Bürgerbewegung Demokratie Jetzt

Flug­blatt von Demo­kra­tie Jetzt vom 30.09.1989

Okto­ber 1989
Redak­ti­ons­schluß 30. 9.

Unser Land lebt in inne­rem Unfrie­den. Men­schen wer­den krank an der Gesell­schaft.
Vie­le ver­las­sen das Land. Ande­re, die blei­ben, haben mit dem Sozia­lis­mus, wie sie ihn
ken­nen, nichts mehr im Sinn. Wir haben in vier­zig Jah­ren man­ches erreicht. Doch zu viel ist in der Ent­wick­lung ste­cken­ge­blie­ben. Zu viel Mensch­lich­keit ist ver­lo­ren­ge­gan­gen. Zu wenig ist vom Traum von der Frei­heit, Gleich­heit und Brü­der­lich­keit geblieben.

Wir leiden, weil die Produktionsmittel nicht Eigentum des Volkes sind.

Der Staat hat sie sich ange­eig­net. Unse­re wer mit­re­gie­ren will, wird abge­scho­ben. Die
Wirt­schaft ist ver­al­tet und unef­fek­tiv. Betrie­be arbei­ten ohne Rück­sicht auf die Natur. Nicht Fach­leu­te, son­dern Funk­tio­nä­re haben viel­fach das Sagen. Vie­len Werk­tä­ti­gen ist ihre Arbeit gleich­gül­tig gewor­den. Sie weh­ren sich gegen Bevor­mun­dung und Miß­wirt­schaft durch nach­läs­si­ges Arbei­ten. Über­all in Land fehlt es an Waren und Arbeits­kraft. Werk­tä­ti­ge in Han­del, Hand­werk und Dienst­leis­tung geben ihre Unzu­frie­den­heit an ihre Kun­den wei­ter. Wie oft erle­ben wir Grob­heit und Unfreund­lich­keit. erle­ben wir Grob­heit und Unfreund­lich­keit. War das unser Traum von Brü­der­lich­keit und Schwesterlichkeit?

Wir brauchen neue Hoffnung: Die solidarische Gesellschaft.

Die Bür­ger­be­we­gung
DEMOKRATIE JETZT will, daß die Pro­duk­ti­ons­mit­tel wirk­lich unser aller Eigen­tum sind. Die Betrie­be sol­len selb­stän­dig sein. Staat­li­che Vor­ga­ben soll es nur geben, wo das Gemein­wohl es erfor­dert. Wir wol­len vol­le Eigen­ver­ant­wort­lich­keit für die Genos­sen­schaf­ten. Wir wün­schen uns neue pri­va­te Eigen­tums­for­men in Dienst­leis­tung und Han­del. Wir wol­len wirk­li­che Mit­be­stim­mung in den Betrie­ben, unab­hän­gi­ge Gewerk­schaf­ten und das Streik­recht. Wir tre­ten für eine offe­ne und ver­ant­wort­li­che Umwelt­po­li­tik ein. Wir sind bereit, durch einen Wan­del unse­res Lebens­stils zu neu­em Umwelt­ver­hal­ten zu kom­men. Wir wol­len jene sozia­len Errun­gen­schaf­ten, die sich bewährt haben, schüt­zen. Wir wol­len ein freund­li­ches Land.

Wir wer­den vom Staat und von der SED gegän­gelt. Zei­tun­gen, Rund­funk und Fern­se­hen belü­gen uns. Eine Min­der­heit maßt sich das Recht auf Wahr­heit an. Die macht­stüt­zen­den Orga­ne ent­zie­hen sich der öffent­li­chen Kon­trol­le. Schu­len und Hoch­schu­len, Wis­sen­schaft und Kunst wer­den von Ideo­lo­gen beherrscht. Von unse­ren Nach­barn sind wir durch eine men­schen­ver­ach­ten­de Mau­er getrennt. Wir dür­fen nicht rei­sen, wohin wir wol­len. Bür­ger­rech­te wer­den wie eine Gna­de gewährt.

Wir leiden, weil unser Staat ein Obrigkeitsstaat ist.

