beauf­tragt. Als für die­se Auf­ga­be dort eine neue Pfarr­stel­le errich­tet wur­de, muss­te Schultz die Gemein­de ver­las­sen und über­nahm in Schna­cken­burg an der Elbe ein Gemein­de­pfarr­amt, das er bis zu sei­nem Tode innehatte.“
  3. Ober­kon­sis­to­ri­al­rat Theo­dor Ell­wein, Ber­lin, gestor­ben 1962 Mün­chen „Nach der Ent­las­sung im Dezem­ber 1949 wur­de er 1950 von kirch­li­cher Sei­te in den Ruhe­stand ver­setzt. Im Jah­re 1951 wur­de er Reli­gi­ons­leh­rer am Gym­na­si­um Pasing und Lehr­be­auf­trag­ter an der Leh­rer­bil­dungs­an­stalt Mün­chen-Pasing. Von 1954 bis 1961 war er Lei­ter der Päd­ago­gi­schen Arbeits­stel­le der Evan­ge­li­schen Aka­de­mie Bad Boll bei Göp­pin­gen. 1955 war er Mit­glied der Stu­di­en­kom­mis­si­on für Leh­rer­bil­dung („Tutz­in­ger Emp­feh­lun­gen“) in der Evan­ge­li­schen Aka­de­mie Tutz­ing. 1961 trat er in den Ruhestand.“
  4. Ober­kon­sis­to­ri­al­rat Hans Hohl­wein, Eisen­ach, gestor­ben 1996 in Solin­gen „Nach 1945 wirk­te Hohl­wein als theo­lo­gi­scher Hilfs­ar­bei­ter in der Props­tei Hal­ber­stadt, und von 1947 bis 1951 ver­wal­te­te er die Pfarr­stel­le Heu­de­ber in der Kir­chen­pro­vinz Sach­sen. Im Jah­re 1951 erfolg­te sei­ne Über­sied­lung in die Bun­des­re­pu­blik Deutschland.“
  5. Kir­chen­rat Wil­helm Bau­er, Eisen­ach, gestor­ben 1969 in Bay­ern „In dem von ihm 1935 her­aus­ge­ge­be­nen Buch „Fei­er­stun­den Deut­scher Chris­ten“ kamen neben Bibel­zi­ta­ten auch Autoren wie Adolf Hit­ler zu Wort. Zugleich betä­tig­te er sich als Schrift­lei­ter der Zeit­schrift „Deut­sche Fröm­mig­keit“, in der die Posi­tio­nen der Deut­schen Chris­ten ver­tre­ten wur­den. In einer ihrer Aus­ga­ben bekun­de­te er: „Wir sind Natio­nal­so­zia­lis­ten. Der Natio­nal­so­zia­lis­mus bedeu­tet uns die Wie­der­auf­rich­tung einer wahr­haf­ten Volks­ord­nung auf dem Grun­de der ewi­gen Geset­ze unse­res Blu­tes und unse­rer Hei­mat­er­de.“ Im Jah­re 1939 erklär­te er sei­ne Mit­ar­beit am Insti­tut zur Erfor­schung und Besei­ti­gung des jüdi­schen Ein­flus­ses auf das deut­sche kirch­li­che Leben. Zu Beginn der 1940er Jah­re wur­de er stell­ver­tre­ten­der Stu­di­en­lei­ter des Thü­rin­ger Pre­di­ger­se­mi­nars. Nach der Befrei­ung vom Natio­nal­so­zia­lis­mus leb­te Bau­er in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, publi­zier­te dort wei­ter und starb in einem Ort des Frei­staats Bayern.“
  6. Lan­des­su­per­in­ten­dent Fried­rich Kent­mann, Güs­trow, gestor­ben 1953 in Ham­burg „Nach dem Ende von Natio­nal­so­zia­lis­mus und Zwei­tem Welt­krieg 1945 wur­de er sei­nes Amtes als Lan­des­su­per­in­ten­dent ent­ho­ben und vom pfarr­amt­li­chen Dienst sus­pen­diert. Sein Nach­fol­ger als Lan­des­su­per­in­ten­dent wur­de mit Wir­kung vom 1. Okto­ber 1945 der Güs­trower BK-Pas­tor Sibrand Sie­gert (1890–1954). 1950 erfolg­te die Ent­las­sung Kent­manns aus dem Dienst der meck­len­bur­gi­schen Landeskirche.“
  7. Super­in­ten­dent Ger­hard Span­gen­berg, Alten­wed­din­gen, gestor­ben 1975 in Dül­men, NRW „Bis zum Antritt der Pfarr­stel­le im west­fä­li­schen Dül­men, wo er bis zu sei­nem Tod leb­te, arbei­te­te er als Ver­wal­ter einer Obst­fir­ma und spä­ter als Kran­ken­haus­ver­wal­ter. Die Kir­chen­lei­tun­gen ver­lang­ten zur Wie­der­auf­nah­me in den Dienst zunächst die Wie­der­ho­lung des Ordi­na­ti­ons­ge­lüb­des, ein Kol­lo­qui­um und die zeit­wei­li­ge Tätig­keit als Hilfs­pre­di­ger, was er ablehn­te. Den­noch stimm­te 1955 die Kir­chen­lei­tung in Bie­le­feld sei­ner Wahl zum Pfar­rer der Gemein­de in Dül­men zu, wo er nach sei­nem Ruhe­stand auch als Mili­tär­pfar­rer wirkte.“

Im Osten geblieben

  1. Reichs­vi­kar Fritz Engel­ke, Schwe­rin, gestor­ben 1956 in Schwe­rin „Nach 1945 wirk­te er als Pas­tor der Evan­ge­lisch-Luthe­ri­schen Lan­des­kir­che Meck­len­burgs in Schwe­rin. Ab 1950 ver­trat er den im Gulag Worku­ta inhaf­tier­ten Aurel von Jüchen an der Kir­che St. Niko­lai (Schelf­kir­che) Schwerin.
  2. Ober­lan­des­kir­chen­rat Wil­ly Kretz­schmar, Dres­den, gestor­ben 1962 in Dres­den „Nach Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges 1945 erfolg­te zunächst sei­ne Ent­las­sung aus dem akti­ven Kir­chen­dienst. 1946 stell­te er den erfolg­rei­chen Antrag auf Reha­bi­li­tie­rung, in dem er sei­ne Mit­ar­beit im „Ent­ju­dungs­in­sti­tut“ in Eisen­ach extrem her­un­ter­spiel­te. In sei­nem Reha­bil­tie­rungs­an­trag an das säch­si­sche Lan­des­kir­chen­amt in Dres­den stell­te er sich selbst „als Ver­führ­ten der NSDAP“ dar. Spä­tes­tens seit 1939 habe er sich „zu akti­ven Geg­ner des NS-Regimes gewan­delt“ und sich anti­na­tio­na­lis­tisch und par­tei­schäd­lich ver­hal­ten sowie Grund­sät­ze der NSDAP bekämpft. 1959 ging Kretz­schmar als kirch­li­cher Finanz­ver­wal­ter der Lan­des­kir­che Sach­sens in den Ruhestand.“
  3. Ober­lan­des­kir­chen­rat Hein­rich Seck, Dres­den, gestor­ben 1947 in Stadt Weh­len „In die­ser Eigen­schaft und als Mit­glied der Deut­schen Chris­ten war er Mit­ar­bei­ter am Insti­tut zur Erfor­schung und Besei­ti­gung des jüdi­schen Ein­flus­ses auf das deut­sche kirch­li­che Leben und wur­de des­halb nach Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges 1945 aus dem akti­ven Kir­chen­dienst ent­las­sen. Er zog in die Säch­si­sche Schweiz, wo er im Alter von 51 Jah­ren in Stadt Weh­len starb.“
  4. Ober­kir­chen­rat Fried­rich Busch­töns, Ber­lin, gestor­ben 1962 in Ber­lin „1945 über­nahm er die Auf­sicht über die kirch­li­chen Ver­mö­gens­wer­te im Schloss Ilsen­burg und wenig spä­ter über das kirch­li­che Flücht­lings­la­ger in Stol­berg. 1946 wur­de Busch­töns in den Ruhe­stand ver­setzt. Er hat aber auch danach noch pfarr­amt­li­che Diens­te geleis­tet, so etwa in Klein­mach­now. 1955 gehör­te er zum Her­aus­ge­ber- und Redak­ti­ons­kreis der vom ZK der SED ange­reg­ten Zeit­schrift Glau­be und Gewis­sen: eine pro­tes­tan­ti­sche Monats­schrift.
  5. Kir­chen­rat Erhard Mau­ers­ber­ger, Eisen­ach, gestor­ben 1982 Leip­zig, Chor­lei­ter, Lei­ter Bach-Komi­tee, 1972 bei poli­ti­scher Säu­be­rung aus Chor­lei­tung entfernt. 

Unbekannt / irrelevant

  1. Lan­des­bi­schof Mar­tin Sas­se, Eisen­ach, gestor­ben 1942 an Schlaganfall
  2. Lan­des­bi­schof Erwin Bal­zer, Lübeck
  3. Lan­des­bi­schof Adal­bert Paul­sen, Kiel
  4. Bischof Wil­helm Sta­edel, Her­mann­stadt
  5. Bischof Hein­rich Josef Ober­heid, Bad Godesberg
  6. Prä­si­dent Chris­ti­an Kin­der, Kiel
  7. Prä­si­dent Fried­rich Wer­ner, Ber­lin-Char­lot­ten­burg
  8. Vize­prä­si­dent Hahn, Berlin-Charlottenburg
  9. Ober­kir­chen­rat Johan­nes Sie­vers, Lübeck
  10. Super­in­ten­dent Thie­me, Solingen
  11. Dekan Wal­ter Mulot, Wiesbaden
  12. Ober­kir­chen­rat Fröh­lich, Leipzig
  13. Ober­kon­sis­to­ri­al­rat Schön­rock, Schwerin
  14. Ober­kon­sis­to­ri­al­rat Schultz, Schwerin
  15. Ober­kon­sis­to­ri­al­rat Wie­ne­ke, Berlin
  16. Kir­chen­re­gie­rungs­rat Erwin Brau­er, Eisen­ach, gestor­ben 1946 Buchen­wald „Nach der Befrei­ung vom Natio­nal­so­zia­lis­mus ver­lor er sei­ne Ämter und wur­de von den sowje­ti­schen Mili­tär­be­hör­den im Spe­zi­al­la­ger Nr. 2 in Buchen­wald inter­niert, wo er am 19. Dezem­ber 1946 verstarb.“
  17. Kir­chen­rat Ger­hard Braun­schweig, Dresden
  18. Kon­sis­to­ri­al­rat Hans Pohl­mann, Schnei­de­mühl
  19. Gene­ral­su­per­in­ten­dent Hans Schött­ler, Buch­schlag
  20. Lan­des­su­per­in­ten­dent Hans Hein­rich Fölsch, Neustrelitz
  21. Lan­des­ju­gend­pfar­rer Gar­ten­schlä­ger, Potsdam
  22. Kir­chen­rat Volk­mar Franz, Eisenach
  23. Propst Johan­nes Grell (1875–1947), Lei­ter der Kir­chen­pro­vinz Grenz­mark Posen-West­preu­ßen, Schneidemühl
  24. Super­in­ten­dent Krü­ger, Sagan
  25. Super­in­ten­dent Hugo Pich, Eisen­ach

Zwi­schen­fa­zit: Von den Nazi-Chris­ten mit kirch­li­cher Funk­ti­on im Osten sind 7 in den Wes­ten gegan­gen und 5 im Osten geblie­ben. Das bedeu­tet ers­tens, dass die Mehr­heit in den Wes­ten gegan­gen ist und zwei­tens, dass es im Osten sie­ben Nazis weni­ger und im Wes­ten sie­ben Nazis mehr gab als vor der Befreiung.

Geistliche bzw. Pfarrer

Die Lis­te der Geist­li­chen ist lang. Nur weni­ge sind in Wiki­pe­dia ver­linkt. Ich lis­te hier nur die ver­link­ten auf.

In den Westen gegangen 

  1. Pfar­rer Her­men­au, Pots­dam, gestor­ben 1981 Wies­ba­den „Im Jah­re 1939 erklär­te er sei­ne Mit­ar­beit am Insti­tut zur Erfor­schung und Besei­ti­gung des jüdi­schen Ein­flus­ses auf das deut­sche kirch­li­che Leben. In zahl­rei­chen Publi­ka­tio­nen ver­trat er sei­ne Über­zeu­gung von der Rol­le der deut­schen Frau im Reich Adolf Hit­lers. […] 1972: Ver­dienst­kreuz 1. Klas­se der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land“ Zur Ent­na­zi­fi­zie­rung und zum Grund für das Bun­des­ver­dienst­kreuz steht nichts in Wikipedia. 
  2. Pfar­rer Hosen­thien, Mag­de­burg, gestor­ben 1972 in Braun­schweig „1949 folg­te Albert Hosen­thien sei­nem Sohn und zog nach Fort Bliss in El Paso (Texas), kehr­te jedoch, da er mit den dor­ti­gen Gege­ben­hei­ten nicht zurecht­kam, 1954 wie­der nach Deutsch­land zurück. Da die Regi­on Mag­de­burg jetzt in der DDR lag, sie­del­te er sich in Braun­schweig, im west­li­chen Teil Deutsch­lands an. Er arbei­te­te hier auch wie­der als Pfarrer.“
  3. Pfar­rer Hun­ger, Eisen­ach, gestor­ben 1995 Müns­ter, NRW „Nach 1945 ori­en­tier­te er sich auf das Gebiet der Sexu­al­erzie­hung, was ihm den Spitz­na­men „Sex-Hun­ger“ ein­trug. Bis Ende der 1960er Jah­re publi­zier­te er sei­ne christ­lich-kon­ser­va­ti­ve Sexu­al­mo­ral im Güters­lo­her Ver­lags­haus. Er wur­de auch Redak­ti­ons­lei­ter der Zeit­schrift Der evan­ge­li­sche Reli­gi­ons­leh­rer an der Berufs­schu­le, die vom Schrif­ten­mis­si­ons­ver­lag Glad­beck her­aus­ge­ge­ben wurde.“ 
  4. Pfar­rer Kers­ten-Thie­le, Köthen, gestor­ben 1988 Göt­tin­gen, Nie­der­sach­sen „Nach 1945 wirk­te Kers­ten-Thie­le im Vor­stand der Deut­schen Ost­asi­en-Mis­si­on und publi­zier­te in deren Sin­ne meh­re­re Bücher. 1948 war er Pfar­rer in Göt­tin­gen-Gro­ne und 1954 in Düs­sel­dorf. Von 1960 bis 1964 war er Reli­gi­ons­leh­rer am Rethel-Gym­na­si­um (bzw. Jaco­bi-Gym­na­si­um) Düs­sel­dorf und zwi­schen 1968 und 1973 war er als Pas­tor in Sereetz tätig. Anschlie­ßend ging er in die Rhei­ni­sche Lan­des­kir­che zurück.“ 
  5. Pfar­rer Kuhl, Ber­lin, gestor­ben 1959 Kas­sel „Spä­te­re Wohn­sit­ze waren Nord­kir­chen, wo er von 1949 bis 1956 Pfar­rer war. Hier grün­de­te er einen Kirch­bau­ver­ein, um in Nord­kir­chen ein Gemein­de­zen­trum schaf­fen zu kön­nen. Im Jahr 1956 wur­de ihm von der evan­ge­lisch-theo­lo­gi­schen Fakul­tät der Uni­ver­si­tät Bonn die Ehren­dok­tor­wür­de ver­lie­hen. Nach­dem Kuhl 1957 in den Ruhe­stand gegan­gen war, leb­te er bis zu sei­nem Tod 1959 in Kas­sel und hin­ter­ließ eine Frau und zwei Kin­der. In sei­nen letz­ten Lebens­jah­ren hat­te er einen Lehr­auf­trag an der Georg-August-Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen. Gemein­sam mit Bo Rei­cke arbei­te­te er ab 1958 am Biblisch-his­to­ri­schen Hand­wör­ter­buch für den Ver­lag Van­den­hoeck & Ruprecht. Kuhl war von 1921 bis zu sei­nem Tod Mit­glied der Deut­schen Mor­gen­län­di­schen Gesellschaft.“
  6. Pfar­rer Schmidt-Claus­ing, Pots­dam-Babels­berg, gestor­ben 1984 in West-Ber­lin „Nach dem Zwei­ten Welt­krieg lei­te­te Schmidt-Claus­ing den Wie­der­auf­bau der Gemein­de von 1947 bis 1962 als Pfar­rer an der Ber­li­ner Kai­ser-Fried­rich-Gedächt­nis­kir­che. In der Kir­chen­rui­ne wur­de die ein­zi­ge ver­blie­be­ne Glo­cke wie­der gang­bar gemacht und bis in die 1950er Jah­re zum Begrü­ßungs­läu­ten für die Ber­li­ner Russ­land­heim­keh­rer benutzt. Im begin­nen­den Kal­ten Krieg setz­te Schmidt-Claus­ing damit ein poli­ti­sches Zei­chen und mach­te sei­ne Gemein­de bekannt – bis hin zur US-ame­ri­ka­ni­schen Wochen­schau, die das The­ma dank­bar auf­nahm. Fritz Schmidt-Claus­ing starb in einem West-Ber­li­ner Pfle­ge­heim und wur­de auf dem Fried­hof Wil­mers­dorf beigesetzt.“

Hans-Joa­chim Thi­lo hat sich neu­ori­en­tiert, so dass ich ihn hier extra auf­zäh­le. Prin­zi­pi­ell ist das bei den sechs oben genann­ten Per­so­nen natür­lich auch denk­bar, es steht aber ncihts dazu­in Wikipedia.

  1. Pas­tor Thi­lo, Pir­na, gestor­ben 2003 in Lübeck „Thi­los Erfah­run­gen im Kriegs­dienst, sei­ne Ver­wun­dung bei Kiew und sei­ne Kriegs­ge­fan­gen­schaft, zunächst in Kana­da, dann in Eng­land, führ­ten ihn zu einem Umden­ken und Neu­an­fang. Im Dezem­ber 1947 kehr­te er nach Deutsch­land zurück und erhielt eine Pfarr­stel­le der Kir­chen­ge­mein­de am Liet­zen­see in Ber­lin-Witz­le­ben. Gleich­zei­tig bau­te er hier die kirch­li­che Bera­tungs­ar­beit auf. Von 1956 bis 1961 wirk­te er an der Deut­schen Evan­ge­lisch-Luthe­ri­schen Kir­che in Genf. Anschlie­ßend war er Refe­rent an der Evan­ge­li­schen Aka­de­mie Bad Boll, bis er 1966 zum Pas­tor der Mari­en­kir­che in Lübeck beru­fen wur­de, wo er bis zu sei­ner Pen­sio­nie­rung wirk­te. 1973 habi­li­tier­te er sich an der Uni­ver­si­tät Ham­burg für das Fach Prak­ti­sche Theo­lo­gie. Er blieb Gemein­de­pas­tor, hielt jedoch regel­mä­ßig Lehr­ver­an­stal­tun­gen in Ham­burg. 1979 wur­de ihm der Titel Pro­fes­sor verliehen.“

Im Osten geblieben

  1. Ober­pfar­rer Ungern von Stern­berg, Ron­ne­burg, gestor­ben 1949 in Gera „Noch im Janu­ar 1945 gehör­te er zu den Thü­rin­ger Pröps­ten, die den DC-Kir­chen­prä­si­den­ten Hugo Rönck dazu dräng­ten, den Bischofs­ti­tel anzu­neh­men.[2] Auf­grund des Geset­zes zur Über­prü­fung der Pfar­rer­schaft und der Ver­wal­tung der Thü­rin­ger evan­ge­li­schen Kir­che (Rei­ni­gungs­ge­setz) vom 12. Dezem­ber 1945 wur­de Ungern-Stern­berg aus dem Pfarr­dienst ent­las­sen und die Dienst­be­zeich­nung „Super­in­ten­dent im War­te­stand“ wur­de ihm aberkannt. Er wur­de aber zunächst kom­mis­sa­risch als Pfar­rer in Ron­ne­burg wei­ter­be­schäf­tigt, ab dem 1. Dezem­ber 1947 wur­de er dann wie­der offi­zi­ell als Pfar­rer in Nie­der­pöll­nitz eingesetzt.“
  2. Pfar­rer Busch, Dres­den, gestor­ben 1952, Pir­na, Sachsen 
  3. Pfar­rer Del­ling, Leip­zig, gestor­ben 1986 in Hal­le „Im Jah­re 1945 geriet Del­ling in Däne­mark in Kriegs­ge­fan­gen­schaft und wirk­te bis 1947 als Seel­sor­ger im Inter­nie­rungs­la­ger Aar­hus. Nach sei­ner Ent­las­sung ging er nach Pom­mern und erhielt 1947 einen Lehr­auf­trag an der Ernst-Moritz-Arndt-Uni­ver­si­tät Greifs­wald. 1948 habi­li­tier­te er sich hier mit der Schrift Got­tes­dienst im Neu­en Tes­ta­ment (gedruckt 1952) für das Fach Neu­es Tes­ta­ment. Im Jah­re 1950 wur­de Del­ling als Pro­fes­sor mit Lehr­auf­trag an die Mar­tin-Luther-Uni­ver­si­tät Hal­le-Wit­ten­berg beru­fen, 1952 bekam er den vol­len Lehr­auf­trag, die Beför­de­rung zum Pro­fes­sor mit Lehr­stuhl für spät­an­ti­ke Reli­gi­ons­ge­schich­te erfolg­te 1953. 1955 erhielt er durch Kurt Aland, dem Lei­ter der Kom­mis­si­on für spät­an­ti­ke Reli­gi­ons­ge­schich­te der Deut­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten zu Ber­lin, eine Stel­le zur Reor­ga­ni­sa­ti­on des Cor­pus Hel­le­ni­sti­cum. 1955/56 über­nahm Del­ling eine Gast­pro­fes­sur an der Uni­ver­si­tät Leip­zig, eine Beru­fung kam jedoch eben­so wenig zustan­de wie die von Tei­len der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät in den 1960er Jah­ren gewünsch­te Ver­set­zung nach Ber­lin. An der Uni­ver­si­tät Hal­le bau­te Del­ling das Insti­tut für spät­an­ti­ke Reli­gi­ons­ge­schich­te auf, dem er seit 1963 als Direk­tor vor­stand. Nach der IV. Hoch­schul­re­form wur­de Del­ling 1969 zum ordent­li­chen Pro­fes­sor ernannt und 1970 eme­ri­tiert. Del­ling forsch­te vor allem zur Über­lie­fe­rungs­ge­schich­te des Neu­en Tes­ta­ments und zum anti­ken Juden­tum (Das Zeit­ver­ständ­nis des Neu­en Tes­ta­ments, 1940; Jüdi­sche Leh­re und Fröm­mig­keit in den para­li­po­me­na Jere­miae, 1967; gesam­mel­te Auf­sät­ze: Stu­di­en zum Neu­en Tes­ta­ment und zum hel­le­nis­ti­schen Juden­tum, 1950–1968, 1970; Stu­di­en zum Früh­ju­den­tum, 1971–1987, 2000). Außer­dem gab er Biblio­gra­phien zur jüdisch-hel­le­nis­ti­schen For­schung her­aus und arbei­te­te am Cor­pus Hel­le­ni­sti­cum Novi Tes­ta­men­ti mit. Die Uni­ver­si­tät Greifs­wald ver­lieh ihm 1964 die Ehren­dok­tor­wür­de. Del­ling ver­starb am 18. Juni 1986, im Alter von 81 Jah­ren, in Halle.“
  4. Pfar­rer Ohl­and, Unkero­da (Thü­rin­gen), gestor­ben 1953 in Frie­dels­hau­sen, Thü­rin­gen „Im Jah­re 1946 ver­lor Ohl­and sein Amt, durf­te aber seit 1948 in Beh­run­gen als Pfarr­vi­kar wie­der amtie­ren, seit 1952 als Pfar­rer in Friedelshausen.“

Irrelevant

  1. Pfar­rer Dungs, Essen
  2. Pfar­rer Jäger, Frei­burg
  3. Pfar­rer Peters­mann, Bres­lau
  4. Pfar­rer Rie­ge, Lübeck
  5. Pfar­rer Joseph Roth, Diers­heim, gestor­ben 1941 Tirol
  6. Pas­tor Dungs, Wei­mar, gestor­ben 1947 durch Hin­rich­tung oder 1949 in Haft

Zwi­schen­fa­zit: Von den Nazi-Pfar­rern im Osten sind 7 in den Wes­ten gegan­gen und 4 im Osten geblie­ben. Zählt man Hans-Joa­chim Thi­lo zu den irrele­van­ten Fäl­len, weil es bei ihm ein Umden­ken und Neu­an­fang gab, blei­ben 6 in den Wes­ten gegan­ge­ne, die zu den Nazis, die ohne­hin aus dem Wes­ten waren, dazu­ge­kom­men sind und den Osten ver­las­sen haben.

Hochschullehrer bzw. Akademiker

In den Westen gegangen

  1. Johan­nes Hem­pel, Ber­lin, gestor­ben 1964 in Göt­tin­gen „Er über­nahm die Her­aus­ge­ber­schaft der Zeit­schrift für die alt­tes­ta­ment­li­che Wis­sen­schaft. Im Jah­re 1937 wur­de er nach Ber­lin beru­fen und lei­te­te das Insti­tu­tum Judai­cum zur Erfor­schung des Juden­tums „vom Boden der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Welt­an­schau­ung aus“. Im Jah­re 1939 erklär­te Hem­pel sei­ne Mit­ar­beit am Insti­tut zur Erfor­schung und Besei­ti­gung des jüdi­schen Ein­flus­ses auf das deut­sche kirch­li­che Leben als Lei­ter der Arbeits­grup­pe Altes Tes­ta­ment. Auf der Arbeits­ta­gung im März 1941 refe­rier­te er über Die Auf­ga­be von Theo­lo­gie und Kir­che von der Front her gese­hen. Wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges fun­gier­te er als Mili­tär­pfar­rer. Das Kriegs­en­de erleb­te er 1945 in einem Laza­rett an der Nord­see. Im Jah­re 1947 wur­de Hem­pel Pfarr­ver­we­ser in Salz­git­ter-Lebens­tedt, einem Ort im Gebiet der Braun­schwei­gi­schen Lan­des­kir­che. Im Jah­re 1955 wur­de er Hono­rar­pro­fes­sor in Göt­tin­gen und betrieb ab 1958 als Eme­ri­tus sei­ne wis­sen­schaft­li­che Arbeit wei­ter, beson­ders für die von ihm betreu­te Zeitschrift.“
  2. Wolf Mey­er-Erlach, Jena, gestor­ben 1982 in Idstein, Hes­sen „Im Jah­re 1945 ging er aller Ämter ver­lus­tig, auch eine Wie­der­ein­stel­lung in der baye­ri­schen Lan­des­kir­che blieb ihm ver­sagt. 1950 flüch­te­te Mey­er-Erlach aus der DDR. Von 1951 bis 1963 wur­de er Pfarr­ver­wal­ter in Wall­ra­ben­stein und Wörs­dorf bei Idstein im Tau­nus (Evan­ge­li­sche Kir­che in Hes­sen und Nas­sau). Von ihm wur­den his­to­ri­sche Sujets wie das Stück „Anno 1634“ aufgeführt.“
  3. Max Adolf Wagen­füh­rer, Jena, gestor­ben 2010 irgend­wo im Wes­ten „Nach dem Ende des Zwei­ten Welt­kriegs kam er an die Luther­kir­che nach Köln-Nip­pes und wur­de zunächst in den Pfarr­dienst der Rhei­ni­schen Kir­che über­nom­men. 1949 wur­de er wegen sei­ner feh­len­den Ordi­na­ti­on vor­über­ge­hend sus­pen­diert und wech­sel­te in den Schul­dienst. 1953 kam er zurück in den Pfarr­dienst, wur­de ordi­niert und erhielt eine Beru­fung an die neu­erbau­te Erlö­ser­kir­che in Wei­den­pesch. Von 1970 bis 1982 war er Pfar­rer in Prien am Chiemsee.“

