Ostmusik / Westmusik

Die Puhdys!!!!

Ich lese gera­de das Buch Dies­seits der Mau­er von Kat­ja Hoyer. Es gibt dar­in einen Abschnitt zu Ost­rock im Kapi­tel 1971–1975.

Die anfäng­li­che Anpas­sung der Puh­dys an die Vor­ga­ben des Regimes war nicht ein­fach nur ein Akt der Unter­ord­nung, wie es ihnen vie­le kri­ti­sche­re Intel­lek­tu­el­le und Künst­ler in der DDR vor­war­fen. Ihr Ent­schluss, auf Deutsch zu sin­gen, war ent­schei­dend für ihren Auf­stieg als prä­gen­de Band der DDR-Rock­mu­sik. Auf fast kurio­se Wei­se zwang der Druck klein­li­cher Büro­kra­ten sie dazu, krea­ti­ver zu wer­den und ihre eige­ne Stim­me zu fin­den. Ähn­lich ging es auch ande­ren Musi­kern aus die­ser Zeit. Ins­ge­samt war der DDR-Ost­rock der 1970er vom Sound her zwar vom Wes­ten inspi­riert, aber zugleich stark durch die Erfah­run­gen und Rah­men­be­din­gun­gen der Musi­ker in ihrem Land geprägt. Ihre Popu­la­ri­tät über die Gren­zen der DDR hin­aus spricht für die Qua­li­tät der Arbeit. Auch wenn der Ost­rock poli­ti­schem Druck aus­ge­setzt war, so ist er nicht durch ihn entstanden.

Hoyer, Kat­ja, 2023. Dies­seits der Mau­er, S. 348–249.

Ich habe mich ab ca. 1980 inten­si­ver für Musik inter­es­siert und für mich war die DDR-Musik in wei­ten Tei­len unge­nieß­bar. Bands wie die Puh­dys und Karat waren für mich Staats­bands und zumin­dest bei Karat ja irgend­wie Schlagersänger. 

Dass ihr Lied Über sie­ben Brü­cken musst Du gehn von einem „Rocker“ aus dem Wes­ten geco­vert wur­de, macht aus dem Schla­ger immer noch kei­nen Rocksong. 

Hoyer han­delt auch Frank Schö­bel im Abschnitt über Ost­rock ab und der war nun ein­deu­tig ein Schla­ger­sän­ger (Hei­ßer Som­mer war lus­tig, aber eben so Musical-Kram).

Für mich war fast die gan­ze DDR-Rock­mu­sik (Puh­dys, Karat, Stern Mei­ßen, Elec­tra, Sil­ly, Pan­kow, Rock­haus) totes Zeug. Das wur­de erst ganz zum Schluss in den 80ern anders, als es einen offi­zi­el­len, will hei­ßen, staat­lich gedul­de­ten, Unter­grund gab.

Auf den Klas­sen- und Schul­dis­kos 1980–1986 wur­de bei uns – soweit ich mich rich­tig erin­ne­re – kei­ne Ost-Musik gespielt. Das war ein­fach total unc­col. Da gab es so was wie AC/DC, Queen (We will rock you), Ali­ce Coo­per, Wishful Thin­king, Depe­che Mode, Ultra­vox, Soft Cell.

Twist

Hoyer beschreibt in frü­he­ren Kapi­teln (Kapi­tel 5, 1961–1965) Pha­sen der Locke­rung und Zei­ten, in denen Man­fred Krug u.a. mit Twist Erfol­ge fei­er­ten (S. 262). Dann wur­de es aber wie­der stren­ger. In mei­ner Jugend­zeit war Ost­mu­sik sprö­de und lang­wei­lig. Ich habe mich red­lich bemüht, Pan­kow und Sil­ly gut zu fin­den. Es ist mir nicht gelun­gen. Sil­ly und Pan­kow sind die ein­zi­gen Bands unter den oben genann­ten, von denen ich Plat­ten habe. Die­se habe ich damals fast nie gehört und in den letz­ten 35 Jah­ren über­haupt nicht.

Wirk­lich schreck­lich war so was wie Rock­haus (Ich lie­be Dich) oder Inka (Spiel­ver­der­ber). Rock­haus war mit Ich lie­be Dich 1988 Num­mer eins der DDR-Jah­res­hit­pa­ra­de, aber wahr­schein­lich waren die Hit­pa­ra­den genau­so gefälscht wie die Wah­len (sie­he Wahl­fäl­schung bei Kom­mu­nal­wah­len 1989).

