Das SS-Lagerpersonal von Buchenwald

Ich habe vor Kur­zem das Buch Nackt unter Wöl­fen von Bru­no Apitz erneut gele­sen. Dar­in gibt es die fol­gen­de Passage:

Aus­zug aus Nackt unter Wöl­fen. Ein Gespräch zwi­schen zwei SS-Män­nern über ihr Abtau­chen nach dem Krieg.

Ein SS-Mann legt einem zwei­ten nahe, dass er sich schon auf eine mög­lichst unauf­fäl­li­ge Exis­tenz nach dem Krieg vor­be­rei­ten soll­te. Das hat mich an mei­ne Recher­che zum SS-Per­so­nal des KZ Lich­ten­burg erin­nert und ich habe beschlos­sen, auch für Buchen­wald mal nach­zu­se­hen, was aus dem Per­so­nal gewor­den ist.

Die Struk­tur und die Namen der SS-Ver­wal­tung des KZs Buchen­wald habe ich von der Wiki­pe­dia-Sei­te Per­so­nal im KZ Buchen­wald über­nom­men. Die Daten zum Ver­bleib der SS-Män­ner nach 1945 sind aus den ein­zel­nen Ein­trä­gen der Personen.

Abteilung I: Kommandantur

Lagerkommandant

  • Karl Otto Koch, Juli 1937 bis Dezem­ber 1941, im April 1945 in Buchen­wald von der SS hingerichtet
  • Her­mann Pis­ter, Janu­ar 1942 bis April 1945, zum Tode ver­ur­teilt und im Gefäng­nis an Herz­in­frakt gestorben

Adjutanten

  • Hart­wig Block, 1937, unbekannt
  • Johan­nes Wel­lers­haus, 1937, unbekannt
  • Hans Hüt­tig, 1938 bis 1939, 1954 in Metz durch ein fran­zö­si­sches Mili­tär­ge­richt zu lebens­lan­ger Haft ver­ur­teilt, leb­te bis 1980 in Wachen­heim an der Wein­stra­ße, Rheinland-Pfalz
  • Her­mann Hack­mann, 1939 bis 1940, vor 1945 mehr­fach zum Tode ver­ur­teilt, wegen Buchen­wald zum Tode ver­ur­teilt, 1948 begna­digt in lebens­lan­ge Frei­heits­stra­fe umge­wan­delt, 1955 ent­las­sen, gestor­ben 1994 in Uslar
  • Heinz Bün­ge­ler, 1941 bis 1942, 1943 in SS-Pan­zer­gre­na­dier-Divi­si­on „Toten­kopf“ in der Sov­jet­uni­on gefallen
  • Hans-Theo­dor Schmidt, 1942 bis 1945, 1951 nach Buchen­wald­pro­zess hingerichtet

Abteilung II: Politische Abteilung (Lager-Gestapo)

  • Wil­helm Fre­richs, 1937 bis 1941, ver­bleib unbe­kannt, zuletzt im Som­mer 1947 im Spe­zi­al­la­ger Nr. 2 Buchen­wald lebend gesehen
  • Wal­ter Ser­no, 1941 bis 1945, gestor­ben 1961 in Bremen

