Ich freue mich wie Bolle, dass jetzt viele Leute Twitter verlassen und zu Mastodon wechseln. Und die Blogs kann man auch vernetzen dank ActivityPub-Plugin für WordPress.
Also: Wenn Ihr Euch für den Osten aus Sicht eines eingeschnappten [=:-)] Ossis interessiert, folgt Stefan@so-isser-der-ossi.de.
Nochmal ohne Quatsch: Ossis sind in den Redaktionen unterrepräsentiert, sie haben in Firmen und öffentlichen Einrichtungen keine Stimme und ich kommentiere hier ab und zu grobe Falschdarstellungen. Zum Teil auch von Ossis selber. Es geht viel um Nazis, aber auch um Gendern, Gleichberechtigung, Kinderverschickungen/Kuren usw.
In der letzten Zeit gab es mehrfach Artikel in der taz zur Kinderverschickung (siehe Quellen). Berichtet wurde über Grausamkeiten, die in den Heimen stattfanden. Zum Beispiel, dass Schlafsäle nachts verschlossen wurden, so dass die Kinder nicht auf die Toilette gehen konnten (taz, 14.12.21).
Fast alle berichten von: Esszwang, nächtlichem Toilettenverbot, haarsträubenden hygienischen Zuständen, Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit, Kontaktverbot zur Familie, Einschüchterung, die zu Angst- und Schuldgefühlen führten: Haben mich meine Eltern verstoßen, sehe ich sie je wieder, was habe ich falsch gemacht? Eine Atmosphäre, in der „seelische Grausamkeit“ gedieh. Aber auch Fälle von Prügel, Eisduschen, Strafmaßnahmen wie nächtlichem Wegsperren in dunkle, kalte Kammern oder Dachböden, also physischem – aber auch sexuellem – Missbrauch sind bekannt.
Betroffene organisieren sich in Vereinigungen, um die Vergangenheit aufzuarbeiten.
Heute wird in der taz wieder berichtet. Der Artikel enthält einen kleinen vergifteten Satz:
Vorsichtig geschätzt sind zwischen sechs und acht Millionen Kinder in der alten Bundesrepublik zur Kur geschickt worden, zum Gesundwerden oder zur Vorbeugung. Auch in der DDR gab es Kinderkuren. Viele Kinder – nicht alle – haben in den Kurheimen Lieblosigkeit, Schikanen, Misshandlungen oder sogar sexualisierte Gewalt erlebt.
Rein logisch wird nur mitgeteilt, dass es in der DDR Kinderkuren gab. Suggeriert wird aber, dass es in der DDR „Lieblosigkeit, Schikanen, Misshandlungen oder sogar sexualisierte Gewalt“ gab und zwar von der Art, wie sie in den vorangegangenen Veröffentlichungen thematisiert wurde. Zum Beispiel berichten Kinder davon, dass sie Essen aufessen mussten, egal, was es gab. Erbrochenes musste auch aufgegessen werden (taz, 14.12.21).
Frau Seifert verlinkt dann auf die Seite https://verschickungsheime.de/ und wenn man sich dort umsieht, findet man zum Thema DDR folgendes:
Ab 1945 sagte man „Verschickung“, in der DDR war der Begriff „Kurkinder“ gebräuchlicher. DDR-Kurkinder haben sich bisher bei uns nur wenige gemeldet. Die Kurbäder auf dem Gebiet der DDR erlitten nach 45 einen Niedergang, daher gab es in der DDR nicht annähernd so viele Kurorte wie im Westen (BRD 1964: ca. 1200 Heime in 350 Kurorten). Es können sich aber auch DDR-Kurkinder melden und bei uns mitmachen, sich gern auch als Heimortverantwortliche für ihre Heime einsetzen lassen.
verschickungsheime.de, 16.01.2000
Auf der Seite gibt es Logos von Bundesländern und bei den Ost-Bundesländern gibt es keine Einträge.
Kein Trauma!
Ich war als Kind zweimal zur Kur: einmal für drei Monate in Graal-Müritz und einmal für 6 Wochen in Ahlbeck. Laut https://verschickungsheime.de/ddr-kurkinder/ muss es sich um die Kurheime Kliniksanatorium „Richard Aßmann“ Graal-Müritz und die Kureinrichtung Insel Usedom, Betriebsteil IV: Kindersanatorium „Klaus Störtebeker“ Seebad Ahlbeck gehandelt haben. In den Einrichtungen wurden Kinder mit Asthma und/oder Neurodermitis behandelt. Ich war jeweils im Winter dort. Ich kann mich noch erinnern, dass in Graal-Müritz die Ostsee kurz vor dem Zufrieren war. Das Wasser sah aus wie Tapetenkleister und machte interessante Geräusche. Wir waren viel draußen, sind an der Ostsee spazieren gegangen und ich habe noch immer Bernsteine aus der Usedom-Zeit. Wir haben in kleinen Gruppen Unterricht gehabt, der auch so gut war, dass ich – zurück in Berlin – meiner Klasse weit voraus war. Das Essen war vernünftig. Kein Esszwang. (Später bei der Armee hatte ich Probleme, weil die Zeit zum Essen nicht reichte.) Wir haben in größeren Schlafsälen geschlafen. Die Betreuerinnen waren nicht übermäßig streng. Ich erinnere mich noch daran, wie wir immer lustige Furzgeräusche in der Armbeuge erzeugt haben. Das ging eben so lange, bis uns die Augen zugefallen sind. Mittags gab es Mittagsruhe. Wir lagen in unseren Betten, durften aber lesen. Es gab einen kleinen Laden auf dem Gelände, in dem ich mir ein Buch gekauft habe. Ich habe es immer noch. Bibliotheken gab es sicher auch.
Wir sind einmal in der Woche in die Sauna gegangen. Danach gab es eine Liegekur. Draußen. Wir sind zu Liegen durch den Schnee gestapft und Frauen haben uns ganz fest in dicke Decken eingewickelt. Es war sehr schön.
Ab und zu gab es Untersuchungen durch Ärzt*innen. Die waren auch sehr freundlich.
Meine Mutter hat mir ein Päckchen mit einer kleinen Woll-Handfigur geschickt: Stülpner-Karle.
Wie man im Bild sieht, hatte die Figur keine Beine. Ich habe meiner Mutter einen Brief geschrieben, der ging so:
Liebe Mutti,
Ich habe mir beide Beine gebrochen.
Herzliche Grüße
Dein Stülpner-Karle.
Ich bin heute noch froh, dass sie nicht schon nach dem ersten Satz einen Herzinfarkt bekommen hat. Die Episode zeigt zwei Dinge: 1) Gab es – anders als im Westen – keine Zensur und wir – bzw. unsere Puppen – haben unsere Karten/Briefe selbst geschrieben. 2) War der kleine Stefan zu Scherzen aufgelegt. Auch wenn der Brief sonst nicht viel enthielt, war er doch eine positive Nachricht.
Beim zweiten Kuraufenthalt habe ich zwei Kinder vom ersten Mal wiedergetroffen. Einen mochte ich beim ersten Mal gar nicht, aber da wir uns schon kannten, haben wir uns dann gleich angefreundet. Wir hatten eine gute Zeit und den Beatels- und Hardcore-Fan habe ich dann später auch noch in Markleeberg besucht und er war zu Besuch bei mir in Berlin. Wir waren keine traumatisierten Kinder. Wir sind freiwillig zum zweiten Mal zur Kur gefahren.