West-Musik

Ich war an einer Schu­le (EOS) mit Funk­tio­närs­kin­dern und Kin­dern von Par­tei­mit­glie­dern in einer Klas­se. Einer mit Opa im ZK, ein ande­rer mit einer beson­de­ren Tele­fon­num­mer. Weiß nicht, was der Vater war. Wir haben uns getrof­fen und Musik über­spielt. Kraft­werk habe ich von einem aus der Par­al­lel­klas­se bekom­men. Beat­les, Pink Floyd, The Doors, Zap­pa, Beef­he­art von Klas­sen­ka­me­ra­den. Ich kann mich noch erin­nern, wie wir The final Cut mit Hand aus­ge­steu­ert haben, weil der Gera­cord die hohe Dyna­mik gekillt hät­te. Mein Freund immer kurz vor den ent­schei­den­den Stel­len: „Run­ter! Run­ter!“ Ein ande­rer Freund war für Hard­rock und Hea­vy Metal zustän­dig. Von ihm bekam ich Scor­pi­ons und Judas Priest.

Tom Waits, Dire Straits bekam ich von einem Klas­sen­ka­me­rad, des­sen Schwes­ter nach West­ber­lin gehei­ra­tet hat­te. Schlecht für ihn, weil er nicht zur inter­na­tio­na­len Phy­sik­olym­pia­de fah­ren durf­te, gut für uns, weil wir die Plat­ten über­spie­len konnten.

Eine Kas­set­te kos­te­te 20 Mark (= mehr als 20 Bro­te), war also sehr teu­er. Auf die Ost-Kas­set­ten gin­gen 60 Minu­ten (2*30 min), das war für das Über­spie­len von Lang­spiel­plat­ten ungüns­tig, weil die meis­tens 45 Minu­ten lang waren. Dafür brauch­te man eigent­lich 90er Kas­set­ten, die es im Osten nicht gab. Ich habe viel Geld in Musik ange­legt. Eigent­lich alles, was ich hat­te. Der Kas­set­ten­re­cor­der kos­te­te 1100 Bro­te, war aber Mist, so dass ich mir ein Ste­re­o­ra­dio (Rema Andan­te) und den Gera­cord gekauft habe. Das waren zusam­men unge­fähr 2000 Brote.

Stern­re­cor­der und K90-Kas­set­ten, DDR-Muse­um Eisen­hüt­ten­stadt, 02.08.2019

Lizenz-Platten: Amiga

Bei Ami­ga gab es Plat­ten von Bruce Springsteen, Tina Tur­ner, Tomi­ta, Tan­ge­ri­ne Dream usw. Auch von Udo Lin­den­berg gab es eini­ge Platten. 

Ami­ga-Plat­te von Udo Lin­den­berg 1982.

Das war Bück­wa­re, die Auf­la­ge betrug nur jeweils 10.000, die Bedürf­nis­se konn­ten nie voll­stän­dig befrie­digt wer­den. Aber man konn­te die Plat­ten dann von Glück­li­che­ren über­spie­len. Ich hat­te mal Kate Bush ergat­tert, die habe ich dann gegen eine Jim­mi Hen­drix-Plat­te von Poly­dor (Wes­ten) eingetauscht.

Bibliotheken

Neu­bau-Kom­ple­xe hat­ten meis­tens einen Dienst­leis­tungs­kom­plex mit Fri­seur, Jugend­club und Biblio­thek. Die Ami­ga-Plat­ten gab es auch in den Biblio­the­ken. Ich erin­ne­re mich an Pink Floyd The dark side of the moon und eine Elivs-Plat­te. In die Pink-Floyd-Plat­te habe ich lei­der einen Krat­zer rein­ge­macht. Sor­ry an alle, die sie nach mir hatten.

Plat­ten­co­ver einer Ami­ga-Plat­te von Udo Lin­den­berg. Foto­gra­fiert mit einer Cer­to SL 110. Links unten sieht man die Beschrif­tung der Biblio­thek aus der die Plat­te stammte.