Abteilung III: Schutzhaftlagerführung

  • Arthur Rödl, 1937 bis 1940, Sui­zid im April 1945 mit Handgranate
  • Her­mann Flor­stedt, 1940 bis 1942, Ver­bleib unklar, angeb­lich von SS hin­ge­rich­tet, aber auch bei Schwä­ge­rin in Hal­le gese­hen und dann unter­ge­taucht, angeb­lich 1962 bei Kri­mi­nal­po­li­zei in Mainz gear­bei­tet. Ermitt­lun­gen ergeb­nis­los. Ober­staats­an­walt in Lud­wigs­burg sah Tod 1975 nicht als erwie­sen an.
  • Max Scho­bert, 1940 bis 1942, 1942 bis 1945, 1948 nach Buchen­wald­pro­zess hingerichtet
  • Jakob Wei­se­born, 1937 bis 1938, 1939 Sui­zid wegen Unter­schla­gun­gen im KZ Buchenwald
  • SS-Sturm­bann­füh­rer Hans Hüt­tig, 1938 bis 1939, 1954 in Metz durch ein fran­zö­si­sches Mili­tär­ge­richt zu lebens­lan­ger Haft ver­ur­teilt. 1956 ent­las­sen, gestor­ben 1980 in Wachen­heim, Rheinland-Pfalz. 
  • Wolf­gang Plaul, 1941, seit Kriegs­en­de verschollen
  • SS-Ober­sturm­füh­rer Erich Gust, 1942 bis 1944, Gust betrieb ab 1966 das Lokal „Hei­mat­hof“ in Mel­le, Nie­der­sach­sen. Dort speis­ten bekann­te Bon­ner Poli­ti­ker (z.B. Kai-Uwe von Has­sel und Wil­ly Brandt). Die Sta­si wuss­te, wo Gust sich auf­hielt und woll­te die Poli­ti­ker­kon­tak­te aus­nut­zen. Die west­deut­sche Jus­tiz hat ihn nie gefun­den. Gust ist 1992 in Mel­le gestorben.
  • Hans Mer­bach, 1945, wegen Ver­bre­chen bei Eva­ku­ie­rung von Buchen­wald zum Tode ver­ur­teilt und 1949 hingerichtet

Abteilung III/E: Arbeitseinsatz

  • Phil­ipp Grimm, 1940 bis 1942, Im Buchen­wald-Pro­zess zum Tod ver­ur­teilt, in lebens­läng­lich umge­wan­delt, 1954 ent­las­sen, 1984 in Bay­reuth, Bay­ern, gestorben.
  • SS-Haupt­sturm­füh­rer Albert Schwartz, 1942 bis 1945, Im Buchen­wald-Pro­zess zum Tod ver­ur­teilt, zu lebens­läng­lich umge­wan­delt, 1954 ent­las­sen, in lei­ten­der Posi­ti­on in der Indus­trie tätig,1984 in Ahrens­bök, Schles­wig-Hol­stein, gestorben.

Abteilung IV: Verwaltung (SS-Standortverwaltung)

  • Chris­ti­an Mohr, 1937
  • Karl Weich­sel­dor­fer, 1937 bis 1942
  • SS-Sturm­bann­füh­rer Otto Bar­ne­wald, 1942 bis 1945, Im Buchen­wald-Pro­zess zum Tod ver­ur­teilt, 1948 in lebens­läng­lich umge­wan­delt, 1954 ent­las­sen, 1973 in Rhein­hau­sen, NRW, gestorben. 

Abteilung V: Sanitätswesen (Standortarzt)

Standortarzt

  • SS-Ober­sturm­bann­füh­rer Wer­ner Kir­chert, 1937 bis 1938, Inhaf­tiert in Eich­stätt, 1953 in Mün­chen zu vier Jah­ren Zucht­haus ver­ur­teilt, Geschäfts­füh­rer bei der O.W.G‑Chemie in Kiel. Gestor­ben 1987 in Eitorf, NRW, Ermitt­lungs­ver­fah­ren der Staats­an­walt­schaft Würz­burg 1995 nach dem Tod Kir­cherts eingestellt
  • Hans Schlos­ser, 1939
  • Gus­tav Bus­se, 1939 bis 1941
  • SS-Haupt­sturm­füh­rer Wal­de­mar Hoven, 1942 bis 1943, 1945 von SS-Rich­ter wegen Mord zum Tod ver­ur­teilt im April 1945 aber wegen Ärz­te­man­gels ent­las­sen. 1947 im Nün­ber­ger Ärz­te­pro­zess zum Tode ver­ur­teilt und 1948 hingerichtet.
  • SS-Haupt­sturm­füh­rer Ger­hard Schied­laus­ky, 1943 bis 1945, 1947 zum Tod ver­ur­teilt und gehängt.