Kirche und Kontinuitäten
Im Westen wurden viele Heime durch kirchliche Träger bewirtschaftet. Diese spielten in der DDR eine untergeordnete Rolle und ich bin mir ziemlich sicher, dass die Saatsmacht ihre Freude an der Verfolgung und Bestrafung von Sexualdelikten oder Sonstigem in der Kirche gehabt hätte. Die Ausgangslage ist hier völlig anders als in der westdeutschen Gesellschaft, wo es die katholische Kirche auch jetzt noch nicht richtig hinbekommt, die Straftaten ihrer Würdenträger aufzuklären.
Auch in der Pädagogik gab es nach 1945 einen Bruch. Es wurden Neulehrer*innen eingestellt. Die hatten zwar keine Ahnung und waren den Schüler*innen immer höchstens zwei Seiten im Buch voraus, aber wenigstens waren es keine Nazis. Ich habe darüber im Beitrag über Holocaust und Osten genauer geschrieben.
Gesundheit und Kommerz
Frau Seifert schreibt in einem früheren Artikel über die West-Kinderverschickungen:
Statt gesund, wurden sie oft krank, krank gemacht. Weil an diesen Orten ein pädagogisches Regime herrschte, das sie schikanierte, misshandelte, ihre gesundheitliche Verfassung und ihre natürliche Schwäche ausnutzte. Ein Regime, das nicht das Kind und seine physische und psychische Gesundheit in den Mittelpunkt stellte, sondern mit dessen Konstitution und den Sorgen der Eltern Geld verdiente.
Das war ein wesentlicher Unterschied zur DDR. Das Gesundheitssystem war staatlich finanziert und konnte an niemandem Geld verdienen.
Schluss
Also: Vielleicht war in der DDR auch mal etwas besser. Ich fände es gut, wenn solche tendenziöse Sätze wie der heute in der taz einfach unterbleiben könnten.
Nachtrag: Gar nichts Negatives?
Ich habe den Fragebogen des Forschungsprojekts zur Kinderverschickung ausgefüllt, denn wenn Menschen, die kein Problem hatten, die Bögen nicht ausfüllen, gibt es eine Verzerrung. Eine Frage war „Gab es Geschehnisse in den Heimen, die problematisch für Sie waren?“ und es gab in der Tat eine Sache, die ich mir gemerkt habe und die ich auch heute noch in der Logik-Einführung benutze: Sonntags um 19:00 kamen im Fernsehen die Lottozahlen (Tele-Lotto). Die Betreuerin versprach uns: „Wenn ich im Lotto gewinne, dürft ihr länger aufbleiben.“ Wir erwarteten höchst gespannt die Ziehung der letzten Zahl und fragten sie: „Und?“ Die Antwort: „Ich spiele gar kein Lotto.“ In der Logik-Einführung verwende ich das Beispiel, um zu erklären, dass sie nicht gelogen hat: Wenn der Vorsatz falsch ist, kann man danach alles behaupten. Das war die schlimmste „seelische Grausamkeit“, an die ich mich erinnern kann. Im besten Fall ein grober Scherz.
Quellen
Knödler, Gernot. 2024. Verschickungskinder beim Roten Kreuz: Wer weint, wird eingesperrt. taz. Bremen. (https://www.taz.de/!6000563)
Die taz berichtet heute über Polizist*innen, die durch Rechtsextremismus, Rassismus oder Antisemitismus aufgefallen sind (taz, 21.10.2021). Interessanterweise sind alle Vorfälle bis auf einen mit einer Polizistin aus Dessau aus dem Westen (Berlin zähle ich großzügig auch zum Westen. Es geht wohl auch um Neukölln.):
Oktober 2020 26 Polizeischüler*innen, Nachrichten mit Hakenkreuzen
5 Polizist*innen versenden menschenverachtende Inhalte in Chatgruppen, Volksverhetzung, verfassungsfeindliche Symbole (Detlef M. Neukölln)
Frankfurt/Main:
6 Polizist*innen, rechtsradikale Bilder, einer mit Waffen
20 Beamte des SEK: volksverhetzender Chatnachrichten, 19 suspendiert, 3 Vorgesetzte
Spezialeinheit aufgelöst
Mindestens 29 weitere hessische Polizeibeamt*innen gehörten zur Chatgruppe, 9 mit Disziplinarverfahren, jedoch nicht strafbar, weil private Kommunikation
Polizeipräsident des Präsidiums Westhessen äußert sich rassistisch
Mühlheim an der Ruhr/NRW:
Chat mit rechtsextremen und rassistischen Inhalten, 20 Polizist*innen suspendiert, Strafbefehle gegen 6
alle Aspekte von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, nämlich Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamophobie, Sexismus und Homophobie.
gegen 29 Polizeibeamt:innen ermittelt, Mülheimer Dienstgruppe A samt Dienstgruppenleiter komplett suspendiert
Insgesamt in NRW 53 bestätigte rechtsextreme Fälle, 138 noch offen. Bei 59 Verdachtsfällen noch andauernde strafrechtliche Prüfungen und arbeits‑, disziplinar- oder beamtenrechtlichen Prüfungen, von 2017 bis Ende September 2021 275 Verdachtsfälle, 6 entlassene Kommissaranwärter
Alsfeld/Hessen:
Hitler-Bild auf WhatsApp geteilt, über das Auskunftssystem der Polizei Abfragen ohne dienstlichen Anlass vorgenommen und Informationen weitergegeben, unerlaubte Schusswaffen und Munition
Geldstrafe 7000€, Justiz fand Hitlerbild aber nicht relevant, weil war ja privat
Osnabrück/Niedersachsen:
Ermittlungen gegen 6 Beamte, verfassungsfeindliche Symbole über whatsapp verschickt, 4 suspendiert
So. Wat sagt uns ditte? Ich schreibe jetzt mal eine Einordnung, so wie man sie mitunter andersrum in Zeitungen findet:
<sarcasm>Dieser ganze Neofaschismus ist sehr schwer erträglich und nicht zu verstehen. Die Menschen im Westen sind irgendwie ganz anders als wir lieben Linken aus dem Osten. Wir haben in der Schule aufgepasst, haben alle mehrfach Konzentrationslager besucht und wissen, dass Faschismus unglaubliches Leid über viele Menschen gebracht hat. Wie kann man diese Entgleisungen nur erklären? Mir fallen mehrere Erklärungen ein:
Nach dem Krieg gab es keine wirkliche Aufarbeitung des Faschismus.
Opa/Oma bzw. Uropa/Uroma der kleinen Hitlers in der Polizei sind in einer Diktatur aufgewachsen. Die entsprechenden Deformierungen wurden in der Familie weitergegeben.
Die Nazi-Polizisten sind nie in einen Kindergarten gegangen, saßen stundenlang alleine auf dem Topf, weil Mama sie nicht weiterspielen ließ, bis die wichtigen Sachen erledigt waren, und haben wegen fehlendem Kontakt zu anderen Kindern kein vernünftiges Sozialverhalten erlernt.