Das Bild ist eine nicht ganz voll­kom­me­ne Repro­duk­ti­on des Biblio­theks­exem­plars der Udo-Lin­den­berg-Plat­te von Ami­ga. Foto­gra­fiert mit der Cer­to SL 110. Ich habe es in der Kas­set­ten­hül­le der Kas­set­te mit der über­spiel­ten Plat­te verwendet.

Duett: Musik für den Recorder

Auf dem Jugend­sen­der DT64 gab es eine Sen­dung Duett: Musik für den Recor­der, bei der Schall­plat­ten zum Mit­schnei­den kom­plett gespielt wur­den. Ob die DDR den Künstler*innen was dafür bezahlt hat, weiß ich nicht …

RIAS: Treffpunkt

Im RIAS Treff­punkt gab es am Sonn­abend immer Wunsch­ti­tel zum Mit­schnei­den. Die­se wur­den aus­ge­spielt. Es gab meist einen Titel von Udo Lin­den­berg. Ich weiß noch, dass es da bei uns immer Kaf­fee gab und ich eigent­lich nur zu mei­nem Recor­der wollte. 

Es gab Tarn­adres­sen, an die Ost­deut­sche ihre Musik­wün­sche schi­cken konn­ten. Die Adres­sen änder­ten sich stän­dig und wur­den jeweils in den Radio­sen­dun­gen durch­ge­sagt. Ich fand das merk­wür­dig, weil die Sta­si ja auch Radio hören konn­te. Ich habe natür­lich nie an eine sol­che Adres­se geschrieben. 

Schlager der Woche

Schla­ger der Woche war eine Hit­pa­ra­de im RIAS, die der lie­bens­wer­te Cha­ot Lord Knud jede Woche ver­an­stal­te­te. Es war kei­ne Schla­ger­sen­dung, son­dern irgend­wie so eine Hit­pa­ra­de, bei der die Höre­rin­nen sich etwas wäh­len konn­ten. Lord Knud hat lei­der oft in die Titel rein­ge­quatscht, aber wenn man es nicht bes­ser hat­te, muss­te auch das für Mit­schnit­te reichen.

Beatles-Jahr

Die Beat­les-Alben wur­den auch kom­plett im Rund­funk gespielt. Weiß nicht mehr, ob es SFB oder RIAS war. Es war jeden­falls im Luther­jahr 1983. Nach den Beat­les kam immer „Wer Ohren hat, der höre.“ Ich hat­te ja schon eine hal­be Stun­de gehört.

Kulturzentren

In Kul­tur­zen­tren der ver­schie­de­nen Ost­block­län­der konn­te man Plat­ten kau­fen. Ich habe im Pol­ni­schen Kul­tur­zen­trum eine Plat­te von den Dead Ken­ne­dys und einen Sam­pler mit Psy­cho­bil­ly-Stü­cken gekauft: Psycho Attac over Euro­pe.

Ungarn und ČSSR

In Ungarn und in der ČSSR konn­te man Schall­plat­ten kau­fen, die es in der DDR nicht unbe­dingt gab. Die Beträ­ge, die man umtau­schen konn­te waren begrenzt. Wenn man Omas oder Kum­pels mit Omas hat­te, die einem Zoll­erklä­run­gen aus dem Wes­ten mit­brach­ten, dann konn­te man in Ungarn noch mehr Geld umtau­schen. Das muss­te man aber irgend­wie ins Land bekom­men. Die Plat­ten­lä­den hat­ten Visi­ten­kar­ten, die sich die Ungarn­be­su­cher wei­ter­ga­ben. Ich habe mir eine Doors-Dop­pel-LP gekauft (100 Mark) und eine Beatles-Kassette.

Omas und Opas

Die mit den Omas und Opas haben die­se Plat­ten mit­brin­gen las­sen, ent­we­der für sich selbst oder für den Wei­ter­ver­kauf auf dem Schwarz­markt. Diplo­ma­ten haben den Schwarz­markt wohl auch gefördert.

Zusammenfassung

Es gab Mit­tel und Wege, an West-Musik zu kom­men. Die Puh­dys hat nie­mand von uns gehört. (oder wenn, dann heimlich =:-)

Einstufung

Was man wis­sen muss über die Ost­mu­sik, ist: Man konn­te nicht ein­fach so auf­tre­ten. Wäh­rend das im Wes­ten der Markt regel­te, regel­te das im Osten der Staat. Man brauch­te eine Ein­stu­fung.