Im Osten geblieben

  1. Richard Barth, Jena, gestor­ben nach 1946 „Nach der Befrei­ung vom Natio­nal­so­zia­lis­mus ver­lor er sein Amt. Ab 1946 arbei­te­te er als Grund­schul­leh­rer in Jena.“
  2. Paul Fie­big, Leip­zig, gestor­ben 1949 in Kal­be Sach­sen Anhalt 
  3. Rein­hard Lie­be, Frei­berg (Sach­sen), gestor­ben 1956 in Frei­berg. Der Wiki­pe­dia-Ein­trag lässt zu wün­schen übrig.
  4. Heinz Erich Eisen­huth, Jena, gestor­ben 1983 Pferdsdorf/Werra, Thü­rin­gen „Nach­dem er 1945 aus dem Uni­ver­si­täts­dienst ent­las­sen wor­den war, wur­de er 1946 zunächst kom­mis­sa­risch, spä­ter im Haupt­amt Pfar­rer in Jena-Zwät­zen. 1952 wur­de er Super­in­ten­dent in Eisen­ach. Anders als in der For­schungs­li­te­ra­tur bis­wei­len behaup­tet wird, über­nahm er jedoch nie die Lei­tung der Evan­ge­li­schen Aka­de­mie Thü­rin­gen. Er gehör­te aber zeit­wei­se der Syn­ode an und erhielt meh­re­re Lehr­auf­trä­ge am Theo­lo­gi­schen Semi­nar Leip­zig. Nach­dem er 1967 in den War­te­stand getre­ten war, ging er 1969 in den Ruhestand.“
  5. Wil­helm Knevels, Ros­tock, gestor­ben 1978 in West-Ber­lin „Im Jah­re 1950 erhielt er einen Lehr­auf­trag an der Mar­tin-Luther-Uni­ver­si­tät Hal­le-Wit­ten­berg. Nach sei­ner Eme­ri­tie­rung leb­te er in West-Ber­lin und wirk­te dort wei­ter an der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin. Er ist auf dem Wald­fried­hof Dah­lem bestat­tet. Auf dem Grab­stein steht unter den Lebens­da­ten: „Theo­lo­ge des drit­ten Weges / = Selbst­be­sin­nung des Glau­bens / zwi­schen Fun­da­men­ta­lis­mus / und Exis­ten­zi­al­theo­lo­gie / Unser Glau­be ist der Sieg / der die Welt über­win­det“.“ Knevels ist 1897 geboh­ren, die Eme­ri­tie­rung muss also gegen 1962 gewe­sen sein. Ich lis­te ihn hier unter Im Osten geblie­ben, weil er sein gesam­tes Berufs­le­ben im Osten ver­bracht hat.
  6. Wil­helm Koepp, Greifs­wald, gestor­ben 1965 Klein­mach­now „1952 erhielt er den Lehr­stuhl an der Uni­ver­si­tät Ros­tock. 1954 eme­ri­tiert, lehr­te er noch bis zu sei­nem Tode an der Uni­ver­si­tät Ros­tock weiter.“
  7. Johan­nes Lei­poldt, Leip­zig, gestor­ben 1965 in Leip­zig „Nach 1945 war er Dom­herr des Hoch­stifts Mei­ßen und erhielt eine Pro­fes­sur mit Lehr­stuhl für Neu­tes­ta­ment­li­che Wis­sen­schaft in Leip­zig. Er wur­de als ordent­li­ches Mit­glied in die Säch­si­sche Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten auf­ge­nom­men und 1954 mit dem Vater­län­di­schen Ver­dienst­or­den in Sil­ber und 1960 in Gold aus­ge­zeich­net. […] Lei­poldt war von 1953 bis 1963 als Ver­tre­ter der CDU Abge­ord­ne­ter der Volkskammer.“
  8. Her­bert von Hint­zen­s­tern, Eisen­ach, gestor­ben 1996 in Wei­mar „Seit August 1945 war er in Lauscha, ab 1948 als Pfar­rer. Dort trat er der DDR-CDU bei, sein Par­tei­aus­tritt erfolg­te zum 1. Mai 1947. Im Jah­re 1952 wur­de er zum Lan­des­ju­gend­pfar­rer der Evan­ge­lisch-Luthe­ri­schen Kir­che in Thü­rin­gen beru­fen. Seit 1956 lei­te­te er die Evan­ge­li­sche Aka­de­mie Thü­rin­gen und die Pres­se­stel­le der Kir­che. Gleich­zei­tig wur­de er zum Chef­re­dak­teur der Kir­chen­zei­tung Glau­be und Hei­mat beru­fen. 1962 wur­de er zum Kir­chen­rat ernannt. Von 1968 bis 1986 war er neben­amt­li­cher Lei­ter des Pfarr­haus­ar­chivs im Luther­hau­ses in Eisen­ach. 1981 ging er in den Ruhestand.“
  9. Rudolf Mey­er, Leip­zig, gestor­ben 1991 in Jena, Thü­rin­gen „Im Jah­re 1947 wur­de er außer­plan­mä­ßi­ger Pro­fes­sor und 1948 […] Ordi­na­ri­us für Altes Tes­ta­ment an der Fried­rich-Schil­ler-Uni­ver­si­tät Jena. Hier unter­rich­te­te er Gene­ra­tio­nen von Theo­lo­gie­stu­den­ten in Hebrä­isch, der Geschich­te des Vol­kes Isra­el und der Theo­lo­gie des Alten Tes­ta­ments. Zusam­men mit […] wur­de ihm 1952 von der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin die Ehren­dok­tor­wür­de ver­lie­hen. Mey­er war seit 1959 ordent­li­ches Mit­glied der Säch­si­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten und seit 1978 kor­re­spon­die­ren­des Mit­glied der Hei­del­ber­ger Aka­de­mie der Wissenschaften.“
  10. Sieg­fried Morenz, Leip­zig, gestor­ben 1970 Leip­zig „Morenz wur­de 1946 Dozent an der Uni­ver­si­tät Leip­zig und habi­li­tier­te sich im sel­ben Jahr bei Wil­helm Schub­art mit einer Schrift zu Ägyp­tens Bei­trag zur wer­den­den Kir­che. Ab 1948 lei­te­te Morenz, zunächst kom­mis­sa­risch, das Ägyp­to­lo­gi­sche Insti­tut der Uni­ver­si­tät Leip­zig. Im Febru­ar 1952 wur­de er Pro­fes­sor mit Lehr­auf­trag, im Sep­tem­ber des Jah­res mit vol­lem Lehr­auf­trag und zwi­schen 1954 und 1961 schließ­lich als Lehr­stuhl­in­ha­ber für Ägyp­to­lo­gie und hel­le­nis­ti­sche Reli­gi­ons­ge­schich­te. Zwi­schen 1952 und 1958 nahm Morenz zudem neben­amt­lich die Lei­tung der Ägyp­ti­schen Abtei­lung der Staat­li­chen Muse­en zu Ber­lin in Ost-Ber­lin wahr. Zwi­schen 1961 und 1966 lehr­te Morenz als Lehr­stuhl­in­ha­ber an der Uni­ver­si­tät Basel, lei­te­te jedoch im Neben­amt wei­ter­hin das Leip­zi­ger Ägyp­to­lo­gi­sche Insti­tut. Danach kehr­te er nach Leip­zig zurück, wo er bis zu sei­nem Tod 1970 wie­der den Lehr­stuhl für Ägyp­to­lo­gie innehatte.“
  11. Kon­rad Weiß, Ber­lin, gestor­ben 1979 in Ros­tock „1946 wur­de Weiß außer­or­dent­li­cher Pro­fes­sor für neu­tes­ta­ment­li­che Theo­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Ros­tock, 1948 wur­de er dort auf eine ordent­li­che Pro­fes­sur beru­fen und 1972 eme­ri­tiert. Die Uni­ver­si­tät Kiel zeich­ne­te Weiß 1961 mit der Ehren­dok­tor­wür­de aus.“

Unbekannt / irrelevant

Die Aus­wer­tung der Lebens­da­ten der Hoch­schul­leh­rer ist ver­blüf­fend. Nur drei sind in den Wes­ten gegan­gen. 11 sind im Osten geblie­ben. Man müss­te die Ein­zel­fäl­le näher anse­hen und erfor­schen, wie inten­siv ihre Mit­ar­beit im Insti­tut zur Erfor­schung und Besei­ti­gung des jüdi­schen Ein­flus­ses auf das deut­sche kirch­li­che Leben war und was davon zu Leb­zei­ten bekannt war. Teil­wei­se hat­ten die Wis­sen­schaft­ler Ehren­dok­tor­tit­le von Uni­ver­si­tä­ten in Ost und West.

Weitere Nazis aus dem Umfeld der Deutschen Christen / dem Institut

In den Westen gegangen

  1. Hugo Rönck deut­scher evan­ge­li­scher Pfar­rer und Bischof, gestor­ben 1990, bis 1976 Pas­tor in Eutin, Schles­wig-Hol­stein. „Im Jah­re 1945 nahm er „kurz vor dem Ein­marsch der amerikan[ischen] Trup­pen“ den Titel Lan­des­bi­schof an. Im April 1945 wur­de er von den Ver­tre­tern der inner­kirch­li­chen Oppo­si­ti­on um Moritz Mit­zen­heim, Erich Hertzsch und Ger­hard Kühn zum Amts­ver­zicht gedrängt und weni­ge Tage spä­ter von US-ame­ri­ka­ni­schen Trup­pen ver­haf­tet. Im August 1945 ent­ließ ihn die Thü­rin­ger Kir­che aus dem kirch­li­chen Dienst. Spä­ter war er von 1947 bis 1976 Pas­tor in Eutin.“

Im Osten geblieben

  1. Johan­nes Klot­sche gestor­ben 1963, Stadt Weh­len, Pir­na, Sach­sen, „Der „fana­ti­sche Anti­se­mit“ Klot­sche unter­zeich­ne­te im April 1939 gemein­sam mit zehn ande­ren Lan­des­kir­chen­lei­tern die Bekannt­ma­chung über Gemein­schafts­ar­beit von Lan­des­kir­chen­lei­tern, deren ers­te Maß­nah­me in der Grün­dung des Insti­tuts zur Erfor­schung und Besei­ti­gung des jüdi­schen Ein­flus­ses auf das deut­sche kirch­li­che Leben bestand. Im Dezem­ber 1941 wur­den Chris­ten jüdi­scher Her­kunft aus der Lan­des­kir­che aus­ge­schlos­sen, womit das Sakra­ment der Tau­fe in Sach­sen par­ti­ell außer Kraft gesetzt war. Bis 1942 gehör­te er dem Ver­wal­tungs­rat des sog. Ent­ju­dungs­in­sti­tuts an. Nach Kriegs­en­de absol­vier­te er 1951/52 eine Aus­bil­dung zum volks­mis­sio­na­ri­schen Dienst an der Pre­di­ger­schu­le Pau­li­num in Ost-Berlin.“
  2. Wal­ter Grund­mann gestor­ben 1976 in Eisen­ach „1930 wur­de er Mit­glied der NSDAP und 1933 akti­ves Mit­glied der Deut­schen Chris­ten, deren im gan­zen Deut­schen Reich gül­ti­ge Richt­li­ni­en er ver­fass­te. 1939 wur­de er zum aka­de­mi­schen Direk­tor des neu gegrün­de­ten Insti­tuts zur Erfor­schung und Besei­ti­gung des jüdi­schen Ein­flus­ses auf das deut­sche kirch­li­che Leben in Eisen­ach ernannt, das im Dienst des staat­li­chen Anti­se­mi­tis­mus die „Ent­ju­dung“ der Bibel und der theo­lo­gi­schen Aus­bil­dung betrieb. Unge­ach­tet sei­ner NS-Ver­gan­gen­heit erlang­te Grund­mann in der DDR als Theo­lo­ge erheb­li­ches Anse­hen: 1954 erteil­ten ihm das Kate­che­ti­sche Ober­se­mi­nar Naum­burg (Saa­le) und das Theo­lo­gi­sche Semi­nar Leip­zig Lehr­auf­trä­ge und er wur­de Rek­tor des Eisen­acher Kate­che­ten­se­mi­nars; sei­ne ab 1959 erschie­ne­nen Evan­ge­li­en­kom­men­ta­re waren Stan­dard­li­te­ra­tur und wer­den bis heu­te (2022) zitiert. Er arbei­te­te für das Minis­te­ri­um für Staats­si­cher­heit, unter dem Deck­na­men GI Berg. […] In der DDR galt Grund­mann bis zu sei­ner Eme­ri­tie­rung 1975 trotz sei­ner NS-Ver­gan­gen­heit als ange­se­he­ner theo­lo­gi­scher Leh­rer. 1974 ver­lieh die Kir­chen­lei­tung ihm noch­mals den Titel eines „Kir­chen­rats“, um sei­ne Arbeit anzu­er­ken­nen und um sei­ne Pen­si­on zu erhö­hen.“ Sei­ne Wiki­pe­dia-Sei­te ent­hält eine aus­führ­li­che­re Schil­de­rung der Stasi-Tätigkeit.