Die Nazi-Mütter (Mütter der Nazis) waren frustriert, weil sie ökonomisch abhängig waren und sich deshalb nicht von den Vätern trennen konnten.
</sarcasm>
Ist bescheuert? Ja. Aber solches Zeug müssen Ostdeutsche immer wieder in der Zeitung lesen (Zeitungen sind bis auf das Neue Deutschland und die Berliner Zeitung alles West-Zeitungen). Zum Beispiel, dass Kinder Neonazis geworden seien, weil sie im Kindergarten nebeneinander auf dem Töpfchen gesessen hätten (gute Besprechung der Pfeifferschen These von Kerstin Decker im tagesspiegel, 11.05.1999). Oder dass die Tatsache, dass die AfD im Osten erfolgreich ist, an der Diktatursozialisierung läge. Die DDR ist schon über 30 Jahre Geschichte. Junge AfD-Wähler*innen kennen die DDR nur noch aus Erzählungen.
Zusammenfassung
Dieses Land hat ein Nazi-Problem. Oder mehrere. Verschiedene. Es ist zu einfach, angeekelt auf den jeweils anderen zu blicken und zu sagen: Ih, die sind so anders. Die Nazis. Da drüben. Es wird nicht besser, wenn man von oben herab über Minderheiten schreibt. Man kann sich zwar schön selbst vergewissern und die Leser*innen finden es auch dufte, aber man schließt eben ein Fünftel der Bevölkerung des Landes weiterhin aus (Die taz hat mit 6% ostdeutschen Leser*innen den höchsten Ossi-Anteil. Bei Spiegel und Süddeutscher liegt er bei 4% und 2,5%. Siehe taz, 09.03.2021). Dieses Fünftel wird die Zeitungen weiterhin nicht lesen und sind somit für normale Medien mit journalistischen Qualitätsstandards verloren. Dieser Teil der Bevölkerung kriegt seine Information und Unterhaltung eben auf rechten Schwurbelkanälen. Wie gefährlich das ist, haben wir während der Corona-Krise gesehen und das gilt genauso für die Klimakrise.
In diesem Beitrag bespreche ich die Voraussetzungen für eine Wahl in den Bundestag, das Problem, das die gegenwärtigen Krisen für die Demokratie darstellen und Möglichkeiten zur Erweiterung derselben. Ein abschließender Abschnitt ist den Menschheitskrisen und sich daraus ergebenden neuen Anforderungen an Politiker*innen gewidmet.
Voraussetzungen für die Wahl
Als ich mit meinen Eltern über meine Bundestagskandidatur für Die PARTEI Erlangen gesprochen habe, waren sie skeptisch. Mein Vater war der Meinung, dass das doch Menschen machen sollten, die etwas entsprechendes studiert haben. Politikwissenschaften, oder so. Tja, so sind wir, wir Ossis. Wir fragen uns, ob wir Dinge können, und im Zweifelsfall lassen wir die Blender vor (hatte ich Andreas Scheuer, MA mit seinem Fake-Doktortitel schon erwähnt?), die einfach selbstbewusst auftreten. Es gibt dazu einen schönen Witz aus Nachwendezeiten: Frage: „Warum dauert das Abitur im Westen 13 Jahre, aber im Osten nur 12 Jahre?“ Anwort: „Weil im Westen noch ein Jahr Schauspielunterricht dabei ist!“ Regine Hildebrandt (1990 Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen in Brandenburg) erzählt ihn sehr gut zum Anfang einer MDR-Dokumentation über Ost-Frauen:
Ich persönlich kann mich über mangelndes Selbstvertrauen nicht beklagen. Das liegt allerdings daran, dass ich Wissenschaftler bin und da ist die Sachlage oft sehr klar. Ich hatte einfach immer Recht. Also meistens. Also ausreichend oft.1
Was qualifiziert einen dazu, in den Bundestag zu gehen? Muss man Politikwissenschaftler*in sein? Nein, 2013 kandidierte ein Kollege, ebenfalls Sprachwissenschaftler, für eine damals gerade neu gegründete Partei. Das fand niemand lustig. Nun kandidiere ich für Die PARTEI. Das finden hoffentlich einige lustig. Der Hufeisen-Stefan Müller von der CSU, gegen den ich antrete, ist Bankfachwirt, viele CSU-Mitglieder sind Bauern. Julia Klöckner ist Weinkönigin. Sie kann sehr gut lächeln. Das ist genau die Qualifikation, die sie braucht. Zum Beispiel zum Kuscheln mit Nestlé:
Julia Klöckner sagt in ihrem Beitrag, dass sie in ihrem Gespräch mit Nestlé viel Neues erfahren hat. Über Nestlé hätte sie schon vorher viel erfahren können. Zum Beispiel aus dem Film We feed the world – Essen global. Ich will das hier nicht zusammenfassen, da bekomme ich nur schlechte Laune. Guckt Euch den Film einfach an.
Lobbyismus und Repräsentativität
Aber jetzt ganz im Ernst: Der Bundestag besteht aus vom Volk gewählten Vertreter*innen, die die Interessen der Wähler*innen bzw. von Gruppen von Wähler*innen vertreten sollen. Also eigentlich Lobbyismus. Viele CDU/CSU-Abgeordnete sind (Groß-)Bauern und sitzen auch im Agrarausschuss des Bundestages (62% der CSU/CDU, 25% der Grünen, 0% bei den anderen, taz, 17.03.2021). Außer ihrer Parteimitgliedschaft haben sie keine besondere Qualifikation. Auch das ist in Ordnung (aber siehe unten). Das einzige Problem ist, dass Lobbyismus in CDU/CSU und leider auch der SPD bisher intransparent geblieben ist und dass die CDU/CSU sich gegen entsprechende Gesetze gewehrt hat.
Es muss transparent sein, wer was im Bundestag macht und was dabei die Interessen der jeweiligen Person sind oder sein könnten. Dann können Wähler*innen frei entscheiden, ob sie jemanden wählen wollen oder nicht.
Grob vereinfacht kann man also als Grundvoraussetzung für ein Bundestagsmandat eine Parteizugehörigkeit, die Fähigkeit zu lächeln2 und Menschen zu begeistern und für gewisse Positionen die Fähigkeit zu führen annehmen. Reicht das für eine funktionierende Demokratie? Leider nicht, denn der Bundestag ist nicht divers genug. Küppersbusch fasst zusammen:
„Von der Idee, alle Stände und Berufe im Parlament vertreten zu sehen ist wenig übrig. Im Bundestag sitzen 203 Abgeordnete aus dem Öffentlichen Dienst und zwei, die privat Hausmannfrau sind. 101 arbeiten bei „gesellschaftlichen Organisationen“ wie etwa Parteien, vier sind arbeitslos oder ohne Beruf. Das Parlament bildet die Gesellschaft nicht mehr ab, und das schaffte auch Fallhöhe für eine Rabulistenfraktion rechtsaußen.“
Friedrich Küpersbusch: Corona, CDU und Grüne: Impfparty mit Scheibe.(taz, 06.04.2021)
Für das Problem, dass sich Teile der Bevölkerung nicht repräsentiert fühlen, gibt es eine Lösung. Repräsentativ zusammengestellte, geloste Bürger*innenräte. Diese würden auch das Lobbyismus-Problem abmildern und sie sind wichtig für Problemfelder, die Politiker*innen systembedingt nicht bearbeiten können. Wie funktioniert das im Detail und warum?
