Ich gendere ja selbst (siehe Gendern, arbeiten und der Osten), aber gewisse Dinge bringe ich einfach nicht über das Herz bzw. den Verstand. Eins davon ist Beamtin. Das Nomen Beamter ist speziell. Es ist eines der wenigen Nomina mit adjektivischer Flexion: Beamter, Gesandter, Verwandter. Adjektive passen sich in ihrer Form an die Eigenschaften des Nomens an:
(1) a. ein grüner Ball b. eine grüne Pflanze
Genauso ist das bei den Nomina mit adjektivischer Flexion:
(2) a. ein Beamter b. eine Beamte
Das heißt, unsere liebe Grammatik sieht schon eine feminine Form für Beamter vor. Dummerweise gibt es Synkretismus in den Formen, die man braucht, wenn man den definiten Artikel verwendet:
(3) a. der Beamte b. die Beamte
Aber da ist ja das Genus auch durch die Form des Artikel vorgegeben. Also: Beamtin, no way!
Edit: Man lernt nie aus. Durch die Diskussion auf Mastodon habe ich gelernt, dass Beamtin die normale Form ist und zwar schon 1946 belegt. Es ist also keine Form, die sich aus dem Gendern und der feministischen Linguistik ergeben hat. Mir war Beamtin 2009 zum ersten Mal aufgefallen.
Das andere sind die Mitglieder*Innen. Hier werden Verbrechen ohne Not begangen. Es ist das Mitglied, das heißt, hier liegt ein Neutrum vor. Der Mitglied und die Mitgliedin gibt es im Singular nicht und auch gegenderte Pluralformen sind Unsinn.
Ich fotografiere ja seit 2019 die Klimabewegung und war auch beim Gründungsparteitag der Berliner Klimaliste dabei. Ich bin als Fotograf strikt neutral, nie an irgendwelchen Diskussionen oder Aktionen beteiligt. Dokumentiere nur. Aber bei diesem Parteitag habe ich mich dann doch eingemischt und habe die Klimaliste davor bewahrt, das Wort Mitglieder:innen in ihrem Parteiprogramm zu haben.
Das Parteiprogramm mit meiner Änderung wurde dann fröhlich angenommen.
In der taz habe ich heute gelernt, dass es Menschen gibt, die statt Mitglied Mitklit sagen. Liebe Frau*innen, ich muss Euch sagen, Ihr seid hier etwas zu sehr penisfixiert. Im Guten oder im Schlechten. Schaut man im DWDS bei Mitglied nach, kommt man auch zu Glied. Und Glied ≠ Puller, auch wenn diese Bedeutung wichtig ist und bei mancher oder manchem zuerst aufblinkert.
- beweglicher, durch ein Gelenk mit dem Rumpf verbundener Körperteil des Menschen, der Tiere
- einzelner, unabhängig bewegbarer Teil eines Körperteiles
- einer von vielen ineinandergreifenden Ringen, die eine Kette bilden
- [bildlich] …
- [übertragen] Angehöriger, Mitglied
- Reihe von zwei oder mehr Personen in einer in mehreren Reihen hintereinander aufgestellten Formation (von Personen)
- ⟨in Reih und Glied⟩
- Generation, Geschlechterfolge
- männliches Geschlechtsteil, Penis
Also: Wenn wir Mitglied bei der Klimaliste werden, sind wir einer von vielen ineinandergreifenden Ringen und bilden eine Kette. Wie schön! Das hat erst mal noch gar nichts mit Sex zu tun!
Als letzte Bemerkung: Mir ist schon klar, dass ich hier letztendlich dasselbe mache, wie viele meiner Megastars (siehe Das leidige Thema: Gendern, und ausführlicher hier: Das Theater mit dem Gendern). Meist sehr alte Linguist*innen versuchen uns zu erklären, dass Gendern doof ist und aus den Gründen X und Y systemwidrig und nicht in die deutsche Grammatik integrierbar. Meine Antwort darauf war, dass das natürlich Unfug ist, denn die Menschen gendern einfach, auch wenn es aus grammatischer Sicht ja das generische Maskulinum usw. gibt. Als deskriptive Linguist*innen ist es unsere Aufgabe, den Istzustand zu beschreiben und nicht irgendwem vorzuschreiben, was er oder sie oder es zu tun oder zu lassen hat. Das habe ich so von ebendiesen Superstars gelernt. Wenn es nun nur darum geht, irgendwie Stolperfallen in der Sprache auszulegen und zu nerven, dann ist natürlich auch die Verwendung von Beamtin und Mitklit völlig legitim. Lustigerweise kann auch Mitklit nicht von Merz und Baden-Württembergern verboten werden, denn es ist völlig orthografie-konform. Es stellt sich natürlich aber auch die Frage, was mit denen passiert, die weder Mitklit noch Mitglied sind. Die sind hier wohl in die Ritze gefallen.
Quellen
Neukirch, Ralf. 2013. Gleichberechtigung: Sein Name ist Sie. Spiegel 25/92. (https://www.spiegel.de/politik/sein-name-ist-sie-a-decd60d4-0002–0001-0000–000092536984)