Wer mit­re­gie­ren will, wird abge­scho­ben. Die Rech­te, die uns die Ver­fas­sung garan­tiert, wer­den durch Geset­ze und Ver­ord­nun­gen beschnit­ten. Die Recht­spre­chung ist nicht unab­hän­gig. Durch das Ein­ga­be­we­sen wer­den wir zu Bitt­stel­lern gemacht. Bei den Wah­len haben wir kei­ne Wahl. Die Volks­ver­tre­tun­gen wer­den von der SED beherrscht. Noch sind die ande­ren Par­tei­en unselb­stän­dig. Poli­ti­ker ent­schei­den in ein­sa­mer Selbst­herr­lich­keit über uns. War das unser Traum von der Gleich­heit aller Menschen?

Wir brauchen neue Hoffnung: Den DEMORRATISCHEN STAAT.

Die Bür­ger­be­we­gung DEMOKRATIE JETZT schlägt eine Wahl­re­form vor. Wir wol­len die wirk­li­che Wahl zwi­schen Pro­gram­men und deren Ver­tre­tern. Wir wol­len die Gleich­be­rech­ti­gung aller poli­ti­schen Par­tei­en und Grup­pen, aus­schließ­lich der Faschis­ten. Wir leh­nen den Füh­rungs­an­spruch der SED ab und stre­ben hier­zu Ver­fas­sungs­än­de­run­gen gemäß Arti­kel 106 der Ver­fas­sung an. Zum Zusam­men­ge­hen mit kri­ti­schen Mar­xis­ten sind wir bereit. Wir wol­len eine Rechts­re­form. Wir möch­ten, daß die Unab­hän­gig­keit von Rich­tern und Ver­tei­di­gern gewähr­leis­tet ist und Straf­tat­be­stän­de nicht will­kür­lich aus­leg­bar sind. Wir wol­len ein Ver­fas­sungs­ge­richt und eine ent­wi­ckel­te Ver­wal­tungs­ge­richts­bar­keit, die das Ein­ga­be­we­sen über­flüs­sig macht.

Wir lei­den, weil wir nicht als mün­di­ge Bür­ge­rin­nen und Bür­ger behan­delt werden.

Wir brauchen neue Hoffnung: Die Einhaltung aller Menschenrechte

Die Bür­ger­be­we­gung Demo­kra­tie Jetzt will für alle den gleich­be­rech­tig­ten Zugang zu den Medi­en. Wir wol­len Ver­samm­lungs- und Demons­tra­ti­ons­frei­heit, den Schutz per­sön­li­cher Daten und die Ein­hal­tung der Per­sön­lich­keits­rech­te. Wir wol­len Frei­heit für Wis­sen­schaft und Leh­re. Wir möch­ten, dass Eltern über Lehr­in­hal­te mit­be­stim­men kön­nen. Wir wol­len Rei­se­frei­heit und Aus­wan­de­rungs­recht. Wir wol­len, dass die Mau­er abge­tra­gen wird. Wir sind zur kri­ti­schen Arbeit in allen Gesell­schafts­be­rei­chen bereit.

Was also können wir tun?

Wir alle müs­sen es ler­nen, als mün­di­ge und selbst­be­wuß­te Bür­ge­rin­nen und Bür­ger zu den­ken und zu han­deln. Wir müs­sen aus der Ver­ein­ze­lung zur Gemein­schaft kom­men. Nur gemein­sam kön­nen wir unse­re Gesell­schaft umge­stal­ten. Fas­sen wir Mut, durch­bre­chen wir unser Schwei­gen, suchen wir Gleich­ge­sinn­te um uns herum!

Wir schla­gen Ihnen vor, sich in selbst­ver­wal­te­ten Bür­ger­ko­mi­tees zusam­men­zu­schlie­ßen: in den Betrie­ben und Wohn­ge­bie­ten, in den Schu­len und Hoch­schu­len, in den Städ­ten und Dör­fern. Spre­chen Sie mit­ein­an­der über die Pro­ble­me, die Sie bewe­gen. Brin­gen Sie sich mit Ihren Erfah­run­gen und Ihrem Wis­sen, Ihren Gefüh­len und Ihrer Hoff­nung ein. Wir alle müs­sen poli­ti­sches Han­deln jetzt lernen.