Gewisse Probleme können bzw. wollen Politiker*innen nicht angehen, weil sie das je nach Problemlage 5–10% ihrer Wähler*innen kosten könnte und weil die gesamte gegenwärtige Politik auf Machterhalt und Wiederwahl in vier bzw. fünf Jahren ausgerichtet ist. Ein Beispiel für einen Bürger*innenrat war der, der zum Thema Abtreibung in Irland durchgeführt wurde. Es wäre für Politiker*innen schwer gewesen, sich hinzustellen und zu sagen: „Ich bin für Abtreibung.“ Es wurde also ein Bürger*innenrat zusammengestellt. Dazu wurde eine repräsentative Gruppe von 100 Personen ausgewählt. Repräsentativ heißt, dass die Zusammensetzung der Altersstruktur, der sozio-ökonomischen Struktur usw. des jeweiligen Landes entspricht. Wer letztendlich in diesem Rat sitzt, wird nach der repräsentativen Vorauswahl durch ein Losverfahren entschieden. Der Bürger*innenrat trifft sich dann über mehrere Wochen und bekommt Input von Expert*innen zum jeweiligen Problem (Recht, Gesund, Ökonomie, Klima, Verkeher, whatever), so dass alle Aspekte gut aufgearbeitet sind. (Das unterscheidet die Räte von Volksentscheiden, bei denen einfach jede*r Einzelne aus dem Bauch heraus entscheidet.) Die 100 Personen kommen dann zu einem Schluss, der hoffentlich von einer breiten Mehrheit der Gesellschaft mitgetragen wird. Das folgende Video über das Referendum zur Abtreibung in Irland erklärt alle Punkte sehr gut:
Außer diesem Bürgerrinnen*rat zur Abtreibung gab es auch in Frankreich schon einen zum Thema Klimaschutz. Die Regierung Macron hat Teile der Empfehlungen auch übernommen.
Dass Bürger*innenräte kein Hirngespinst irgendwelcher Revoluzer oder Sozialromantiker sind, sieht man auch daran, dass Wolfgang Schäubele (Bundestagspräsident, CDU) sie unterstützt.
Das Lobbyismusproblem würde duch Bürger*innenräte zwar nicht gelöst, aber zumindest auch abgemildert, weil es nicht möglich ist, langjährige Netzwerke und Abhängigkeiten aufzubauen, wenn die Ratsmitglieder zufällig ausgewählt sind und nur zu wenigen Sitzungen zusammenkommen.
Dass beim Thema Lobbyismus und Korruption dringend etwas passieren muss, zeigt auch das Rezo-Video, um das es im folgenden Abschnitt geht.
Krisentauglichkeit
Rezo hat die gegenwärtige Situation mal wieder schön zusammengefasst: Unsere gegenwärtige Regierung ist korrupt, machomässig unterwegs und inkompetent:
Was man in der aktuellen Situation braucht, ist die Fähigkeit, eine Bedrohungslage einzuschätzen. Man muss Exponentialkurven verstehen können und man muss einschätzen können, wie eine weitere Entwicklung verlaufen wird. Niemand, der ein Ministerium leitet, versteht alle fachlichen Details. Das muss auch nicht so sein, aber es braucht Selbstbewusstsein und menschliche Größe und ein Urteilsvermögen, um einschätzen zu können, dass man selbst an bestimmten Stellen inkompetent ist und sich auf Expert*innen verlassen muss. Rezo hat die wesentlichen Videoschnipsel der letzten Wochen zusammengeschnitten und belegt, dass unsere Bundesregierung/Ministerpräsidentenkonferenz ein inkompetenter, arroganter Machohaufen ist. Aus der Bezeichnung Machohaufen (klingt irgendwie wie Matschhaufen, vielleicht ist er ja nach dem Corona-Winter weg) folgt auch, dass Angela Merkel nicht eingeschlossen ist. Sie hat Physik studiert und versteht Exponentialkurven. Das ist es, was wir brauchen. Also nicht unbedingt die Phsyik aber die Exponentialkurven (Mein Vater hat mich darauf hingewiesen, dass das Oberstufenschulstoff ist.). Die folgende Kurve zeigt das Infektionsgeschehen in Deutschland. Man sieht sehr schön die erste, zweite und dritte Welle.
Diese Entwicklungen wurden vorhergesagt. Es wurden mathematische Modelle gebaut, die genau das vorhergesagt haben, was eingetreten ist. (Siehe Fußnote 1 zu formalen Modellen in der Sprachwissenschaft.) In vielen Situationen hilft es, einen Phänomenbereich zu modellieren. Man kann dann Vorhersagen einer Theorie bestimmen und ein Abgleich mit der Wirklichkeit hilft einem, Rückschlüsse auf die Qualität der Theorie zu ziehen. Wie das Rezo-Video zeigt, wurden die Gefahren, vor denen unser Land stand und immer noch steht, ignoriert und Politiker (ohne *innen) sind sich nicht zu blöd, sich vorn hinzustellen und das auch noch richtig zu finden.
Klimawissenschaftler*innen bauen komplexe Modelle zu den Entwicklungen, die uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bevorstehen. Sie sind sehr zurückhaltend und nicht alarmistisch. Das entspricht der Seriosität, die in der Wissenschaft üblich ist. Ein Kollege von der Humboldt-Uni, der wie ich auch bei den Scientists4Future aktiv ist, hat noch vor zwei Jahren den Begriff Klimakrise abgelehnt, weil er ihn für zu alarmistisch hielt. Die Klimawissenschftler*innen sind sich einig: Wir haben ein Problem. Ein großes! Die Klimakrise ist um ein Vielfaches größer als das, was wir jetzt erleben. Corona macht keinen Spaß? Dann kämpft dafür, dass wir nicht Corna++ bekommen!
Angela Merkel versteht das alles, aber leider ist Angela Merkel eine lame duck. Sie konnte sich bei Corona nicht gegen ihre Matsch-Kumpels durchsetzen. Auch die Öko-Bilanz ist finster. Merkel war Umweltministerin und hat auf die Klimaprobleme hingewiesen.
Sie hat schon 1997 klar aufgezeigt, was getan werden muss. Was passiert ist, ist aber so ziemlich das Gegenteil von dem, was wir gebraucht hätten.
Christian Lindner und mein Vater3 sagen: Die Klimaprobleme und die große Politik sollten doch die Profis regeln. Diese haben aber versagt. Wir können nicht mehr warten (und Lindner hat ja eh keine Lust zu regieren). Und deshalb machen wir das jetzt selbst! Los! Wie Rezo sagt: Besser als die sind wir allemal!
Da in Erlangen Stefan Müller von der CSU seit 2002 immer das Direktmandat gewinnt, hat Die PARTEI beschlossen, den Erlanger*innen eine Alternative zu bieten. In einem aufwendigen Casting-Verfahren konnte ich mich gegen Tausende Stefan Müllers und Steffi Müllers durchsetzen und der Vorsitzende der Ortsgruppe hat dann von mir ein Foto bekommen (Pressemitteilung der Partei Die PARTEI).