Weitere

Lagerärzte

  • SS-Haupt­sturm­füh­rer Hein­rich Pla­za, nach 1945 Arzt in Alt­öt­ting, Bay­ern, Lei­ter der Patho­lo­gie in Buchen­wald und betei­ligt am Mas­sen­mord, wegen Mul­ti­pler Skle­ro­se Ermitt­lungs­ver­fah­ren 1952 von der Staats­an­walt­schaft Traun­stein ein­ge­stellt, 1954 in Frank­reich in Abwe­sen­heit zum Tod ver­ur­teilt, 1968 in Alt­öt­ting gestorben.
  • Erwin Ding-Schul­er, Men­schen­ver­su­che, 1945 Sui­zid in ame­ri­ka­ni­scher Haft
  • Erich Wag­ner, 1948 aus Haft ent­flo­hen, leb­te unter Pseud­onym sechs Jah­re in Bay­ern, ab 1957 arbei­te­te er in der Pra­xis sei­ner Frau, 1958 Fest­nah­me und Ankla­ge, 1959 Suizid. 
  • August Ben­der, 1947 zu zehn Jah­ren Haft ver­ur­teilt, 1948 ent­las­sen, als Mit­läu­fer ent­na­zi­fi­ziert, von 1953 bis zur Auf­lö­sung der Kame­rad­schaft Düren 1993 Mit­glied in der Hilfs­ge­mein­schaft auf Gegen­sei­tig­keit der Ange­hö­ri­gen der ehe­ma­li­gen Waf­fen-SS e.V. (HIAG), gestor­ben 2005 in Düren, NRW.
  • SS-Haupt­sturm­füh­rer Hans Eise­le, 1943 im Dach­au-Pro­zess zum Tod ver­ur­teilt, Umwand­lung zu lebens­läng­lich, 1947 erneut Todes­ur­teil im Buchen­wald-Pro­zess, nach Über­prü­fung in zehn Jah­re Haft umge­wan­delt, 1952 ent­las­sen. Kas­sen­arzt in Mün­chen mit Exis­tenz­auf­bau­hil­fe. 1958 ande­re Anschul­di­gun­gen und Flucht nach Ägyp­ten. Wiki­pe­dia schreibt: „Unter dem ägyp­ti­schen Staats­prä­si­den­ten Gam­al Abdel Nas­ser waren seit Mit­te der fünf­zi­ger Jah­re deut­sche und öster­rei­chi­sche, zum gro­ßen Teil ehe­mals natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Wis­sen­schaft­ler ins Land gekom­men, die in mili­tä­ri­schen For­schungs­ein­rich­tun­gen an der Kon­struk­ti­on von Kampf­flug­zeu­gen und Mit­tel­stre­cken­ra­ke­ten betei­ligt waren, die Nas­ser für den Aus­bau der ägyp­ti­schen Vor­rang­stel­lung im Nahen Osten und spe­zi­ell für den Kampf gegen Isra­el benö­tig­te. In die­sen Krei­sen tauch­te auch Eise­le unter, nach­dem ein deut­sches Aus­lie­fe­rungs­ge­such abge­lehnt wor­den war.“ Anschlag des Mos­sad schug fehl. 1967 in Ägyp­ten gestorben.
  • SS-Unter­sturm­füh­rer Wer­ner Greu­nuss, zu lebens­läng­li­cher Haft ver­ur­teilt, auf 20 Jah­re redu­ziert, 1949 geflo­hen, Ver­bleib unklar.
  • Carl Eisen,
  • Lud­wig Ehrsam, 
  • Her­bert Gräff, 
  • Heinz Guda­cker,
  • Ari­bert Heim, 1945 ver­haf­tet, 1947 im Zuge einer Weih­nachts­am­nes­tie ent­las­sen, Ent­na­zi­fi­zie­rung, Haft­be­feh­le, 1962 Flucht nach Ägyp­ten, 1992 in Kai­ro gestor­ben. Der Wiki­pe­dia-Ein­trag ist wild, unbe­dingt dort lesen.
  • Peter Hofer,
  • Kon­rad Köbrich, 
  • Richard Krie­ger,
  • Vik­tor Lewe, 
  • SS-Haupt­sturm­füh­rer Karl-Wer­ner Maa­ßen „Nach Kriegs­en­de betrieb er eine Arzt­pra­xis in Kiel.“
  • Hans Mül­ler,
  • Heinz Neu­mann,
  • Ralf Rog­ge,
  • Wer­ner Roh­de, 1946 in Hameln hingerichtet
  • Wer­ner Stephan