Irrelevant

  1. Fried­rich Coch gestor­ben Sep­tem­ber 1945 in ame­ri­ka­ni­scher Gefan­gen­schaft „Füh­rer der Glau­bens­ge­mein­schaft Deut­sche Chris­ten in Sach­sen und Her­aus­ge­ber der Monats­zeit­schrift Chris­ten­kreuz und Haken­kreuz.“

Schlussfolgerung

7 + 6 + 3 der Per­so­nen, die in der NSDAP waren und sich öffent­lich zum Anti­se­mi­tis­mus bekannt hat­ten, sind vom Osten in den Wes­ten gegan­gen. Dazu noch min­des­tens ein lei­ten­des Mit­glied der Deut­schen Chris­ten. Damit hat sich die Anzahl der Anti­se­mi­ten und Nazis im Osten ver­rin­gert und im Wes­ten erhöht. Von eini­gen die­ser Per­so­nen ist klar, dass sie wirk­lich har­te Nazis und Ras­sis­ten waren. Ande­re waren even­tu­ell weni­ger invol­viert, eini­ge haben sich viel­leicht gewan­delt. Das geht aus Wiki­pe­dia nicht hervor.

Combat 18 und Thüringen

Der Chef von Com­bat 18 lebt in Thü­rin­gen. Net­ter­wei­se schreibt die taz jetzt aber auch schon manch­mal selbst dazu, wo die Nazis eigent­lich herkommen:

Die vier Män­ner, dar­un­ter der Anfüh­rer Stan­ley Rös­ke, sol­len Com­bat 18 gemein­sam mit ande­ren Mit­glie­dern bis min­des­tens 2022 wei­ter­be­trie­ben haben. […] Rös­ke ist ein lang­jäh­ri­ger Neo­na­zi aus Kas­sel, der nach Thü­rin­gen über­ge­sie­delt war und sich auch mit Ste­phan Ernst umge­ben hat­te, dem Mör­der des Kas­se­ler Regie­rungs­prä­si­den­ten Wal­ter Lübcke.

Sabi­ne am Orde: Ankla­ge gegen vier Neo­na­zis, taz, 05.04.2024, S. 6. 

Der ande­re Chef kommt nach Spie­gel aus Dort­mund bzw. nach taz aus Cas­trop-Rau­xel in Nordrhein-Westfalen.

Im taz-Arti­kel wird auch Knock­out 51 erwähnt. Das ist eine Nazi­or­ga­ni­sa­ti­on von Men­schen aus Eisen­ach und Erfurt. Sie wur­de laut MDR vom Neo­na­zi Patrick Wiesch­ke (NPD, jetzt Die Hei­mat) aufgebaut. 

Was die bür­ger­li­che Fas­sa­de als Buch­händ­ler und das bie­de­re Image der Par­tei für man­che Beob­ach­ter ver­deck­te: Wiesch­ke scharr­te schon zu die­sem Zeit­punkt immer mehr Jugend­li­che aus Eisen­ach und Erfurt um sich, die zwar rechts, aber noch nicht straff orga­ni­siert waren.

dst. 20.08.2023 MDR THü­rin­gen: Die Neo­na­zis, die nie­mand stopp­te: Pro­zess gegen Eisen­acher “Knock­out 51” startet

Wiesch­ke ist selbst aus Eisen­ach, aber wur­de erst 1981 gebo­ren. Zur Wen­de war er also 8 Jah­re alt. Den über­wie­gen­den und für die Her­aus­bil­dung poli­ti­scher Über­zeu­gun­gen wich­ti­ge­ren Teil sei­ner Jugend hat er also im Nach­wen­de-Deutsch­land verbracht.

Quellen

Die Neo­na­zis, die nie­mand stopp­te: Pro­zess gegen Eisen­acher „Knock­out 51“ star­tet. 2023. MDR Thü­rin­gen. (https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/west-thueringen/eisenach/neonazis-knockout-angeklagt-flieder-100.html)

Leipziger oder Franke?

Ha! Wie­der! Die taz schreibt über den Schelm-Ver­lag, der Mein Kampf und Holo­caust-Leug­nung ver­treibt (Die Lie­fe­ran­ten des Has­ses). Sie schrei­ben über den Ver­lags­lei­ter als Rechts­extre­mist und frü­he­ren Leipziger.

der lang­jäh­ri­ge Rechts­extre­mist und frü­he­re Leip­zi­ger Adri­an Preißdinger.

taz, 15.03.: Die Lie­fe­ran­ten des Hasses

Der Ver­lag war in Leip­zig, das wird im Arti­kel auch erwähnt, aber wie­so soll­te die Infor­ma­ti­on, dass der Ver­lags­lei­ter ein Leip­zi­ger war, rele­vant sein? Die wäre nur in der Ost-West-Dis­kus­si­on wich­tig. Und da ist sie falsch. Adri­an Preiß­in­ger wur­de 1964 in Kro­nach, einer ober­frän­ki­schen Stadt, geboren.

„Historische Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in den neuen Bundesländern“: Kommentare zu einem Aufsatz von Patrice G. Poutrus, Jan C. Behrends und Dennis Kuck

Einleitung

Ich arbei­te gera­de an einer Rezen­si­on von Anne Rabes Buch „Die Mög­lich­keit von Glück“. Ich habe dazu zwei Blog-Posts geschrie­ben (Kei­ne Gewalt! Zu Mög­lich­kei­ten und Glück und dem Buch von Anne Rabe und Wei­te­re Kom­men­ta­re zu Anne Rabes Buch: Eine Mög­lich­keit aber kein Glück) und im zwei­ten auch den fol­gen­den Satz zu Anti­se­mi­tis­mus und Natio­na­lis­mus kommentiert:

Auch waren Anti­se­mi­tis­mus und Natio­na­lis­mus wich­ti­ge Bestand­tei­le der sowje­ti­schen und real­so­zia­lis­ti­schen Ideologie.

Rabe, Anne. 2023. Die Mög­lich­keit von Glück. Stutt­gart: Klett-Cot­ta.
S. 271

Die Bespre­chung die­ses einen Sat­zes ist viel zu lang gera­ten, so dass ich beschlos­sen habe, sie in einen extra Blog-Post aus­zu­la­gern. Das ist die­ser hier.

Ad hominem: Wer spricht?

Ich habe mich gefragt, wo hat Anne Rabe das nur her­hat. Quel­len hat sie kei­ne ange­ge­ben. Da steht nur die­ser eine Satz. Na, viel­leicht von Ines Gei­pel. Dass sie mit Ines Gei­pel befreun­det war/ist habe ich aus einem Arti­kel in der NZZ über ein angeb­li­ches Pla­gi­at von Rabe erfah­ren (sie­he Wei­te­re Kom­men­ta­re zu Anne Rabes Buch: Eine Mög­lich­keit aber kein Glück). Dass Anet­ta Kaha­ne und Ines Gei­pel gelo­gen haben (oder extrem unwis­send sind), wenn sie behaup­ten, der Holo­caust sei im Osten nicht vor­ge­kom­men, habe ich schon in Der Ossi und der Holo­caust bespro­chen. Zum (fast) nicht vor­han­de­nen Anti­se­mi­tis­mus in der DDR hat die Jüdin Danie­la Dahn viel geschrie­ben. Man­ches ist auch im Holo­caust-Post erwähnt. Ande­re Sachen bespre­che ich im Post über die Aus­stel­lung über jüdi­sches Leben in der DDR, die vom jüdi­schen Muse­um orga­ni­siert wurde.

Ich habe diver­se Inter­views mit Anne Rabe gele­sen und in einem Inter­view von Cor­ne­lia Geiß­ler von der Ber­li­ner Zei­tung steht:

Auch der His­to­ri­ker Patri­ce G. Pou­trus, der eher Osch­manns Gene­ra­ti­on ange­hört, hat beob­ach­tet, dass Rech­te und Rechts­extre­me im Osten auf ein fes­tes natio­na­lis­ti­sches Welt­bild trafen.

Geiß­ler, Cor­ne­lia. 2023. Anne Rabe: „Es reicht nicht, die DDR immer nur vom Ende her zu erzäh­len“. Ber­li­ner Zei­tung.

Ich bin ja immer bereit, Neu­es zu ler­nen und dach­te mir: „Gut, mal gucken, was der His­to­ri­ker Pou­trus her­aus­ge­fun­den hat.“ Als ers­tes: Kur­zer Chek: Er ist aus dem Osten. Also gut, mal gucken. Bei der Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung habe ich einen Auf­satz von ihm gefun­den, den er gemein­sam mit Jan C. Beh­rends und Den­nis Kuck ver­fasst hat: His­to­ri­sche Ursa­chen der Frem­den­feind­lich­keit in den neu­en Bun­des­län­dern.

Zwei­ter Check: Wiki­pe­dia­ein­trag zu Patri­ce G. Pou­trus.

Anschlie­ßend arbei­te­te er als haupt­amt­li­cher FDJ-Funk­tio­när erst im VEB Werk für Fern­seh­elek­tro­nik und dann in der FDJ-Bezirks­lei­tung Ber­lin. 1988 leg­te er sein Abitur an der Abend­schu­le der Volks­hoch­schu­le Ber­lin-Trep­tow ab. 1989 wur­de er zum Fern­stu­di­um der Geschichts­wis­sen­schaf­ten an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin zugelassen.

Nun ja, nun ja. Ein FDJ-Sekre­tär, der sich für ein Geschichts­stu­di­um bewor­ben hat. In der DDR. Fächer wie Geschich­te und Phi­lo­so­phie stu­dier­ten in der DDR nur die rötes­ten Socken. Für mich fällt Pou­trus damit in eine Grup­pe mit Gei­pel (Vater IM für ter­ro­ris­ti­sche Anschlä­ge auf BRD-Gebiet), Kaha­ne (Vater ND-Chef­re­dak­teur, sie selbst IM, die aktiv jüdi­sche Freun­de ver­ra­ten hat, sie­he Wiki­pe­dia­ein­trag) und Rabe (Funk­tio­närs­kind): ehe­ma­li­ge rote Socken bzw. Funk­tio­närs­kin­der, die auf die ande­re Sei­te vom Pferd gefal­len sind. Der Punkt ist: Als belas­te­ter Mensch darf man auf kei­nen Fall irgend­et­was Gutes an dem fin­den, was man hin­ter sich gelas­sen hat, denn ande­re könn­ten ja dann den­ken, man sei immer noch „so einer“.

Rote Ver­gan­gen­heit allein bedeu­tet nichts. Men­schen kön­nen sich ändern. Ad homi­nem-Argu­men­te sind in der nor­ma­len Wis­sen­schaft unzu­läs­sig. Aber irgend­wie scheint mir hier doch ein Mus­ter vor­zu­lie­gen und es geht bei gesell­schaft­lich rele­van­ten Aus­sa­gen eben doch dar­um, wer spricht. Die ech­ten Argu­men­te zu Pou­trus kom­men in den nun fol­gen­den Abschnit­ten. Die gegen Kaha­ne und Gei­pel habe ich bereits in Holo­caust-Post vor­ge­bracht. Die gegen Rabe in den bei­den zu Beginn zitier­ten Blog-Posts und auch ver­mischt mit dem, was jetzt kommt.

Jugendliche Rechtsextremisten in Jugendtreffs

Ich gehe den Text von Pou­trus, Beh­rends & Kuck ein­fach mal der Rei­he nach durch. Die Autoren schreiben:

Trotz Ver­ein­heit­li­chungs­ten­den­zen und inter­na­tio­na­ler Ver­net­zung in der rech­ten und Skin­head-Sze­ne sind deut­li­che Unter­schie­de zwi­schen der Situa­ti­on in Ost- und West­deutsch­land zu beob­ach­ten. Kenn­zeich­nend ist nicht nur die ’star­ke Domi­nanz jugend­li­cher Rechts­extre­mis­ten’ in den Jugend­treffs ver­schie­de­ner ost­deut­scher Brenn­punk­te, son­dern die inzwi­schen erreich­te vor­aus­set­zungs­lo­se Gewaltbereitschaft.

Pou­trus, Patri­ce G., Beh­rends, Jan C. & Kuck, Den­nis. 2002. His­to­ri­sche Ursa­chen der Frem­den­feind­lich­keit in den neu­en Bun­des­län­dern. Aus Poli­tik und Zeit­ge­schich­te.

Hier­zu möch­te ich der geneig­ten Leser*in fol­gen­des Video ans Herz legen:

Der Bei­trag zeigt einen Jugend­club in Cott­bus, in dem sich Rechts­ra­di­ka­le tref­fen. Sie wer­den dort vom CDU-Innen­mi­nis­ter Jörg Schön­bohm besucht, der die Jugend­li­chen pri­ma fin­det (12:30). Die Fami­lie Schön­bohm floh 1945 in den Wes­ten. Schön­bohm war Gene­ral­leut­nant in der Bun­des­wehr und Lan­des­vor­sit­zen­der der CDU Bran­den­burg. Auch sieht man im Video, dass die Nazi-Par­tei Deut­sche Alter­na­ti­ve, die in Bran­den­burg aktiv war, von Men­schen aus dem Wes­ten auf­ge­baut wur­de (11:25). Rabe schreibt dazu auch an eini­gen Stel­len etwas und stellt den Ein­fluss von West-Nazis und West­po­li­ti­kern in Fra­ge. Ihre Aus­sa­gen im Buch zum Bei­spiel bzgl. Lich­ten­ha­gen sind ein­fach falsch. Zu die­ser Dis­kus­si­on sie­he Wei­te­re Kom­men­ta­re zu Anne Rabes Buch: Eine Mög­lich­keit aber kein Glück.

Nationalstolz

Die Autoren argu­men­tie­ren, dass die DDR einen Natio­nal­stolz zu eta­blie­ren ver­sucht habe, der dann spä­ter in den jetzt zu beob­ach­ten Natio­na­lis­mus umge­schla­gen sei. Im Fol­gen­den möch­te ich eini­ge Berei­che unter­su­chen, auf die man hät­te stolz sein kön­nen oder sollen.