Gestern nun war unser erstes Treffen, bei dem es um konkrete Wahlkampfmaßnahmen ging. Ich habe dabei sehr viel Wissenswertes über Erlangen erfahren. Schockierende Details. Ich weiß jetzt, dass die Infrastruktur marode ist. Straßenlaternen sind so wackelig, dass man nur ein Wahlplakat pro Laterne aufhängen kann (Ausnahmeregelung zu § 2 Abs. 2 Nr. 16 der Plakatierungsverordnung der Stadt Erlangen). Alle anderen Plakate müssen auf Dreiecksständern aus Metall stehen, die sich aber nur die CSU in großer Anzahl leisten kann.
Diese Zustände sind natürlich unhaltbar und ich frage mich ernsthaft, wie die armen Erlanger*innen das die letzte 40 Jahre lang aushalten konnten. Ich denke, hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden. Ich werde mich also im Bundestag für einen Aufbau West einsetzen. Der Osten ist ja jetzt fertig, wir haben überall die versprochenen blühenden Landschaften und können uns nun also strukturschwachen Regionen wie Erlangen zuwenden. Die Ossis sind sehr froh über die blühenden Landschaften und das ganze Geld, das in den Osten geflossen ist, und viele sind sicher bereit, es dem Westen heimzuzahlen zurückzuzahlen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass der Soli beibehalten und ausgebaut wird. Der Soli ist übrigens eine Steuer, die alle Steuern zahlenden Personen bezahlt haben, also Ossis und Wessis (Wikipedia: Solidaritätszuschlag). Das wird mitunter übersehen. Also: Für einen Solidaritätszuschlag für strukturschwache Gebiete! Gern einkommensabhängig gestaffelt. Für Straßenbeleuchtung in Erlangen und Umgebung! Gegen Dunkeldeutschland!
Vorweg: 1) Ich gendere. 2) Ich war eins der ersten Mitglieder in Prof. Dr. Gisbert Fanselows Gesellschaft gegen den Erhaltung der deutschen Sprache. Gisbert hatte auf einer Web-Seite „100 gute reasons gegen die preservation von der deutschen Sprache“. Mit irgendwelchen Sprachpfleger*innen habe ich also nichts zu tun.
Da bei der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft (DGfS) eine Satzungsänderung in Richtung gendergerechte Sprache anstand, habe ich im DGfS-Forum einen Beitrag geschrieben, den ich dann auch außerhalb veröffentlichen wollte (Gendern, arbeiten und der Osten). Ich habe erst darüber nachgedacht, den Blog-Bereich der HU dafür zu benutzen, habe den Beitrag aber dann auf diesen Ost-Blog getan, weil die darunterliegenden Fragen auch etwas mit dem Osten zu tun haben. Ich wollte eigentlich gar nicht weiter zum Thema schreiben, aber jetzt muss ich doch noch einmal. Auf Twitter und sonst wo kocht gerade die Diskussion über, ob man denn Prüfungsleistungen von Studierenden anders bewerten kann oder soll, wenn diese nicht gendern.
Bei der Universität Kassel findet man folgende Anleitung:
Hier stellt sich die Frage, wie man mit den Gender-Markern allgemein umgehen soll. Vor dreißig Jahren wurde das Binnen‑I z.B. bei der taz und die gesprochene Variante mit Glottalverschluß bei Radio 100 verwendet. Beides Avantgarde und Nischenangebote. Ansonsten kam es in entsprechenden Zirkeln vor, vereinzelt auch an Universitäten. Ich habe eine Leipziger Hochschulzeitschrift von 1992 mit Binnen-I-Beitrag. Inzwischen ist das Binnen‑I bzw. das Gendersternchen im Mainstream angekommen.
Es wird im Tagespiegel verwendet, von Nachrichtensprecher*innen u.s.w. Forschungsförderungseinrichtungen wie die DFG verwenden es schon mehrere Jahre standardmäßig, Universitäten geben Empfehlungen für gendergerechtes Schreiben. Vor einiger Zeit hat Ulrike Winkelmann, die Chefredakteurin der taz, einen weisen Beitrag dazu verfasst. In der taz gab es immer sone und solche. Manche haben das Gendern abgelehnt1, manche haben dafür gekämpft. Die taz ist ein bunter Haufen und das ist auch gut so. Ulrike Winkelmann hat dafür plädiert, das Gendern nicht vorzuschreiben und nicht zu erzwingen:
In dem Augenblick, da emanzipative Sprachpolitik zu einer von einem „Oben“ gesetzten Norm wird – und vieles sieht aktuell schon danach aus –, wird sie sich genau diesem Vorwurf aussetzen müssen: dass sie Wirklichkeiten konstruiert, die viele nicht als die ihren begreifen.
Ich denke, es ist wichtig, zwei Dinge zu unterscheiden: 1) gibt es Institutionen, die beschlossen haben, Gleichstellungsaspekte adäquat zu berücksichtigen und in der Innenkommunikation und nach außen gendergerechte Sprache zu verwenden. 2) gibt es Bestrebungen oder zumindest die Möglichkeit, gendergerechte Sprache bei anderen zu erzwingen. 1) ist normal und in Ordnung, 2) ist nicht in Ordnung. Warum nicht?
Wenn man versucht, Sprachwandel zu erzwingen, stößt man auf Ablehnung, bei denen, die solche Entwicklungen kritisch sehen oder sich eben einfach nicht umstellen wollen. Soll man sie einfach zwingen? Nein. Ich bin aus dem Osten. Damals war es üblich, zu Prüfungen ein FDJ-Hemd anzuziehen. Das war ein Bekenntnis zum Staat, das von Prüflingen verlangt wurde. Wenn nun gesetzte Gendersternchen in die Bewertung einfließen sollen, dann erinnert mich das sehr stark an diese Zeit. Es war eine widerwärtige Zeit. Die Politik war überall drin. Ich hatte als 13jähriger eine Aufnahmeprüfung für die Erweiterte Oberschule Heinrich-Hertz, eine Matheschule. Die Prüfung bestand aus zwei Teilen: einem Mathetest mit Knobelaufgaben und einem politischen Gespräch mit dem stellvertretenden Direktor. Der Mathetest war kein Problem, aber eine der Fragen im Aufnahmegespräch war, ob ich drei Jahre zur Armee gehen würde. Ich war 13 und hatte noch nie darüber nachgedacht. Spontan fand ich die Vorstellung nicht so prickelnd. Ich bin deswegen abgelehnt worden und nur dem enormen Einsatz meiner Eltern ist es zu verdanken, dass ich dann doch auf diese Schule gehen konnte. Und ich habe zugesagt, drei Jahre zur Armee zu gehen. Wie das im DDR-Bildungssystem lief, kann man sehr gut in Klaus Kordons Buch Krokodil im Nacken nachlesen. Kordon beschreibt ein Paar, das loyal und positiv zum Staat eingestellt ist, was sich in dem Moment ändert, als die Kinder in die Schule kommen und der Widerspruch zwischen Realität und Schulunterricht so groß wird, dass die Familie einen Fluchtversuch unternimmt. Der scheitert. Folgen: Trennung der Familie, Eltern einzeln im Gefängnis, Kinder im Heim. Ich bin sehr froh, dass diese Zeit vorbei ist, dass meine Kinder nicht in der Schule drei Fächer mit demselben Inhalt (Staatsbürgerkunde, Einführung in die sozialistische Produktion, Geschichte) haben, in denen man irgendwelche Grundsätze des Sozialismus auswendig lernen muss.
Ich denke, das Gendersternchen hat sich durchgesetzt oder ist zumindest kurz davor und wir sollten den Rest nicht erzwingen. Zumindest der Osten hatte solchen Zwang schon und wir würden damit nur die noAfD stärken.
Manfred Kriener schreibt in der taz einen guten Artikel über den Atomausstieg nach der Reaktorkatastrophe. Er ordnet darin Angela Merkels Handeln ein. An sich ein schöner Artikel, den man schön weitervertwittern könnte, wenn, ja wenn nicht diese eine Passage wäre:
Merkel, die Kanzlerin der schwarz-gelben Laufzeitverlängerung, wird als Kanzlerin des Atomausstiegs in die Geschichtsbücher eingehen. Dabei hatte sie nie verstanden, wie fundamental der Atomkonflikt die westdeutsche Gesellschaft über Jahrzehnte vergiftet hatte. Die blutigen Schlachten an den Bauzäunen Ende der 70er Jahre, die Massenproteste der 80er Jahre, die jahrzehntelangen Kämpfe unzähliger Bürgerinitiativen, die die Grünen erst möglich machten: Merkel kannte die relevanteste Protestbewegung der alten Bundesrepublik nur aus den Kurzmeldungen im Neuen Deutschland.
Was ist das Problem? Aussagen wie diese sind nicht nur Geätze gegen Merkel sondern eine Beleidigung für jeden politisch interessierten Ostdeutschen. Es gab in der DDR viele Möglichkeiten, sich zu informieren. Als Jugendlicher habe ich Zeitungen ausgetragen, das ND lasen nur die wenigsten. Die, mit denen man nichts zu tun haben wollte. Die, die statt der DDR-Fahne (oder gar keiner Fahne = Widerstand) zum ersten Mai die rote Fahne aus dem Fenster gehängt haben). Wenn man ein bisschen was über Angela Merkel weiß, dann kann man ahnen, dass sie nicht das ND gelesen hat, jedenfalls nicht als einzige Tageszeitung. Außerdem gab es noch andere Informationsquellen, die auch bis auf kleine Gebiete in Sachsen (dem so genannten Tal der Ahnungslosen) überall verfügbar waren:1 Radio und Fernsehen. Angela Merkel wohnt seit 1978 in Berlin (siehe Wikipedia-Eintrag) und konnte also SFB, Rias und alle West-Fernsehprogramme empfangen. Ab und zu kamen westliche Presseerzeugnisse über die Grenze. Von Verwandten oder Diplomaten rübergebracht. Diese wurden von vielen, vielen Menschen gelesen. Es gab in der DDR ein sehr großes Interesse am Westen und der politischen Entwicklung dort.
2,5 Prozent ihrer Gesamtauflage verkauft die Süddeutsche Zeitung in den Neuen Bundesländern. 3,4 Prozent sind es bei der FAZ, etwa 4 Prozent beim Spiegel. Bei der taz sind es, das steht nicht in der Studie, rund 6 Prozent.
Anne Fromm: Presse in Ostdeutschland: Wer streichelt unsere Seele? taz, 9.3.2021
Woran könnte das nur liegen? Anne Fromm beschreibt es in ihrem Artikel sehr genau.
Statements wie das von Manfred Kriener sind Beleidigungen, wie auch Vorschläge wie der von Markus Liske, der – ebenfalls in der taz – dazu aufrief, nicht mehr in den Osten zu reisen, weil dort alle Nazis seien (siehe Blogbeitrag Reisende, meidet Nordrhein-Westfalen!). Wenn das in ausreichender Frequenz in Presseerzeugnissen vorkommt, hören Menschen auf, das zu lesen. Warum sollten wir den Wessis noch Geld dafür geben, dass sie uns beleidigen? Legendär ist auch das Spiegel-Cover, nach dem dieser Blog benannt ist (siehe Ich will was sagen).
Solche Beiträge kann man bringen, wenn man die Ossis nicht als seine Leser*innen sieht. Wahrscheinlich ist das bei vielen Autor*innen so. Es verstärkt aber das Problem, das wir auf sehr vielen Ebenen haben. Menschen beziehen Informationen aus Facebook-Gruppen, Telegram-Kanälen und anderen lustigen Quellen. Das Ergebnis ist Populismus, sich verstärkende Echokammern mit Fakenews, Hass auf Andersdenkende, die Lügenpresse und den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. Es ist also auch im eigenen Interesse der klassischen Medien, auf die Ossis zu achten, die Ossis zu achten. Sich zu informieren und zu versuchen, die Position von Minderheiten mitzudenken.
Hier ein Vorschlag: Als die taz noch old-school produziert wurde, gab es Setzer. Diese haben mitunter lustige Kommentare in die Texte der taz-Autor*innen eingebaut. (siehe … die Säzzer-Kommentare) So etwas brauchen wir wieder. Es müsste einen Ossi vom Dienst geben, der das Recht dazu hat, zu allen Belangen, die den Osten betreffen, einen (kurzen) Kommentar einzufügen. Mir hätte es schon gereicht, wenn hinter der oben zitierten Passage gestanden hätte „[Was fürn Quatsch, Ossi vom Dienst]“. Es könnte ein Pool aus Ost-Autor*innen, ‑redakteur*innen gebildet werden, die sich dann Artikel vor der Veröffentlichung noch einmal ansehen. Ich würde dafür 100€ im Monat bezahlen und man könnte das Vorhaben sicher über Crowd-Funding auch noch besser ausstatten. Ich würde auch selbst mitarbeiten, falls das möglich ist. Dann würde ich mich über die Artikel freuen, an denen ich etwas rummeckern kann, ehm, ich meinte, zu denen ich mit meinem Erfahrungsschatz beitragen kann. =:-) Wenn sich das nicht in den mitunter hektischen Pressealltag integrieren lässt, könnte man zumindest ein Kommentarrecht für die Online-Artikel etablieren und zwar für Säzzer-style Einwürfe im Text, nicht in irgendwelchen Kommentarfunktionen. Diese könnten dann auch nach Veröffentlichung eingefügt und sogar mit längeren Begründungen verlinkt werden. So würden alle lernen.
Der größere Wurf wäre die Einrichtung einer Stiftung, die Ossis in der Journalistenausbildung unterstützt und ihnen danach eine Startphase finanziert, denn wie Anne Fromm dargelegt hat, braucht man für Journalismus zur Zeit finanziellen Rückhalt in der Familie und der ist im Osten meistens schlicht nicht gegeben.
Aktualisierung 31.07.2022: Auf der Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, die am 24.02.2022 online stattfand, haben 122 für die neue gendergerechte Satzung gestimmt. Es gab 10 Gegenstimmen und 7 Enthaltungen (88% dafür 7% dagegen). Zum Hintergrund Zitat aus Wikipedia: Anders als die sprachpflegerisch oder laienorientierten Sprachvereine ist bei der DGfS ein akademischer Beruf im Bereich der Sprachwissenschaften Voraussetzung für den Status als ordentliches Mitglied. Somit fungiert die DGfS auch als Berufsverband der deutschen Sprachwissenschaftler.
Auf der letzten Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft wurde der Vorstand damit beauftragt, einen Vorschlag für eine gendergerechte Satzungsänderung zu machen. In Vorbereitung auf die im März stattfindende Jahrestagung fand in einem geschlossenen Online-Forum eine Diskussion dazu statt. Hier ist mein Beitrag:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ich hasse es, wenn mir Menschen vorschreiben wollen, was ich zu tun und zu lassen habe. Das kommt noch aus meiner Kindheit und Jugend, die ich im Osten verbracht habe. Bis vor einigen Jahren habe ich deshalb auch genauso argumentiert wie XY das in seinem Beitrag getan hat und wie Peter Eisenberg es in diversen Veröffentlichungen getan hat. Als taz-Leser habe ich schon sehr lange mit dem Binnen‑I und seinen Freund*innen zu tun. Ich habe mich zum Beispiel über einen Artikel sehr geärgert, in dem es um Straflager für Frauen ging und dann von Dieben und Mördern geschrieben wurde, denn wo, wenn nicht da, hätte man von Diebinnen und Mörderinnen schreiben müssen. Der Gipfel war dann ein Bild mit einem Schild, das als Wegweiserin bezeichnet wurde. Ich habe damals mit den Student*innen darüber gesprochen und ihnen erklärt, dass die entscheidende, die alles entscheidende Frage die ökonomische ist. Frauen werden nie gleichberechtigt sein, wenn sie nicht arbeiten, wenn sie nicht Kranführerin, nicht Firmenleiterin, nicht Klinikchefin, nicht Lehrerin, nicht Kindergärtnerin, nicht Professorin werden. Frauen waren im Osten in einer ganz anderen Position, weil sie ökonomisch unabhängig waren. Wenn der Macker genervt hat, sind sie halt gegangen bzw. haben ihn rausgeschmissen.
Die Frauen aus der Ost-Frauenbewegung haben nach der Wende die West-Frauen gar nicht verstanden (und andersrum), weil die ganz andere Probleme hatten. Es gibt eine sehr gute Dokumentation vom MDR zu diesem Thema und dem Roll-Back nach der Wende: Ostrauen: Selbstbewusst. Unabhängig. Erfolgreich.
Hier auch aus der Emma:
Die Frauen der DDR waren Kranführer, Maurer, Elektriker, Schlosser, Ingenieur oder Agrartechniker. Ihre Arbeit war das Herzstück der sozialistischen Lebensweise. Wo der Sozialismus ArbeiterInnen brauchte, da unterschied er nicht nach Frau oder Mann. Konsequenterweise war das „in“ in der Berufsbezeichnung überflüssig.
Ich habe das Binnen‑I also Jahrzehnte abgelehnt und die Kämpfe darum für vergeudete Zeit gehalten. Vor ungefähr drei Jahren habe ich meine Meinung geändert. Der Grund dafür war ein Tweet von Henning Lobin, durch den ich auf folgende Studie aufmerksam geworden bin:
Stahlberg, Dagmar, Sabine Sczesny & Friederike Braun. 2001. Name your favorite musician: Effects of masculine generics and of their alternatives in German. Journal of Language and Social Psychology 20(4). 464–469. DOI: 10.1177/0261927X01020004004.
Die Autorinnen haben Personen gebeten, ihre Lieblingsmusiker zu nennen. Das Ergebnis war, dass Musiker genannt wurden, nämlich vorwiegend männliche. Wurde dagegen nach Lieblingsmusikern bzw. Lieblingsmusikerinnen gefragt, war der Anteil der Musikerinnen größer. Das heißt, dass all das, was Peter Eisenberg und XY geschrieben haben, zwar richtig ist, also alles, was das grammatische System angeht, dass aber dennoch bei den Empfänger*innen etwas im Gehirn passiert, das nicht dem „mitgemeint“ entspricht (oder doch, siehe unten). Kolleg*innen haben mich dann darauf hingewiesen, dass dieses Phänomen nicht spezifisch für das Deutsche ist. Was abgebildet wird, sind unsere Stereotype. Das Beispiel mit dem Chirurgen kommt ursprünglich auch aus dem Englischen. Es stammt von den beiden Psychologinnen Mikaela Wapman und Deborah Belle.
Also: Die ganze Sache hat nichts mit dem Deutschen zu tun, die Stereotypen sind ein Abbild unserer Gesellschaften. Man kann sich das leicht vor Augen führen, indem man über nurse nachdenkt. Die ist natürlich weiblich. Jedenfalls blinkern zuerst die entsprechenden Stellen in unseren Gehirnen auf. Um das zu ändern, müssen wir dafür sorgen, dass Frauen in allen Positionen sichtbar sind, damit sie nicht nur von der Grammatik mitgemeint sind, sondern auch von den Empfängern unserer Nachrichten mitgedacht werden. Das ist letztendlich wieder die ökonomische Frage und dazu brauchen wir Quoten und Kinderbetreuung und die Quoten haben wir ja inzwischen auch, die Kinderbetreuung wird auch langsam besser. Wenn Frauen in Parlamenten gleich vertreten sind, ändert sich vielleicht auch irgendwann die Bezahlung für die typischen Frauenberufe und es stellt sich insgesamt eine fairere Verteilung ein.
Wir als DGfS wollen Frauen. Wir wollen Frauen im Vorstand, wir wollen Frauen auf Professuren, wir wollen Frauen als Leiterinnen großer Forschungsverbünde. Wenn wir Studentinnen erreichen wollen, wenn wir wollen, dass sie sich angesprochen fühlen, dass sie denken: „Ja, hier bin ich richtig!“, dann müssen wir sie explizit adressieren. Ich habe das bis vor einigen Jahren gemacht, in dem ich wie oben in der Anrede die weibliche und die männliche Form benutzt habe. Seit einiger Zeit mische ich das mit der Form mit Glottalverschluss. Ein Kollege hat prophezeit, dass der dann irgendwann als unökonomisch abgeschafft wird und so ist es in der Tat: Dann kommt eben das generische Femininum raus.
In der Schriftform verwende ich das Gendersternchen. Es ist kürzer als Kolleginnen und Kollegen und man hat die Nicht-Binären noch mit dabei.
Aber es wurden ja schon Vorschläge gemacht, wie man das Problem umschiffen kann, so dass wir […] zu einer Form kommen, die Frauen und Nicht-Binären zeigt, dass wir sie in der DGfS gern sehen.
Herzliche Grüße
Stefan
PS: Das i mit Sternchen oben drauf finde ich herzallerliebst, schön ist auch das i mit zwei Punkten drüber. Ist aber nichts für normale Menschen. Ich setze Bücher, glaubt mir.