Lagerzahnärzte

  • Georg Col­dew­ey,
  • SS-Ober­sturm­bann­füh­rer Hel­mut Johann­sen, gestor­ben 1994 Hamburg
  • Hans Fischer,
  • Ger­hard Palfer, 
  • Wal­ter Pongs, ab 1945 betrieb er eine Zahn­arzt­pra­xis in Wies­ba­den, Hessen.
  • Paul Reut­ter

SS-Sanitätsdienstgrade

Wachkompanie KZ Buchenwald

  • Paul Krö­ger
  • Arnold Büscher
  • Otto Försch­ner, 1942 bis 1943, 1945 im Dach­au­er Pro­zess zum Tod ver­ur­teilt und 1946 gehängt
  • SS-Ober­sturm­füh­rer Gui­do Rei­mer, 1943 bis 1944, 1947 zum Tod ver­ur­teilt, zu lebens­läng­li­cher Haft begna­digt, 1952 ent­las­sen, Ver­bleib unbekannt
  • Offi­zier der Wehr­macht ab 1944

Zusammenfassung

Wie auch beim Per­so­nal von Lich­ten­burg gab es unter den Buchen­wald-Nazis kei­nen ein­zi­gen, der in den Osten gegan­gen ist. Die SS-Män­ner sind alle hin­ge­rich­tet wor­den, nach Ägyp­ten geflo­hen oder nach Begna­di­gung (im Wes­ten) und Ent­las­sung im Wes­ten geblie­ben. Es gibt eini­ge, die geflo­hen sind und ande­re, bei denen der Ver­bleib unklar ist. Aber es steht zu ver­mu­ten, dass kei­ner von ihnen an die schö­ne Oder gezo­gen ist. Die Buchen­wald-SS war auch an der sys­te­ma­ti­schen Ermor­dung von Sowjet-Bür­gern betei­ligt und so ist es nicht ver­wun­der­lich, dass sie nicht in die SBZ bzw. die DDR zurück wollten.

Wie die­se Men­schen dann die Gesell­schaft in der BRD beein­flusst haben, steht nicht in Wiki­pe­dia, aber zumin­dest einer war in der Hilfs­ge­mein­schaft auf Gegen­sei­tig­keit der Ange­hö­ri­gen der ehe­ma­li­gen Waf­fen-SS e.V. (HIAG) organisiert.

Das soll­te man beden­ken, wenn man die­se Behaup­tun­gen hört, dass es in der DDR auch Nazis gege­ben habe. Ja, hat es, immer­hin gin­gen die Mit­glieds­num­mern der NSDAP bis 10 Mil­lio­nen. Aber die Fra­ge ist natür­lich, was für Nazis, in wel­chen Orga­ni­sa­tio­nen sie wie mit­ge­ar­bei­tet haben, wel­che Dienst­gra­de sie hat­ten, wenn es mili­tä­ri­sche Orga­ni­sa­tio­nen waren, und was aus ihnen dann spä­ter in der DDR im Ver­gleich zur BRD gewor­den ist.

Und eine HIAG gab es in der DDR nicht.

Nachtrag

03.11.2024: Mit­hil­fe von Lei­de (2011) habe ich einen KZ-Arzt gefun­den, der in den Osten gegan­gen ist: Horst Fischer

Als KZ-Arzt im KZ Ausch­witz III Mono­witz und Stell­ver­tre­ten­der Lager­arzt im gesam­ten Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ausch­witz war er von 1942 bis 1945 an Mor­den von Gefan­ge­nen in tau­send­fa­cher Zahl beteiligt.

Wiki­pe­dia­ein­trag Horst Fischer

Er hat bis 1964 unent­deckt als Land­arzt in Bran­den­burg praktiziert.

Quellen

Lei­de, Hen­ry. 2011. NS-Ver­bre­cher und Staats­si­cher­heit: Die gehei­me Ver­gan­gen­heits­po­li­tik der DDR (Ana­ly­sen Und Doku­men­te: Wis­sen­schaft­li­che Rei­he Der Bun­des­be­auf­trag­ten Für Die Unter­la­gen Des Staats­si­cher­heits­diens­tes Der Ehe­ma­li­gen Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik (BStU) 28). 2nd edn. Göt­tin­gen: Van­den­hoeck & Ruprecht.

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