Sport

Die Staats­füh­rung woll­te, dass wir stolz auf unser Land sind. Ver­ständ­lich. Sie woll­te, dass wir gern dort leben und nicht bei der erst­bes­ten Gele­gen­heit abhau­en. Aber hat das irgend­wie geklappt? Ich bin ja fast noch nach­träg­lich stolz auf die DDR gewor­den, als ich ges­tern gese­hen habe, wie gigan­tisch die Last war, die die Gene­ra­ti­on mei­ner Eltern und Groß­el­tern gestemmt hat: Repa­ra­ti­ons­leis­tun­gen und Wie­der­auf­bau (sie­he Wei­te­re Kom­men­ta­re zu Anne Rabes Buch: Eine Mög­lich­keit aber kein Glück). Aber zu DDR-Zei­ten war ich nicht stolz auf die DDR und kann­te außer andert­halb Sta­si-Kin­dern wahr­schein­lich auch nie­man­den, der stolz war. Die DDR hat es ver­sucht. Mit Sport. Kata­ri­na Witt war super. Ich habe sie als Kind beim Schau­lau­fen gese­hen. Im Sport- und Erho­lungs­zen­trum im Fried­richs­hain. Beim Kin­der­schau­lau­fen. Sie war ein Schlumpf. Wahr­schein­lich so 14 Jah­re alt. Spä­ter hing in jedem Klas­sen­raum ein Bild von ihr. Im FDJ-Hemd. Sie war Mit­glied der Volks­kam­mer. Sie kann­te Bryan Adams und hat­te dafür gesorgt, dass er zu einem Kon­zert nach Ber­lin kam.

Sie ließ es sich nicht neh­men, ihn anzu­kün­di­gen. Vor 65.000 Men­schen. Sie haben sie aus­ge­buht.5 Die Gold-Käthe hat es nicht ver­stan­den. Wo kam nur die­se Abnei­gung her? Sie hat­te doch alles gewon­nen, was man gewin­nen konn­te? Für die FDJ, für Erich Hon­ecker, für ihr Land. Wir moch­ten sie nicht.

Nach der Wen­de hat sie das Land ver­las­sen. Wie man dem fol­gen­den Video ent­neh­men kann, hat sie heu­te noch nicht ver­stan­den, war­um wir sie nicht mochten.

https://www.youtube.com/watch?v=wThl0N5fybk

San­dow hat sogar ein Lied über die Kon­zer­te damals (mit Bruce Springsteen) und über unse­ren Stolz auf Katha­ri­na Witt geschrieben:

Wir bau­en auf und tape­zi­ern nicht mit
Wir sind sehr stolz auf Katha­ri­na Witt
Katha­ri­na was born
Born in the GDR.

San­dow: Born in the GDR. 1989

Betriebe

Mei­ne Mut­ter hat Betriebs­be­sich­ti­gun­gen orga­ni­siert. (Für die, die es nicht erlebt haben: Ein Groß­teil des kul­tu­rel­len Lebens fand in der DDR auch über die Betrie­be statt. Musik, Aus­flü­ge usw. Frei­geis­ter fan­den das doof. Die­se kleb­ri­ge Enge. Aber das war alles weg, als nach der Wen­de die Arbeits­lo­sig­keit kam. Per­sön­li­che Bin­dun­gen weg, Arbeit weg, Kul­tur weg. Es blieb nur ein Trüm­mer­hau­fen.) Jeden­falls habe ich eine Licht­lei­ter­fa­brik, eine Fabrik von Stern­ra­dio und ein Kugel­la­ger­werk besich­tigt. Ich dach­te, dass eine Licht­lei­ter­fa­brik etwas Hoch­mo­der­nes sein müss­te. Es war eine klei­ne Klit­sche mit Maschi­nen aus den 70er Jah­ren. Die Kugel­la­ger­fa­brik funk­tio­nier­te. Ich fand es lus­tig, dass die fer­ti­gen Kugel­la­ger­rol­len auf Schie­nen durch die Hal­le roll­ten. Die Fer­ti­gungs­an­la­ge für Stern­ra­dio wur­de aus Schwe­den impor­tiert. Coo­les Zeug. Nest­bau­wei­se. Wir konn­ten sehen, wie die Schalt­krei­se auf die Pla­ti­nen kamen usw. Die Takt­stra­ße stand in einem alten Fabrik­ge­bäu­de. Die Stern­re­cor­der – muss wohl der SKR 700 gewe­sen sein – wur­den ganz oben pro­du­ziert. Wenn sie fer­tig waren schweb­ten sie am För­der­band ins Trep­pen­haus, wo sie dann ins Erd­ge­schoss hin­ab­ge­las­sen wer­den soll­ten. Das Abbrem­sen der Recor­der im Trep­pen­haus funk­tio­nier­te nicht, so dass eine gro­ße Anzahl der Recor­der sechs Stock­wer­ke in die Tie­fe stürz­te. 1540 Mark ein­fach futsch. Pfusch. Soll­te ich dar­auf stolz sein?

Ich bin in Buch auf­ge­wach­sen. In den Neu­bau­ten. Es gab die alten Neu­bau­ten, die Neu­bau­ten und die neu­en Neu­bau­ten. Ich konn­te dabei zuse­hen, wie Tei­le der Neu­bau­ten und der neu­en Neu­bau­ten ent­stan­den. Die Bau­stel­len stan­den oft Mona­te lang still, weil Mate­ri­al fehl­te. Die Bau­ar­bei­ter saßen in den Bau­wa­gen davor. Soll­te ich dar­auf stolz sein? Es gab Woh­nungs­not. Spä­ter im Wes­ten habe ich mich dar­über gewun­dert, wie schnell man Häu­ser bau­en konnte.

1987 war ich für drei Wochen im Braun­koh­le­werk Espen­hain. Die Schwe­le­rei war zuge­fro­ren und das Werk hat­te die Armee um Hil­fe gebe­ten. Die Kom­pa­nie vor uns hat­te die Schwe­le­rei vom Eis befreit, so dass die För­der­bän­der wie­der lie­fen. Wir waren nur noch zur Sicher­heit dort im Ein­satz. Ich erin­ne­re mich genau dar­an, wie wir hin­ge­fah­ren sind. Wir saßen auf einem Las­ter, ich war ein­ge­schla­fen. Irgend­wann bin ich auf­ge­wacht, hab einen kur­zen Blick nach drau­ßen gewor­fen und wuss­te: Wir sind da. Der Schnee war schwarz. Ich habe in der Nacht­schicht gear­bei­tet und mei­ne Auf­ga­be war es, ab und zu an ein Rohr einer Fil­ter­an­la­ge zu klop­fen, damit die Asche in einen mit Was­ser gespül­ten Kanal fiel, denn die Klap­pe dafür ver­klemm­te sich ab und zu. Es gab För­der­bän­der über die Koh­le­bri­ketts aus den Koh­le­pres­sen in Bahn­wag­gons trans­por­tiert wur­de. Die Bri­ketts kamen aus der Pres­se über Dop­pel-T-Trä­ger aus Stahl. Die Trä­ger waren so abge­nutzt, dass in der Mit­te das Metall weg war. Des­halb ver­klemm­te sich ab und zu ein Bri­kett, die umlie­gen­den Brie­ketts plopp­ten raus und fie­len neben die Trä­ger. Unse­re Auf­ga­be war es, die Koh­le auf die Bän­der zu schip­pen. Ein Ange­stell­ter erzähl­te uns, dass das nor­ma­ler­wei­se „die Rus­sen“ machen. Die T‑Träger befan­den sich in der Höhe von 2 bis 3 Metern. Wenn dann so vie­le Bri­ketts run­ter­ge­fal­len waren, dass sie in die Höhe der T‑Träger kamen, wur­den die „Freun­de“ geru­fen und schipp­ten das alles in einem Rutsch weg. Aber da wir nun schon mal da waren, konn­ten wir das auch erledigen. 

Wenn es reg­ne­te, sah man die Pfüt­zen nicht. Der Staub lager­te sich auf ihnen ab.

Das Werk Espen­hain wur­de 1937 von den Nazis gebaut. Schon kriegs­si­cher in red­un­dan­ter Dop­pelt­aus­füh­rung: zwei glei­che Kraft­wer­ke nebeneinander.

Nach dem Koh­le­ein­satz beka­men wir drei Tage ver­län­ger­ten Kurz­ur­laub (VKU). Ich habe jeden Tag geba­det. Die Koh­le war noch lan­ge in den Poren. (Nicht, dass wir in Espen­hain nicht geduscht hät­ten. Das hat nur nicht viel geholfen.)

Soll­te ich auf Espen­hain stolz sein? Das war ein kom­plett run­ter­ge­rock­tes Kraftwerk!

Das steht hier­zu in Wikipedia:

In den 1960er Jah­ren waren die Anla­gen im Zusam­men­hang mit der Wirt­schafts­ori­en­tie­rung auf die Erd­öl­che­mie mas­siv auf Ver­schleiß gefah­ren wor­den. Als Anfang der 1970er Jah­re die Koh­le­che­mie wie­der an Bedeu­tung gewann, wur­de die Pro­duk­ti­on in den ver­schlis­se­nen Anla­gen auf maxi­ma­le Leis­tung gestei­gert. Dadurch und durch nicht vor­han­de­ne Inves­ti­tio­nen im Bereich des Umwelt­schut­zes stie­gen die Schad­stoff­emis­sio­nen in Luft und Was­ser sehr stark an. Über dem Ort und sei­ner Umge­bung lag immer eine Wol­ke von Phe­no­len, Schwe­fel, Ruß und Asche. Der hohe Schad­stoff­aus­stoß mach­te es erfor­der­lich, jeden Mor­gen Stra­ßen und Geh­we­ge zu keh­ren, da sich eine dicke Asche­schicht nie­der­ge­las­sen hat­te. Eini­ge Ein­woh­ner berich­ten, dass gele­gent­lich die Son­ne hin­ter Asche­wol­ken ver­schwand und dass Autos tags­über mit Licht fah­ren muss­ten. Die gesund­heit­li­chen Aus­wir­kun­gen auf die Ein­woh­ner der Stadt waren ver­hee­rend. Die Lebens­er­war­tung lag infol­ge­des­sen eini­ge Jah­re unter dem lan­des­wei­ten Durch­schnitt. Vor allem Kin­der lit­ten stark unter den auf­tre­ten­den Haut- und Atem­wegs­er­kran­kun­gen, wie z. B. Ekze­men und chro­nisch-obstruk­ti­ver Lun­gen­er­kran­kung (COPD). Auch heu­te noch sind vie­le Ein­woh­ner von Spät­fol­gen betroffen

Wiki­pe­dia-Ein­trag zu Espen­hain. 24.02.2024

Im Kon­sum des Wer­kes gab es Schnaps für 60 Pfen­nig (Wiki­pe­dia sagt 1,12 M) die Fla­sche (Brau­se­fla­sche). Der wur­de Kum­pel­tod genannt. Berg­leu­te und Leu­te in den Kraft­wer­ken wur­den exklu­siv damit ver­sorgt. Ich hab das nicht getrun­ken. Viel­leicht bin ich dar­auf stolz …

In den Nach­rich­ten wur­de der 1‑Me­ga­bit-Chip gefei­ert. Soll­te ich dar­auf stolz sein? Freun­de hat­ten West-Com­pu­ter, ich arbei­te­te an Ost-Com­pu­tern. Ich wuss­te, wo wir standen. 

Alle wuss­ten es. Es gab Wit­ze: „Ein Japa­ner kommt in die DDR und reist durchs Land. Kurz vor sei­ner Abrei­se wird er gefragt, was er am bes­ten fand. Die Ant­wort: ‚Die gan­zen Muse­en: Per­ga­mon, Robo­tron, Pen­t­a­con.’“ (Neben­be­mer­kung: Das bedeu­tet nicht, dass alles Schrott war. Es gab neu errich­te­te Wer­ke, gut funk­tio­nie­ren­de Wer­ke, es gab Boden­schatz­vor­kom­men, die ergie­bi­ger waren als die im Wes­ten (Kali). Das alles konn­te man in einem Film über die Treu­hand sehen, der aber lei­der pri­va­ti­siert wur­de … (auf you­tube auf pri­vat gestellt wur­de.)) In Stolz und Eigen­sinn kann man Inter­views mit Frau­en sehen, die auf Export­pro­duk­te hin­wei­sen. Braun­koh­le­bri­ketts wur­den in den Wes­ten expor­tiert. Auch Schu­he für Sala­man­der und ande­re Pro­duk­te. Die Kin­der­schu­he, die man im Film sehen konn­te, waren herz­al­ler­liebst und wür­den heu­te sicher rei­ßend Absatz fin­den. Wiki­pe­dia hat eine Lis­te der Gestat­tungs­pro­duk­ti­on. Die DDR fer­tig­te Waren für den Ver­kauf um Wes­ten. Es gab also Berei­che, die funk­tio­nier­ten. Ent­spre­chen­de Waren wer­den heu­te in Chi­na oder Viet­nam gefertigt.

Ich war nicht stolz auf die DDR. Ich war auch nicht stolz Deut­scher zu sein. Wir hat­ten gelernt, dass Natio­na­lis­mus das Wur­zel allen Übels war. Ich bin nach der Wen­de noch jah­re­lang zusam­men­ge­zuckt, wenn jemand „Deutsch­land“ gesagt hat, und wür­de die­ses Wort auch heu­te noch ger­ne nicht verwenden.

Die Autoren schreiben:

Hilf­los gegen­über der All­ge­gen­wart des West­fern­se­hens und der wirt­schaft­li­chen Über­le­gen­heit der Bun­des­re­pu­blik, ver­such­te die Par­tei eher durch den Ver­gleich mit den sozia­lis­ti­schen Bru­der­län­dern, den Ver­weis auf die eige­ne Spit­zen­stel­lung (hin­ter der Sowjet­uni­on), Punk­te zu sam­meln. Ins­be­son­de­re in Kri­sen­si­tua­tio­nen war die Par­tei­füh­rung auch bereit, unge­niert anti­pol­ni­sche Ste­reo­ty­pe (‘pol­ni­sche Wirt­schaft’) zu bedienen

Es stimmt, dass wir wuss­ten, dass wir die Bes­ten der Abge­häng­ten waren. Noch vor der Sowjet­uni­on. Ich war 1984 in Polen und 1988 in Rumä­ni­en und die Ver­sor­gung dort war unglaub­lich schlecht. Aber ich dach­te: Puh, da haben wir aber Glück. Und muss ja, weil wir das Schau­fens­ter waren (sie­he Bana­nen im Post Wei­te­re Kom­men­ta­re zu Anne Rabes Buch: Eine Mög­lich­keit aber kein Glück). Stolz war ich dar­auf nicht. Die Sache mit den Polen stimmt. Das ging gegen Soli­dar­ność.

Wor­auf war ich stolz, wor­auf konn­te ich stolz sein? Auf mei­ne eige­nen Erfol­ge im Sport? Im Schach? In Mathe­ma­tik­olym­pia­den? Ja. 

Auf unse­re Täte­rä­tä – wie Man­fred Krug sie nann­te – stolz zu sein, wäre mir nie im Traum ein­ge­fal­len. Das war bei FDJ-Funk­tio­nä­ren und bei Sach­sen viel­leicht anders.6

Nationalismus und Rassismus

Nationalismus

Zum Natio­na­lis­mus schrei­ben die Autoren:

In der ‘patrio­ti­schen Erzie­hung’ der DDR wur­den Begrif­fe wie ‘Hei­mat­lie­be’ oder ‘Stolz auf die Errun­gen­schaf­ten’ der DDR mit sozia­lis­ti­scher Ideo­lo­gie auf­ge­la­den. ‘Sozia­lis­ti­scher Patrio­tis­mus’, das hieß unver­brüch­li­che Freund­schaft zur Sowjet­uni­on, Lie­be zur SED und Ver­eh­rung für die Par­tei­füh­rung und Soli­da­ri­tät mit den ‘unter­drück­ten’ Völ­kern der Welt. Uns erscheint aber zwei­fel­haft, ob die Bevöl­ke­rungs­mehr­heit all die­se Impli­ka­tio­nen nach­voll­zog oder ob nicht eher nach der prä­gen­den Kraft dahin­ter­ste­hen­der tra­dier­ter Denk­struk­tu­ren, näm­lich der kri­tik­lo­sen Über­hö­hung des Eige­nen und der exklu­si­ven Iden­ti­fi­ka­ti­on mit dem eige­nen Kol­lek­tiv zu fra­gen ist. Beruh­te die­se ‘ima­gi­ned com­mu­ni­ty’ (Bene­dict Ander­son) also auf genau jenen Mecha­nis­men, die für das Gefühl und das Erleb­nis, einer eth­nisch defi­nier­ten ‘Nati­on’ anzu­ge­hö­ren, typisch sind? Eini­ge fach­spe­zi­fi­sche For­schungs­er­geb­nis­se wei­sen in die­se Rich­tung: Die bil­dungs­ge­schicht­li­che Stu­die von Hel­ga Mar­bur­ger und Chris­tia­ne Grie­se attes­tiert der DDR-Päd­ago­gik einen star­ken Homo­ge­ni­sie­rungs­druck nach innen. ‘Das Eige­ne war kol­lek­ti­ves Eige­nes und als sol­ches streng genormt.’

Hm. Ja. Viel­leicht. Wie die Autoren selbst schrei­ben, war es mit „Lie­be zur SED und Ver­eh­rung für die Par­tei­füh­rung“ nicht weit her. Den Erich haben wir nicht geliebt. Wir haben ja nicht mal die Katha­ri­na geliebt und die sah wirk­lich gut aus. Was die Staats­füh­rung woll­te und was real war, klaff­te nicht nur bei der Wirt­schaft auseinander.

Aber ist jetzt das DDR-Sys­tem schuld dar­an, dass es woll­te, dass die Bevöl­ke­rung die­ses Land lieb­te und da blieb, statt bei der nächst­bes­ten Gele­gen­heit in den Wes­ten zu ver­schwin­den? Die exklu­si­ve Iden­ti­fi­ka­ti­on mit dem eige­nen Kol­lek­tiv gehör­te sicher nicht zu den „dahin­ter­ste­hen­den tra­dier­ten Denk­struk­tu­ren“, denn uns wur­de immer der Wert der Völ­ker­freund­schaft bei­gebracht. Inter­na­tio­na­le Soli­da­ri­tät. Im Kampf für eine bes­se­re Welt, ohne Aus­beu­tung usw. Das schrei­ben die Autoren ja auch selbst. Der oben zitier­te Absatz scheint mir inkon­sis­tent zu sein.

Wei­ter:

Loh­nend ist in die­sem Zusam­men­hang ein Blick auf das Ver­hält­nis der Sta­si zu den auch in der DDR exis­ten­ten Skin­head­grup­pen. In den Sta­si-Akten zum Skin­head­über­fall auf die Zions­kir­che von 1987 wird deut­lich, wie stark die Denk­sche­ma­ta der Ermitt­ler durch­ein­an­der gerie­ten. Waren doch die Opfer – Ziel des Über­falls war ein Punk­kon­zert – durch ihren Non-Kon­for­mis­mus bis dahin selbst Objekt von Beob­ach­tung und Ver­fol­gung der Sicher­heits­or­ga­ne, weil ihre Ein­stel­lung als sys­tem­feind­lich galt. Was die rech­ten Schlä­ger betrifft, so rei­chen die Akten über rechts­extre­me Vor­fäl­le bis 1978 zurück. Gleich­wohl pass­te die ‘faschis­ti­sche’ Ori­en­tie­rung die­ser Täter­grup­pe nicht in das Ras­ter der klas­sen­kämp­fe­risch geschul­ten Geheim­dienst­ler, hat­ten die Skins doch wesent­li­che ’sozia­lis­ti­sche Wer­te’ wie Arbeits­lie­be, Ord­nung, Sau­ber­keit und Bereit­schaft zum Mili­tär­dienst für sich ange­nom­men. Die­ses Bei­spiel ver­deut­licht die ’sozi­al-hygie­ni­schen’ Gemein­sam­kei­ten staats­so­zia­lis­ti­scher und rechts­extre­mer Leit­bil­der. Die­se Über­ein­stim­mung war es, die eine cou­ra­gier­te und offe­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Rechts­extre­mis­mus unmög­lich mach­te, wären damit doch die genann­ten Grund­wer­te der DDR und letzt­lich der beschrie­be­ne Herr­schafts­mo­dus der SED in Mit­lei­den­schaft gezo­gen worden.

Sor­ry. Das geht nicht auf als Argu­ment. Grup­pe 1 hat Wer­te A, B, C, D. Grup­pe 2 hat Wer­te A, B und X. War­um soll Grup­pe 1 nicht Grup­pe 2 wegen X bekämp­fen kön­nen? Wenn es Nazi-Musik gibt, lie­gen Straf­ta­ten vor, gegen die man vor­ge­hen kann. Ich hat­te Kas­set­ten in der Hand, auf denen Songs wie „Töte Dei­nen Nach­barn!“ und „Mein gol­de­ner Schlag­ring“ waren.

Übri­gens kann man den Sta­si-Unter­la­gen zum Vor­fall in der Zions­kir­che auch ent­neh­men, dass da Skin­heads aus West-Ber­lin dabei waren. Just saying.

Reisen

Zum The­ma „Frem­de und Aus­län­der in der DDR“ schrei­ben die Autoren:

Spä­tes­tens seit dem Mau­er­bau waren Aus­lands­rei­sen und inter­na­tio­na­le Mobi­li­tät aus dem All­tag der DDR ver­bannt. Nur weni­ge konn­ten sich pri­va­te Urlaubs­rei­sen etwa nach Bul­ga­ri­en oder Ungarn leis­ten. Besu­che im Wes­ten waren Aus­nah­men im Fal­le wich­ti­ger Fami­li­en­an­ge­le­gen­hei­ten. Für die Mehr­heit der DDR-Bür­ger war Rei­sen ein staat­lich gewähr­tes Pri­vi­leg. Die­sen ein­ge­schränk­ten Erfah­rungs­ho­ri­zont gilt es zu berück­sich­ti­gen, wenn man den Auf­ent­halt von Frem­den und Aus­län­dern in der DDR betrach­tet. Die staats­so­zia­lis­ti­sche Dik­ta­tur mit ihrem all­um­fas­sen­den Rege­lungs­an­spruch ‘offi­zia­li­sier­te’ jede Form und Gele­gen­heit des Kon­takts zu Frem­den, so wie sie das mit allen sozia­len Bezie­hun­gen zu ver­wirk­li­chen such­te. ‘Gesell­schaft’ im Sin­ne eines rela­tiv auto­no­men Bereichs sozia­ler Bezie­hun­gen und Insti­tu­tio­nen, wie er für bür­ger­lich-libe­ra­le Staa­ten typisch ist, soll­te es in der DDR nicht geben, und das galt auch und gera­de auf die­sem Gebiet. Kon­tak­te und Umgang außer­halb der staat­lich fest­ge­leg­ten Regeln waren nicht vor­ge­se­hen, ent­we­der expli­zit ver­bo­ten, zumin­dest aber uner­wünscht. Ange­hö­ri­ge unter­schied­li­cher Staats­an­ge­hö­rig­kei­ten soll­ten sich der SED-Ideo­lo­gie zufol­ge gewis­ser­ma­ßen daher immer als ‘Reprä­sen­tan­ten’ ihrer jewei­li­gen Staats­völ­ker, qua­si in diplo­ma­ti­scher Funk­ti­on, begeg­nen, nicht jedoch auf einer ‘Von-Mensch-zu-Mensch-Basis’. Das ein­an­der Akzep­tie­ren als ‘Men­schen wie du und ich’, als indi­vi­du­el­le Gäs­te und Gast­ge­ber, Durch­rei­sen­de und Ein­hei­mi­sche, als Zufalls­be­kannt­schaf­ten etc. wur­de dadurch von vorn­her­ein erschwert bzw. erfor­der­te bewuss­tes, eigen­sin­ni­ges Gegen­hal­ten — wofür es durch­aus Bei­spie­le gab! Die Bot­schaft der offi­zi­el­len Rege­lungs­wut war aber: ‘Staats­zu­ge­hö­rig­keit’ (und die mach­te sich prak­tisch an der Nati­ons­zu­ge­hö­rig­keit fest) ist emi­nent ‘wich­tig’, der Inter­na­tio­na­lis­mus stell­te die Vor­rang­stel­lung der Nati­on nie infrage .

Das hat mich eini­ger­ma­ßen ver­wun­dert. Denn ich war in Mos­kau, Car­l­o­vy Vary (Karls­bad)
Prag, Buda­pest, Brașov, Buka­rest, Sofia, Soso­pol, Var­na, War­schau und Puła­wy. An vie­len Orten war ich mehr­fach. Das Ein­zi­ge, was man bezah­len muss­te, war eine Zug­fahr­kar­te. Die war nicht teu­er. Lebens­mit­tel kos­te­ten genau so viel wie zu hau­se. Geschla­fen haben wir auf dem Zelt­platz. Ich war im Buce­gi-Gebir­ge wan­dern. Wir hat­ten Sei­fe und Kaf­fee mit. Bes­te Zah­lungs­mit­tel in Rumä­ni­en damals. Die Tour Berlin–Sosopol war der Stan­dard damals. Ich weiß noch, dass die Son­nen­schir­me in Soso­pol 3 Mark gekos­tet haben. Das haben wir uns nicht geleis­tet. Ein­mal hat­te ich Fie­ber, da muss­ten wir. Man hat unter­wegs die­sel­ben Leu­te in Prag und Buda­pest getrof­fen. Die Rei­sen fan­den zwi­schen 1984 und 1989 statt. Ich war jung und hat­te kein Geld. Es ging dennoch.

In Buda­pest schlie­fen die Ossis immer ein­fach unter frei­em Him­mel auf der Maga­re­ten­in­sel. Das ging den Ungarn irgend­wann so auf die Ner­ven, dass sie eine Spe­zi­al­lö­sung für uns Ost­deut­sche ent­wi­ckel­ten: Es gab am Ende der U‑Bahn-Linie einen mit Sta­chel­draht umzäun­ten Platz, auf dem man umsonst schla­fen konn­te (steht auch im Wiki­pe­dia­ein­trag zur Maga­re­ten­in­sel). Man muss­te sei­nen Per­so­nal­aus­weis am Ein­gang abge­ben und am Mor­gen kam um 6:00 die ren­dőr­ség, stell­te sich neben die Schla­fen­den und dreh­te ein­mal voll die Sire­ne auf. Alle waren wach. Bis um 7:00 oder 8:00 hat­te man das Gelän­de wie­der zu ver­las­sen. Man­che haben gezel­tet, man­che unter frei­em Him­mel geschla­fen. Fin­di­ge Ungarn haben ein Geschäfts­mo­dell ent­wi­ckelt: Man konn­te sei­nen Ruck­sack bei ihnen im Gar­ten abstel­len, denn die Schließ­fä­cher an den Bahn­hö­fen waren alle belegt. Ich habe ein­mal da drau­ßen gezel­tet. Wo die­ser Zelt­platz war, konn­te man her­aus­fin­den, indem man ande­re Ossis frag­te. Wir haben uns an den Schu­hen (Römer­lat­schen oder Tram­per) erkannt. Bei mei­nen ande­ren Buda­pest-Besu­chen habe ich immer in einem pri­va­ten Gar­ten gezel­tet. Meh­re­re Ungarn hat­ten ihre Gär­ten zu Zelt­plät­zen umfunktioniert.

Von der Schu­le aus war ich in Mos­kau, Car­l­o­vy Vary und Polen (Puła­wy, War­schau, Ausch­witz). Das ent­spricht dem, was die Autoren geschrie­ben haben: Wir waren in diplo­ma­ti­scher Funk­ti­on dort. Ich bin auch Ehren­pio­nier der Sowjet­uni­on gewor­den, was mir spä­ter in mei­ner Zeit als Kanz­ler­kan­di­dat der Par­tei Die PARTEI sehr hel­fen soll­te (sie­he Kor­rek­tur Lebens­lauf).

Ste­fan Mül­ler, Pro­fes­sor für deut­sche Syn­tax an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin und Direkt­kan­di­dat der Par­tei Die PARTEI für den Wahl­kreis 242 Erlan­gen für die Bun­des­tags­wahl 2021, 09.08.2021, Bild: Arne Rein­hardt CC-BY.

Ich brauch­te kei­ne rote Kra­wat­te mehr zu kau­fen, son­dern habe ein­fach das rote Hals­tuch genom­men, das noch im Kel­ler lag. (Oh, gehö­re ich jetzt zu einer Grup­pe? Bin ich mit­schul­dig gewor­den? Im Sin­ne der Blut­schuld, die Anne Rabe ver­tritt?) Der Rest der Rei­sen waren Individualreisen.

Nun kann man ein­wen­den, dass ich und die ande­ren Men­schen, die ich kann­te, nicht reprä­sen­ta­tiv für die DDR war. Schließ­lich war ich Abitu­ri­ent und die Anzahl der Abiturient*innen war ins­ge­samt eher gering. Zwei Schüler*innen aus einer POS-Klas­se mit 30–31 Schüler*innen. Peer, ein Schul­freund, der auch mit in Mos­kau war, hat die­sen Ein­wand auch sofort gebracht. Da er aber auch die bes­te Such-Maschi­ne der Welt ist, hat er ihn dann auch gleich ent­kräf­tet. Und zwar so richtig.

Eine Mel­dung aus dem Jah­re 1989 kün­digt den neu­en inter­na­tio­na­len Jugend­her­bergs­aus­weis an. 

SED-Zen­tral­or­gan Neu­es Deutsch­land vom 13.01.1989

Da die­ser Aus­weis damals neu war, gab es das vor­her noch nicht. Aber immer­hin zeigt das schon mal, dass die Aus­sa­ge der Autoren nicht rich­tig sein kann. Es geht expli­zit um Indi­vi­du­al­rei­sen, güns­ti­ge Indi­vi­du­al­rei­sen ins Ausland.

Aber auch schon 1976 gab es Indi­vi­du­al­rei­sen nach Ungarn. Mit dem Bus.

Neue Zeit, 10.07.1976, S. 11

Im Arti­kel steht, dass Pri­vat­quar­tie­re am Bala­ton ver­mit­telt wer­den. Das passt nicht zu den Anga­ben der Autoren. Staat­lich orga­ni­sier­te Indi­vi­du­al­rei­sen. Unter­stüt­zen­der geht es nicht.

Es gibt einen Zeit­zeu­gen­be­richt über Mög­lich­kei­ten für Urlaubs­rei­sen der DDR-Bür­ger ins Aus­land.

Peer hat auch Anzei­gen für Fahr­ten ins Aus­land gefunden:

Neue Zeit, 16.12.1987, S. 6

Peer merkt an:

Dass man nicht alles glau­ben soll­te, was in Zei­tun­gen steht oder gar in DDR-Zei­tun­gen stand, gilt hier natür­lich auch. Aber es wäre kei­ne pro­pa­gan­dis­ti­sche Glanz­leis­tung, eine Nach­fra­ge bzw. ein Bedürf­nis nach Aus­lands­rei­sen zu wecken, das man eigent­lich ver­hin­dern wollte.

Peer auf Mast­o­don, 21.04.2024

Den Punkt „Ossis haben noch nie ande­re Men­schen gese­hen.“ kön­nen wir also getrost abhaken.

Jugend-Feldbettspiele

Die Autoren schreiben:

Tat­säch­li­cher Kon­takt der Bür­ger mit Aus­län­dern stell­te für die SED-Dik­ta­tur dage­gen ein Sicher­heits­ri­si­ko dar. So unter­la­gen auch die weni­gen inter­na­tio­na­len Ver­an­stal­tun­gen wie die ‘Welt­fest­spie­le der Jugend und Stu­den­ten’ im Som­mer 1973 oder die ‘Fes­ti­vals des poli­ti­schen Lie­des’ poli­ti­scher Kontrolle.

Hey, war­te mal. Auch das habe ich anders gehört. Es gab nach dem Fes­ti­val vie­le inter­na­tio­na­le Kin­der. Es war ein Fest der Völ­ker­freund­schaft. Soll­ten die Orga­ne des Inne­ren so ver­sagt haben und kom­plett die Kon­trol­le über die äuße­ren Orga­ne ver­lo­ren haben? Das Fes­ti­val der Jugend war unser sum­mer of love.

Das schreibt der Tages­spie­gel dazu:

Das eigent­li­che Fes­ti­val fin­det nicht in den Bars oder Klubs statt, son­dern unter frei­em Him­mel. Zehn­tau­sen­de von Jugend­li­chen kam­pie­ren in den Grün­an­la­gen der Ost-Ber­li­ner Innen­stadt. Das bleibt nicht ohne Fol­gen. Das Fes­ti­val zei­tigt Fes­ti­val-Ehen und Fes­ti­val-Kin­der, und im Volks­mund hei­ßen die Jugend-Welt­fest­spie­le bald Jugend-Feldbettspiele.

Gold­mann, Sven. 2013. Welt­fest­spie­le der Jugend 1973: Love & Peace in Ost-Ber­lin. Tages­spie­gel. Ber­lin.

Es waren 8 Mil­lio­nen Men­schen in der Stadt. Es war die Höl­le los. Der Tages­spie­gel beschreibt auch die Maß­nah­men der Sta­si, aber die Ver­brü­de­rung bzw. Ver­schwes­terung oder Ver­menschung der 8 Mil­lio­nen konn­te und soll­te nicht ver­hin­dert wer­den. Alle spra­chen offen. Sogar mit den Typen von der CDU.

Vertragsarbeiter

Was stimmt, ist, dass man die Ver­trags­ar­bei­ter eigent­lich nicht gese­hen hat und zu den Sowjet­sol­da­ten hat­te man im Prin­zip auch kei­nen Kon­takt. Ich hat­te mal „diplo­ma­ti­schen“ Kon­takt, weil wir bei unse­ren Freun­den in ihrer Kaser­ne waren und Schach gespielt haben. Ich habe gewon­nen. Gere­det haben wir nicht viel. Wohl eher, weil mein Rus­sisch zu schlecht war. Als Schü­ler habe ich bei Ber­nau Erd­bee­ren gepflückt. Da waren auch ein paar Sowjet­sol­da­ten. Ich habe geges­sen und gepflückt, sie haben nur gepflückt. Sie waren unglaub­lich schnell. Gere­det haben wir nicht. Über „Меня зовут Стефан.“ wäre ich auch nicht hin­aus­ge­kom­men und viel­leicht hät­ten sie auch Ärger bekom­men. Bei mei­ner Frau an der Burg Gie­bi­chen­stein in Hal­le haben Kuba­ner, Viet­na­me­sen, Tsche­chen und Bul­ga­ren stu­diert. Es gab Ver­trä­ge mit den jewei­li­gen Län­dern. An der Ger­ma­nis­tik der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin gab es Student*innen aus Bul­ga­ri­en, der Mon­go­lei, Nord­ko­rea, Chi­na, der UdSSR, Kuba. Für die­sen Aus­tausch gab es Ver­trä­ge. Das lief unter Ent­wick­lungs­hil­fe. Dass die Student*innen dann nicht hier geblie­ben sind, lag an ihren Ent­sen­der­län­dern. Bul­ga­ri­en woll­te eine hohe Sum­me für die Aus­bil­dung ihrer Staatsbürger*innen als Ablö­se, wenn die­se nicht zurück­ka­men. Ehen und ande­re Grün­de waren dabei egal.

Dass es Kon­flik­te und ras­sis­ti­sche Vor­fäl­le mit den Vertragsarbeiter*innen in den Betrie­ben gab, kann ich mir vor­stel­len. Auch dass die­se ver­tuscht wur­den, weil nicht sein konn­te, was nicht sein darf. Aber dass die­se eben nicht sein durf­ten, war die offi­zi­el­le Staats­li­nie. Das war der Anspruch. Der Ras­sis­mus war nicht etwas, was den DDR-Bürger*innen bei­gebracht wur­de. Als Beleg möge die fol­gen­den Sei­ten aus Bum­mi für Eltern 1/198, aus der Wochen­zei­tung für Thäl­mann­pio­nie­re Trom­mel und aus dem Neu­en Leben, einer von der FDJ her­aus­ge­ge­be­nen monat­li­chen Zeit­schrift für Teen­ager, gel­ten. In der DDR gab es für die Ziel­grup­pen meist nur jeweils eine Zeitung/Zeitschrift, weil die Zeit­schrif­ten ohne­hin staat­lich kon­trol­liert waren. Die­se hat­ten dann eine ent­spre­chen hohe Auf­la­ge. Bum­mi star­te­te mit einer Auf­la­ge von 736.300, die der Trom­mel betrug 1,2 Mio Exem­pla­re. Das Neue Leben hat­te eine Auf­la­ge von 540.000 bei einer viel höhe­ren Nach­fra­ge. Die Zeit­schrift wur­de also meist von meh­re­ren Leser*innen gelesen.

Bum­mi für Eltern 1/1981. Bericht über Lenin-Denk­mal und befreun­de­te Natio­nen, Län­der, in denen Urlaub gemacht wur­de, und ein Bild von einem befreun­de­ten Schwar­zen Mann mit dem Kind der Autorin auf dem Arm. 

Das Stück ist ein­deu­tig ein Pro­pa­gan­da­text. Es geht um den guten Men­schen Lenin. Dann geht es um Urlaub im Aus­land (erneut ein Wider­spruch zu den Behaup­tun­gen der Autoren) und um einen Freund aus Afri­ka. Auch wenn die­se Tex­te viel­leicht nicht vie­le gele­sen habe, schon gar nicht bis zu der Stel­le nach Lenin, so ist die Aus­sa­ge des Bil­des doch klar. Die Men­schen aus Afri­ka sind lieb. Sie tra­gen unse­re Kin­der. Papi war ein Jahr dort und hat ihnen gehol­fen und jetzt stu­diert Ibrahi­ma hier. Geht so Ras­sis­mus? Ich bin nicht zum Ras­sis­mus erzo­gen wor­den, son­dern zu Völ­ker­freund­schaft und Ver­stän­di­gung. Und zwar vom Kin­der­gar­ten bis zum Unter­gang der DDR.

Der fol­gen­de Aus­schnitt ist aus der Trom­mel, der Zei­tung für Thäl­mann­pio­nie­re, d.h. für Jugend­li­che in der vier­ten bis zur sieb­ten Klasse.

Aus­schnitt aus der Zeit­schrift für Thälm­mann­pio­nie­re Trom­mel 30/1979 zum inter­na­tio­na­len Som­mer­la­ger der Pio­nier­re­pu­blik mit Kin­dern aus Gui­nea, Turk­me­ni­en, Viet­nam, Peru, Bulgarien.

Auch hier Völ­ker­ver­stän­di­gung, Bil­der von Kin­dern aus Gui­nea, Turk­me­ni­en, Viet­nam, Peru und Bul­ga­ri­en, die in die DDR zum Som­mer­fe­ri­en­la­ger in die Pio­nier­re­pu­blik ein­ge­la­den wur­den. Sie wan­der­ten und spiel­ten dort gemein­sam, trie­ben Sport und es gab kul­tu­rel­len Austausch.

Im Jugend­ma­ga­zin Neu­es Leben 05/1985 gab es einen Bericht über eine Schu­le für 900 Kin­der aus Mosam­bik in Staßfurt.

Zwei Dop­pel­sei­ten über Kin­der aus Mosam­bik, die in der DDR zur Schu­le gin­gen und dann auch eine Berufs­aus­bil­dung gemacht haben.

Die Schu­le gab es ab 1982 und ab 1985 gab es dort zusätz­lich zu den 900 Schüler*innen aus Mosam­bik auch noch 400 aus Nami­bia (mdr, 2021). Zur Schu­le und der ver­ein­bar­ten Aus­bil­dung in der DDR sie­he auch deut­sche wel­le (2021).

Wiki­pe­dia schreibt über das Neue Leben:

Inhalt­lich ver­such­te das Blatt, einer­seits die poli­ti­sche Bil­dung der Jugend im Sin­ne des DDR-Sys­tems zu för­dern. Ande­rer­seits sprach es The­men an, die die Jugend­li­chen direkt inter­es­sie­ren, dazu gehör­ten Fra­gen des täg­li­chen Lebens, Mode, Film, Musik (auch mit Inter­pre­ten aus dem west­li­chen Aus­land), Rät­sel und Rat­ge­ber­sei­ten. Bekannt war die Kolum­ne Pro­fes­sor Borr­mann ant­wor­tet zu Fra­gen der Sexua­li­tät. Regel­mä­ßig gab es Umfra­gen nach den belieb­tes­ten Fil­men oder Musik­in­ter­pre­ten. Dar­über hin­aus ent­hielt die Zeit­schrift Kurz­ge­schich­ten, natur­wis­sen­schaft­li­che und tech­ni­sche Bei­trä­ge. Die­se Mischung führ­te zu einer hohen Popu­la­ri­tät des Blattes.

Sol­che Berich­te über die­se Schu­le und die inter­na­tio­na­le Soli­da­ri­tät mit den anti­ko­lo­nia­len Befrei­ungs­be­we­gun­gen gehör­te natür­lich zur „poli­ti­schen Bil­dung der Jugend im Sin­ne des DDR-Sys­tems“, aber die Bot­schaft war eben anti­ko­lo­nia­lis­tisch und antirassistisch.