Sie schreiben heute in der taz über einen Rant von Kurt Tucholsky, der seine Mitbürger*innen dazu aufruft, nicht mehr nach Bayern zu reisen. Wegen nationalistischer Tendenzen dort. Sie fordern Ihre Leser*innenschaft im Titel auf: Reisende, meidet Sachsen! und dehnen das im Artikel auf den gesamten Osten aus. Satire und solche Rants funktionieren, wenn sich Schwächere gegen Stärkere oder Gleichstarke wenden. Wenn der kleine Wadenbeißer sich im Bein des viel größeren Gegners festbeißt und einfach nicht abzuschütteln ist. Sie funktionieren nicht aus der Position des Stärkeren. Hier nun mein Rant: Ich habe mich über diesen Artikel sehr geärgert. Sie schlagen vor, nicht mehr in den Osten zu fahren, weil dort die Nazis sind. Erstens beleidigen Sie mit solchen Pauschalisierungen 18% der Einwohner*innen der Bundesrepublik. Zweitens treffen Sie damit eine wichtige verbleibende Einnahmequelle. Nach der Wende wurde die DDR-Industrie bewusst plattgemacht (MDR: 2020. D‑Mark, Einheit, Vaterland: Das schwierige Erbe der Treuhand), weite Teile des Landes sind deindustrialisiert und es blieben nur die blühenden Landschaften, die man bereisen kann. Was wir statt Industrie bekommen haben, sind Typen wie Hoffmann von der Wehrsportgruppe Hoffmann, den Ihr gut für uns im Knast aufbewahrt und dann wegen guter Führung eher wieder rausgelassen habt. Er hat dann nach der Wende in Kahla/Thüringen das gemacht, was zu erwarten war. Eure Professoren (weibliche Endung lass ich mal weg) haben die AfD aufgebaut. Fast die gesamte Führungsriege dieser Partei ist aus dem Westen. (hier eine Zusammenstellung) Die Chefs der Ost-Landesverbände allemal: Kalbitz, Höcke, Tillschneider, Reichardt. Die AfDler mit Kontakten zu Reichsbprgern und Holocaustleugner*innen kommen aus Hessen: Doris von Sayn-Wittgenstein. Sie wurde bei laufendem Ausschlussverfahren als Landesvorsitzende Schleswig-Holsteins wieder gewählt. Ihr habt über die rassistischen Ansichten des Chefs des Reservistenverbandes Sachsen geschrieben. Was fehlte: der ist aus dem Westen. Der Verfassungsschutz wurde von Maaßen geleitet, der AfD-nah ist und nirgendwo Rechtsextremismus sehen konnte. Der Verfassungsschutz war bei den NSU-Morden anwesend. Es gibt rechte Netzwerke in Polizei, KSK und Armee. Quellen muss ich hier nicht aufführen, denn alles, was ich darüber weiß, weiß ich aus der taz. Ihr müsstet es also auch wissen. (Vielen Dank übrigens für die tollen Artikel!). Verfassungsschutz, Justiz und Polizei wurden nach der Wende vom Westen in der ehemaligen DDR installiert. In den Leitungspositionen gibt es noch heute keine oder sehr wenige Ossis (laut Steffen Mau, Lütten Klein sind nur 13,3% der Richter*innen im Osten Ossis.). Wie Ihr selbst schreibt, wurden die Täter von Connewitz, Neo-Nazis, die zu Hunderten kamen und einen (linken) Stadtteil platt gemacht haben, auch fünf Jahre nach dem Vorfall nicht bestraft (taz: 11.01.2021, Schleppende Aufklärung). Einer der Täter macht gerade sein Jura-Referendariat … Kürzlich hattet Ihr einen Artikel über einen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsheim in Lübeck 1995 (taz: Hoyerswerda, Solingen, Lübeck!). Die mutmaßlichen Täter sind bekannt, die Beweise erdrückend, angeklagt wurde ein Geflüchteter. Ein Justizskandal ohnegleichen. Die Vertuschenden in Polizei und Gerichten sind aus dem Westen. Das Fazit, das man ziehen kann und muss, ist, dass das ganze Land ein einziger brauner Sumpf ist. Entsprechend besetzte Stellen in Polizei und Justiz im Osten bereiten den Boden für die Saat der AfD und der Neonazi-Netzwerke.
Wenn Sie nun vorschlagen, nicht mehr in den Osten zu reisen, ist das selbstgerecht und billig. Und es würde nicht zur Lösung des Problems beitragen, sondern es verschärfen. Nach der Wende wurden alle Printmedien vom Westen übernommen, Wessis schreiben über Ossis. Von oben herab, pauschalisierend, so wie Sie in diesem Artikel. Oft ohne Sachkenntnis. Das hat dazu geführt, dass viele sich einfach abgewendet haben und die West-Medien (#Lügenpresse) nicht mehr rezipieren. Diese Lücke kann dann die AfD mit entsprechenden Alternativangeboten nutzen und das hat sie auch getan. Ihr (die Westmedien) habt die Ossis verloren (jedenfalls den AfD-wählenden Teil der Ostdeutschen). Es nützt nichts, wenn die Tagesschau oder irgendwelche Printmedien über die Corona-Pandemie berichten, denn das kommt an den entsprechenden Stellen nicht mehr an. Mit Verschwörungsthesen, Populismus und Rassismus finden AfD und friends offene Ohren. In der Wikipedia gibt es eine interessante Seite zur Diskriminierung von Ostdeutschen, auf der entsprechende Studien zum White-Trash in den USA und zu den Entsprechungen im Osten verlinkt sind. Menschen, denen es nicht gut geht, treten nach unten. Menschen, die sich ungerecht behandelt fühlen, begehren auf. Ihr Artikel trägt da nicht zu einer Lösung bei. Im Gegenteil.
Stellen Sie sich einfach vor, es würde jemand einen Artikel mit der Überschrift Reisende, meidet Nordrhein-Westfalen! schreiben, weil es in NRW ganze Stadtteile gibt, in denen nur Nazis wohnen (Dokumentation: 28.09.2020. pro sieben spezial: Rechts.Deutsch.Radikal, wikipedia: Dortmund Dorstfeld). Lächerlich, oder? Es funktioniert nicht. Es funktioniert nur andersrum, aus einer Position der Stärke.
Ihr Artikel ist von derselben Art wie der vor einigen Jahrzehnten ebenfalls in der taz erschienene von Eberhard Seidel-Pielen, in dem er vorschlug, dem Osten die Mittel zu streichen, bis die Ossis Demokratie verstanden hätten: pauschalisierdend, verletzend, arrogant und mies. Lieber Herr Liske, wenn Sie sich in den vergangen Tagen wie Tucholsky gefühlt haben sollten, kann ich Ihnen nur sagen: Sie sind ganz weit weg davon. Ganz weit.
PS: Beim Schreiben von E‑Mails gibt es ja mitunter Probleme, weil diese viel härter ausfallen als das, was man Personen ins Gesicht sagen würde. Bei Zeitungsartikeln ist das wahrscheinlich so ähnlich. Vielleicht stellen Sie sich ja bei Ihrem nächsten Artikel vor, dass Sie mit einem 50jährigen Ossi in einer Kneipe sitzen und diesem erzählen, was Sie demnächst über ihn schreiben werden. Ich würde mich auch als Testperson zur Verfügung stellen. Das Angebot gilt auch für andere taz-Autor*innen.
Nee? Wollen Sie nicht? Und ist Ihnen auch egal, was die Ossis so denken? Dann weiß ich nicht mehr weiter, dann ist dieses Land verloren.