Ein­stu­fun­gen der Klaus-Ren­ft-Com­bo, DDR-Muse­um, Eisen­hüt­ten­stadt, 02.08.2019

Das bedeu­te­te, dass nur Men­schen, die ihre Instru­men­te beherrsch­ten, auf­tre­ten konn­ten. Und dass nur Men­schen, die irgend­wie zens­ur­kon­for­me Tex­te hat­ten, eine Ein­stu­fung bekom­men haben bzw. behal­ten haben. Ohne Ein­stu­fung blie­ben nur Kon­zer­te in Kir­chen­räu­men. Die Kir­chen waren in die­sem Bereich auto­nom, in ihren Räu­men durf­ten sie machen, was sie woll­ten. Die Sta­si war zwar immer über­all dabei bzw. stand – wie beim Früh­lings­fest der Erlö­ser­kir­che außen drum rum –, aber ansons­ten wur­de die­se Über­ein­kunft eingehalten.

Die anderen Bands

Gegen Ende der DDR gab es die ande­ren Bands. Die wur­den sogar im Jugend­ra­dio DT64 gespielt. Im Parock­ti­kum von Lutz Schramm (auf dem schlech­tes­ten Sen­de­platz). So was wie San­dow, die Art, Fee­lingB, Die Visi­on, Die Skep­ti­ker, Herbst in Peking, Ich-Funk­ti­on, Die Fir­ma, Frey­gang, Deka­dance, Hard Pop, Ste­ve Binet­ti, Rosen­gar­ten (Bes­se­re Zei­ten), Freun­de der Ita­lie­ni­schen Oper, Drit­te Wahl. Die hat­ten eine Ein­stu­fung und konn­ten in Jugend­klubs, Kreis­kul­tur­häu­sern oder im Palast der Repu­blik bei Ver­an­stal­tun­gen von Lutz Schramm auf­tre­ten. AG Gei­ge gehör­te auch dazu. Die­se For­ma­ti­on war ein Son­der­fall: Sie hat­ten kei­ne Ein­stu­fung, durf­ten aber nach Inter­ven­ti­on einer Gale­ris­tin als „Volks­kunst­kol­lek­tiv der aus­ge­zeich­ne­ten Qua­li­tät“ auftreten. =:-)

Kai-Uwe Kohl­schmidt von San­dow bei der Auf­füh­rung der Plat­te “Ent­fern­te Wel­ten” zum 35ten Band­ju­bi­lä­um in der Volks­büh­ne, Ber­lin, 07.02.2018

Das war echt, das tat weh und ab und zu wur­de mal eine von den Bands ver­bo­ten oder hat­te irgend­wie Schwie­rig­kei­ten. Deka­dance hat­te Pro­ble­me mit der Zen­sur, weil die den Song Twen­ty Ziga­ril­los nicht ver­stan­den haben. Der Text bestand nur aus der Zei­le „Twen­ty Ziga­ril­los“. Herbst in Peking hat­ten 1989 eine Schwei­ge­mi­nu­te für die Opfer des Mas­sa­kers am Tian’anmen-Platz gemacht und wur­den ver­bo­ten. Frey­gang war auch immer mal verboten.

Es gab in der DDR eine ziem­lich akti­ve Tape-Sze­ne. Auf Kon­zer­ten wur­den Kas­set­ten der jewei­li­gen Bands ver­kauft. Von mei­nem Klas­sen­ka­me­rad mit ZK-Opa habe ich auch Tapes von Gefah­ren­zo­ne bekom­men. Gefah­ren­zo­ne hat­te nie eine Ein­stu­fung und ist nur in kirch­li­chen Kon­tex­ten auf­ge­tre­ten. Sie san­gen über Pere­stroi­ka und Glas­nost. Ich habe das Band zu einem Zeit­punkt über­spielt, als die Sta­si schon Zer­set­zungs­maß­nah­men gegen die Band lau­fen hat­te. Aber davon wuss­ten wir nichts. (Gefah­ren­zo­ne bei Tape­At­tack)

Geh zu ihr und lass Deinen Drachen steigen, geh zu ihr, denn Du lebst ja nicht vom Moos allein

Die Puh­dys-Songs im Film Paul und Pau­la sind auf jeden Fall legen­där. Der Film steht ja auch auf mei­ner Lis­te mit den Film­emp­feh­lun­gen und Lese­tipps.

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