Mit der Zuspit­zung der Ver­sor­gungs­kri­se der DDR Ende der acht­zi­ger Jah­re hiel­ten die Schlag­wor­te ‘Schmug­gel’ und ‘Waren­ab­kauf’ durch Aus­län­der Ein­zug in die gesteu­er­ten DDR-Medi­en, ver­such­te die SED doch auf die­sem Wege von ihrer ver­fehl­ten Wirt­schafts­po­li­tik abzu­len­ken. Die im Band Aus­land DDR ver­öf­fent­lich­te Leser­brief­samm­lung der Ber­li­ner Zei­tung aus der Zeit des Mau­er­falls zeigt, wel­che Blü­ten die Frem­den­feind­lich­keit bereits weit vor der Ein­heit getrie­ben hat­te. Sie bie­tet ein Pan­ora­ma aus beson­ders anti­pol­ni­schen Vor­ur­tei­len (‘arbeits­scheu’, ‘faul’), Aus­ver­kaufs- und Über­frem­dungs­ängs­ten (‘wol­len wir etwa eine Misch­ras­se?’), aber auch weni­gen mah­nen­den Stimmen.

Das kann sein. Und wenn die­se Bot­schaf­ten wirk­lich über die DDR-Medi­en ver­brei­tet wor­den sind, dann ist auch wirk­lich die DDR-Füh­rung dafür ver­ant­wort­lich zu machen. Ansons­ten ist die Tat­sa­che, dass eine bestimm­te Fra­ge in der Leser­brief­samm­lung vor­kam, noch nicht viel wert, denn es geht ja dar­um, den höhe­ren Grad an Ras­sis­mus und Frem­den­feind­lich­keit in der DDR zu erklä­ren. Und die­se Stim­men hät­te man wohl im Wes­ten mit sei­ner unge­bro­che­nen Nazi-Tra­di­ti­on7 auch fin­den kön­nen. Ich erin­ne­re nur an Horst See­ho­fer, der den Ver­fas­sungs­schutz­be­richt über die Ein­stu­fung der AfD als rechts­extre­me Par­tei hat ändern las­sen, weil die CSU zum Teil die­sel­ben Sprü­che klopft, wie die AfD (Süd­deut­sche, 21.01.2022). Oder an den CSU-Gene­ral­se­kre­tär, Bay­ri­schen Minis­ter­prä­si­den­ten und spä­te­ren Kanz­ler­kan­di­da­ten der CDU/CSU Dr. Edmund Stoi­ber, der 1988 von einer „durch­mischt und durchrasst“en Gesell­schaft gespro­chen hatte. 

Den Begriff von einer „durch­rass­ten Gesell­schaft“ war erst­mals 1988 von Stoi­ber als CSU-Gene­ral­se­kre­tär geprägt wor­den. Damals hat­te er dem SPD-Poli­ti­ker Oskar Lafon­taine vor­ge­wor­fen, die­ser wol­le „eine mul­ti­na­tio­na­le Gesell­schaft auf deut­schem Boden, durch­mischt und durch­rasst“. Den Aus­druck „durch­rasst“ hat­te Stoi­ber hin­ter­her öffent­lich bedauert.

Wei­land, Seve­rin. 2002. Geis-Ent­glei­sung: Empö­rung über Gere­de von der „durch­rass­ten Gesell­schaft“. Der Spie­gel. 2002.

Der zitier­te Spie­gel­ar­ti­kel beschäf­tigt sich mit der Wie­der­ho­lung und Recht­fer­ti­gung die­ser Aus­sa­ge durch den CSU-Rechts­exper­ten Nor­bert Geis im Jahr 2002.

All den­je­ni­gen, die sich wirk­lich für die Student*innen und Vertragsarbeiter*innen in der DDR inter­es­sie­ren, sei das Buch „… die DDR schien mir eine Ver­hei­ßung.“ Migran­tin­nen und Migran­ten in der DDR und in Ost­deutsch­land nahe­ge­legt. Das gibt es an ver­schie­de­nen Stel­len im Inter­net frei zum Down­load (Ost­be­auf­trag­ter oder https://die-ddr-schien-mir-eine-verheissung.de/)

Medizinische Versorgung

Ich bin in Ber­lin Buch auf­ge­wach­sen. Mei­ne Klassenkamerad*innen waren zum gro­ßen Teil Kin­der von Ärzt*innen und sons­ti­gem medi­zi­ni­schen Per­so­nal. In den 70ern und 80ern gab es eine spe­zi­el­le Kran­ken­sta­ti­on zur Pfle­ge und Ver­sor­gung Schwar­zer Men­schen, die in Nami­bia und Ango­la in der SWAPO im Wider­stands­kampf gegen das süd­afri­ka­ni­sche Apart­heids­re­gime gekämpft hat­ten. Über die­se Kran­ken­sta­ti­on und die Men­schen und ihre Ver­sor­gung wur­de in der Aktu­el­len Kame­ra und auf Titel­sei­ten von gern gele­se­nen Zeit­schrif­ten berichtet.

Titel­sei­te der DDR-Frau­en­zei­tung Für Dich von 1979. Die DDR hat Ver­wun­de­te aus Nami­bia in Ber­lin-Buch im Kli­ni­kum betreut. Bild in einer Aus­stel­lung im Muse­um Pan­kow, Ber­lin, 04.04.2024
Bericht in der NBI 13/79 „Dr. Erich Kwiat­kow­ski, Fach­arzt für Chir­ur­gie im Kli­ni­kum Buch, berich­tet. Sei­ne Pati­en­ten sind Opfer süd­afri­ka­ni­scher Über­fäl­le aus Flücht­lings­la­ger in Ango­la.“ Bild in einer Aus­stel­lung im Muse­um Pan­kow, Ber­lin, 04.04.2024

Ras­sis­mus war expli­zit ein Thema: 

Bericht in der NBI 13/79 über Ver­bre­chen des Ras­sis­mus. Bild in einer Aus­stel­lung im Muse­um Pan­kow, Ber­lin, 04.04.2024

Für mich sind Ras­sis­ten Men­schen, die sol­che Ver­bre­chen bege­hen oder gut­hei­ßen. Nicht aber die­je­ni­gen, die sie anpran­gern und den Opfern die­ser Ver­bre­chen hel­fen und sie über lan­ge Jah­re gesund pflegen. 

Titel­sei­te der Wochen­post vom 05.08.1988. Die DDR hat Ver­wun­de­te aus Ango­la in Ber­lin-Buch im Kli­ni­kum betreut. „Gera­de ist das Flug­zeug aus Luan­da gelan­det, der Haupt­stadt Ango­las. Unter den Flug­gäs­ten sind drei Nami­bi­er, Ange­hö­ri­ge der SWAPO. Sie kom­men in die DDR, um hier medi­zi­nisch betreut zu wer­den. In Ango­la, im Flücht­lings­la­ger Kwan­ze Sul, konn­te man ihnen nicht hel­fen. Jetzt sind sie vol­ler Unge­wiß­heit; Was erwar­tet sie im frem­den Land? Ärz­te, Schwes­tern und Pfle­ger emp­fan­gen die neu­en Pati­en­ten auf der Soli­da­ri­täts­sta­ti­on „Jakob Mor­en­ga“ im Kli­ni­kum Ber­lin-Buch. Dort wer­den Maria, Mar­tha und David mög­li­cher­wei­se für Mona­te blei­ben müs­sen. Sie brau­chen unse­re Soli­da­ri­tät.“ Bild in einer Aus­stel­lung im Muse­um Pan­kow, Ber­lin, 04.04.2024

Ich war mit einem Jun­gen befreun­det, des­sen Vater ein Dich­ter aus Syri­en war und des­sen Mut­ter Ärz­tin. Er war voll inte­griert, aner­kannt in der Schu­le. Null Pro­ble­mo. Die Bezie­hung wur­de nicht unter­bun­den. Es gab vie­le geflüch­te­te Kom­mu­nis­ten, die in der DDR Zuflucht gefun­den hat­te. Ein Jun­ge aus mei­ner Klas­se hat­te einen ita­lie­ni­schen Vater. Er war Chef­arzt in einem Kran­ken­haus. Es waren Men­schen aus Chi­le und aus Grie­chen­land in der DDR. Hon­ecker hat­te einen chi­le­ni­schen Schwie­ger­sohn, zu dem er dann nach der Wen­de auch aus­ge­wan­dert ist.

Der nationalistische Taumel der Wiedervereinigung

Ganz zum Schluss, im Fazit, wird das ange­spro­chen, was ich für den eigent­li­chen oder zumin­dest den wich­tigs­ten Grund hal­te.8 Im Fazit steht das wich­tigs­te Wort: Wie­der­ver­ei­ni­gungs­eu­pho­rie. Das ist der Punkt. Kohl kam nach Dres­den. Er schwamm in einem Meer aus Fah­nen. Ein natio­na­lis­ti­scher Tau­mel. Vom Wes­ten gewollt und geför­dert. Die tau­mel­ten drü­ben genau­so. Viel­leicht ist es zu ein­fach, aber wir haben das damals gesehen. 

Men­schen, die ihren Kopf in der Hand hal­ten. Ein Hit­ler­kopf liegt am Stra­ßen­rand. Der Him­mel ist schwarz. Urhe­ber bekannt, 1989

Wir hat­ten Angst davor. 

Dank ich an angst in der Nacht Herz­li­chen Glück­wunsch zur Wiedervereinigung

Deutsch­tü­me­lei! Natio­na­lis­mus! Das kam von der Bun­des­re­gie­rung. Nicht in Ber­lin. In Ber­lin wur­de Kohl ausgebuht. 

In Sach­sen wur­de er mit offe­nen Armen emp­fan­gen. Er hat den Ossis blü­hen­de Land­schaf­ten ver­spro­chen. Von Oskar Lafon­taine, des­sen Herz links schlug, und der damals Kanz­ler­kan­di­dat der Par­tei war, in der auch Anne Rabe Mit­glied ist, woll­te nie­mand etwas Wis­sen. Er hat die Wahr­heit gesagt. Aber „die Wahr­heit ist häss­lich und hat stin­ken­den Atem“.

Sicher ist alles nicht mono­kau­sal. Die Sache mit den Vertragsarbeiter*innen spielt bestimmt eine Rol­le, aber den gesamt­deut­schen Natio­na­lis­mus nur in einem Satz zu erwäh­nen, ist nicht angemessen. 

Zusammenfassung

Ich habe zu Beginn bespro­chen, dass einer der Autoren des hier bespro­che­nen Auf­sat­zes, so wie Gei­pel, Kaha­ne und Rabe, stark mit der DDR ver­ban­delt war. Eine Erklä­rung für ein­sei­ti­ge und fal­sche Posi­tio­nen oder Sicht­wei­sen kann dann sein, dass man über­haupt nicht erst in den Ver­dacht von Sys­tem­nä­he kom­men will. 

Zu den „jugend­li­chen Rechts­extre­mis­ten in Jugend­treffs“ habe ich ange­merkt, dass die­se dort von höchs­ter Stel­le gedul­det waren. Von Jörg Schö­ne­bohm, Gene­ral­leut­nant der Bun­des­wehr a.D. und Vor­sit­zen­der der CDU, Bran­den­burg. Nazi-Akti­vi­tä­ten wur­den im Osten durch die Ver­ant­wort­li­chen, die fast aus­schließ­lich aus dem Wes­ten waren (sie­he Rabe-Post) nicht aus­rei­chend ver­folgt. Die Autoren spre­chen vom Natio­nal­stolz, der in der DDR geför­dert wur­de. Viel­leicht waren Men­schen stolz auf ver­schie­de­ne Sport­ler oder auf Gesamt­ergeb­nis­se bei Olym­pia­den, aber bei Katha­ri­na Witt war das nicht der Fall. Sie wur­de von Tau­sen­den aus­ge­buht. Nach der Wen­de hat sie das Land ver­las­sen, weil sie nicht ver­stan­den hat, woher die Abnei­gung kam. Die Wirt­schaft war maro­de, nichts wor­auf man stolz sein konn­te. Die Behaup­tung, man hät­te in der DDR nicht rei­sen kön­nen und Indi­vi­du­al­rei­sen sei­en uner­wünscht gewe­sen, ist schlicht falsch. Auch die Bemer­kun­gen zu den Jugend-Welt­fest­spie­len ent­spre­chen nicht den Tat­sa­chen, wie man auch noch genau­er im zitier­ten Tages­spie­gel-Arti­kel nach­le­sen kann. Dass es nicht viel Kon­takt zu Ver­trags­ar­bei­tern gege­ben hat, stimmt. Der natio­na­lis­ti­sche Tau­mel nach der Wen­de, der vom Wes­ten auch befeu­ert wur­de, ist sicher ein rele­van­ter Fak­tor, wur­de aber von den Autoren nicht ange­mes­sen diskutiert.

Für Anne Rabes Behaup­tung, im Osten hät­te es ideo­lo­gisch moti­vier­ten Natio­na­lis­mus gege­ben, lie­fern Pou­trus, Beh­rends & Kuck jeden­falls kei­ne Beweise.

Quellen

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Gold­mann, Sven. 2013. Welt­fest­spie­le der Jugend 1973: Love & Peace in Ost-Ber­lin. Tages­spie­gel. Ber­lin. 22.07.2013 (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/love-peace-in-ost-berlin-8099431.html)

Gro­ßer-Kaya, Cari­na & Kubro­va, Moni­ka. 2022. „… die DDR schien mir eine Ver­hei­ßung.“ Migran­tin­nen und Migran­ten in der DDR und in Ost­deutsch­land. Ber­lin: ammi­an Ver­lag für Regio­nal. und Zeit­ge­schich­te. (https://www.ostbeauftragte.de/resource/blob/2038516/2078178/97492dbb719f360b22218c26d6c1080f/migrationsgeschichten-ministerium-austausch-128-druck-data.pdf?download=1)

Hart­wich, Doreen & Mascher, Bernd-Hel­ge. 2007. Geschich­te der Spe­zi­al­kampf­füh­rung (Abtei­lung IV des MfS): Auf­ga­ben, Struk­tur, Per­so­nal, Über­lie­fe­rung. Ber­lin. (Sta­si-Unter­la­gen-Archiv.) (https://www.stasi-unterlagen-archiv.de/archiv/fachbeitraege/geschichte-der-spezialkampffuehrung-abteilung-iv-des-mfs/#c2565)

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