Wir schla­gen Ihnen vor, Ver­bin­dung zu gleich­ge­sinn­ten Grup­pen in Ihrer Nach­bar­schaft zu suchen. Orga­ni­sie­ren Sie Tref­fen in den Stadt­be­zir­ken und Krei­sen. Wäh­len Sie Spre­che­rin­nen und Spre­cher. Ent­sen­den Sie Ver­tre­ter zu über­re­gio­na­len Ver­an­stal­tun­gen. Sei­en sie soli­da­risch mit ande­ren gewalt­frei­en Reform- und Oppo­si­ti­ons­grup­pen. Stel­len Sie mit ihnen gemein­sam in Ihrem Wahl­kreis Kan­di­da­ten für alle Volks­ver­tre­tun­gen auf. Wir alle müs­sen Demo­kra­tie jetzt lernen.

Ver­viel­fäl­ti­gen und ver­brei­ten Sie die Zei­tung unse­rer Bür­ger­be­we­gung DEMOKRATIE JETZT. Arbei­ten Sie ihr zu durch Berich­te, Infor­ma­tio­nen und Mei­nun­gen. Ergän­zen Sie unse­re Zei­tung durch loka­le und regio­na­le Aus­ga­ben. Tra­gen Sie die Gedan­ken, den Namen und das Sym­bol der Bür­ger­be­we­gung unter die Men­schen unse­res Lan­des: Ein Schmet­ter­ling soll unser Zei­chen sein. Denn unser Land gleicht einer Rau­pe, die sich ein­ge­sperrt hat und zu einem unan­sehn­li­chen Kokon gewor­den ist. Ein Kokon ist in Gefahr, aus­au­trock­nen und zu ver­der­ben. Doch es kann aus ihm auch ein freund­li­cher Schmet­ter­ling gebo­ren wer­den. Der Schmet­ter­ling ist ein Zei­chen der Viel­falt und Friedfertigkeit.

So will die Bür­ger­be­we­gung DEMORTATIE JETZT dar­an mit­wir­ken, den inne­ren Frie­den unse­res Lan­des wie­der­her­zu­stel­len. Sie will dem äuße­ren Frie­den die­nen. Wir wün­schen uns gleich­be­rech­tig­te soli­da­ri­sche Nach­bar­schaft mit allen Völ­kern und respek­tie­ren die bestehen­den Gren­zen. Wir wol­len eine Welt­ord­nung, die allen Men­schen das glei­che Lebens­recht sichert. Mit den armen Völ­kern der Welt wol­len wir teilen.

Wir sind uns der beson­de­ren Frie­dens­pflicht des deut­schen Vol­kes bewußt. Des­halb tre­ten wir für weit­ge­hen­de Abrüs­tung und die Ein­füh­rung eines sozia­len Frie­dens­diens­tes ein.
Wir wün­schen uns ein gleich­be­rech­tig­tes und freund­li­ches Ver­hält­nis zum ande­ren deut­schen Staat. Wir möch­ten, daß sich die Deut­schen durch fried­li­che Ver­än­de­run­gen in bei­den Gesell­schaf­ten wie­der näherkommen.

Las­sen Sie uns gemein­sam han­deln und hof­fen, damit unser Land lie­bens­wert und freund­lich wird und jeder Mensch und jedes Gescöpf sei­nen Platz dar­in findet!

Den Auf­ruf DEMOKRANTE JETZT unter­zeich­ne­ten am 12. Sep­tem­ber 1989:
Wolf­gang Apfeld. Dr. Micha­el Bar­to­szek. Ste­phan Bick­hardt. Dr. Hans-Jür­gen Fisch­beck.
Rei­ner Flüg­ge. Mar­tin König. Lud­wig Mehl­horn. Dr. Ger­hard Weigt. Kon­rad Weiß.
Kein­hard Lam­pe. Ulri­ke Pop­pe. Dr. Wolf­gang Ull­mann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert